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Bundesblatt

76. Jahrgang.

Bern, den 2. April 1924.

Band I.

Erscheint wöchentlich frets mi Franken Im Jahr, W Franken Im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr: 60 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franke an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Ber*.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Errichtung und Erweiterung von Gasthöfen.

(Vom 24. März 1924.)

I.

Als die schwere Krisis der schweizerischen Fremdenindustrie den Bundesrat veranlagste, durch seine Verordnung vom 2. November 1915 betreffend Schutz der Hotelindustrie gegen Folgen des Krieges eine besondere Stundung zugunsten der Hoteleigentümer einzuführen, verband er damit in den Art. 27 bis 30 der Verordnung das V e r b o t d e r E r s t e l l u n g u n d E r w e i t e r u n g von H o t e l s und Fremdenpensionen, um die bestehenden Betriebe vor weiterer Konkurrenz zu schützen. Bei Aufhebung jenes Noterlasses gingen die erwähnten Beetimmungen unverändert in die Verordnung vom 18. Dezember 1920 betreffend die Nachlassstundung, das Pfandnachlassverfahren für Hotelgrundstücke und das Hotel bau verbot Über, als deren Art. 52 bis 54 sie heute noch in Kraft stehen. Danach dürfen ohne Bewilligung des Bundesrates weder neue Hotels und Fremdenpensionen erstellt, noch bestehende behufs Vermehrung der Bettenzahl baulich erweitert, noch bisher andern Zwecken dienende Bauten zur gewerbsmässigen Beherbergung von Fremden verwendet werden; die Bewilligung aber wird vom Bundesrat erteilt, wenn ein Bedürfnis glaubhaft gemacht und der Finanzausweis geleistet ist.

Auf Ende des Jahres 1925 wird die Verordnung vom 18, Dezember 1920 gemäss ihrem Art. 55 ausser Kraft treten.

Durch den beiliegenden Entwurf eines Bundesgesetzes schlagen wir Ihnen vor, dem während des Krieges gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Hotelbauverbot wenigstens Bandesblatt. 76! Jahrg. Bd. I.

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für eine bestimmte Dauer g e s e t z l i c h e Kraft und Geltung zu verleihen. Wäre die heute noch in weitem Umfang andauernde Notlage der Hôtellerie unseres Landes lediglieh den Einflüssen und Nachwirkungen des : Krieges zuzuschreiben, eo möchte die Aufrechtorhaltung und Konsolidierung des Bauverbots über die Lebensdauer der Notverordnung hinaus bedenklich erscheinen.

Aber so liegen die Dinge nicht. Es ist sattsam bekannt, dass unser .Hotelgewerbe längst vor Ausbruch des Weltkrieges an einer starken Überproduktion der Betriebe litt. Unter dem Schutz der Gewerbefreiheit und wohl unter dem Einfluss einzelner Perioden der Prosperität des Hotelgewerbes entstanden viele überflüssige, oft auch finanziell ungenügend fundierte Unternehmen.

Die Folgen zeigten sich in übertriebener Konkurrenzierung, die ihrerseits wieder vielfach ganz ungenügende Betriebsergebnisse zur Folge hatte, auch wo die Fremdenfrequenz an sich befriedigend war.

Abgesehen also auch von den verheerenden Wirkungen des Krieges, die hier nicht näher zu erörtern sind, war die Entwicklung der Hotelindustrie in der Schweiz längst eine ungesunde geworden; ihre Aussichten für die. Zukunft wurden angesichts der wachsenden Überzahl von Betrieben immer trüber. Die grosse Bedeutung dieser Industrie im Wirtschaftsleben unseres Landes gestattet aber nicht, an der Erscheinung achtlos vorüberzugehen, sie drängt vielmehr dazu, Mittel und Wege zu suchen, um der Hotelindustrie wieder die Möglichkeit einer erfreulicheren Entwicklung zu eröffnen. Die Einführung der Bedürfnisklausel wird dazu dienen, eines der Hemmnisse ihrer Prosperität, die Überproduktion an Betrieben, wenigstens in Zukunft einzudämmen.

Freilich kann sie die Zahl der vorhandenen Hotels und Pensionen nicht vermindern, sondern muss sich damit begnügen, ihre Vermehrung in den gebotenen Grenzen zu halten. Die Ausschaltung offenbar überflüssiger Betriebe, die in noch wirksamerer Weise die Rentabilität der übrigen zu heben vermöchte, lässt sich nur auf freiwilligem Wege erreichen. In der Tat ist sie als eine Aufgabe der unlängst gegründeten Hoteltreuhandgesellschaft ins Auge gefasst worden, indem nach § 2 der Statuì en derselben die Sanierung unter anderem durch Mitwirkung bei Liquidationen, Stillegungen und Überführung von Hotelgeschäften in Unternehmungen mit anderer wirtschaftlicher
Zweckbestimmung gefördert werden soll. Solche Bestrebungen wären aussichtslos, wenn sie anderseits wieder durch beliebige Vermehrung der Betriebe durchkreuzt werden könnten. Schliesslieh haben auch die Gläubiger von Hotelunternehmungen, denen durch

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die verschiedenen Stundungs- und Naehlassverordnungen vielfach schwere Opfer zugemutet wurden, ein Anrecht darauf, dass nach Möglichkeit wenigstens für die Sicherheit ihrer Forderungen in der Zukunft gesorgt werde, und hierfür ist die Pernhaltung ruinöser Konkurrenz von ihren Schuldnern ein wesentliches Erfordernis. Auch diese Erwägung hat einen ausschlaggebenden Einfluss auf die hier vorgelegte Lösung ausgeübt.

Während des Krieges und bis heute noch mochte ein Hotelbauverbot entbehrlieh scheinen, indem die Ungunst der Zeit und die Schwierigkeit der Geldbeschaffung die Gründung oder Erweiterung von Hotelbetrieben ohnehin sehr ersehwerten. Immerhin hatte eich der Bundesrat in den acht Jahren seit Inkrafttreten der Verordnung (10. November 1915 bis 31. Dezember 1923) mit 88 Gesuchen zu befassen, von welchen allerdings ll durch Nichteintreten erledigt wurden, weil es sich erwies, dass eine Bewilligung nicht notwendig war. Von den 77 materiell behandelten Gesuchen wurden 64 bewilligt, sei es vorbehaltlos, sei es unter bestimmten Einschränkungen oder Vorbehalten, und 13 abgewiesen. Eine besondere Stellung nahmen die Bauten ein, die beim Inkrafttreten der Verordnung von 1915 .schon vorbereitet oder begonnen waren ; sie konnten gemäsa der Übergangsbestimmung des Art. 30 auch ohne Nachweis des Bedürfnisses bewilligt werden und erhielten fast ausnahmslos die Bewilligung. Abgesehen davon hatten manche Gesuche Projekte mit spezifischer Zweckbestimmung (wie Sanatorien, Bäder, Erholungsstätten für Leidende und Rekonvaleszenten) zum Gegenstand, der zufolge die Bedürfnisfrage sich von vornherein günstiger darstellte und eine Konkurrenzierung der übrigen Hotelindustrie weniger zu befürchten war. Der Überblick über die bisherige Anwendung der Verordnung zeigt zugleich, dass das Bauverbot nicht schablonenhaft gehandhabt werden kann, vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls geprüft und abgewogen werden müssen.

Übrigens darf die Bedeutung des Bauverbots nicht nur nach der Zahl und dem Erfolg der tatsächlich gestellten Gesuche beurteilt werden; auch die prophylaktische Wirkung ist nicht zu übersehen. Die blosse Existenz des Gesetzes, das eine behördliche Bewilligung verlangt, wird dämpfend auf die Bau- und Unternehmungslust einwirken und zur Folge haben, dass manches ungesunde Projekt mit schlechten Aussichten
überhaupt unterbleibt.

Grössere Bedeutung als in den vergangenen Kriegs- und Krisenjahren wird das Bauverbot in Zukunft erhalten, wenn, wie zu hoffen, der Fremdenverkehr wieder kräftiger einsetzt und der

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Hotelindustrie wieder bessere Aussichten eröffnet. Dann werden auch die Hemmungen, die während des Krieges neuen Hotelunternehmen im Wege standen, sich mindern oder verschwinden, der Optimismus wird wieder aufwachen und ohne allzu grosse Bedenken geneigt sein, neue Betriebe zu gründen und bestehende zu erweitern. Die Anzeichen dafür zeigen sich schon in letzter Zeit in einem deutlichen Anwachsen der Zahl der Gesuche (im Jahre 1923 33 Gesuche gegenüber durchschnittlich etwa 8 in den vorhergehenden Jahren). Da wird denn das Gesetz dafür sorgen, dass der alte und verhängnisvoll gewordene Fehler schrankenloser Überproduktion sich nicht wiederholt.

II.

Die Unterwerfung des Gasthofgewerbes unter den Bewilligungszwang bedeutet einen Einbruch in die verfassungsmässig garantierte Gewerbefreiheit. In der auf die ausserordentlichen Vollmachten sich stützenden Verordnung konnte der Bundesrat sich über diese Schranke hinwegsetzen. Es fragt sich, ob und unter welchen Voraussetzungen dies auch dem Gesetz möglich ist, wie es mit seiner v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e n G r u n d lage steht.

Das vorgeschlagene Bundesgesetz kann nur gestützt auf Art. 34tl>r der Bundesverfassung erlassen werden, der dem Bund die Befugnis überträgt, auf dem Gebiet des Gewerbeweseus einheitliche Bestimmungen aufzustellen. Das Verhältnis dieser Vorschrift zu Art. 31 B V ist unklar. Es kommt in der Verfassung nicht zum Ausdruck, ob Art. 34ter nur unter Vorbehalt des Art. 31 gelten oder aber diesem vorgehen soll, ob also der Bund in seiner Gewerbegesetzgebung wie die Kantone an den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit gebunden sein soll oder nicht. Würde ersteres angenommen, so wäre der Bundesgesetzgeber auf den Erlass von gewerbepolizeilichen Vorschriften beschränkt, wie sie in Art. 31, lit. e, den Kantonen vorbehalten sind. Der Bund könnte also wie diese nur durch Bestimmungen über die Ausübung von Gewerben schädlichen Wirkungen des Gewerbebetriebs aus polizeilichen Gründen entgegentreten, dagegen wäre es ihm verwehrt, aus wirtschaftspolitischen Gründen die freie Konkurrenz in irgendeinem Gewerbe zu beschränken.

Eine so enge Begrenzung der Gesetzgebungskompetenz hätte aber doch wohl im Wortlaut der Verfassungsbestimmung zum Ausdruck kommen müssen ; die Fassung des Art. 34ter, der im Gegensatz zu Art. 31, lit. e, keinen Vorbehalt macht, spricht jedenfalls eher für die weitere Auslegung.

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Wir halten in der Tat dafür, dass die allgemeinere Norm des Art. 31 BV durch die speziellere des Art. 34ter eine Einschränkung erfahren hat, in dem Sinne, dass der Bund in seiner Gesetzgebung nicht unbedingt an den Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit gebunden ist; Daraus folgt noch nicht, dass diese Schranke für den Bundesgesetzgeber jede Bedeutung verloren habe. Auch der Bund wird den Grundsatz der Gewerbefreiheit nur dann und insoweit antasten, als es zur Lösung der übernommenen Aufgabe unumgänglich notwendig erscheint. Diese Voraussetzung trifft zu. Denn es leuchtet ein, dass die gesetzliche Normierung eines Gewerbes zu dem Zwecke, die aus einer bis zum Missbrauch ausgenutzten Konkurrenzfreiheit erwachsenen Übelstände zu bekämpfen, ihr Ziel nicht ohne Einschränkung dieser Freiheit erreichen kann.

Verschiedene Kantone haben den Erlass des Gesetzes als unnötig bezeichnet, mit der Begründung, die kantonale Gesetzgebung setze sie ohnehin instand, die Eröffnung neuer Gasthöfe nach Massgabe des Bedürfnisses zu beschränken. Diese Auffassung ist unrichtig. Eine Beschränkung der Gewerbetreibenden ihrer Zahl nach ist den Kantonen nur nach Art. 31, lit. c, der Bundesverfassung, also nur in bezug auf das Wirtschaftswesen und den Kleinhandel mit geistigen Getränken, mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl gestattet. Das Gasthofgewerbe ist aber mit dem Wirtschaftsgewerbe nicht identisch, unterscheidet sich vielmehr von ihm durch den Beherbergungszweck, .dem die Verabreichung von Speisen und Getränken untergeordnet ist. Der Bundesrat hat denn auch im bekannten Rekursentscheid Wagner vom 8. August 1911 (Bundesbl. 1911, IV, S. 20 ff.) festgestellt, dass ein Betrieb, sobald er sich als Gasthof (Hotel) und nicht als Wirtschaft qualifiziert, von den Kantonen nicht der Bedürfnisklausel unterworfen werden darf. Seither hat übrigens das BundeBgericht die Bedeutung des Art. 31, lit. c, dahin präzisiert, dass . die den Kantonen hier vorbehaltene Einschränkung der Gewerbefreiheit einzig die Bekämpfung der Gefahr des Alkoholismus bezwecke und sich daher nicht auf alkoholfreie Wirtschaften erstrecke (Vgl.

BGE. 40, I, S. 32 ; 41, I, 8. 46 ff.). Diese Umschreibung lässt die Verschiedenheit der Gesichtspunkte umso deutlicher erkennen ; es ändert nichts au der Qualifikation eines Betriebes als Gasthof, ob den Gästen
geistige Getränke verabreicht werden oder nicht.

Die Anwendung der Bedlirfnisklausel nach Massgabe der kantonalen Wirtschaftsgesetzgebung auf Gasthöfe wäre demnach verfassungswidrig, und es lässt sich dieser Zweck nur durch ein auf Art. 34'*r der Verfassung sich stützendes Bundesgesetz erreichen.

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III.

Die B e d ü r f n i s k l a u s e l wird aber ohne Zweifel auch N a c h t e i l e mit sich bringen. Das lehren die Erfahrungen, die in den Kantonen mit der Bedürfnisklausel im Wirtschaftsgewerbe gemacht werden. Dort wirft man ihr als bedenkliche Folgen namentlich künstliche Erhöhung des Wertes der Liegenschaften, Handel mit Wirtschaftspatenten und Willkür der Behörden in der Beurteilung der Bedürfnisfrage und der Erteilung der Patente vor. Werden diese Mängel teils wirtschaftlicher, teils rechtlicher Natur auch für die ßedürfnisklausel im Hotelgewerbe zu befürchten sein?

Am bedenklichsten erscheint die Gefahr einer unnatürlichen Erhöhung des Verkehrs wertes der Hotelliegenschaften als Folge der durch den Bewilligungszwang geschaffenen Monopolstellung.

Im Vertrauen auf den Schutz vor weiterer Konkurrenz wird bei Handänderung der Käufer leicht geneigt sein, für ein Unternehmen mehr zu bieten, als. es nach seinem Ertrag wert ist, und der Verkäufer wird diese Situation ausnutzen. Ein zu hoher Übernahmepreis schmälert aber wieder die Rendite und wird dadurch zu einer Gefahr, die den Vorteil der Fernhaltung der Konkurrenz teilweise oder gänzlich zerstören kann. Diese Gefahr trifft nicht den gegenwärtigen Besitzer, der im Gegenteil aus der Sachlage Gewinn zieht, wohl aber den künftigen Erwerber, und sie müsste sich mit der Zeit immer stärker geltend machen, in dem Masse, als allmählich immer mehr Hotelliegenschaften in andere Hände übergehen. Damit könnte aber der Zweck, des Gesetzes mehr oder weniger illusorisch werden, da ja hier die Beschränkung der Konkurrenz gerade die Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung der bestehenden Betriebe schaffen soll, während sie beim Wirtschaftsgewerbe Ziele der öffentlichen Wohlfahrt verfolgt, die durch eine als Nebenfolge eintretende Wertsteigerung der Wirtschaften nicht berührt werden.

Diese Gefahr ist jedenfalls solange nicht allzusehr zu fürchten, als die Krisis im Hotelgewerbe andauert. Wir suchen ihr aber trotzdem durch eine B e f r i s t u n g der G e l t u n g s d a u e r d e s G e s e t z e s zu begegnen. Nach Art. 11 des Entwurfs soll das Gesetz von seinem Inkrafttreten hinweg vorerst nur sieben Jahre, d. h. bis Ende des Jahres 1932 gelten. Vorbehalten bleibt aber die Möglichkeit, vor Ablauf dieser Frist durch einen neuen gesetzlichen Erlass die Wirksamkeit des Gesetzes auf eine neue bestimmte Dauer zu verlängern und dieses Verfahren jeweilen vor Ablauf der festgesetzten Zeit zu erneuern. Durch diese

051 Bestimmung wird die Bedürfnisklausel für geraume Zeit aufrechterhalten und damit dem Hotelgewerbe einstweilen der nötige Schutz fernerhin gewährt. Die Unsicherheit darüber, ob die Klausel die zunächst vorgesehene Frist überdauern oder vielmehr wieder der uneingeschränkten Gewerbefreiheit Platz machen wird, beraubt sie aber zu einem guten Teil des wertsteigernden Effektes, weil sie nur eine zeitlich sehr beschränkte Garantie; gegen neu einsetzende Konkurrenz; zu bieten vermag. Der Erwerber einer Hotelliegenschaft wird den Schutz einer Klausel, die in wenigen Jahren dahinfallen kann, nicht teuer bezahlen. Das gilt im Falle der Verlängerung der Wirksamkeit auch für alle folgenden Perioden, die jedenfalls nicht zu lang bemessen werden sollten. So werden sich Übelstände, wie sie im Schacher rnit Wirtschaftspatenten etwa zutage treten, vermeiden lassen, und das Gesetz wird seinen Zweck erfüllen, solange es notwendig erscheint. Kann einmal das Hotelgewerbe des Schutzes der Bedürfnisklausel entraten, so wird die Bundesversammlung von einer Verlängerung absehen, und das Gesetz tritt ausser Kraft.

Die Schwierigkeit objektiver, jede Rechtsungleichheit vermeidender Beurteilung der Bedürfnisfrage ist nicht zu leugnen, doch dürfte sie eher geringer einzuschätzen sein als im -Wirtechaftsgewerbe. Die Notwendigkeit eines neuen Gasthofes wird sich im allgemeinen mehr als das Bedürfnis für eine neue Wirtschaft nach objektiven Gesichtspunkten entscheiden lassen ; Frequenz und Rendite der am Orte oder in der Gegend bereits bestehenden Betriebe in Verbindung mit allfälligen, den Fremdenverkehr beeinflussenden Umständen oder besondern Eigenschaften des zu gründenden oder zu erweiternden Unternehmens bieten dafür, wie die bisherige Anwendung der Verordnung bewiesen hat, in der Regel ziemlich zuverlässige Grundlagen.

Eine Benachteiligung befürchtet von dem Gesetze das Baugewerbe zufolge der Beschränkung von Hotelneu- und Erweiterungsbauten. Die Rücksicht auf dieses Gewerbe muss aber vor dem überwiegenden Interesse an der Gesundung der Hotelindustrie in den Hintergrund treten, zumal da das Baugewerbe auch ohne Beschränkung der Hotelbauten auf diesem Gebiete auf lange Zeit hinaus nicht viel zu erwarten hat, dagegen im Wohnungsbau eine um so dringendere Aufgabe findet. Jedenfalls hat das Baugewerbe, wie die Erfahrung
lehrt, kein wohlverstandenes Interesse an ungesunden Baukrediten.

Scbliesslich werden durch das Bauverbot auch die Interessen der Hotelangestellten insofern betroffen, als manche der letztern

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danach streben, zuweilen auch mehr oder weniger darauf angewiesen sein mögen, eich nach Erwerbung hinreichender Kenntnisse und Erfahrungen in dem Gewerbe durch Übernahme eines eigenen Betriebes zu verselbständigen. Diese Möglichkeit wird durch das. Gesetz stark eingeschränkt. Aber gerade die schrankenlose Betätigung des Verselbständigungsdranges im Hotelgewerbe hat in der Vorkriegszeit viel Unheil angerichtet. In Wahrheit laufen die Interessen der Hotelbesitzer mit denen der Angestellten in dieser Hinsicht parallel. Auch das Personal wird aus einem Aufblühen des Hotelgewerbes Vorteil ziehen, wie es unter seiner Not mitleidet, und es sollte jedenfalls vermieden werden, dass dem Gewerbe aus den Keihen des eigenen Personals durch verfehlte, aussichtslose Gründungen eine verderbliche Konkurrenz erwachse. In der Tat stimmen denn auch die Organisationen des Hotelpersonals wenigstens einer befristeten Bedürfnisklausel grundsätzlich zu.

IV.

Bei Genehmigung der Geschäftsführung des Bundesrates im Jahre 1921 hat der Nationalrat am 29. September 1922 folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob und wie die A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e der H o t e l i n d u s t r i e u n d d e s G a s t h o f g e w e r b e s i n Verbindung mit den interessierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen geregelt werden können. a Es liesse sich in Erwägung ziehen, ob nicht das vorgeschlagene Bundesgesetz inhaltlich zu erweitern und durch Einbeziehung auch der Arbeitsverhältnisse des Personals zu einem das Gasthofgewerbe überhaupt umfassenden und normierenden Gesetz auszugestalten sei. Wir haben davon abgesehen, den Entwurf in diesem Sinne zu erweitern, und würden ein solches Vorgehen nicht für empfehlenswert halten. Die Lösung der durch das Postulat aufgeworfenen Fragen wird, wie die mit den Berufsverbänden eingeleiteten Verhandlungen ergeben haben, schwierig und zeitraubend sein ; es kann heute nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden, ob eine besondere gesetzliche Regelung der Arbeit im Gasthofgewerbe möglich und notwendig sein wird und nicht der Weg der Verständigung unter den Verbänden mehr Erfolg verspräche. Die Einbeziehung dieses Gegenstandes würde das Zustandekommen des Gesetzes gefährden, jedenfalls erheblich verzögern, und es darf füglich bezweifelt werden, ob bis Ende 1925 ein so erweitertes Gesetz in Kraft treten könnte. Dazu kommt, dass die Ordnung der Arbeitsverhältnisse im Gasthof-

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gewerbe, sofern sie Überhaupt notwendig erscheint, dann eine dauernde sein musa, während die Geltung der Bedürfnisklausel zeitlich beschränkt werden soll. Es dürfte deshalb richtiger und zweckmässiger sein, die gegenwärtige Vorlage auf den Bewilligungszwang zu beschränken und die durch das Postulat aufgeworfene Frage einer selbständigen Prüfung und Lösung vorzubehalten.

V.

Bei der Formulierung der Einzelbestimmungen liegt eine Schwierigkeit vorerst in der A b g r e n z u n g des G e l t u n g s b e r e i c h e s des Gesetzes. Was für Betriebe sollen dem letztern unterstellt werden ? Während die Verordnung von ,,Hotels und Fremdenpensionen" spricht, bedienen wir uns im Entwurf durchgehend des Ausdrucks ,,Gasthof, den wir freilich durch eine Legaldefinition (Art. l, Abs. 2) zu verdeutlichen suchen. Wie schon durch die Verordnung, sollen auch durch das Gesetz die Unternehmen der eigentlichen Hotelindustrie getroffen werden, d. h. jedes zur gewerbsmässigen Beherbergung von Gästen bestimmte Gebäude. In dieser Umschreibung hat der Bundesrat schon bisher das Kriterium für die Unterstellung gefunden, Demgemäss hat er z. B. die Verordnung anwendbar erklärt auf Bäder und Sanatorien, vorausgesetzt, dass die Aufnahmebedingungen nicht beschränkt waren, auf ein alkoholfreies Logierhaus, auf ein sog. Hôtel garni (Logierhaus ohne Wirtschaftsbetrieb), auf ein Gebirgshospiz, Wo dank einer spezifischen Zweckbestimmung die konkurrenzierende Wirkung gegenüber dem gewöhnlichen Gasthofgewerbe gemindert erschien, pflegte der Bundesrat in der Beurteilung der Bedürfaisfrage einen mildern Massstab anzulegen. Dagegen sollen weder Spitäler und Privatkliniken noch Anstalten (Versorgungs-, Erziehungs- und Lehranstalten, Internate) unter das Gesetz fallen. Soweit sie Personen gewerbs-, massig beherbergen, können diese doch nicht als ,,Gäste" bezeichnet werden, und die Beherbergung erscheint hier nicht wie beim Gasthof als Hauptzweck, sondern als Begleiterscheinung eines für den Charakter des Hauses ausschlaggebenden andern Zweckes (der Heilung, Versorgung, Erziehung).

Eine sehr wichtige Kategorie der Hotelindustrie bilden die sog. Pensionen, d. h. Gasthofbetriebe, die (im Gegensatz zu Passantenhotels) vorzugsweise auf die Beherbergung von Personen und Familien auf eine gewisse Dauer eingerichtet sind.

Es ist klar, dass auch sie unter das Gesetz fallen müssen, und zwar auch dann, wenn sich, wie >es vorkommt, bei wesentlich

554 hotelmässigem Betrieb Gäste monate- oder jahrelang darin aufhalten, sofern wenigstens nicht das Verhältnis in eigentliche Wohnungsmiete umschlägt. Dagegen zählen wir weder die namentlich in der Westschweiz sehr verbreiteten Pensionate für junge Leute noch die ebenfalls ,,Pensionen" genannten Kostgebereien für Ortsansässige, die zuweilen auch Zimmer abgeben, zur Hotelindustrie. Wir haben, in Anlehnung an die Verordnung, durch den Ausdruck ,,Fremdenpensionen" die dem Bewilligungszwang zu unterwerfende Art von Pensionen hervorzuheben versucht.

" < ' Auch mit der vorgeschlagenen Legaldefinition lässt sieh übrigens der Geltungsbereich des Gesetzes nicht ganz eindeutig abgrenzen. Wird die Anwendbarheit im einzelnen Fall zweifelhaft, so ist die Frage von der für die Erteilung der Bewilligungen zuständigen Behörde (Art. 4 und 5) zu entscheiden.

Sollte sich ein Bedürfnis herausstellen, so kann der Bundesrat auf dem Verordnungswege eine ins Einzelne gehende Ausscheidung vornehmen (Art. 10).

Als H a n d l u n g e n , d i e einer B e w i l l i g u n g bed ü r f e n , zählt Art. l, Abs. l, auf: a. Erstellung eines neuen Gasthofes, d. h. eines unter Abs. 2 des Art. l fallenden Etablissements; b. Vermehrung der Zahl der Gastbetten eines bestehenden Gasthofes, sei sie mit einer baulichen Erweiterung verbunden oder nicht ; c. Dauernde Verwendung von Räumen, die bisher andern Zwecken dienten, zur gewerbsmässigen Beherbergung von Gästen.

Darunter fällt vor allem die Einrichtung eines Gasthofbetriebs in einem bisherigen Privat- oder andern Hause, Auch dann würden wir eine Bewilligung für erforderlich halten, wenn ein Hotelier durch Miete von Privatzimmern zur Unterbringung von Gästen seinen Betrieb tatsächlich über den bisherigen Umfang hinaus erweitert, sofern es sich nicht nur um gelegentliche Inanspruchnahme von Privatzimmern bei augenblicklichem starkem Andrang von Gästen handelt. Der letztere, als Notbehelf etwa vorkommende Fall könnte dem Bewilligungszwang schwerlich unterworfen werden, schon weil die Vorschrift sich praktisch nicht durchführen liesse. Eine Bewilligung ist ferner nicht erforderlich hei bloss zeitlicher Ausdehnung des Betriebes, wenn also z. B. ein bisher nur im Sommer geöffnetes Hotel zum Winteröder durchgehenden Jahresbetrieb übergehen soll. Auch hierin liegt zwar eine Mehrung der Konkurrenz; allein es würde zu

555 weit gehen, die behördliche Kontrolle auch auf die Intensität der Ausnützung der einmal bestehenden Hotelunternehmen ausdehnen zu wollen. In der Regel wird übrigens ein möglichst lange dauernder oder durchgehender Betrieb die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens erhöhen, Den Kernpunkt der Vorlage bildet die B e d ü r f n i s k l a u s e l (Art. 2). Es könnte sich fragen, ob das Gesetz die einzelnen für die Beurteilung der Bedürfnisfrage massgebenden Faktoren nennen solle. Allein es müsste darin einerseits notwendig lückenhaft bleiben, da es die mannigfach wechselnden Umstände nie erschöpfend aufzuzählen vermöchte; anderseits könnten gesetzliche Vorschriften für die Beurteilung des Bedürfnisses sich leicht als lästige Fesseln erweisen. Dem Ermessen der entscheidenden Behörde muss hier, wie schon die Anwendung der Verordnung gezeigt hat, notwendig ein gewisser Spielraum gelassen werden, zumal da ja auch nicht ein strikter Beweis des Bedürfnisses verlangt werden kann, das Gesetz sich vielmehr mit blosser Grlaubhaftmachung begnügt.

Nur auf eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung mag hingewiesen werden. Die bisherige, auf die Verordnung sich stützende Praxis des Bundesrates zog bei der Prüfung des Bedürfnisses nur den Ort selbst und seine nähere Umgebung in Betracht; sie untersuchte also, ob in diesem Kreis für eine Vermehrung der Bettenzahl in der Kategorie von Betrieben, der das geplante Unternehmen etwa zuzurechnen war, ein Bedürfnis angenommen werden könne. Eine andere Auffassung möchte die Fragestellung dahin erweitern, ob der Fremdenverkehr in der Schweiz im allgemeinen eine Vermehrung der Bettenzahl rechtfertige. Wir halten diese Auffassung nicht für richtig. So erstrebenswert es an sich wäre, in dei- Fremdenindustrie des Landes im ganzen betrachtet das Angebot der Nachfrage möglichst anzupassen, so darf man sich doch diesen Erfolg von dem vorgeschlagenen Gesetz nicht versprechen. Es wird diesem schwerlich gelingen, einen Ausgleich in dem Sinne herbeizuführen, dass die Überfüllung eines Fremdenplatzes einem andern zugute kommt, der noch Gäste aufnehmen kann, und in dieser Weise die Entschlüsse des reisenden Publikums zu beeinflussen, um den Fremdenverkehr an die gewünschten Orte hinzulenken. Die Wünsche der Reisenden, in etwelchem Masse auch die wechselnde Beliebtheit der einen oder andern
Gegend werden stärker sein als das Gesetz.

Die dauernde Frequenz eines Fremdenplatzes kann eben die Vermehrung der Betten daselbst als wirkliches Bedürfois erscheinen

556 lassen, während anderwärts Fremdenhotels leer stehen. Alsdann würde die Verweigerung jeder Bewilligung berechtigte Interessen schädigen, ohne doch anderseits den Erfolg mit Sicherheit herbeizuführen, der einzig die Ablehnung rechtfertigen könnte.

Als zweites Erfordernis für die Erteilung der Bewilligung verlangt die Verordnung, wie erwähnt, einen F i n a n z a u s w e i s .

Er soll, auch abgesehen von der Bedürfnisfrage, die Gründung von Hotelunternehmen verhindern, denen es von vornherein an einer soliden fi o anzi eli en Grundlage gebricht. Nach der Praxis wurde er auf die Projekte beschränkt, deren Ausführung bauliche Arbeiten (Neu- oder Umbauten) erfordert, dagegen bei Umwandlung eines Gebäudes zu einem Gasthof ohne bauliche Veränderungen nicht verlangt. Es kam ihm aber überhaupt eine geringe Bedeutung zu. Kaum eiu einziges Baugesuch ist bisher am Fehlen des Finanzausweises gescheitert. Gestützt auf diese Erfahrung schlagen wir vor, das Requisit im Gesetz f a l l e n z u l a s s e n , nm so mehr als zweifelhaft erscheint, wie weit es inhaltlich gehen soll, Man kann unter Finanzausweis die blosse Dokumentierung darüber verstehen, dass dem Bewerber die zum Bau erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, zum mindesten in der Form eines zugesicherten Baukredits. Diesen Nachweis zu verlangen, hat geringen praktischen Wert, denn wo schon die Mittel fehlen, werden in der Regel nicht Projekte aufgestellt werden. Mehr Berechtigung erhält dei- Finanzausweis, wenn er auch auf die Sicherheit des in einem Unternehmen zu investierenden Kapitals Bedacht nimmt. Die Beurteilung unter diesem Gesichtspunkt setzt aber eine Abschätzung der zu erwartenden Rendite voraus und wird deshalb stets eine sehr schwierige, oft unmögliche Aufgabe sein. Soweit es übrigens die aufzunehmenden Kapitalien betrifft, besteht nach den Erfahrungen der Kriegsjahre wahrlich nicht mehr dio Gefahr unvorsichtiger Belehnung von Hotelunternehmen ; die Hypothekargläubiger werden in erster Linie selbst für ihre Sicherheit sorgen, und darin liegt schon eine sehr wirksame Käutel gegen finanziell ungenügend fundierte oder gar aussichtslose Gründungen. Wir glauben, es könne ohne Gefahr auf den Finanzausweis verzichtet werden ; er würde neben der Bedürfnisklausel eine ganz untergeordnete Rolle spielen.

Es ist vorgeschlagen worden, dem
objektiven Erfordernis des Bedürfnisses ein subjektives beizufügen, dahingehend, dass der Gesuchsleller sich über seine Befähigung zum Hotelierberuf auszuweisen habe. Wohl vermöchte eine solche Erschwerung etwelche Garantie für die rationelle Führung dés Betriebes zu

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bieten und wäre insofern zu begrüssen. Allein folgerichtig musate dann der Befähigungsausweis bei jeder Handänderuiig vom Erwerber verlangt werden, und es läge darin ein weit schwererer, durch den Zweck des Gesetzes kaum noch zu rechtfertigender Eingriff in die Gewerbefreiheit.

Das V e r f a h r e n zur Erlangung der Bewilligung schlagen wir im Entwurf (Art. 4--6) anders als in der Verordnung zu gestalten vor. Nach der letztern werden die Bewilligungen vom Bundesrat erteilt, zu dessen Händen die Kantonsregierung die Gesuche empfängt und begutachtet. Mochte diese KompetenzVerteilung sich in der Kriegszeit und während der Herrschaft der Notverordnung rechtfertigen, so verhält es sich unseres Erachtens anders für eine zu Gesetzesrecht gewordene Bedürfnisklausel. Zur Beurteilung einer solchen scheinen uns, wie im Wirtschaftsgewerbe, in erster Linie die kantonalen Behörden berufen, deren Gutachten schon bisher der Bundesrat nicht entbehren konnte. Die zuständige Behörde ist vom Kanton nach Massgabe des kantonalen Rechts zu bezeichnen, sofern sie sich nicht ohnehin aus diesem ergibt. Sie wird ihrerseits im Rahmen des Gebotenen die örtlichen Behörden begrüssen, Die kantonale Entscheidung ist aber nicht notwendig eine endgültige, sie unterliegt vielmehr, da sie in Anwendung eines Bundesgesetzes ergeht, gemäss dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 189, Abs. 2) der Beschwerde an den Bundesrat.

Die Möglichkeit der Anrufung der Bundesbehörde, die wir jedem durch den Entscheid in seinen Interessen Verletzten zugestehen möchten, bietet Gewähr für eine von örtlichen Rücksichten unabhängige, einheitliche Rechtsprechung. Insbesondere für die wichtigen und umstrittenen Fälle wird das Beschwerderecht Bedeutung haben, während bei geringfügigen Unternehmungen, die dessenungeachtet unter das Gesetz fallen (wie Eröffnung einer kleinen Pension, Erweiterung eines Betriebes um wenige Betten), die Beteiligten sich r egei massig beim Entscheid der kantonalen Behörde beruhigen dürften. Das Recht zur Beschwerde möchten wir angesichts der Formlosigkeit des Verfahrens möglichst weit ausdehnen und auch solchen in ihren Interessen vorletzten Personen und Verbänden gewähren, die von der kantonalen Instanz nicht angehört wurden. Zu diesen Verbänden zählen wir insbesondere auch die Hoteltreuhandgesellschaft,
der also das Rekursrecht zustehen soll, auch wenn ihr Gutachten nicht, wie es sich in manchen wichtigeren Fällen empfehlen wird, von Amtes wegen eingeholt worden ist. Anderseits schiene es uns, namentlich auch mit Rücksicht auf die unvermeidliche stärke Verschleppung des

558 Entscheides, zu weit zu gehen, wenn nach dem Bundesrat noch die Bundesversammlung angerufen werden könnte; wir haben demnach vorgesehen, von der in Art. l92 des Organisationsgesetzes gegebenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Weiterziehung an die Bundesversammlung auszuschliessen.

Die S a n k t i o n e n des Gesetzes sind die nämlichen wie schon in der Verordnung: einmal die Strafbestimmung des Art, 7, der die Vornahme der in Art, l umschriebenen Handlungen ohne zuvor erhaltene Bewilligung mit Busse bis zu zwauzigtausend Franken bedroht. Milder soll die Strafe sein, wenn der Fehlbare nicht einem die Bewilligung versagenden Entscheid zuwidergehandelt, sonderò die Einholung einer Bewilligung versäumt hat, sei es in Unkenntnis der Notwendigkeit einer solchen, sei es aus blosser Nachlässigkeit. Die zweite, von der Strafverfolgung unabhängige Form der Répression liegt in der Ermächtigung und Verpflichtung der kantonalen Behörden, nicht bewilligte Bauten und Betriebe tatsächlich zu verhindern, wozu sie sich im Falle der Notwendigkeit polizeilicher Gewalt bedienen können. Ist dennoch ein unter das Gesetz fallender Betrieb ohne Bewilligung eröffnet worden, so soll die letztere nachträglich eingeholt werden ; gelangt aber die Behörde zur Abweisung des Gesuches, so hat sie die Schliessung des Betriebes binnen angemessener Frist anzuordnen (Art. 8).

Das V e r h ä l t n i s des G e s e t z e s zur kantonalen Gesetzgebung^ insbesondere zu den k a n t o n a l e n W i r t s c h a f t s g e s e t z e n , stellt sich so dar, dass die Vorschriften beider Kategorien zur Anwendung gelangen. Ohne Rücksicht auf die von Kanton zu Kanton wechselnde Wirtschaftsgesetzgebung sind die Vorschriften des vorliegenden Gesetzes überall in der Schweiz gleichmässig anzuwenden, sobald ein Betrieb als Gasthof im Sinne des Gesetzes zu betrachten ist. Umgekehrt bleibt ein nach Massgabe dieses Gesetzes bewilligter Gasthof nichtsdestoweniger dem kantonalen Wirtschaftsgesetz unterworfen ; er kann zwar vom Kanton nicht verboten werden, bedarf aber des für die Betriebsform vorgeschriebenen kantonalen Patentes. Wir haben als zweckmässig erachtet, dieses Verhältnis im Gesetz (Art. 9) zum Ausdruck zu bringen.

Spätestens am 1. Januar 1926 muss das Gesetz i n K r a f t , t r e t e n (Art. 11), damit es die Ende 1925 dahinfallende
Notverordnung lückenlos ablösen kann. Über die Ordnung der G e l t u n g s d a u e r haben wir uns bereits ausgesprochen. Es bleibt nur noch beizufügen, dass bei dieser Ordnung niemals ein

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Entschädigungsanspruch gegen den Bund geltend gemacht werden könnte auf Gruud der. Tatsache, dass in einem bestimmten Zeitpunkt die Bedürfnisklausel und der durch sie gewährte Schutz gegen Konkurrenz dahinfällt, wenn die Wirksamkeit des Gesetzes nicht verlängert wird.

Übergangsbestimmungen sind keine erforderlich, nachdem der Bewilligungszwang schon seit November 1915 eingeführt ist und die damalige Verordnung (Art. 30) auf die vorbereiteten oder begonnenen Bauten Rücksicht nahm ; jene Fälle sind längst erledigt.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des beiliegenden Gesetzesentwurfs.

B e r n , den 24. März 1924.

.Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Chuard.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Errichtung und Erweiterung von Gasthöfen.

Die Bundesversammlung ' der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Art. 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 24. Marx 1924, -beschliesst: I. Bewilligung für Gasthof.

betriebe.

1. Erfordernis der Einholung.

Art. 1. Wer einen neuen Gasthof erstellen, die Zahl der Gastbetten eines bestehenden GasthoCes vermehren oder bisher andern Zwecken dienende Räume dauernd zur gewerbsmässigen Beherbergung von Gästen verwenden will, bedarf einer behördlichen Bewilligung.

Als Gasthof im Sinne dieses Gesetzes gilt jedes zur gewerbsmäsaigen Beherbergung von Gasten bestimmte Gebäude, mit Einsohluss der Fremdenpensionen.

Art. 2. Die Bewilligung wird erteilt, wenn ein Bedürfnis 2, Voraussetzung der für die Erstellung oder Eröffnung des geplanten Gasthofes oder Erteilung. die geplante Erweiterung eines bestehenden Gasthofbetriebes glaubhaft gemacht ist.

Art. 3. Die Bewilligung kann in beschränktem Umfang 3. Beschränkte sowie unter Bedingungen oder Auflagen, die auf die BedürfnisBewilligung. frage Bezug haben, erteilt werden.

Art. 4. Das Gesuch urn Erteilung der Bewilligung ist der II. Verfahren und Entscheid. zuständigen kantonalen Behörde einzureichen, die nach Vornahme 1. Kantonale der nötigen Erhebungen und Anhörung der Beteiligten entscheidet.

Behörde.

Der Entscheid wird samt Begründung der Gemeindebehörde, dem Gesuchsteller und den Personen, die im Verfahren Anträge gestellt haben, mitgeteilt; Bewilligungen werden publiziert.

2. Bundesrat.

Art, 5. Der Entscheid der kantonalen Behörde unterliegt nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege der Beschwerde an den Bundesrat.

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Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage.

Das Recht zur Beschwerde steht ausser dem Gesuchsteller der Gemeindebehörde sowie den durch den Entscheid in ihren Interessen verletzten Personen und Verbänden zu, auch wenn sie im Verfahren vor der kantonalen Behörde nicht angehört worden sind; für diese läuft die Beschwerdefrist von der Publikation der Bewilligung an.

Der Bundesrat entscheidet endgültig.

Art. 6. Ein abgewiesenes Gesuch kann nur beim Nachweis 3, Erneuerung des-Gesuches.

veränderter tatsächlicher Verhältnisse erneuert werden.

Art. 7. Wer ohne Bewilligung einen neuen Gasthof erstellt, MI. Massnahmen die Zahl der Gastbetten eines bestehenden Gasthofes vermehrt gegen Wideroder bisher andern Zwecken dienende Räume zur dauernden handlang.

gewerbsmässigen Beherbergung von Gästen herrichtet, wird mit 1. Bestrafung, Busse bis zu zwanzigtausend Franken bestraft.

Der nämlichen Strafe unterliegt, wer nach erhaltener Bewilligung die an diese geknüpften Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt.

Wurde die Einholung einer Bewilligung aus Nachlässigkeit oder Rechtsunkenntnis unterlassen, so ist die Strafe Busse bis zu zehntausend Franken.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 sind anwendbar.

Die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen liegt den- Kantonen ob.

Art. 8. Die Kantone sind gehalten, die Ausführung von Bauten und die Führung von Gasthofbetrieben, für welche die erforderliche Bewilligung nicht erteilt wurde, zu verhindern.

Ohne Bewilligung eröffnete Betriebe sind binnen angemessener Frist zu schliessen, sofern nicht nachträglich die Bewilligung erteilt wird, Art. 9. Ein diesem Gesetz gemäss bewilligter Gasthofbetrieb bleibt den Vorschriften unterworfen, denen er nach Massgabe der kantonalen Gesetzgebung unterliegt.

2. Administrative Maasnahmen.

IV. Vorbehalt des kantonalen Rechts.

Art. 10. Dem Bundesrat steht die Oberaufsicht über die V. Vollziehung Vollziehung dieses Gesetzes zu. Er kann auf dem Verordnungs- des Gesetzes.

wege Ausführungsbestimmungen erlassen.

Art. 11. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1926 in Kraft VI. Zeitliche Geltung des and gilt bis zum 31. Dezember 1932.

Gesetzes.

Bundesblatt. 76. Jahre. Bd. I.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Errichtung und Erweiterung von Gasthöfen. (Vom 24. März 1924.)

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1824

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02.04.1924

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545-561

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