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Botschaft dea

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues.

(Vom

27. Mai 1924.)

L Durch Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues wurden Abnahme und Preise für Weizen, Roggen und Korn (Dinkel, Spelz) aus den Ernten 1922, 1928 und 1924 durch den Bund geordnet. Darnach wurden für die Ernte 1922 folgende Preise je 100 kg festgesetzt: Weizen und Korn, entspelzt, Fr. 50, Eoggen Fr. 45, Korn, unentspelzt, Fr. 35. Für die zwei folgenden Erntejahre wurde ein Preis bestimmt, der je 100 kg Weizen 1928 um Fr. 12 und 1924 um Fr. 9 über dem durchschnittlichen Gestehungspreis franko Schweizergrenze für Auslandgetreide ähnlicher Qualität festzusetzen ist, 1928 aber mindestens Fr. 47 und höchstens Fr. 50 und 1924 mindestens Fr. 42 und höchstens Fr. 45 betragen soll. Die Bestimmung der zeitgemässen Preisabstufungen zwischen Weizen, Eoggen und Korn aus den Ernten 1928 und 1924 wurde dem Bundesrate übertragen. Gestützt hierauf haben wir die Preise je 100 kg der Ernte 1923 wie folgt festgesetzt: Weizen und Korn, entspelzt, Fr. 47, Eoggen Fr. 42, Korn, unentspelzt, Fr. 82.

Zu diesen Preisen wurden abgeliefert: A

us der Ernte

WeRoggen

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Korn

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Total

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Betragelrag Fr.

1922 . . . 21,200 20,800 5,230 8,480 50,160 22,833,002.75 1923 . . . 48,860 22,836 10,594 8,056 90,846 89,216,767.50 Infolge ungünstiger Witterung waren die Ernteerträge im Jahre 1922, besonders an Weizen und Korn, gering, wogegen 1928 im allgemeinen eine sehr ergiebige Getreideernte folgte. Hierauf sind die ungleichen Ablieferungen aus diesen beiden Ernten in der Hauptsache zurückzuführen.

463 Pie Preise für die Ernte 1924 sind noch nicht festgesetzt, werden aber, wie nach der gegenwärtigen Marktlage anzunehmen ist, das im Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922 bestimmte Minimum von Fr. 42 für 100 kg Weizen nicht übersteigen. Über das Erntejahr 1924 hinausgehende spezielle Massnahmen zur Förderung des Getreidebaues sind von der Eidgenossenschaft nicht angeordnet.

Bei der Behandlung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues haben wir Bericht und Antrag an die Bundesversammlung über die Sicherung der Brotversorgung in Aussicht gestellt. Diese Arbeit hat infolge der Schwierigkeiten, denen die Lösung der Aufgabe begegnet, mehr Zeit beansprucht, als seinerzeit angenommen wurde. Mit Botschaft vom 27. Mai 1924 betreffend die Sicherung der Getreideversorgung des Landes erstatten wir Ihnen nunmehr einen ausführlichen Bericht über die wichtige Frage. Darin werden Getreidebau und Getreideversorgung vor dem Kriege, während des Krieges und in der Nachkriegszeit behandelt und die Ergebnisse der Vorstudien für eine Neuordnung besprochen, um schliesslich die Massnahmen für die künftige Sicherung der Getreideversorgung unseres Landes ausführlicher darzulegen. Zum Schlüsse wird ein neuer Verfassungsartikel beantragt, durch den zunächst die Grundlagen für die Lösung des Problems geschaffen werden sollen. Die Ordnung der Massnahmen selbst bliebe der ordentlichen Gesetzgebung vorbehalten.

Die Erfahrungen des Krieges lassen es nicht nur als dringend wünschenswert, sondern als absolut notwendig erscheinen, dass Massnahmen für die Sicherung der Getreideversorgung des Landes getroffen werden. Die kritische Zeit, in der sich die Schweiz bei Kriegebeginn befand, ist noch in jedermanns Erinnerung. Daher müssen wir uns vorsehen. Als hauptsächlichste Mittel fallen in Betracht: die Unterhaltung von Getreidevorräten und die Förderung des inländischen Getreidebaues. Die Vorräte müssen den Landesbedarf auf eine bestimmte Zeit decken. Weil aber Vorräte ihrer Bestimmung nach verbraucht werden und sich nicht erneuern, BÖ ist insbesondere die inländische Getreideproduktion zu unterstützen und zu fördern. Damit wird einerseits der Landesversorgung gedient und anderseits wird im Landwirtschaftsbetriebe der Ackerbau begünstigt, der seinerseits geeignet ist, auf der Flächeneinheit
viel mehr Lebensmittel für die menschliche Ernährung zu produzieren, als dies auf dem Wege der reinen Gras- und Viehwirtschaft der Fall wäre. Zudem können in der Landwirtschaft, die Ackerbau treibt, bedeutend mehr Arbeitskräfte Verwendung finden, und diese Betriebsart ist auch geeignet, regelmässige und gesunde Beschäftigung zu bieten.

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Die Beratung der genannten Vorlage über die Sicherung der Getreideversorgung des Landes und die allfällige Volksabstimmung über einen Verfassungsartikel werden naturgemäss eine gewisse Zeit beanspruchen. Im Anschlüsse hieran hätten die eidgenössischen Bäte die ordentliche Gesetzesvorlage zu beraten. Auch bei grösster Beschleunigung dieser Arbeiten und einer reibungslosen Behandlung der Projekte würde es nicht möglich sein, für das Erntejahr 1925 anwendbare Massnahmen zur Förderung des inländischen Getreidebaues zu ordnen und zu verwirklichen. Lässt man der Sache freien Lauf, so wird eine Unterbrechung in den Massnahmen zur Förderung des inländischen Getreidebaues eintreten. Ein solcher Zustand muss vermieden werden, weil dabei ein grosser Teil der erzielten Erfolge untergehen, die Anwendung neuer Massnahmen später erschwert und ihre Wirkung beeinträchtigt würde. Will man aber eine Unterbrechung verhüten, so muss nochmals eine vorübergehende Begelung ausserhalb der erwähnten Vorlage gesucht werden. Diese hätte auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922, also für die Getreideernte 1925, wirksam zu werden.

II.

Als wirksamstes Mittel zur Förderung des inländischen Getreidebaues haben wir eine bessere und lohnendere Verwertung seiner Erzeugnisse kennen gelernt. Diese kann entweder durch Selbstverbrauchoder durch Verkauf des Getreides erfolgen. Durch den Bundesbeschluss vom 1.' Juli 1922 erfährt die Selbstversorgung mit Brot aus eigengebautem Getreide keine Förderung, wogegen die Getreideüberschüsse, die den Bedarf des eigenen Haushaltes übersteigen, den Produzenten zu dem festgesetzten Vorzugspreise abgenommen werden. Diese Ordnung der Dinge ist keineswegs auf eine Geringschätzung der Selbstversorgung zurückzuführen, sondern ist vielmehr aus den besondern Verhältnissen heraus entstanden.

Bei der Neuordnung, die durch den Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922 erfolgt ist, war bekanntlich auch die Aufgabe zu lösen, die für das Erntejahr 1922 schon früher zugesicherten Getreidepreise angemessen herabzusetzen und zum Ausgleich für das damit von den Produzenten geforderte Opfer die Preisgarantie um eine weitere Periode zu verlängern. Dabei wurde der Weizenprejs für die Ernte 1922 von Fr. 57 auf Fr. 50 reduziert und, wie erwähnt, für 1923 auf mindestens Fr. 47 und für 1924 auf mindestens
Fr. 42 festgesetzt. Die Bundesversammlung gewährte hiebei für 1928 und 1924 um je Fr. 2 höhere Preise, als wir beantragt hatten. Den Produzenten ist durch diesen Beschluss das Recht eingeräumt, zu den festgesetzten Preisen alles selbstgebaute Getreide abzuliefern, das

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den normalen Bedarf des eigenen Haushaltes übersteigt. Die SelbstVersorgung wurde demnach vorausgesetzt, und die Abnahme ?u den gewährten Vorzugspreisen sollte auf die Überschüsse beschränkt bleiben.

Die Nationalräte Caflisch und Gabathuler gaben der Auffassung über die Bedeutung einer Förderung der Selbstversorgung durch folgende Postulate Ausdruck, die anlässlich der Beratung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 vom Rate ohne Opposition gutgeheißen wurden. «Der Bundesrat wird eingeladen, beförderlich zu prüfen, ob nicht der Getreidebau im Gebirge, soweit er für die Selbstversorgung der Gebirgsbevölkerung und nicht zur Abgabe von Brotgetreide an den Bund dient, erhalten und gefördert werden sollte, sei es durch genügende Anbauprämien oder auf andere Weise» (Postulat Caflisch). «Der Bundesrat wird eingeladen, Mittel und Wege zu prüfen und so bald wie möglich den eidgenössischen Bäten Bericht und Antrag zu stellen, wie auch der Anbau von Brotgetreide für die Selbstversorgung gefördert werden kann» (Postulat Gabathuler).

Im Sinne dieser Postulate und der im Verlaufe der Beratungen in den eidgenössischen Bäten gemachten Anregungen wurde vom Vertreter des Bundesrates erklärt, es werde keino besondere Kontrolle eingerichtet, dass der Produzent nur die Überschüsse seines eelbstgebauten Getreides abliefere, die den eigenen Haushaltungsbedarf übersteigen. Man werde vielmehr den Bedürfnissen der Produzenten Rechnung tragen, besonders solchen, die unter dem Drucke der kriegswirtschaftlichen Vorschriften zum Getreidebau übergehen mussten und für die Selbstversorgung nicht eingerichtet sind. Aus Bücksichten auf die finanziellen Polgen wurde bisher von einer speziellen Unterstützung der Selbstversorgung mit Brotgetreide Umgang genommen, was der Auffassung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 entspricht.

Infolge der auffallend rückläufigen Preisbewegung am Weltmarkte wurde die Preisdifferenz zwischen Auslandgetreide franko Schweizergrenzö und Inlandgetreide allmählich bedeutend grösser, als seinerzeit angenommen wurde. So betrug sie im Jahre 1923 statt der im Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922 vorgesehenen Fr. 12 im Mittel etwa Fr. 15, zeitweise sogar bis Fr. 18 je 100 kg. Verglichen mit den Verkaufspreisen der Getreideverwaltung franko schweizerische Empfangsstationen der Müller, standen die den Produzenten
für Inlandgetreide bezahlten Preise der Ernten 1922 und 1928 im Mittel um rund Fr. IS je 100 kg höher. Die Ablieferung des Getreides an den Bund erschien daher für den Produzenten finanziell vorteilhafter als dessen Verbrauch im eigenen Haushalte. An Stelle Bundesblatt. 76. Jahrg. Bd. n.

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der Selbstversorgung trat deshalb öfters der Bezug des Backmehles vom Müller oder des Brotes vom Bäcker. Der wiederholte Hinweia der mit der Abnahme des Inlandgetreides betrauten Verwaltung auf die geltenden Bestimmungen und die indirekten Vorteile der Selbstversorgung vermochten diese Entwicklung wohl zu hemmen, aber nicht zu verhindern. Von ihr wurden auch die Kundenmühlen betroffen, deren Beschäftigung entsprechend der Abnahme der Selbstversorgung zurückging. Eine Änderung liegt daher gleichzeitig im Interesse der Förderung des Getreidebaues und der Erhaltung einer leistungsfähigen Kundenmüllerei. Für eine wirksame Förderung der Getreideproduktion im kleinbäuerlichen Betriebe, namentlich in abgelegenen Gebieten und Berglagen, ist die Unterstützung der Selbstversorgung von besonderer Wichtigkeit.

Die umschriebene Aufgabe kann zweckmässig durch eine Verlängerung und Ergänzung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues gelöst werden. Die nach diesem Beschluss geordnete Getreideabnahme hat sich im allgemeinen bewährt, bedarf aber, wie erwähnt, einer Ergänzung durch die Förderung der Selbstversorgung mit Brotgetreide. Es ist wiederholt, namentlich vom Verband schweizerischer Kuudenmüller, angeregt worden, die Selbstversorgung möchte schon unter der Herrschaft des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 einer speziellen Förderung teilhaftig werden. Dabei wurde geltend gemacht, dass eine solche Massnahme die Ablieferung von Getreide an den Bund erheblich vermindere und diesem daher bedeutende Ersparnisse bringen würde, die zur Bestreitung der Ausgaben für die Unterstützung der Selbstversorgung vollständig oder annähernd ausreichen könnten. Es wird in diesen Kreisen aber offenbar übersehen, dass auch bei der heutigen Eegelung immer noch ein bedeutender Teil des Inlandgetreides der Selbstversorgung der Produzenten dient, ohne dass der Bund hierfür Beiträge gibt und dass infolge des zurzeit noch sehr hohen Überpreises für abgeliefertes Getreide eine nur bescheidene Subvention zugunsten der Selbstversorgung die erwartete durchgreifende Wirkung wahrscheinlich nicht zeitigen würde. Wir haben daher aus finanziellen Erwägungen davon Umgang genommen, Ihnen eine Ergänzung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 für das Erntejahr 1924 zu beantragen.

Unter dem Drucke
der Vorschriften über die zwangsweise Ausdehnung des Getreidebaues in den Jahren 1917 und 1918 wurde die Getreidekultur stellenweise auf Gebiete ausgedehnt, wo er, wie vorauszusehen war, aus betriebswirtschaftlichen oder klimatischen Rücksichten seither wieder aufgegeben wurde. In manchen Fällen war der Feldobstbau einer dauernden Ausdehnung des Getreide-

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baues binderlich. In neuerer Zeit sind nun aber die Exportverhältnisse für Obst gewöhnlicher Qualität ungünstiger geworden, was viel1 leicht einer gewissen Einschränkung des Feldobstbaues rufen wird.

Eine derartige Entwicklung würde den Getreidebau günstig beeinflussen, öfters hat man aber die Getreidekultur seit Aufhebung des Anbauzwanges auch ohne triftige Gründe wieder eingeschränkt oder sogar aufgegeben, um zu der im allgemeinen bequemeren und weniger Arbeitskräfte erforderlichen Graswirtschaft zurückzukehren. In den meisten Gebieten hält die Landwirtschaft jedoch zähe an dem Getreidebau fest und will ihm künftig freiwillig den Baum gewähren, den er während des Krieges durch Zwang erreicht hat. Diese Bestrebungen werden offenbar die wirksamste Förderung erfahren, wenn die Getreideproduzenten dauernd auf eine befriedigende Verwertung ihrer Erzeugnisse rechnen können. Der seit Beendigung des Krieges neuerdings eingetretene Eückgang der Anbaufläche dürfte übrigens zum grossen Teil durch eine verbesserte Getreidekultur und die damit verbundene Mehrproduktion aufgewogen werden.

III.

Nach dem vorliegenden Entwurf wird Getreide, das der Selbstversorgung im Haushalte der Produzenten dient, mit einer Mahlprämie von Fr. 5 bedacht. Dabei ist Gleichstellung von Weizen, Koggen, Korn und von Mischelfrucht (Gemengesaaten dieser Getreidearten) vorgesehen. Diese Gleichstellung bietet den Vorteil, dass die Produzenten für die Selbstversorgung die Getreidekultur wählen können, die ihren Produktionsverhältnissen und Haushaltungsbedürfnissen entspricht. Sie liegt aber auch im Interesse einer einfachen Durchführung. Die damit verbundene Vorzugsstellung für Korn, für das auch im nicht entspelzten Zustande eine Mahlprämie von Fr. 5 vorgesehen wird, trotzdem 100 kg desselben im Durchschnitt nur etwa 70 kg Kernen liefern, ist durch die Produktions- und Ertragsverhältnisse begründet. Korn wird mit Vorliebe in feuchten Gebieten angebaut, wo die andern Getreidearten nicht so gut gedeihen. Daher finden wir das Korn in Berglagen ziemlich häufig. Ferner sind die TCosten des Mahlens von unentspelztem Korn ungefähr gleich hoch wie für Weizen und Boggen, weil die Kernen zuerst von den Spelzen getrennt werden müssen.

Die Überschüsse an Weizen, Eoggen und Korn, die über die Bedürfnisse der Selbstversorgung hinausgehen, werden
auf Eechntmg des Bundes übernommen. Hiefür wird in der Vorlage für 100 kg Weizen, Eoggen und Korn ein Überpreis von "FY. 7 vorgesehen gegenüber dem Preis für Auslandweizen ähnlicher Qualität franko verzollt Schweizergrenze. Für die Berechnung dieser Preise sind die aus einet

468 längern Periode resultierenden mittleren Gestehungskosten über die ·wichtigsten Einfuhrstellen unseres Landes heranzuziehen. Korn erscheint nicht häufig auf dem internationalen Getreidemarkte, weshalb die Grundlagen für die Berechnung eines Importpreises in der Regel fehlen werden. Die Vorlage bestimmt daher für diese Palle, dass der Preis des Kornes, entsprechend seiner Ausbeute an Kernen, zu 70 % des für Auslandweizen berechneten Mittelpreises franko Schweizergrenze anzusetzen sei. Der auf diese Art berechnete Kornpreis würde alsdann um den Betrag des Überpreises, nach der Vorlage also um Fr. 7, erhöht. Auch diese Berechnungsart trägt den besondern Produktionsverhältnissen für Korn angemessen Eechnung. Die für das Inlandgetreide festzusetzenden Preise sollen unter normalen Verhältnissen für die gesamte Getreideernte, also für die ganze Dauer ihrer Abnahme, Gültigkeit haben, wie dies zurzeit der Fall ist. Für hervorragende Qualitäten sind entsprechende Mehrpreise vorgesehen, wogegen für weniger gute Ware, die aber in jedem Falle von landesüblich guter Beschaffenheit, mahl- und backfähig sein müsste, angemessene Abzüge zu machen wären. Gemenge verschiedener Getreidesorten würden von der Getreideverwaltung in der Kegel nicht mehr übernommen, weil ihre Bewertung und Verwertung für die Verwaltung mit Schwierigkeiten verbunden ist, die bei Verwendung für die Selbstversorgung nicht bestehen.

Die Getreideabnahme kann unter Mitwirkung der Müller in bisheriger Weise durch die Genossenschaften erfolgen. Die Ausrichtung einer Mahlprämie wird zur Folge haben, dass der Selbstversorgung wieder erheblich mehr Getreide zugeführt wird, so dass die Ablieferungen an die Getreideverwaltung entsprechend zurückgehen werden. Der Selbstversorgung wird besonders auch der Umstand förderlich sein, dass die Differenz zwischen dem von der Getreideverwaltüng für die Überschüsse an Inlandgetreide bezahlten Preis und ihrem Verkaufspreis franko Empfangsstationen der Müller bedeutend kleiner wird. Setzt man die für die Getreideernte 1925 vorgesehene Mahlprämie zugunsten der Selbstversorgung in die Eechnung ein, so wird sich aus der Ablieferung des Getreides an den Bund gegenüber der Selbstversorgung kaum mehr ein nennenswerter Vorteil ergeben.

Für die Durchführung der Arbeiten, die mit der Ausrichtung der Mahlprämie verbunden
sind, könnten ausser den landwirtschaftlichen Organisationen die kantonalen und kommunalen Behörden in Frage kommen. Die Übertragung der Arbeit an die landwirtschaftlichen Genossenschaften dürfte aber einfacher sein, namentlich, solange diese auch die Getreideabnahmen für den Bund vollziehen.

Nach den bisherigen Erfahrungen der Getreideverwaltung kami die mit der Ausrichtung einer Mahlprämie verbundene neue Aufgabe

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den landwirtschaftlichen Genossenschaften übertragen werden.

Ausserhalb des Einzugsgebietes von Genossenschaften, wo vielleicht kein Getreide abzunehmen, aber vereinzelt die Mahlprämie auszurichten ist, wird man diese Punktionen besondern Vertrauensleuten übertragen können. Auf alle Falle haben die Mühlen mitzuwirken, in denen das für die Selbstversorgung bestimmte Getreide zu Backmehl vermählen wird. Mitglieder und Nichtmitglieder der landwirtschaftlichen Organisationen sollen hinsichtlich Selbstversorgung und Getreideabnahme grundsätzlich gleichberechtigt sein. Die Art der Durchführung wird mit den Beteiligten zu erörtern und so zu treffen sein, dass auch bei einfacher Organisation Missbräuchen vorgebeugt wird.

Die Vorlage ermächtigt den Bundesrat, das Verfahren der Getreideabnahme und der Ausrichtung der-Mahlprämie zu ordnen, wodurch die Möglichkeit einer tunlichsten Anpassung an die örtlichen Verhältnisse geschaffen wird. Die Strafbestimmungen werden gegen allfällige Missbräuche bei der Ablieferung von Inlandgetreide und beim Bezug der Mahlprämie in Präge kommen. Bei einer Regelung für eine längere Periode wären die Strafbestimmungen in die ordentliche Gesetzgebung aufzunehmen.

Das Sammeln der bei der Ernte auf den Getreideäckern zurückgebliebenen Ähren durch Kinder und Erwachsene ist während des Krieges wieder häufiger geworden, was begrüssenswert ist. In Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis enthält der Entwurf die Bestimmung, dass auchÄhrenaufleserr auf die Mahlprämien und den Überpreis für allfällige Getreideablieferungen in gleichem Masse wie Produzenten Anspruch haben.

Der Entwurf will die Verhältnisse für die Getreideernte des Jahres 1925 ordnen. Für den Fall aber, dass für das folgende Jahr nicht andere Anordnungen getroffen bzw. von der Bundesversammlung beschlossen werden, würden die gleichen Bestimmungen auch auf die Getreideernte 1926 Anwendung finden.

IV _ Die Mehrausgaben der Getreideverwaltung aus der Übernahme des Inlandgetreides belasteten das für die Brotversorgung des Landes gelieferte Getreide im Jahre 1922 durchschnittlich mit Fr. 2.75 und 1923 mit Fr. 8. 90 je 100 kg. Die grössere Belastung im letzten Jahr ist auf die mit dem bessern Ernteergebnis verbundene Mehrablieferung von Inlandgetreide zurückzuführen, deren finanzielle "Wirkungen stärker waren als diejenigen des eingetretenen Preisrückganges von durchschnittlich Fr. 3. Da für das Inlandgetreide der Ernte 1924 eine neue Preisreduktion von rund Fr. 5 eintritt,

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dürfte sich für diese Periode eine Mehrbelastung von voraussichtlich nicht über Fr. 2. 50 ergeben.

,. Auf Grund des vorliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses spii für das Erntejahr 1925, wie ausgeführt worden ist, auch die Selbstversorgung durch eine Mahlprämie gefördert werden. Die hieraus resultierenden Mehrausgaben werden aber durch einen entsprechenden Rückgang der Getreideablieferungen an den Bund 0um Teil ausgeglichen werden. Mit der Zuerkennung einer Mahlprämie geht die Herabsetzung des für die Mehrproduktion bestimmten Überpreises Hand in Hand. Nach der Vorlage ist ein Überpreis von Fr. 7 je 100 kg vorgesehen, der 1922 und 1923, wie erwähnt, im Mittel etwa 15 Franken betragen hat. Zudem wird 'die vorgesehene Neuordnung für die Getreideverwaltung den Vorteil zeitigen, dass die für die allgemeine Brotversorgung weniger wertvollen Getreidesortimente in vermehrtem Masse für die Selbstversorgung herangezogen werden. Auf Grund dieser Erwägungen kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Ausrichtung einer Mahlprämie unter den neuen Verhältnissen keine wesentlich grössern Opfer erfordern wird.

Die vorgeschlagene Neuordnung für die Getreideernte 1925 wird die allgemeine Brotversorgung in jedem Falle finanziell weniger belasten, als es bisher unter der Wirkung der hohen Überpreise ohne Berücksichtigung der Selbstversorgung der Fall gewesen ist. Es ist daher zu erwarten, dass der Aufwand für die Förderung des inländischen Getreidebaues auf Grund des vorliegenden Entwurfes nicht mehr als etwa Fr. 2 je 100 kg des der allgemeinen Brotversorgung dienenden Getreides betragen wird.

Wir haben die Überzeugung, dass die vorgeschlagenen Massnahmen unserer Landwirtschaft und dem ganzen Lande zum Nutzen gereichen werden, und empfehlen daher der Bundesversammlung die Annahme des vorliegenden Entwurfes eines dringlichen Bundesbeschlusses.

Bern, den 27. Mai 1924.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Chnard.

Der Bundeskanzler : Steiger.

471 {Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 1.Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues, Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 11. Mai 1924, beschliesst: Art, 1. Der Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922*) betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues wird mit folgenden Bestimmungen für die Verwertung und die Übernahme des Inlandgetreides der Ernte 1925 verlängert.

Art. 2. Wer selbstgebautes, mahlfähiges Getreide einheimischer Produktion zur Versorgung seines Haushaltes mit Brot und Mehl verwendet, hat Anspruch auf eine Mahlprämie von Fr, 5 für je 100 kg Getreide (Weizen, Boggen, Korn und Mischelfrucht), Art. 8. Selbstgebautes, mahlfähiges Brotgetreide einheimischer Produktion (Weizen, Boggen und Korn), das den Bedarf für die Selbstversorgung (Art. 2) übersteigt, wird auf Rechnung der eidgenössischen Getreideverwaltung übernommen. Diese bezahlt dafür einen Preis, der für 100 kg Getreide Fr. 7 höher ist, als die mittleren Preise franko Schweizergrenze für Auslandgetreide gleichwertiger Qualität.

Die mittleren Preise für Auslandgetreide werden auf Grund der Marktlage und nach Anhörung der Beteiligten spätestens im September 1925 durch den Bundesrat festgesetzt. Wenn auf Grund des Importes für unentspelztes Korn kein zutreffender Mittelpreis *) Siehe Gesetzsammlung Bd. XXXVIII, S. 4S6.

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bestimmt werden kann, so ist dieser, entsprechend der Ausbeute an Kernen, mit rund 70 % des berechneten Mittelpreises von "Weizen anzusetzen.

Für Getreide hervorragender Qualität werden angemessene Preiszuschläge gewährt, und für Ware von weniger guter Qualität werden entsprechende Preisabzüge gemacht. Getreide, das nicht von landesüblich guter Beschaffenheit oder aus irgend einem Grunde nicht mahl- und backfähig ist, wird von der Getreideverwaltung nicht übernommen.

Art. 4. Die Bestimmungen von Art. 2 und 3 gelten für Ährenaufleser, auch wenn sie kein eigenes Getreide anbauen.

Art. 5. Der Bundesrat ordnet das Verfahren für die Ausrichtung der Mahlprämie und die Übernahme von Inlandgetreide durch die eidgenössische Getreideverwaltung. Er ist ermächtigt, die erforderlichen Kontrollvorschriften und Strafbestimmungen zu erlassen.

Art. 6. Wenn durch die Bundesversammlung keine andern Massnahmen getroffen werden, so hat dieser Eeschluss auch Gültigkeit für die inländische Getreideernte des Jahres 1926.

Art. 7. Dieser Beschluss wird dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit seinein Vollzuge beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues. (Vom 27. Mai 1924.)

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