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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das am 4. August 1926 zwischen der Schweiz und Spanien abgeschlossene Abkommen zur Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Reiches.

(Vom 24. September 1926.)

L Der Bundesrat hatte den eidgenössischen Bäten mit Botschaft vom 26. April 1920*) die Gegenseitigkeitserklärung unterbreitet, die er am 11. Juni 1914 mit der französischen Eegierung zur Begelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der französischen Zone des Scherifischen Beiches ausgetauscht hatte. Den Bestimmungen dieser Vereinbarung zufolge verzichtete die Schweiz in der französischen Zone von Marokko auf die Bechte der Kapitulationen, die ihr übrigens nur indirekt zustanden, da sie einzig der unsern Landsleuten eingeräumten Möglichkeit entsprangen, sich dem Schutz einer Kapitularmacht zu unterstellen. Dafür erhielt die Schweiz von Frankreich hinsichtlich der französischen Zone des Scherifischen Beiches für unbegrenzte Zeit den Genuss wirtschaftlicher Freiheit ohne jede Ungleichheit, wie sie sich aus der Generalakte von Algeciras vom 7. April 1906 und den spätem internationalen Verträgen ergibt, zugesichert. Die schweizerisch-französische Vereinbarung betreffend die französische Zone von Marokko ist von den eidgenössischen Bäten am 15. April 1921 gutgeheissen worden und nach Batifizierung durch den Bundesrat und die französische Begierung am 27. Oktober 1921 in Kraft erwachsen **).

Wie bekannt, umfasst Marokko zwei Protektoratszonen, nämlich eine französische und eine spanische, und das schweizerisch-französische Abkommen war demnach natürlicherweise durch eine entsprechende Vereinbarung betreffend die spanische Protektoratszone zu ergänzen. Bereits im Jahre 1915 wurden hierüber auf Antrag der spanischen Begierung Verhandlungen eingeleitet. Nachdem diese durch die Ereignisse unterbrochen worden waren, sind sie nunmehr mit der Unterzeichnung einer gegenseitigen Erklärung zur Begelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Beiches zum Abschlüsse gelangt. Diese Erklärung, *) Siehe Bundeebl. 1920, Bd. 2, S. 290.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. 37, S. 731.

Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. II.

38

490 die am 4. August 1926 vom Spanischen Gesandten in Bern, dem Marquis de la Torrehermosa, und Herrn Bundesrat Scheurer, dem damaligen Stellvertreter des Vorstehers des Politischen Departements, unterfertigt worden ist, entspricht in allen Stücken dem schweizerisch-französischen Abkommen vom 11. Juni 1914. Gleichzeitig wurde über die Ausdehnung des schweizerischspanischen Auslieferungsvertrages vom 21. August 1883 auf die spanische Zone von Marokko ein Notenwechsel vollzogen, der ein Gegenstück zu dem Notenaustausch über die Ausdehnung des schweizerisch-französischen Auslieferungsvertrages vom 9. Juli 1869 auf die französische Zone des Scherifischen Eeiches bildet.

Anlässlich der parlamentarischen Behandlung des französisch-schweizerischen Abkommens vom 11. Juni 1914 wurde im Nationalrate der Befürchtung Ausdruck gegeben, dass vielleicht etwelche Zweifel möglich seien, ob die Schweiz auf Grund jenes Abkommens nicht nur hinsichtlich der Akte von Algeciras und der bis 1914 abgeschlossenen spätem internationalen Verträge, sondern in jeder Beziehung, ohne Ausnahme und Vorbehalt, im Genuese aller Vergünstigungen stehe, die in der französischen Zone von Marokko einer dritten Macht .oder deren Staatsangehörigen eingeräumt worden waren oder je eingeräumt werden sollten. Diese Zweifel waren damals durch ausdrückliche 2usioherungen der französischen Eegierung zerstreut worden. Um allfälligen Zweifeln über die Auslegung der schweizerisch-spanischen Erklärung vom 4. August 1926 vorzubeugen, hat die spanische Eegierung auf unser Ansuchen den Spanischen Gesandten in Bern ermächtigt, eine schriftliche Erklärung abzugeben, des Inhalts, die Schweiz werde in jeder Hinsicht, ohne Ausnahme und Vorbehalt, im Genuss aller Vergünstigungen stehen, die in der erwähnten spanischen Protektoratszone einer dritten Macht oder deren Staatsangehörigen gegenwärtig eingeräumt sind oder inskünftig je eingeräumt werden sollten.

II.

Da das schweizerisch-spanische Abkommen, dessen Wortlaut dieser Botschaft beigefügt ist, mit dem von den eidgenössischen Bäten bereits gutgeheissenen schweizerisch-französischen Abkommen vom 11. Juni 1914 wörtlich übereinstimmt, gelten die Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft vom 26. April 1920 über die schweizerisch-französische Gegenseitigkeitserklärung mutatis mutandis. auch für die Erklärung zwischen der Schweiz und Spanien.

Es mag noch besonders darauf hingewiesen werden, dass, wenn die Schweiz in der spanischen Zone von Marokko auf die ihr indirekt zustehenden Eechte der Kapitulationen verzichtet, sie nur dem Beispiel einer grossen Anzahl von Staaten folgt. Aus den uns vorliegenden Nachrichten ergibt sich nämlich, dass nur noch Deutschland, die Vereinigten - Staaten von Amerika, Grossbritannien und die Niederlande nach wie vor diese Eechte in.der spanischen Zone auszuüben scheinen, wogegen Frankreich, Norwegen, Eussland, Schweden, Belgien, Dänemark, Italien, Griechenland und Portugal nacheinander, teil-

491 weise vorbehaltlos, teilweise unter gewissen Bedingungen und Vorbehalten) darauf verzichtet haben.

Was die verschiedenen schweizerisch-spanischen Abkommen betrifft, deren Geltung kraft Artikel S der gegenseitigen Erklärung auf die spanische Protektoratszone des Scherifischen Eeiches auszudehnen wäre, so kommen zurzeit nur die nachstehenden Übereinkünfte in Betracht : a. der Niederlassungsvertrag vom 14. November 1879; b. der Auslieferungsvertrag vom 31. August 1883; c. der Vertrag über die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen oder Erkenntnissen in Zivil- und Handelssachen vom 19. November 1896.

Mit Bezug auf den Niederlassungsvertrag vom 14, November 1879 halten wir dafür, die eingebornen Marokkaner, die nicht spanische Untertanen sind, sollten den letztgenannten gleiohgehalten werden, unter der Voraussetzung, dass sie in ihrer Eigenschaft als spanische Schutzbefohlene mit einer Immatrikulationskarte eines spanischen Konsulats in der Schweiz ausgerüstet sind.

Hinsichtlich des Ablieferungsvertrages wird die im Sohlussabsatze von Artikel 8 vorgesehene dreissigtägige Frist für die Aufrechterhaltung der vorläufigen Verhaftung durch die un Anhang abgedruckten Noten auf zwei Monate erstreckt.

III.

Die Zahl der in der spanischen Zone des Scherifischen Eeiches ansässigen Schweizer ist derzeit gering, und der Handelsverkehr zwischen jenem Gebiet und der Schweiz hat noch kaum nennenswerte Bedeutung; es könnte demnach scheinen, das schweizerisch-spanische Abkommen vom 4, August 1926 entbehre einer grössern unmittelbaren Tragweite. Es stellt indessen für die Zukunft die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Zone von Marokko auf eine günstige Grundlage insofern, als es unsern Staatsangehörigen für unbeschränkte Dauer die Behandlung der meistbegünstigten Nation hinsichtlich der Niederlassung und des Handels sichert.

Wir empfehlen Ihnen demnach die Annahme des nachstehenden Beschlussentwurfes.

Genehmigen Sie, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung, Bern, den 24. September 1926.

Im Namen des Schweiz, Bundesrates, Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

492 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

das Abkommen zwischen der Schweiz und Spanien vom 4. August 1926 zur Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Reiches.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 24. September 1926, beschliesst: 1. Die am 4. August 1926 zwischen der Schweiz und Spanien ausgetauschte gegenseitige Erklärung zur Eegelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektofatszone des Scherifischen Eeiches sowie die am gleichen Tage zwischen den Bevollmächtigten der beiden Staaten ausgetauschten ergänzenden Noten werden genehmigt.

.2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

493 (Übersetzung nach dem französischen Urtext.)

Gegenseitige Erklärung zwischen

der Schweiz und Spanien zur Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Reiches, In der Absicht, die vertragsmässige Stellung der Schweiz in der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Eeiches zu bestimmen, haben die Unterzeichneten, zu diesem Zwecke von ihren Eegierungen gehörig bevollmächtigt, folgendes vereinbart : 1. Die Schweiz wird in der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Eeiches die wirtschaftliche Freiheit ohne jede Ungleichheit gemessen, wie sie sich aus der Generalakte von Algeciras vom 7. April 1906 und den spätem internationalen Verträgen ergibt.

Infolgedessen werden sich alle irgendeiner Macht oder ihren Staatsangehörigen zu gewährenden Vorteile sofort in vollem Umfang und ohne irgendwelche Gegenleistungen auch auf die Schweiz und ihre Staatsangehörigen ausdehnen.

2. Die Schweiz verzichtet darauf, für ihre Staatsangehörigen und ihre Niederlassungen in der spanischen Zone des Scherifischen Eeiches die sich aus den Kapitulationen ergebenden Eechte und Vorrechte in Anspruch zu nehmen.

Sie wird für ihre Konsum und ihre Niederlassungen in der Zone keine andern Eechte und Vorrechte als diejenigen beanspruchen, die ihr in Spanien zustehen.

3. Die Verträge und Vereinbarungen jeder Art, die zwischen der Schweiz und Spanien in Kraft bestehen, werden auf die spanische Zone des Scherifischen Eeiches ausgedehnt, sofern sie selbst nicht eine gegenteilige Bestimmung enthalten und diese Ausdehnung nicht mit dem Inhalte der betreffenden Übereinkommen im Widerspruche steht oder mit der in Artikel l der gegenwärtigen Vereinbarung vorgesehenen wirtschaftlichen Gleichheit nicht unvereinbar ist.

Übergangsbestimmung, Eis zur Gründung schweizerischer Konsulate in der spanischen Zone des Scherifischen Eeiches bleiben Schweizer, die sich vor dem Tage der Unterzeichnung der gegenwärtigen Vereinbarung bei dem Konsulate eines dritten Staates haben einschreiben lassen, den Konsulargerichten dieses Staates unterworfen, wenn dieser Staat noch nicht auf sein Vorrecht der Gerichtsbarkeit

494 verzichtet hat ; sie können sich immerhin in keinem Falle dem Schutze dieses Konsulates entziehen, um sich unter den Schutz des Konsulats eines andern dritten Staates zu stellen.

Die gegenwärtige Vereinbarung wird ratifiziert, und die Batifikationsurkunden werden in möglichst kurzer Frist ausgetauscht werden; sie tritt zehn Tage nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft.

Im Doppel ausgefertigt zu Bern, den 4. August 1926.

(gez.) Scheurer.

(gez.) M. Lopez-Roberts y Terry, Marquis de la Torrehermosa.

Beilagen.

I. Übersetzung der Note des eidgenössischen Politischen Departements an die spanische Gesandtschaft betreffend die Ausdehnung des schweizerisch: spanischen Auslieferungsvertrages auf die spanische Zone von Marokko.

Bern, den 4. August 1926.

Herr Minister, Bei Anlass der Unterzeichnung der Erklärung zur Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Reiches beehre ich mich, Eurer Exzellenz zur Kenntnis zu bringen, dass der schweizerische Bundesrat, indem er diesen Beschluss fasst, folgendes als wohlverstanden betrachtet : 1. dass die im Schlussabsatze des Artikels 8 des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Spanien vom 81. August 1888 vorgesehene Frist von dreissig Tagen zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Verhaftung bis zu der auf diplomatischem Wege erfolgenden Beibringung der Beilagen zu einem Auslieferungsbegehren für die spanische Protektoratszone des Scherifischen Reiches auf zwei Monate ausgedehnt wird ; 2. dass die zur Ausdehnung oder Abänderung dieses Auslieferungsvertrages bisher ausgewechselten oder in Zukunft auszuwechselnden Gegenseitigkeitserklärungen im vollen Umfang auch für die spanische Protektoratszone des Scherifischen Eeiches Geltung haben werden.

Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

Eidgenössisches Politisches Departement, ; Der Stellvertreter: ' . .'

.

.

' . (gez.) Scheurer.

Anmerkung, Eine entsprechende Note der spanischen Gesandtschaft ist unter dem gleichen Datum dem eidgenössischen Politischen Departement übergeben worden.

495 II. Übersetzung dei Note dei spanischen Gesandtschaft an das eidgenössische Politische Departement betreffend die Auslegung dei Bern, den 4. August 1926.

Herr Bundesrat, Ich beehre mich, Eurer Exzellenz zur Kenntnis zu bringen, dass die Regierung Ihrer Majestät, stetsfort bestrebt, der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Beweise ihrer herzlichen Freundschaft zu geben, gerne bereit ist zu erklären, dass der Paragraph l des am heutigen Tage abgeschlossenen Abkommens zur Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der spanischen Protektoratszone des Scherifischen Reiches so zu verstehen ist, dass die Schweiz in jeder Hinsicht, ohne Ausnahme und Vorbehalt, alle in dem genannten Paragraphen erwähnten Vergünstigungen gemessen wird, die in der erwähnten spanischen Protektoratszone einer dritten Macht oder deren Staatsangehörigen gegenwärtig zugestanden sind oder inskünftig je zugestanden werden.

Genehmigen Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

(gez.) Marquis de là Torrehermosa.

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Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 27. September 1926, um 18 Uhr, zur fünften Tagung der 27. Legislaturperiode zusammengetreten.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 20.. September 1926.)

Herr Borno ist von der Nationalversammlung am 12. April 1926 für eine vierjährige Amtsdauer als Präsident der Republik Haiti gewählt worden.

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29.09.1926

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