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2039

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision der Art. 31 und 32bis der Bundesverfassung (Alkoholwesen).

Vom 29. Januar 1926.)

L

Die gegenwärtige Alkoholgesetzgebung.

Die heute geltende Alkoholgesetzgebung ist durch die Partialrevision der Bundesverfassung im Jahre 1885 und das Bundesgesetz vom 28. Dezember 1886 geschaffen -worden. Sie überträgt das Recht zur Einfuhr fremder gebrannter Wasser und das Eecht zur Herstellung von Spiritus und Sprit im Inland ausschliesslich dem Bunde.

a. Zweck.

Das Hauptziel der seit bald 40 Jahren in Kraft bestehenden eidgenössischen Alkoholgesetzgebung war der Kampf gegen den Missbrauch des Kartoffelbranntweins. Dieser Missbrauch hatte sich in gewissen Gegenden unseres Landes nachgerade verheerend eingenistet und diese völlig verseucht. Dag böse Übel, das weitere Volkskreise physisch und moralisch schädigte, sollte unterdrückt werden, nachdem die blosse Volksbelehrung auf welchem Wege immer sich als wirkungslos erwiesen hatte, durch die Unterdrückung der bäuerlichen Kartoffelbrennerei (Hausbrennerei) und durch Verteuerung sämtlicher aus ausländischem Sprit fabrizierten Schnäpse. Die jährliche Produktion von Branntweinen aus Früchten, Früchteabfällen, Enzian-Wurzeln usw. war damals noch ver hältnismässig gering. Zudem war der Preis der sogenannten Edelbranntweine so hoch, dass die freigebliebene Brennerei keine Gefahr bildete.

Durch die gleichzeitig verfügte Befreiung des Handels mit gegorenen Getränken von jeder Steuer erhoffte mau sodann eine Verminderung des Schnapsverbrauches zugunsten von Wein, Most und Bier, welche Getränke man mit.

Recht für viel ungefährlicher betrachtete als don Schnaps.

279 Das Bundesgesetz vom 28. Dezember 1386 führte die fiskalische Belastung der ihm unterstellten gebrannten Wasser durch das Monopolsystem ein.

Dieses sollte zugleich die einheimische Brennerei -vor der Konkurrenz des Auslandes schützen, was man mit ihm viel wirksamer erreichte als mit einer blossen Steuer. Unter den Verhältnissen, wie sie beim Erlasse genannten Gesetzes bestanden, war mit dem Monopol ein erheblicher Fortschritt durchführbar und e r w u r d e auch erzielt. Ganze Ortschaften, die vor 1886 rettungslos der Schnapsseuche und der mit ihr verbundenen Verwahrlosung und Degeneration verfallen zu sein schienen, blühten unter der Wirkung des Monopolsystems nach und nach wieder auf und erfreuen sich schon seit Jahren wieder physisch, moralisch und auch wirtschaftlich eines wohlgeordneten Zustandes.

Die Ungleichheit, welche die getroffene Monopollösung von Anfang an zwischen der Kartoffelbrennerei und der übrigen Brennerei schuf, kam naturgemäss schon von Anfang an einer Begünstigung der letzteren gleich.

Man g aubte unter den damaligen Verhältnissen diese ohne weitere Gefährde in den Kauf nehmen zu können. Unter Umständen und Entwicklungen, die der Gesetzgeber von 1886 ganz unmöglich voraussehen konnte, sollte dann diese Begünstigung, die anfangs, wenn auch nicht erwünscht, so doch durchaus erträglich war, später leider zu einer schweren sozialen Gefahr werden und zugleich eine Bresche in das gesamte Finanzwesen schlagen.

b. Die Wirkungen der Alkoholgesetzgebung von 1886.

Die Alkoholgesetzgebung von 1886 hat die in sie gesetzten Erwartungen solange erfüllt, als die zur Zeit ihrer Entstehung herrschenden Verhältnisse andauerten. Die Verminderung des Branntweingenusses zugunsten des Verbrauches an gegorenen Getränken war eingetreten, wie man es wünschte und voraussah, was aus der folgenden Aufstellung hervorgeht: Jahresdurchschnittlicher Verbrauch pro Kopì der Bevölkerung *) (in Litern Flüssigkeit).

1880/1884

Wein Obstwein Bier Gegorene Getränke 40-grädiger Branntwein

70,10 22,38 36,36 128,84 11,go

1893/1902

1903/1912

88,52 71,27 27,96 30,34 61,3571,72a 177,83 7,15

173,33 6,41

Die beiden letzten Zeitabschnitte von 1893-1902 und 1903-1912 weisen also einen unbestreitbaren Erfolg in der Abnahme des Branntweinkonsums auf. Betrübenderweise erlitt diese so erfreuliche Entwicklung während *) Berechnungen von Prof. Dr. M i l l i e t in der ,,Zeitschrift für schweizerische Statistik und Volkswirtschaft", 1918, Heft 2 und 3, und 1924, Heft 3.

280 des Krieges und vor allem "auch während der Nachkriegszeit einen schweren Rückschlag. Der Verbrauch an gegorenen Getränken nahm infolge starker Verteuerung derselben und der Teuerung überhaupt von 1914 an beträchtlich ab, dagegen verzeichnete der Branntweinkonsum in manchen Gegenden gleichzeitig eine ganz bedenkliche Zunahme. Für die Jahre 1919 bis 1922 kann in einzelnen Gegenden der jahresdurchschnittliche Verbrauch an Branntwein zu 40° auf rund 8 Liter pro Kopf der Bevölkerung geschätzt werden *).

Die an die Alkoholgesetzgebung geknüpften finanziellen Erwartungen sind im Laufe dieses ersten Zeitabschnittes ebenfalls in Erfüllung gegangen.

Die Alkoholverwaltung konnte unter die Kantone einen bedeutend höhern Betrag verteilen, als diese seinerzeit aus den Ohmgeldern bezogen hatten.

In den Jahren 1887--1914 sind aus den Beinerträgnissen der Alkoholverwaltung jährlich im Durchschnitt zirka 6 Millionen Franken unter die Kantone verteilt worden, während die Ohmgeldkantone in den Jahren 1880--1884 jahresdurchschnittlich nur 31/2 Millionen aus den Ohmgeldern eingenommen hatten.

Solange die Alkoholverwaltung den Spritmarkt in der Schweiz wirklich beherrschte, erfüllte sie also ihre finanzielle Aufgabe vollständig. Dag gen hat die in den letzten Jahren eingetretene Konkurrenz der freigebliebenen Obstspritbrennerei ihre Wirkungskraft unterbunden.

c. Die Entwicklung der Obstbrennerei.

Wenn die heute 40 Jahre alte Alkoholgesetzgebung sowohl in der Bekämpfung des Missbrauchs gebrannter Wasser, als auch vom fiskalischen Gesichtspunkt aus unwirksam geworden ist, rührt dies davon her, dass sie den Forderungen der gegenwärtigen Zeit nicht mehr entspricht. Der Grund liegt in der Entwicklung der der Bundesgesetzgebung nicht unterstellten Brennerei, die seit bald zwei Jahrzehnten immer mehr und mehr angewachsen ist. Wir haben Ihnen in unserer Botschaft vom 29. März 1919 sprechende Einzelheiten über diese beunruhigende Entwicklung unterbreitet und können uns deshalb heute darauf beschränken, diese Ausführungen in einigen Punkten zu ergänzen.

Die Befugnis zum Brennen von inländischem Wein und Obst ohne Kontrolle und Besteuerung kam a n f ä n g l i c h nur den Herstellern von Edelbranntweinen, wie Kirsch- und Zwetschgenwasser, Tresterbranntwein und Euzianwasser, zugute. Diese einheimischen, von den Obstproduzenten
und Weinbauern hergestellten Branntweine wurden zu bedeutend hohem Preisen verkauft als der gemeine Schnaps. Auch blieb ihre jährliche Produktion recht lange von geringer Bedeutung. Doch änderten sich die bei der Einführung des neuen Alkoholgesetzes verhältnismässig günstigen Verhältnisse später gründlich. Die unaufhaltsam wachsende Ausdehnung des Obstbaues und die damit verbundene mo geahnte Zunahme der Obstproduklion zeitigten auch eine rapide Zunahme *) Vgl. Dr. A. Koller: ,,La production et la consommation des boissons alcooliques dans les différents pays", Lausanne 1925.

281 in der Herstellung von Obstbranntwoin und führten schlicsslich zur industriellen Massenerzeugung von Obstspiritus. Die schon genannte Ausdehnung des Obstbaues hatte wiederum eine starke Entwicklung der Mosterei, namentlich der Handelsmosterei, zur Folge. Je mehr Most aber hergestellt wurde, um so grösser die Trestermengen und letzten Endes ganz naturgemäss die Tresterbranntweinmengen. Hierzu gesellten sich als neue Gefahren die Obstspritbrennerei, die früher ganz unbekannt war und als technisch untunlich galt, und sodann das B r e n n e n des Mostes selber infolge der riesigen Quantitäten, die Selbstver.brauch und Marktabsatz weit überschritten. Der Krieg hat diese Entwicklung durch eine geradezu enorme Erhöhung der Spritpreise und eine fast fabelhafte Spritbegehr wesentlich begünstigt. Diese Preiserhöhung machte aus der freien Brennerei zeitweilig eines der profitabelsten Gewerbe des Landes. Die damaligen hohen Verkaufspreise der Alkoholverwaltung gestatteten den Obstspritfabrikanten, diese in gefährlichster Weise zu konkurrenzieren und trotzdem noch ganz erhebliche Gewinne einzubringen. Diese Lage war einfach vin.haltbar. Die ohnehin schwierige Situation wurde noch durch die bei den Obstspritbrennern vorherrschende Überzeugung erschwert, die in der Bundesverfassung vorgesehene Befreiung von der Bundesgesetzgebung gestatte nicht nur das freie Brennen des Obstes zu Branntwein, sondern auch die freie Spril.fabrikation aus Obst und Obsttrestcr. Das war eine unzulässige extensive Interpretation der Bundesverfassung und des Alkoholgesetzes. Sie ist im Oktober letzten Jahres vom Bundesgericht als solche erkannt worden. Wenn nicht schon früher dessen Entscheid angerufen wurde, lag dies in den Umständen während des Krieges, und nachher erwartete man die Lösung von der Alkoholvorlage von 1928, dio dann aber verworfen wurde.

Der Weltkrieg schränkte in den kriegführenden Ländern die Fabrikation von Sprit in dem Momente ein, in dem die Nachfrage nach Alkohol anwuchs.

Der Verkauf ins Ausland mit grossem Gewinn begünstigte bei uns die verfassungswidrige Erzeugung von Obstsprit und zugleich das gesetzlich zulässige Brennen von Obstbranntwein. Wahrend des Krieges konnte viel Obstbranntwein zu Höchstpreisen in die Nachbarländer verkauft werden. Doch als dann in der Nachkriegszeit zu einer Beihe guter Obstjahre
gleichzeitig und fast über Nacht die Exportschwierigkeiten sowohl für unser Obst als unsern Branntwein und Sprit eintraten, wurde der schweizerische Markt mit einheimischem Sprit und Schnaps geradezu überschwemmt. Es sollte noch ärger kommen. Die erwähnte Überproduktion und Überschwemmung führten folgerichtig zum Preissturz, und dieser wiederum machte die Herabsetzung der Spritpreise der Alkoholverwaltung zu einem zwingenden Gebot für don Bundesrat. Dieser war tatsächlich, vor die bittere Wahl gestellt, entweder dem Preissturz durch die Herabsetzung der Trinkspritpreise zu folgen oder aber die bisherige Kundschaft der Alkoholvenvaltung in Trinksprit an die private Spritbrennerei auszuliefern und die völlige geschäftliche Stillegung dieser Verwaltung zu riskieren. Der Bundesrat wählte das erstere und musste dies auch. Folge war nunmehr allgemeine Preissenkung auf sämtlichen gebrannten Wassern, was den Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. I.

20

282 Gefahren des Alkoholisnms durch billigen Schnaps Tür und Tor noch weiter als bisher öffnen musate und auch öffnete. Auch wurden durch alle dieso Zustände und Entwicklungen die finanziellen Grundlagen der Alkoholverwaltung bedenklich erschüttert, indem ihre Kundschaft trotz aller Anstrengungen, sie zu behalten, ihr untreu wurde, um sich beim privaten Spritfabrikanten zu versorgen, der die amtlichen Preise unterbot.

Die Verkaufsstatistik der Alkoholverwaltung gibt über diese Lage ein sprechendes Bild.

jahr

InlandverkSufc der Schätzungsweise InlandAlkoholverwaltung erzeugung an Obstsprit an Trinksprit und Obstbranntwein

in hl absol. Alkohol

1893--1902 (Durchschnitt) 190S--1912 » 1914--1917 » . .· 1918 1919 1920 192] 1922

70,600 67,848 56,950 82,297 20,278 14,578 9,382 11,998

in hl absol. Alkohol

15,000 19,000 28,000 40,000 50,000 60,000 60,000 60,000

Diese Übersicht zeigt, was die Konkurrenz der privaten Brennereien für die Alkoholverwaltung bedeutete. Allerdings hat seit 1922 der Trinkspritverkauf der Alkoholverwaltung wieder etwas zugenommen, jedoch ohne bis jetzt auch nur die Hälfte des vorkriegszeitlichen Verkaufs zu. erreichen. In dieser Hinsicht ist zu bedenken, dass die bedeutenden Obstspritübernahmen der Alkoholverwaltung in den Jahren 1922,1923 und 1924 diese Zunahme stark beeinflusst haben. Die unter drückenden Bedingungen getätigten Käufe haben den glücklichen Erfolg gezeitigt, der privaten Brennerei einen guten Teil ihres Obstsprits zu entziehen, und so den einheimischen Markt wiederum der Alkoholverwaltung zu Öffnen.

Der Trinkspritverkauf der Verwaltung ist aber noch heute geringer, als der Verkauf von Obstbranntwein durch Private, die den Vorzug der Steuerfreiheit gemessen. Es bleibt also nicht weniger wahr, dass unsere Gesetzgebung nicht einmal die Hälfte der gebrannten, Wasser erfasst. Das rnusste sie vergangenes Jahr schmerzlich erfahren. Nachdem sie einen guten Teil des einheimischen Sprites aufgekauft hatte, um den Markt zu entlasten, wurden die Verkaufspreise erhöht, in der Hoffnung, damit auch bei den Branntweinen eine Preissteigerung zu bewirken. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Trotz der Erhöhung der Trinkspritpreise der A l k o h o l v e r w a l t u n g , sanken diePreise für O b s t b r a n n t w e i n immer weiter. Die Alkoholverwaltung hat ihren ausgleichenden Einfluss auf dem Branntweinmarkt verloren. Sie ist dadurch nicht mehr imstande, eine richtige Verteuerung herbeizuführen, die allein die grossen Gefahren des Alkoholipmus einzudämmen vermöchte. Das-

283 will heissen, dass die Alkoholgesetzgebung in jetziger Gestalt ihre Aufgabe nicht mehr erfüllt und erfüllen kann.

Im vergangenen September hat das Finanzdepartement eine grosse, mehr als 100 Sachverständige umfassende Kommission nach Zug einberufen, in -welcher alle politischen Gruppen, alle -wirtschaftlichen Kreise, Obstproduzenten und -konsumenten, Brenner und Likoristen, Landwirte und Städter vertreten waren, desgleichen die Hauptführer der Gegnerschaft der Vorlage von 1928. Diese 130 Sachverständigen haben einstimmig erklärt, dass die gegenwärtige Lage unhaltbar und eine Änderung geboten sei. Das war eine neue und eindrucksvolle Verurteilung eines Systems, das den Forderungen der heutigen Lage nicht mehr entspricht und das infolgedessen ohne Verzug und dringlich der Revision b e d a r f .

Es erscheint uns wünschenswert, diesen allgemeinen Ausführungen die nachstehenden vergleichenden Zusammenstellungen folgen zu lassen: l, Statistik des Branntweinverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung vor SO Jahren*).

Land

Frankreich Belgien Niederlande Italien Dänemark Grossbritannien Deutschland Österreich-Ungarn Vereinigte Staaten Schweden Russland Norwegen Schweiz

Liter à 50 Grad

7,08 7,38 7,88 1,32 13,90 4,60 8,20 10,30 5,40 7,78 4,94 3,16 5,10

2. Heutiger Branntweinverbrauch pro Kopf der Bevölkerung nach Koller**).

Land .

Liter à 50 Grad Deutschland 2,49 Österreich 3,34 Belgien . . 2,27 Dänemark 1,12 Frankreich 4,64 Grossbritannien 2,17 Ungarn 1,74 *) Nach Struve: ,,Der Verbrauch alkoholischer Getränke in den Hauptkulturländern, Berlin 1907".

**) Siehe Dr. A. Koller : ,,Die Produktion und der Verbrauch alkoholischer Getränke in den verschiedenen Ländern", Lausanne 1925.

284 Land

Liter à 50 Grad

Italien Norwegen Niederlande Schweden Tschechoslowakei . Schweiz

2,19 0,74 8,79 4,24 4,56 7,58

3. Jährlicher Branntweinverbrauch pro Kopf der Bevölkerung in der Schweiz seit 1880.

Vor Einführung der derzeitigen Alkoholgesetzgebung, d. h. vor 1880, schätzte man den durchschnittlichen Jahresverbrauch auf 11 % Liter Branntwein zu 40 Grad auf den Kopf der Bevölkerung. Dielnkraf tsetzung des Alkoholgesetzes zeitigte sofort eine günstige Wirkung. Für die Zeit von 1885 bis 1892 weist die Statistik als Jahresverbrauch 7% Liter zu 40 Grad auf. Die Besserung hielt an : Der Durchschnitt sank auf 7 Liter im Jahre 1900 und ging auf ungefähr 6% Liter im Jahre 1910 zurück. Die Möglichkeit, den Branntwein sehr vorteilhaft zu exportieren, verteuerte ihn derart, dass der Verbrauch während des Krieges sich noch weiter verminderte. Er dürfte in dieser Zeit auf 5% Liter gesunken sein. Seither hat er leider wieder aus den uns bekannten Ursachen (unaufhörliches Anschwellen unserer Obsterzeugung verbunden mit den Exportschwierigkeiten) stark zugenommen, besonders in gewissen Gegenden. Nach Koller wäre er sogar wieder auf 71/2 Liter zu 50 Grad gestiegen. Die Alkoholverwaltung hat die Angabe mit den ihr zur Verfügung stehenden Zahlen nachzuprüfen gesucht. Das gesammelte Material gestattet ihr aber nicht, zu entscheiden, ob die Ziffer wirklich genau ist. Immerhin zeigt sich eine unbestreitbare Zunahme. Es ist also nicht daran zu zweifeln, dass der mühsam errungene Gewinn nach und nach wieder verloren geht.

Diese Wahlen bedürfen keines Kommentars. Sie sind eine deutliche Kundgebung für dio dringende Notwendigkeit einer zielbewussten Eevision.

II.

Das Ziel der Revision.

Die Schweiz ist das einzige Land, in dem das Brennen und der Verkauf von Obst- und ähnlichen Branntweinen vollständig frei, d, h.

von jeder Kontrolle und jeder Steuer befreit sind: eine Freiheit, auf die stolz zu sein, wahrhaftig keine Ursache vorhanden ist. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass die Schweiz das Land ist, das im Verhältnis zu seiner Gebietsausdehnung dio stärkste Mostobsterzeugung aufweist. Das Schweizervolk wird sich allen Ernstes Rechenschaft über die verhängnisvollen Wirkungen dieser allzu weitherzigen Schnapstoleranz und das laisser faire, laisser aller auf diesem Gebiete abzulegen haben. Ehrlicherweise wird man auch zugeben

285 müssen, dass die Herrschaft absoluter Freiheit, die unsere Gesetzgebung der Früchtebrennerei gewährt, schon seit Jahren aus den bereits angeführten.

Gründen und unbestreitbaren Tatsachen ein total veralteter und unhaltbarer Zustand geworden ist. Die Ausnahmebestimmung in Art. 32bls der Bundesverfassung zugunsten der genannten Brennerei hat in unsere Alkoholreform von 1886 ein gewaltiges Loch geschlagen und ihre Wirksamkeit zum Teil völlig untergraben. Hier muss die Revision einsetzen; die Lücke ist wieder ·Buszufüllen; die O b s t - und O b s t a b f ä l l e b r e n n e r e i muss einer neuen O r d n u n g unterstellt werden. Er&t wenn dies geschehen ist, wird unsere Alkoholgesetzgebung ihre Aufgabe wieder erfüllen können, um schliesslich und endgültig das Ziel doch zu erreichen, das ihr im Jahre 1885 unter Zustimmung des Volkes und der Stände gesetzt worden ist.

Der Revisionsvorschlag vom Jahre 1919, vom Volke verworfen am 3. Juni 1923.

Am 27. Mai 1919 legte der Bundesrat den eidgenössischen Baten einen Entwurf vor, der die schweren Mängel der gegenwärtig geltenden Alkoholgesetzgebung durch die Beschrankung der freien Obstbrannt-weinerzeugung zu beseitigen suchte. Der Bevisionsvorschlag dehnte das gegenwärtig für das Brennen von Kartoffeln und Getreide geltende Begime auch auf das Kernobst aus. Einzig die Herstellung von Edelbranntweinen aus Steinobst blieb erlaubt, unterstand aber doch der Bezahlung einer Steuer. Der Entwurf war also durchaus geeignet, wirksam den Missbrauch der Branntweine zu bekämpfen, deren Herstellung und Verkauf unter Bundeskontrolle gestellt wurde. Die neue Ordnung sollte ferner dem Landwirt den Absatz seines Obstbranntweins zu angemessenem Preise sichern. Es ist unbestreitbar, dass die Gefahr der Hausbrennerei sehr gross ist. Dagegen muss angekämpft werden. Indessen ist festzustellen, dass die vorgeschlagene Begelung eine gewisse Ungleichheit zwischen dem Steinobstproduzenten, der gegen Bezahlung der Steuer frei brennen konnte, und dem Kernobstproduzenten geschaffen hätte, der sein Erzeugnis der Alkoholverwaltung abzuliefern gehabt hätte. Zudem hätte eine solche Kegelung strengere Einschränkungen gebracht, als &ie die Gesetzgebung der uns umliegenden Länder enthält.

Wenn das Schweizervolk diesen Revisionsvorschlag verworfen hat, so geschah das nicht deshalb, weil
es grundsätzlich die Notwendigkeit einer Reform der geltenden Alkoholgesetzgebung nicht einsah. Vielleicht ist es in manchen Gegenden nicht genügend über die bestehenden Gefahren aufgeklärt worden.

Das Volk hat den Entwurf hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil dessen Form sein Missfallen erregte. Endlich hat der mächtige Wirtevorband dem Revisionsvorschlag einen Vorwurf daraus gemacht, dass er nicht gleichzeitig auch dia Neuordnung über den Kleinhandel mit geistigen Getranken brachte.

Das Ergebnis der Abstimmung über die Vorlage von 1923, bei welcher Abstimmung trotz ihres verwerfenden Charakters wohl zu beachten bleibt,

286 dass alle ethischen und hygienischen Instanzen des Laudes mit allem Nachdruck für sie einstanden, sowie weitherumgrössere konstatierbare, bereits eingetretene Änderung in der ö f f e n t l i c h e n Meinung über die wichtige Präge lassen uns indessen hoffen, dags bei der kommenden Abstimmung das Volk einen neuen Entwurf annehmen werde. Es wird ihm um so eher seme Zustimmung geben, als der neue Entwurf den von den Gegnern gegenüber der verworfenen Vorlage geäusserten Wünschen Rechnung trägt, soweit sich diese mit den Forderungen einer wirksamen Revision vereinigen lassen. Wirksam wird aber diese Revision nur dann sein, wenn sie das Übel an der Wurzel fasst, und dieses letztere ist einzig möglich durch eine Neuordnung der Obstbrennerei.

Wir wiederholen hier den Obstproduzenten, dass eine blosse Änderung des Gesetzes mit der Ermächtigung zur Erhöhung der Trinkspritpreise der Alkoholverwaltung ungenügend wäre. Solange die Gesetzgebung die Kontrolle und Besteuerung nicht auf die gesamte Erzeugung gebrannter Wasser ausdehnt, müsste die Erhöhung des Trinkspritpreises die Herstellung von Obstbranntwein noch verstarken und den Schnapsmissbrauch in verhängnisvoller Weise begünstigen. Einzig eine weitblickende Regelung der gesamten Obstbrennerei wird eine wirksame Schnapspreiserhöhung gestatten und die Beseitigung der Gefahren des Alkoholmissbrauchs ermöglichen.

In unserem Lando haben die Preise sämtlicher lebenswichtigen Nahrungsmitte) seit 1914 eine starke Erhöhung erfahren. Auch Wein und Bier sind erheblich teurer geworden. Einzig der Schnaps ist immer noch billig.

Engrospreise für Branntwein in den verschiedenen Landein per Liter 100 Grad.

Steuer Inbegriffen (ohne die Abgaben der Provinzen und Gemeinden).

Nach ,,Spiritusmarkt" und ,,Getränkebörse", Wien, sowie nach dem ,,Moniteur vinicole", Paris.

Deutschland .

Österreich .

Belgien Dänemark Frankreich . . . .

Grossbritannien .

Ungarn Italien . .

Niederlande , Polen .

Tschechoslowakei Jugoslawien . . .

.

Schweiz . . . . . .

. .

. .

. .

. .

, ,

Sprit und Spiritus

Obstbranntwein

Schw. Fr.

Scliw. Fr.

Schw. Fr.

ficbw. Fr.

5.30 3 60 8.20 20.-- 4.40 40.-- 3 80 3.85 14 °, 50 ö 40 3.20 1.70

B.SO 3. 20

7.40 fi 60

6.15 6 '>()

4.40

5.60

6 40

3 80

5 40

5 40

Weindestillat Zwetschgenwasser

-- 4 50 5. 40

4.60 2.10

-.--T,

--

4. 80

4 80

9 20 5.50

6 70 6.50 3.60

a--

287 Den Schnapsverbrauch durch die Preisverteuerung auf sämtliche Branntweine einzuschränken -- das ist das vornehmste Ziel der E e vision, weil diese Verteuerung erwiesenermassen das sicherste .Mittel ist, den höhern Zweck unserer Alkoholgesetzgebung zu erreichen.

Die Einschränkungen, denen sich die bis heute freigebliebene Brennerei unterwerfen musa, werden von den moralischen und materiellen Vorteilen, die «iiese Bevision unserem Volke und damit auch den Kreisen bringen wird, die sie furchten, reichlich auf gewogen. Die Ereignisse haben übrigens zur Genüge bewiesen, dass die Mängel der gegenwärtigen Gesetzgebung sich immer mehr geltend machen werden, solange die Alkoholgesetzgebung nicht revidiert ist. Selbst vom Gesichtspunkt ihrer materiellen Interessen aus müssen die Obstproduzenten heute einseben, dass das gegenwärtige System, unter dessen Wirkungen sie selbst mit der Alkoholverwaltung zusammen zu lei den haben, sie jedesmal, wenn die Obsternte reichlich ausfällt, den gròssten Schwierigkeiten aussetzt. Diese Schwierigkeiten würden durch die neue Vorlage wesentlich beseitigt. Dass dies für den Obstproduzenten von grossem Vorteil ist, liegt auf dor Hand. Er hat die obstreichen Jahre mit ihrer TJnverkäufh'chkeit grosser Obstmengen und den Schleuderpreisen für Obst nicht mehr zu fürchten. Die neue Vorlage wird den Obstbauern nicht nur glatten A b s a t z für die Produkte ihrer Obstverw o r t u n g sichern, sondern sie auch vor Schleuderpreisen des Obstes bewahren und eine Stabilisierung der Obst preise in dem Sinne im Gefolge haben, als dor Bauer weiss, mit den Obstpreisen nicht unter ein gewisses immer noch annehmbares Preisminimum hinuntergehen zu müssen, das ihm gewissermassen nunmehr von Bundes wegen garantiert wäre. Da bekanntlich die gemeinen Obstbranntweine durch die Verunreinigungen, die sie vielfach ·enthalten, besonders schädlich sind, kann sie die Alkohol Verwaltung in Brennsprit odor Industriesprit umwandeln.

Das zweite Ziel der Eevision ist die rationelle und gewinnbringende V e r w e n d u n g des Obstes.

Wir fassen die Eevision der Alkoholgesetzgebung nicht etwa in der Hauptsache vom fiskalischen Gosichlspunkt aus ins Auge. Es darf nicht die Eede davon sein, höhere Interessen finanziellen Erwägungen unterzuordnen. Allein -es bleibt doch sehr zu wünschen, dass dieses Werk dor
Gesundung auch zur Verbesserung der Finanzlage des Bundes und der Kantone beitrage. Die Belastung aller gebrannten Wassor, die sich heute mehr als zur Hälfte jeder Steuer entziehen, wird gut eine Jahreseinnahme von 25 Millionen Franken einbringen. Es erscheint überflüssig, die immer noch dringenden Finanzbedürfnisse ·des Bundes und der Kantone besonders hervorzuheben. Gemeinden, Kantone imd Bund haben dem Steuerpflichtigen gewaltige Opfer durch direkte Steuern auforlogt. In mehreren Städten haben die unselbständig Erwerbenden mehr als einen Monat zu arbeiten, um mit dem erworbenen Gehalt ihre Steuern zu bezahlen. Um den harten Forderungen der direkten Besteuerung zu

288 genügen, hi der kleinere Steuerpflichtige sehr oft zu äusserst empfindlichen Einschränkungen in der Lebenshaltung gezwungen. Eine gewisse Erhöhung der Zollansätze war eine unvermeidliche fiskalische Notwendigkeit, hat aber die Preise mancher ausländischer Waren in einem bestimmten Grade beeinflusst.

Wie kann heute sowohl vom sozialen, wie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ein Zustand ausnahmsweise!- Begünstigung, d. h. völliger Steuerfreiheit, gerechtfertigt werden, wie sie der Schnaps immer noch gemesst ? Ist es nicht geradezu widersinnig, unter den bezeichneten Umständen ausgerechnet dem Schnaps einen Freibrief von Staates wogen zu gehen ?

1. Tabelle über die Steueransätze auf dem Branntwein in den verschiedenen Ländern.

Fiskalische Belastung per Liter 100 Grad

Grossbritannien .

Dänemark Niederlande . . . .

Belgien Deutschland . . . .

Frankreich .

Italien Schweiz

in Landeswährung 1 L 11 sh. 2 p.

15. 60 Kr.

6. 60 El.

82. -- belg. Fr.

4. -- Mark 16. -- frz. Fr 15. -- Lire

in Schweizerfranken 39.-- 17.50 18. 50 7.50 5.-- 4 -- 3. -- . . .

1.25*1

*) Wir möchten hier erwähnen, dass die eidgenössische Alkoholgesetzgebung nur etwa 3/5 des gesamten Verbrauches an gebrannten Wassern erfasst, während die übrigen 3/5 von jeglicher fiskalischen Belastung befreit sind.

2. Fiskalerträgnisse auf alkoholischen Getränken im Ausland (Kopfquoten).

Wein und Obstwein

Branntwein Und

Schweizerfranken Grossbritannien '). 1,632,133,825 Frankreich *} . . 411,868,130 Belgien 3 ) . · , 40,000,000 Deutsches Reich 4 ) 174,026,920 Österreich 5) . , 14,342,400 Italien6) . . . .

80,000,000 Niederlande 7 ) . .

103,707,000 Dänemark8) . .

38,772,000 93,130,000 Schweden 9) . . .

Norwegen 10) . .

2,670,000 Schweiz11) . . .

5,000,000

per Kopf der Bevölkerung 31,56 10,51

5,36 2,91 2,33 2,00

14, sä 11,97

Schweizerfranken 87,521,625 142,131,930 16,330,000 115,520,001 12,816,000 -- 3,933,000 756,000

15,33 1,01 1,28

per Kopf dei Bevölkerung 1,89 3,62

2,10

1,93 1,9» -

0,60 0,23 --

-- 41,463,412

--

10,67

Total aller al hoho lische n Getränke

Bier Schweizerfranken 2,096,157,875 24,230,500 8,750,000 240,667,458 18,000,000 10,800,000 ) 21,0453,000 29,160,000 20,850,000 18,690,000 450,039

per Kopf der Bevölkerung 40,52

0,61 1,17

4,02 2,90 0,27 3,14 9,00 3,48

7,1,

0,11

Schweizerfranken 3,815,813,325 578,225,560 65,080,000 530,244,379 45,158,400 00,800,000 129,582,000 68,688,000 113,980,000 21,360,000 46,913,451 52,572,160

per Kopf der Bevölkerung 73,77 14,71

8,73 8,80

7,02 2,33 18,53 21.20 19,08

8,11 12,06 13,63

289

l) Steuer, Zolle und Lizenzen der Produzenten, Hindier usw. >) Verbrauchs- und Luxussteuer für Branntwein. Für Wein und Hier: Verbrauchsabgabe-Zölle unbedeutend. 3) Accisen. ») Branntweinmonopol, Bier- und W einsteuer, 5 ) Steuern ohne Zölle, Weinsteuer einschliesslich Schaumwein, o) Steuern ohne Zelle, ohne Einschluss der Umsatzsteuer der Hotel» und Restaurationen, die 1924/25 Lire 45,023,500 erbrachte. ') Steuern ohne Zölle. *) Steuern ohne Zölle. ») Steuern ohne Zölle -- Branntwein umfassend: die Branntweinfabrikationssteuer, die Steuerll auf dem Verbrauch geistiger Getränke und die Umsatz- und Ausschanksteuer der Alkoholverkäufer. 10) Steuern ohne Zölle. ) Zölle auf Wein und Bier pro 1934. Branntwein: Betriebsüberschuss der AlkoholVerwaltung, -- Im 2 Total ist der Betrag der Wirtschaftspatente mit Fr. 5,058,709 Inbegriffen,

200

3. Tabelle Ober die mutmasslichen Erträgnisse bei Anwendung der Steueransätze anderer Staaten auf Grundlage des schweizerischen Verbrauches {unter Berücksichtigung eines der Besteuerung entsprechenden Bückganges des Verbrauches).

Nach den Ansätzen von:

Mutmasslicher Verbrauch

Liter England . . . .. von Fr. 39. -- per Liter à 100 Grad 3,000,000 Dänemark . . .

17.50 5,000,000 Holland . . . .

13. 50 5,000,000 Belgien . . . .

6,000,000 7. 50 7,000,000 Deutschland . .

5.-- Frankreich und Tschechoslowakei 7,500,000 4.-- Italien 8,000,000 3.-

Erträgnis

Franken

117,000,000 87,500,000 67,500,000 45,000,000 35,000,000 80,000,000 24,000,000

III.

Die neue Ordnung.

Die Obstbrennerei erfolgt heute: 1. direkt durch den Produzenten: bäuerliche Hausbrennerei; 2. durch die gewerbsmässige feststehende oder fahrbare Brennerei; gewerbsmässige Brennerei (Drittmannsbrennerei) ; S. durch die industrielle Grossbrennerei (Obstspritbrennerei), die sich während und nach dem Kriege zur Rektifikation von Obstbranntwein ausgerüstet hat, die ihre Erzeugnisse auf den Markt brachte und der AI kohol Verwaltung erbitterte Konkurrenz machte.

a. Die Regelung der bäuerlichen Hausbrennerei.

Der wichtigste Punkt der Revision ist die Begelung der Hausbrennerei. Gelingt es uns, hier eine Lösung zu finden, welche die verschiedenen Auffassungen und Forderungen zu versöhnen und zu einigen vermag, so ist damit für die Bevision der Alkoholgesetzgebung schon viel gewonnen.

Die erste Vorlage, welche manche Vorteile aufwies, hat in landwirtschaftlichen Kreisen eine starke Gegnerschaft gefunden. Man hat behauptet, sie gehe viel zu weit, wenn sie die Hausbrennereien kurzerhand den übrigen, unter Bundesaufsicht stehenden Brennereien gleichstelle. Der Widerstand richtete sich namentlich gegen die strenge Anwendung dos Bewilligungssystems für die bäuerliche Hausbrennerei. Der Bauer will seine selbsterzeugten Brennereirohstoffe frei brennen und wenigstens irei verwenden, was er selbst für seinen Haushalt braucht. Gegenüber den Forderungen mancher Eigengewächsbrenner erhebt sich die gebieterische Notwendigkeit, einmal energisch gegen die Gefahren der Hausbrennerei zu kämpfen. Sie einfach zu belassen, wie sie ist, Messe auf eine wirksameReformm verzichten.

291 Diese beiden Auffassungen, die auf den ersten Blick als Gegensätze erscheinen, bilden die Hauptschwierigkeit in der Lösung der Frage der Hausbrennerei.

Der Entwurf von 1919, der die Hausbrennerei abschaffen wollte, ist vom Volke verworfen worden. Die Meinungen über diesen empfindlichen Punkt scheinen sich indessen schon etwas geändert zu haben. Immerhin ist. sicher, dass der Widerstand gegen die vollige Abschaffung in ländlichen Kreisen unbeirrbar bestehen bleibt. Die Erfahrung in allen benachbarten Ländern hat übrigens gezeigt, dass man in diesem Punkte gezwungen war, gewisse Konzesssionen zu machen. Es ist besser, darauf Bücksicht zu nehmen, denn die Politik des «Alles oder Nichts» würde uns einer zweiton Niederlage aussetzen, welche die gegenwärtige bedauerliche Lage auf lange hinaus fortbestehen liesse. Wir haben also eine Losung gesucht, welche die Forderungen des Obstproduzenten so weit als möglich berücksichtigt, ihn aber anderseits verpflichtet, sich einer Regelung zu unterziehen, die eine wirksame Bekämpfung der Schnapsgefahr gewährleistet.

Artikel 32bis der Bundesverfassung muss eine Fassung erhalten, nach welcher die gesamte Gewinnung von gebrannten Wassern der Gesetzgebung des Bundes untersteht.

Das Brennen von Obst durch gewerbsmässige Brennereien darf nicht mehr, wie noch zur heutigen Zeit, frei sein. Es soll dem Bewilligungssystem und der allgemeinen Ordnung, d. h. der Kontrolle und fiskalischen Belastung, unterstellt werden, was keinen besondern Schwierigkeiten mehr begegnen dürfte, nachdem massgebende Vertreter der Drittmanns brennerci sich damit einverstanden erklarten.

Ein V o r b e h a l t . In Berücksichtigung der besondern Lage des Obstproduzenten und nach den in allen Nachbarländern gemachten Erfahrungen halten wir es für richtig, dass die Neuordnung für den Eigenbrenner eine Ausnahme vorsehen muss. Selbstverständlich ist dieser Ausnahmebereich auf das streng Notwendigste einzuschränken, damit er mit dem Zweck der Revision vereinbar bleibt.

1. Einzig der Produzent soll die Befugnis erhalten, Wein, Obst und ·deren Abfälle zu brennen, aber nur unter der Bedingung, dass es sich um Produkte seiner eigenen einheimischen Ernte handelt.

2. Die Herstellung des für den Hausbedarf nötigen Branntweins ist «teuerfrei. Dagegen wird die Herstellung von Branntwein zum Verkauf ohne
jede Ausnahme der fiskalischen Belastung unterstellt. Die Organisation einer wirksamen Besteuerung wird möglich sein, ohne dass dem Eigenbrenner lästige und unnütze Kontrollmassnahmen auferlegt werden. Die vorgesehene Eegelung würde also dem bäuerlichen Brenner von Eigengewächs die Freiheit wahren, zu brennen und sein Produkt im oigonon Haushalt steuerfrei zu verwenden. Dagegen würde sie seine zum Verkauf bestimmten Branntweinmengen mit einer Steuer treffen. Diese kämen somit erst nach der erfolgten

292

fiskalischen Belastung auf den Markt. Dio Losung, die sich in andern Ländern bewährt hat, trägt den in landwirtschaftlichen Kreisen geäueserten Wünschen Rechnung, dehnt aber doch anderseits die fiskalische Belastung" auf sämtliche für den Markt bestimmten Branntweinmengen aus. In allen Ländern mit hochentwickeltem Obstbau musste man den Eigengewächsbrand von Obst und Wein zur Herstellung von Branntwein für den Haushalt des Produzenten dulden. In allen Ländern ohne Ausnahme aber ist der BranntweinVerkauf der Besteuerung unterstellt.

In Frankreich geniesst dor Eigengewächsbrenner (bouilleur de cru}Steuerfreiheit bis zu einer gewissen Menge absoluten Alkohols im Jahr (Gesetz vom 28. Februar 1928).

In Österreich besteht gemäss Art. 5 des Branntweingesetzes vom 20. Juni 1888 Steuerfreiheit für Branntwein aus solbsterzeügten Stoffen zum eigenen Hausbedarf, wenn der Alkoholgebalt dieser Branntweine 50° nicht übersteigt.

In Jugo-slawien erhalten die Eigenbrenner gemäss Gesetz vom 27. Juni 1921 freie Brennzeit zur Erzeugung von Branntwein für den Hausverbrauch.

Erleichterungen, wenn auch nicht gänzliche Steuerfreiheit für den Eigenbedarf der Obstbrenner gewähren Deutschland und die Tschechoslowakei.

In keinem Lande, ausser in der Schweiz, ist der Verkauf des Branntweins der Hausbrennereien völlig steuerfrei. Und doch ist diese völlige Freiheit, welche die ausländischen Gesetze nicht kennen, für die Schweiz um so gefährlicher, als kein anderes Land im Verhältnis soviel Obst und damit soviel Obstbranntwein produziert wie die Schweiz. Die Änderung der gegenwärtigen.

Ordnung ist dringend. Wie die in den benachbarten Ländern eingeführteOrdnung, muss auch unsere Lösung wirksam und versöhnend in voller Berücksichtigung unserer besondern Verhältnisse und Traditionen gestaltet werden..

Dazu sollten wir alle guten Mutes stehen. Am Schweizervolke ist es, von neuem den Beweis zu. erbringen, dass seine Demokratie imstande ist, auch dornigeProbleme zu lösen.

Das Maximum dessen, was dem Obstproduzenten zugestanden werden darf, ist die Befugnis zur steuerfreien Herstellung des für seinen Hausbedarf" nötigen Branntweins. Über dieses Zugeständnis hinauszugehen, ist nicht möglich, wenn die Lösung nicht unwirksam werden soll. Dagegen muss dieser Vorteil sowohl dem Kernobst- wie dem Steinobstproduzenten eingeräumt
werden. Endlich muss die der Hausbrennerei für die persönlichen Bedürfnissedes Eigenbrenners gewährte Ausnahme auch jenen Obstproduzenten zugütekommen, die ihre Erzeugnisse durch die gewerbsmässige Brennerei brennen lassen, was schon heute vielfach der Fall ist. Es ist zu wünschen, dass diesesVerfahren, das wirtschaftlicher und namentlich auch weniger gefährlich ist als die Hausbrennerei, diese immer mehr in den Hintergrund drängt. EE wird deshalb klug sein, das Brennen des Obstes in deiigewerbsmässigen Brennereien zu f ö r d e r n und den Landwirt zu ermuntern, seine Produkte ausser dem Hause brennen zu lassen. Deshalb schlagen wir auch vor, dem Bund die

293 Befugnis einzuräumen, durch freiwillige Übereinkunft mit den Eigentümern H a u s b r e n n a p p a r a t e gegen Entschädigung a u f z u k a u f e n , um da-durch die Zahl der Hausbrennereien zu vermindern. Man wird auf diese Weise ·ohne Zwangsanwondung zu einer Verminderung der Hausbrennerei gelangen.

b. Gewerbsmäßige Brennereien.

Gegenwärtig sind Herstellung und Verkauf von Branntweinen aus Wein, Kern- und Steinobst und ihren Abfällen, aus Enzianwurzeln, Wacholderbeeren und andern ähnlichen Stoffen für den gewerbsmässigen Brenner frei.

Das will besagen, dass sich diese ganze Brennereigruppe jeder Kontrolle und joder fiskalischen Belastung entzieht. Die Neuordnung will sie im Gegensatz hierzu gleichzeitig der Kontrolle und der Besteuerung unterwerfen. Die gewerbsmässige Brennerei stellt gegenwärtig wohl ungefähr vier Fünftel des dem Markte zugeführten Obstbranntweins her. Die Hausbrennerei erzeugt also nur ungefähr einen Fünftel. Daher haben wir auch betont, wie -wichtig es sei, dass die Revision die ganze P r o d u k t i o n der g e b r a n n t e n Wasser der gewerbsmässigen Brennereien der Kontrolle und Besteuerung unterstelle, da diese ja rund 80% der Gesamtproduktion ausmachen wird. Mit Befriedigung stellen wir fest, dass hierin die Revision keinen ernsthaften Widerstand findet.

t c. Rektifikationsanstalten.

Die Rektifikation, die während des Krieges und nach demselben geübt wurde; um die Branntweine in Spiritus umzuwandeln, wird nur mit b e hördlicher Bewilligung möglich sein, die den Bewilligungsinhaber verpflichtet, der Alkoholverwaltung den gesamten Spritertrag abzuliefern. Wir erwähnen noch, dass in dieser Beziehung das Bundesgericht kürzlich entschieden hat, dass schon der bestehende Verfassungstext die ohne behördliche Bewilligung erfolgende Rektifikation verbietet. Allein es erscheint geboten, dio Formulierung des Verfassungsartikels genauer zu gestalten, damit der neue Text in dieser Hinsicht keinen Zweifel mehr aufkommen lässt.

Text des Entwurfs.

Art. 32bis Gestützt auf die vorangehenden Ausführungen beantragen wir Ihnen, die Absätze des Art. 32bis über die gebrannten Wasser wie folgt abzuändern: Bisheriger Text des Art. 32bis; Der Bund ist befugt, im Wege «der Gesetzgebung Vorschriften über ·die Fabrikation und den Verkauf gcbrannter Wasser zu erlassen. Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen

Neuer Text des Art. 32bis.

*) Der Bund ist befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung Vorschriften über dio Herstellung, die Einfuhr, dio Reinigung, den Verkauf und die fiskaiische Belastung gebrannter Wasser

294

Erzeugnisse, -welche entweder ausgeführt -werden oder eine den Genusq ausschliessende Zubereitung erfahren haben, keiner Besteuerung unterworfen werden.

Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, Wacholderbeeren und ähnlichen Stoffen fällt betreffend die Fabrikation und Besteuerung nicht unter die Bundesgesetzgebung.

Die aus der Besteuerung des Verkaufs gebrannter Wasser erzielten Beineinnahmen verbleiben den Kantonen, in welchen sie zum Bezüge gelangen.

Die Reineinnahmen des Bundes aus der inländischen Fabrikation und aus dem entsprechenden Zollzuschlag auf eingeführte gebrannte Wasser werden unter die samtlichen Kantone

zu erlassen. Erzeugnisse, welche entweder ausgeführt oder eine den Genuss aussehliessende Zubereitung erfahren haben, unterliegen keiner Besteuerung, s )Die Herstellung von Trinkbranntwein aus Wein, Most, Obst und deren.

Abfällen, aus Enzianwurzeln, Wacholderbeeren und ähnlichen Stoffen, wenn es Eigengewächs inländischer Herkunft betrifft, ist gestattet. Der für die Verwendung im eigenen Haushalt des Produzenten bestimmte Trinkbranntwein fällt nicht unter die Besteuerung.

3 3 Der Bund ist befugt, auf dem Wege der freiwilligen Übereinkunft mit den Eigentümern und gegen Entschädigung, sowie durch Förderung des Brennens -wn Obst und Obstabfällen in den Drittmannsbrennereien, die Zahl der Hausbrennapparate allmählich zu vermindern. Der Bund stellt die zur Durchführung dieser Grundsätze erforderlichenVorschriften auf. Die Gesetzgebung ist so zu gestalten, dass sie die Herstellung und den Verbrauch von Branntwein vermindert. Zu diesem Zwecke soll sie die Verwertung einheimischer Brennereirohstoffe für die Ernährung erleichtern und dein Produzenten den Absatz seines Brennerzeugnisses sichern.

4 ) Die Einnahmen aus der Besteuerung des Ausschanks und des Kleinhandels innerhalb des Kantonsgebiets gehören den Kantonen des Bezuges.

Von den Eeineinnahmen aus der fiskalischen Belastung gebrannter Wasser erhalten die Kantone die Hälfte, die nach dem Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung crmittolten und erwahrten

295

nach dem Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische VolksZahlung ermittelten faktischen Bevölkerung verteilt. Von den daherigen Einnahmen haben die Kantone wenigstens 10 % zur Bekämpfung des Alkoholismus in seinen Ursachen und Wirkungen zu verwenden.

Wohnbevölkerung unter sie zu verteilen ist ; von seinem Anteil hat jeder Kanton wenigstens 10 % zur Bekämpfung des Alkoholismus in seinen Ursachen und Wirkungen zu verwenden. Die andere Hälfte der Beineinnahmen verbleibt dem Bunde, -wovon er 5 % für die Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden hat.

Der Überschuss soll der Bekämpfung der Tuberkulose und der Sozialversicherung zufallen.

Zu Absatz 1. Wir halten es für richtig, den Text des ersten Absatzes durch eine genaue Umschreibung der gesetzlichen Befugnisse botreffend die Fabrikation, die Einfuhr, die Reinigung, don Verkauf und die fiskalische Belastung zu ergänzen. Am Bestehenden wird durch diese Erweiterung nichts geändert.

Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Ergänzung, die dem Text grössere Klarheit und Genauigkeit verleiht.

Zu Absatz 2. Der zweite Absatz behandelt die Hauptfrage, den schwierigsten Teil des Problems, nämlich die Obstbronnerei. An Stelle der schrankenlosen Freiheit tritt eine neue Eegelung, welche grundsätzlich jegliches Brennen von Obst, Trestern, Hefe, Most usw. durch die gewerbliche Brennerei der Kontrolle und Besteuerung unterstellt. Diese Ordnung schränkt ferner die Vorrechte des bäuerlichen Hausbrenners ein, der in Zukunft nur noch sein Eigengewächs, d. h. seine eigenen Früchte, frei und ohne fiskalische Belastung für den Hausbedarf brennen darf. Das für den Verkauf bestimmte Überquantum wird, wie schon erwähnt, der Besteuerung unterworfen. Der Eigenbrenner wird nachdiesen Bestimmungen auch nicht mehr befugt sein, zugekaufte Eohstoffe steuerfrei zu brennen.

Zu Absatz 3. Absatz 8 sieht die Anwendung bestimmter Massnahmen vor, die sich als indirekte, doch wirksame Kampfmittel gegen den Schnapsmissbrauch und die Gefahren der Hausbrennerei erweisen. Dem Gesetz bleibt es vorbehalten, die Grundsätze für die Entschädigungen zu regeln, welche für die Übernahme der freiwillig angebotenen Brennapparate vorzusehen sind. Es werden auch die nötigen Bestimmungen zu treffen sein, dass neue Brennapparate nur dort aufgestellt werden können, wo. aus zwingenden Gründen eine Neueinrichtung notwendig ist.

Die Förderung des Brennens von Obst und Obstabfällen in den Drittmannsbrennereien muss im Gesetz ebenfalls umschrieben -werden. Ein anderes wirksames Mittel zur Verminderung der Schnapsgefahr im Bauomhaus würde darin bestehen, für die Drittnxannsbrennereien höhere Branntweinubernahmspreise festzusetzen. Diese Brennereien arbeiten unter bessern technischen Bedingungen, als die Hausbrennereien.

296 Das dritto Alinea des neuen Art. 82bis enthält aber noch eine Bestimmung, die gleichermassen auf die Verminderung der Herstellung und des Verbrauchs von Branntwein abzielt. Die Gesetzgebung soll nämlich die Verwertung der Brennereirohstoffe zu andern Zwecken als zur Branntweinerzeugung erleichtern.

-Man könnte hierfür Frachtermässigungen vorsehen für Obst- und Kartoffeltransporte nach Gegenden, wo daran Mangel herrscht. Es wäre dies ein ausgezeichnetes Mittel, der Brennerei Obst und Kartoffeln zu entziehen, um damit dio Alpengegenden zu versorgen, wo das Klima den Kartoffel- und Obstbau .nicht gestattet. Seit einigen Jahren hat die Alkoholverwaltung in dieser .Bichtung schon wiederholt gute und überzeugende Erfahrungen gemacht.

Selbstverständlich wird trotz allen diesen Massnahmen die Brennerei immer eine gewisse Bedeutung beibehalten. Die Alkoholverwaltung muss deshalb dafür sorgen, dass sie dem Produzenten den Absatz seines Brennerzougnisses .zu guten Preisen sichert, um ihm zu ermöglichen, aus seinen Erzeugnissen angemessenen Gewinn zu ziehen. Allein die Neuordnung wird sich nicht darauf beschränken, dem Obstbau gerechten Schutz angedeihen zu lassen. Sie wird hauptsächlich daliin zielen, so viol Branntwein und diesen so früh als möglich aus dem Bauernhaus herauszuziehen. Im Gesetz muss der Alkoholverwaltung die Abnahmepflieht des zur Ablieferung gebrachten Branntweins auferlegt werden. Selbstverständlich kann der Preis, der je nach Qualität und Marktlage schwankt, im Gesetz nicht festgelegt werden ; dagegen wird den berufenen Organen des Obst- und Weinbaues ein Mitspracherecht bei Pestsetzung des Abnahmepreises durch die Alkoholvorwaltung zu gewähren sein. Es würde möglicherweise ein weiterer Vorteil zugunsten der Bekämpfung des Schnapsmissbrauches darin liegen, wenn der sofort nach dem Brennen abliefernde Produzent einen höhern Preis erzielte, als der spät abliefernde Produzent.

Wenn es aus wohlbekannten Gründen nicht möglich ist, dem Bauemhaus den Brennapparat zu entziehen, so muss doch dafür gesorgt werden, dass die grösstmöglichstc Menge des Brennerzeugnisses aus dem Baucrnhaus herauskommt.

Der Abnahmepflicht der Alkoholverwaltung sollte die Ablieferungspflicht des Produzenten für sein Brennerzeugnis entsprechen. Das Gesetz wird die Ausdehnung dieser Verpflichtung festlegen. Es wird
auch entscheiden, ob nur die gemeinen Branntweine, d. h. der aus Obsttrestern hergestellte, für den Hausbedarf nicht verwendete Branntwein, davon betroffen werden soll, oder ob sich die genannte Pflicht auf die gesamte Produktion, d. h. auch auf die Edelbrarmtweine, wie Kirsch-, Zwetschgen-, Enzianwasser usw., ausdehnt. Der Verkauf dieser Spezialitäten nach Bezahlung der Steuer -wird aber zweifelsohne freibleiben.

Zu Absatz 4. Der Absatz 4 setzt den Verteilungsmodus dei: Einnahmen zwischen den Kantonen und dem Bunde fest. Die kantonalen Eogierungen, die von uns in dieser Frage begrüsst worden sind, haben dem vorgeschlagenen Verteilungsmodus mehrheitlich ihre Zustimmung gegeben. Nach unsern Berechnungen werden die Kantone unter der neuen Regelung höhere Botreff-

297 nisse erhalten, als sie ihnen die Alkoholverwaltung vor dem Kriege verteilte.

Tatsächlich kann die neue Einnahme auf mindestens 25 Millionen Franken geschätzt werden. Der Anteil, welchen die Kantone zur Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden haben, wird auf 10 % belassen. Daneben sind 5 % des Eundesanteils für den gleichen Zweck bestimmt. Die Festsetzung eines Betrages, der vom Bund für die Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden ist, erweist sich als notwendig zur Unterstützung von Anstalten, deren Tätigkeit sich über die ganze Schweiz erstreckt und deren Nutzen unbestreitbar ist.

Verwendung des Bandesanteiles.

Der Ertragsanteil des Bundes ist ·--· die vorerwähnten 5 % abgerechnet -- der Bekämpfung der Tuberkulose, sowie der Sozialversicherung zuzuführen.

Nach Abhebung der zur Bekämpfung der Tuberkulose nötigen Summe wird der Überschuss ganz für die Sozialversicherung verwendet. Er soll in erster Linie die bereits laufenden Kosten der Sozialversicherung decken, und der daherige Saldo soll sofort dem Fonds gutgeschrieben werden, der zur Speisung der Sozialversicherung gemäss dem grundsätzlichen Abstimmungs-Entscheid vom 6. Dezember 1925 bestimmt ist.

Y.

Die Regelung des Kleinhandels mit geistigen Getränken.

Die Bundesversammlung hat am 12./18. Oktober 1922 gleichzeitig mit der Revision der Bestimmungen der Bundesverfassung über die gebrannten Wasser auch eine Änderung der Vorschriften über die nicht gebrannten geistigen Getränke beschlossen.

Die Abstimmung vom 3. Juni 1923 bezog sich jedoch nur auf die Bestimmungen über die gebrannten Getränke. Angesichts der Verwerfung dieser Verfassungsvorlage wurde bis heute davon Umgang genommen, den zweiten Teil des Bundesbeschlusses, d. h. die Bestimmungen über die nicht gebrannten geistigen Getränke, dem Volke und den Ständen ebenfalls zu unterbreiten.

Der nun vorliegende Entwurf befasst sich sowohl mit den gebrannten, als mit den nicht gebrannten Getränken, so dass diejenigen Fragen, die durch den zweiten Teil des vorerwähnten Bundesbeschlusses hätten geregelt werden sollen, in der Vorlage auch berücksichtigt sind. Damit wird der sich auf die Revision der Art. 81, lit. c, und 32b", Abs. 2 beziehende Teil des Bundesbesohlusses vom 12./13. Oktober 1922 hinfällig. Er wäre also im Falle der Annahme des neuen Entwurfes, wie er Urnen heute vorgelegt wird, als aufgehoben zu betrachten.

Der Art. 82b'9 der Bundesverfassung enthält neben der Regelung der gebrannten Wasser auch dio Regelung des Handels mit nicht gebrannten Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. L

21

298 geistigen Getränken. Es wäre wahrscheinlich vorteilhafter gewesen, die beiden Gegenstände von Anfang an in zwei getrennten Artikeln zu ordnen. Der längst erfolgte Wegfall der kantonalen Eingangsgebuhren auf geistigen Getränken und die inzwischen eingeführte Gesetzgebung über die Lebensmittelpolizei haben zudem heute dem Absatz 2 einen Teil seiner Bedeutung genommen. Er kann daher in gekürzter Form in Art. SI, lit. c, untergebracht werden. Wir stellen die gegenwärtig noch geltenden Verfassungsbestimmungen betreffend, den Handel mit geistigen Getränken dem von uns beantragten neuen Texte gegenüber.

Bisheriger Text der Art. 31, lit. c, und Art. 32bl% Abs. 2.

Art. 81, lit. c.

Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorbehalten sind: a)

&;c) Das Wirtschaftswesen und der

Kleinhandel mit geistigen Getränken, in dem Sinne, dass die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getranken den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen können.

Art. SS*18, Abs. 2.

Nach dem Wegfall der in Art. 82 der Bundesverfassung erwähnten Eingangsgebühren auf geistigen Getränken kann der Handel mit solchen, welche nicht gebrannt sind, von den Kantonen keinen besondern Steuern unterworfen werden, noch andern Beschränkungen als denjenigen/welche zum Schutze vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken notwendig sind. Jedoch bleiben hierbei in betreff des Betriebes von Wirtschaften und des Kleinverkaufes von

Neuer Text des Art. 31, lit. c.

Art. 81, Ht. c.

Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorbehalten sind: 4 b) c) Das Wirtschaftswesen und der Kleinhandel mit geistigen Getränken in dem Sinne, dass die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getränken in Mengen unter 2 Liter den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen können.

Der Handel mit nicht gebrannten geistigen Getränken in Mengen von 2 bis 10 Li ter kann innerhalb der Grenzen von Art. 31, lit. e, von den Kantonen auf dem Wege der Gesetzgebung von einer Bewilligung und der Entrichtung einer massigen Gebühr abhängig gemacht und der behördlichen Aufsicht unterstellt werden.

Juristische Personen dürfen von den Kantonen nicht ungünstiger behandelt werden als natürliche. DieProduzenten von Wein und Most können ihr Eigengewächs in Mengen von.

299 Quantitäten unter zwei Litor die den Kantonen nach Art. 31 zustehenden Kompetenzen vorbehalten.

2 und mehr Liter ohne Bewilligung und ohne Gebühr verkaufen.

Der Verkauf nicht gebrannter geistiger Getränke darf von den Kantonen ausser den Patentgebühren mit keinen besondern Steuern belastet werden.

Die neue Eegelung lässt die bisherigen Verhältnisse in bezug auf den Verkauf von gegorenen Getränken in Mengen unter zwei Liter bestehen.

Dieser Detailhandel bleibt also vollständig der kantonalen Gesetzgebung vorbehalten.

Wiederholt ist versucht worden, den Handel mit geistigen Getränken in Mengen über 2 Liter besonders zu ordnen. Wir erinnern in dieser Hinsicht an die Volksabstimmung, in der die Mehrheit des Schweizervolkes sich gegen die Ausdehnung der kantonalen Kompetenzen auf den Handel mit Mengen unter 10 Liter aussprach.

Es ist unbestreitbar, dass das gegenwärtige System unbeschränkter Freiheit, das jedermann gestattet, Wein, Bier und Most ohne Kontrolle und ohne Steuer in Mengen von zwei Liter an zu verkaufen, Anlass zu berechtigter Kritik bietet. Die Wirte unterstehen einer polizeilichen Kontrolle und müssen Pateütgebühr bezahlen. Sie fühlen sich gegenüber den von Kontrolle und Patentgebühren befreiten sogenannten «Zweiliterverkaufsstellen» benachteiligt. Sie sehen in diesem Vorrecht eine Ungleichheit in der Behandlung, die sie als unlautern Wettbewerb bezeichnen. Die Weinbauern ihrerseits beschweren sich darüber, dass der Verkauf in Mengen von zwei Liter im Inland den Vertrieb von billigen ausländischen Weinen geringer Qualität fördere. Die gemeinnützigen Vereinigungen wiederum sehen jn der Menge der Weinverkaufsstellen eine Gefahr der Verbreitung des Alkohohsmus durch den Missbrauch gegorener Getränke. Es lässt sich nicht leugnen, dass die anerkennenswerten Anstrengungen der Kantonsregierungen zur Verminderung der Zahl der Wirtschaften durch die Menge der Zweiliterverkaufsstellen an Wirksamkeit einbüssen. Violfache Klagen der Polizeiorgane gehen dahin, dass viele Verkaufsstellen in heimliche, jeder nutzbringenden Kontrolle entzogene Ausschanklokale ausarten. Das Problem des Migroshandels mit gegorenen Getränken, um die Sache so zu benennen, ist unserer Ansicht nach vor allem von diesem Standpunkt aus zu betrachten und nicht nur vom Standpunkt der Konkurrenz, über die die Wirte klagen.

Die Konsumvereine, die Spezierer, die Bierbrauer und die Landwirte der Zentral- und Ostschweiz, die ihren Wein und Most direkt dem Verbraucher verkaufen, wie auch die Verbraucher selber, haben in dieser Frage ein dorn Standpunkte der Wirte gerade entgegengesetztes Interesse. Für sie bedeutet die .Zweiliterverkaufsstelle die Möglichkeit, Wein und Most zu vorteilhafteren

300

Bedingungen zu verkaufen oder zu beschaffen, als dies in der Wirtschaft möglich ist.

Es war überaus schwierig, diese widerstreitenden Interessen einander näher zu bringen. Anfänglich schien eine Einigung zwischen den Beteiligten unmöglich. Da aber die Regelung des Kleinhandels in Mengen über zwei Liter allen als eine Notwendigkeit erschien, und dank besonders dem Geist der Versöhnung, den die Vertreter der verschiedenen Gruppen bewiesen, konnte doch eine Einigung auf der Grundlage einer für alle annehmbaren Lösung gefunden weiden. Wir freuen uns dessen um so mehr, als die beantragte Lösung einen wirklichen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustande darstellt.

Die Sorge um die Verbesserung des derzeitigen bedauerlichen Zustandes darf uns jedoch die vom Schweizervolk in dieser schwierigen Erage sehr energisch kundgegebene Meinung nicht vergessen lassen. Mit gewaltiger Mehrheit hat es sich im Jahre 1903 dagegen ausgesprochen, dass die für den Kleinhandel in Mengen unter zwei Liter bestehende Ordnung auf ein weiteres Gebiet ausgedehnt werde. Bei der Neuordnung ist dieser Volksentscheid entsprechend zu würdigen. Das Schweizervolk wehrt sich gegen den Gedanken, den Handel mit gegorenen Getränken einer Beschränkung zu unterwerfen, die eine neue Einschnürung der Handels- und Gewerbefreiheit bilden würde. Es ist deshalb besser, darauf zu verzichten, den Handel mit gegorenen Getränken der vom Volke verworfenen Eegelung zu unterstellen. Zur wirksamen Bekämpfung der Missbräuche auf diesem Gebiet braucht übrigens nicht der ganze Handel mit gegorenen Getränken dem Bewilligungszwang zu unterstehen, der für die Wirtschaften und den Detailhandel gilt. Um einen bedeutenden Fortschritt zu erzielen, wird es genügen, wenn man den Kantonen die Befugnis erteilt, an den Migroshandel, d. h. an den Handel in Mengen von zwei bis zehn Liter, gewisse polizeiliche Vorschriften zu knüpfen. Damit würde dieser Handel nicht dem Patent unterworfen, das den Preis der im Kleinhandel verkauften Getränke unvermeidlich beeinflusst. So würde die Verteuerung vermieden und der Haupteinwand gegen den Bevisionsentwurf, der den Kleinhandel weiter einschränken wollte, fiele weg. Der neue Entwurf lässt die gegenwärtige Ordnung des Handels in Mengen unter zwei Liter bestehen, ermächtigt aber ausserdem die Kantone, den Handel in Mengen von
zwei bis zehn Liter einer Polizeikontrolle zu unterstellen, die dem Konsumenten zugute kommt, weil damit die Wirksamkeit der Lebensmittelpolizeigesetzgebung verstärkt wird. Die Neuordnung würde dazu beitragen, den Konsumenten besser gegen Getränke von zweifelhafter Beschaffenheit zu schützen. Diese Polizeikontrolle soll der dem Staate obliegenden öffentlichen Gesundheitspflege vermehrte Gewähr bieten und darf daher nicht als eine neue Beschränkung des Grundsatzes der Handels- und Gröwerbefreiheit angesehen werden. Die Eechtsprechung des Bundesgerichts hat diese Auslegung des Art. 31 unserer Verfassung bestätigt.

301

Wie oben erwähnt, lässt die'gefundene Mittellösung die bisherige Begelung des Kleinhandels in Mengen unter zwei Liter bestehen. Dagegen soll der Handel mit nicht gebrannten geistigen Getränken in Mengen von zwei bis zehn Liter, der heute ganz frei ist, in Zukunft von den Kantonen in den Grenzen des Art. 81, lit. e, von einer Bewilligung und der Entrichtung einer massigen Gebühr abhängig gemacht und der polizeilichen Aufsicht unterstellt werden. DieseBewilligung darf indessen nicht den Charakter einer Konzession tragen. Wenn die Voraussetzungen betreffend den Leumund und die Forderungen in bezug auf die Lokalitäten und die Lebensmittelpolizeivorschriften erfüllt sind, so muss die Bewilligung erteilt werden, und zwar ohne dass ein Bedürfnisnachweis gefordert werden darf. Die von den Kantonen zu erhebende Gebühr für diese Bewilligung soll nicht ausgesprochen fiskalischen Charakter haben; in den Vorberatungen wurde von rund Fr. 50 jährliche Gebühr gesprochen. Ferner sollen die juristischen Personen nicht ungünstiger gestellt werden dürfen, als die natürlichen. Damit erhalten die Konsumgenossenschaften die gleichen Eechte, wie die Einzelpersonen.

In den weinbautreibenden Gegenden und den ostschweizerischen Obstbaugebieten wird der Wein und Most vom Erzeuger direkt an den Verbraucher geliefert. Um diesen besondern Verhältnissen Bechnung zu tragen, ist dem Text des Artikels 81 eine Bestimmung beigefügt worden, welche die Wein- und Mostproduzenten ermächtigt, das Produkt aus dem Eigengewächs in Mengen von zwei und mehr Liter ohne Bewilligung zu verkaufen.

Die vorgeschlagene Ordnung, die einen sehr schwierig herzustellenden Ausgleich zwischen entgegengesetzten Interessen bildet, gibt den Kantonen die Möglichkeit, das gegenwärtige Zweihterverkaufssystem wirksam zu verbessern und einem Zustand ein Ende zu machen, der in gewissen Gegenden sehr viel zu wünschen übrig lässt. Diese Änderung verstärkt das soziale Gepräge der vorgeschlagenen Kevision.

Schlussfolgerungen.

Der Entwurf ermöglicht verschiedene Fortschritte, die den Gegenstand unserer Sorge bildeten. Unter der neuen Ordnung wird sich eine zweckrnässige Verwendung der Brennereirohstoffe erreichen lassen, die in höherem Masse als bisher der Ernährung zugeführt werden können. Die neue Gesetzgebung wird die Branntweinerzeugung herabmindern durch die Ausdehnung der Kontrolle und der fiskalischen Belastung auf die gesamte gewerbliche Obstbrennerei.

Die Besteuerung der nicht für den Hausbedarf bestimmten Branntweinproduktion wird die Gefahr der Hausbrennerei vermindern. Endlich wird der Schnapsverbrauch eingeschränkt durch die Erhöhung der Spritproiso und durch die Verteuerung der gebrannten Wasser.

Die Eegelung der Hausbrennerei, die Möglichkeit für den Landwirt, mit Vorteil die gewerbsmässigen Brennereien, insbesondere die fahrbaren Brennereien zu benützen, die fernere Möglichkeit, seine Brennerzeugnisse sofort unter

302 günstigen Bedingungen zu veräussern, der Aufkauf der Brennapparate durch die Alkoholverwaltung auf dem Wege gegenseitiger freier Verständigung -- das alles wird mit Bestimmtheit zu einer erheblichen Einschränkung der Hausbrennerei führen. Ähnliche gesetzliche Bestimmungen haben anderwärts guten Erfolg gezeitigt. Sie werden auch bei uns von Nutzen sein. Der Obstbau ist in der Schweiz sehr entwickelt, er liefert dem Bauernhof beträchtliche Mengen Brennereirohstoffe. Es ist daher wichtig, eine Regelung herbeizuführen, dio unsern Bauernstand gegen die schwere Gefahr des Alkoholmissbrauchs schützt und ihm zugleich materielle Vorteile gegenüber dem jetzigen Status in der Brennerei sichert.

Die vorgeschlagene Eevision wird die Beinerträgnisse der Alkoholverwaltung erheblich erhöhen. Diese wird somit in der Lage sein, den Produzenten den Obstbranntwein zu angemessenen Preisen abzunehmen. Vom Standpunkte der Sonderinteressen der Obstproduzenten aus betrachtet, bringt die Bevision gegenüber dem jetzigen Zustande einen entschiedenen Fortschritt.

Nicht nur wird den künftigen Generationen ein gesundheitlicher und moralischer Schutz zuteil, sondern der Schweizerbauer zieht aus der Neuordnung auch materiellen Gewinn, Die "Überwachung und Beeinflussung des ganzen Marktes durch die Alkoholverwaltung sichert der Landwirtschaft feste Preise und bewahrt sie vor dem häufigen und schroffen Wechsel in der Bewertung ihres Obstertrages. Die Gewissheit, für seine Brennerzeugnisse jederzeit und zu angemessenem Preise Absatz zu finden, wird der Landwirt gebührend hoch einschätzen.

Die jährliche Gesamterzeugung an Obstsprit überschreitet selbst bei überreicher Ernte 500 bis 600 Wagen nicht (was ungefähr 1200 bis 1500 Wagen gemeinen Branntweins ausmacht). Die Verwendung dieses Obstsprits als Industrie- und Brennsprit wird leicht sein, da die Alkoholverwaltung regelmässig jährlich ungefähr 700 Wagen Industrie- und Brennsprit verkauft. Im weitem ergibt die Verwendung des Alkohols als Motorbrennstoff neue Absatzmöglichkeiten. Die Schweiz verbraucht jährlich etwa GOOO bis 7000 Wagen Benzin. In der Mehrzahl der Länder werden heute dem Benzin mehr oder weniger grosse Zusätze von Alkohol beigefügt, oft bis zu 50 %. Dio M o t o r k r a f t ö f f n e t uns somit ein sehr wichtiges Verwendungsgebiet. Es sollte also nicht schwer
fallen, durch den Motor die paar hundert Wagen Obstsprit verbrauchen zu lassen, welche das öffentliche Wohl dem Trinkverbrauch zu entziehen gebietet. Der zur industriellen Verwendung bestimmte Obstsprit wird zwar mit Verlust abgesetzt werden müssen, d. h. der von der Alkoholverwaltung erzielte Verkaufspreis wird niedriger sein als der dem Produzenten bezahlte Übernahmepreis, Alle Länder, die ihre Alkoholverwaltung zur Übernahme der einheimischen Brennerzeugnisse verpflichten, verkaufen der Industrie mit Verlust,. Doch der Gewinn auf gesundheitlichem Gebiet, der sich aus dieser Ordnung ergibt und der auch uus nach ihrer Einführung srafliessen wird, ist das Opier wert.

303

Vom fiskalischen Standpunkt aus ist die Erhöhung der zwischen dem Bund wnd den Kantonen zu teilenden Einnahmen notwendig, weil nach der Meinung sämtlicher Sachverständiger die Belastung von Alkohol und Tabak die einzigen Luxussteuern sind, die man praktisch und nutzbringend in der Schweiz einführen kann.

Alle diese Vorteile, alle diese neuen Möglichkeiten, alle die günstigen Voraussetzungen zur Bekämpfung des Alkoholismus sind unter der bisherigen Alkoholgesetzgebung unmöglich. Sie lassen sich verwirklichen und sind, ·wie wir hoffen, auch tatsächlich verwirklicht in dem Entwurf, den -wir die Ehre haben, Ihnen zur Genehmigung zu empfehlen.

Bern, den 29. Januar 1926.

Namens des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Häberlin.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

304 (Entwurf.)

Bimdesbeschluss betreffend

die Revision der Art. 31 und 32"" (Alkoholwesen) der Bundesverfassung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 29. Januar 1926, beschliesst: Es wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet: 1. Der Entwurf zu einer Eevision der Bestimmungen der Bundesverfassung über die gebrannten geistigen Getränke: Art. 31, lit. l erhalt folgende Fassung: « Die Herstellung, die Einfuhr, die Eeinigung, der Verkauf und die fiskalische Belastung gebrannter "Wasser nach Massgabe des Artikels S2bl8.» Art. 32bi", Abs. l, 3 und 4 wird durch folgende Bestimmung ersetzt: «Der Bund ist befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung Vorschriften über die Herstellung, die Einfuhr, die Eeinigung, den Verkauf und die fiskalische Belastung gebrannter Wasser zu erlassen. Erzeugnisse, welche entweder ausgeführt oder eine den Genuss ausschliessende Zubereitung erfahren haben, unterliegen keiner Besteuerung.

Die Herstellung von Trinkbranntwein aus Wein, Most, Obst und deren Abfällen, aus Enzianwurzeln, Wacholderbeeren und ähnlichen Stoffen, wenn ea Eigengewächs inländischer Herkunft betrifft,, ist gestattet. Der für die Verwendung im eigenen Haushalt des Produzenten bestimmte Trinkbranntwein fällt nicht unter die Besteuerung.

Der Bund ist befugt, auf dem Wege der freiwilligen Übereinkunft mit den Eigentümern und gegen Entschädigung, sowie durch Förderung des Brennens von Obst und Obstabfällen in den Drittmannsbrennereien, die Zahl der Hausbrennapparate allmählich zu vermindern. Der Bund stellt die zur Durchführung dieser Grundsätze erforderlichen Vorschriften au£. Die Gesetzgebung ist so zu gestalten, dass sie die Herstellung und den Verbrauch von Branntwein

305 vermindert. Zu diesem Zweck soll sie die Verwertung einheimischer Brennereirohatoffe für die Ernährung erleichtern und dem Produzenten den Absatz seines Brennereierzeugnisses sichern.

Die Einnahmen aus der Besteuerung des Ausschankes und des Kleinhandels innerhalb des Kantonsgebietes gehören den Kantonen des Bezuges. Von den Reineinnahmen aus der fiskalischen Belastung gebrannter Wasser erhalten die Kantone die Hälfte, die nach dem Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten und erwahrten Wohnbevölkerung unter sie zu verteilen ist; von seinem Anteil hat jeder Kanton wenigstens 10 % zur Bekämpfung des Alkoholismus in seinen Ursachen und Wirkungen zu verwenden. Die aridere Hälfte der Eeineinnahmen verbleibt dem Bunde, wovon er 5°/o für die Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden hat. Der Überschuss soll der Bekämpfung der Tuberkulose und der Sozialversicherung zufallen.» 2. Der Entwurf ZM einer Eevision der Bestimmungen der Bundesverfassung über den Handel mit nicht gebrannten geistigen Getränken: Art. 32Ue, Abs. 2 wird durch Art. 31, Ut. o ersetzt, lautend : «Die Freiheit des Handels und dor Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschatt gewährleistet.

Vorbehalten sind: a b c. Das Wirtschaftswesen und der Kleinhandel mit geistigen Getränken in dem Sinne, dass die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getränken in Mengen unter zwei Liter den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen können.

Der Handel mit nicht gebrannten geistigen Getränken in Mengen von zwei bis zehn Liter kann innerhalb der Grenzen von Art. 31, lit, e von den Kantonen auf dem Wege der Gesetzgebung von einer Bewilligung und der Entrichtung einer massigen Gebühr abhängig gemacht und der behördlichen Aufsicht unterstellt werden.

Juristische Personen dürfen von den Kantonen nicht ungünstiger behandelt ·werden als natürliche. Die Produzenten von Wein und Most können ihr Eigengewächs in Mengen von zwei und mehr Liter ohne Bewilligung und ohne Gebühr verkaufen.

Der Verkauf nicht gebrannter geistiger Getränke darf von den Kantonen ausser den Patentgebühren mit keinen bcsondorn Steuern belastet werden.» II.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung des Beschlusses beauftragt.

~se~

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision der Art. 31 und 32bis der Bundesverfassung (Alkoholwesen). Vom 29. Januar 1926.)

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1926

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