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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1926).

. (Vom 19. November 1926.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachstehende 25 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

61. Hedwig Felder-Lipp, geb. 1877, gew. Posthalterin, Hasle (Luzern).

(Bundesaktenfälschung, Amtspflichtverletzung, Unterschlagung.)

61. Hedwig Felder ist am 21. Februar 1925 vom Kriminalgericht des Kantons Luzern gestützt auf die Art. 53, 61 des Bundesstrafrechtes und kantonalrechtliche Strafbestimmungen zu einer Arbeitshausstrafe von zwölf Monaten, zu Fr. 100 Busse und zur Amtsentsetzung verurteilt worden.

Frau Felder hat als damalige Posthalterin während längerer Zeit Postgelder zu Privatzwecken unterschlagen, Empfangsbescheinigungen und Daten auf Einzugsmandaten verfälscht, Kassenabschlüsse fingiert und die Bechnung ungehörig geführt.

Frau Felder, die die Arbeitshausstrafe verbüsst hat, ersucht um Erlass der Busse von Fr. 100, unter Hinweis auf ihren Krankheitszustand und das Fehlen von Geldmitteln.

Der Oberpostdirektor ist der Ansicht, bei den dermaligen Verhältnissen der GesuchsteUerin sei auf das Gesuch einzutreten.

Wir beantragen, .die Busse von Fr. 100 kommiserationsweise zu erlassen, in Erwägung, dass der Straffall, der schwererer Art ist, im wesentlichen durch den Vollzug der Freiheitsstrafe die notwendige, ordnungsgemässe Erledigung gefunden hat.

62. Hans Zeller, geb. 1881, gew. Briefträger, Bern.

(Postvergehen, Diebstahl.)

62. Hans Zeller ist am 28. Juli 1926 vom korrektionellen Gericht von Bern in Anwendung von Art, 57 des Postverkehrsgesetzes vom 2. Oktober 1924 in Verbindung mit kantonalrechtlichen Bestimmungen betreffend Diebstahl zu 80 Tagen Korrektionshaus, umgewandelt in 40 Tage Fjinzelhaft, verurteilt worden.

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Zeller hat sich als Briefträger während eiiuger Monate an Briefen, die ihm dienstlich durch die Hände gingen, vergriffen. Die Briefe waren sämtliche an eine Adressatin gerichtet, von der Zeller wusste, dass sie häufig kleinere Banknoten oder Wertbeträge in Briefmarken zugeschickt erhielt. Zeller öffnete die Briefe und entnahm ihnen den Wertinhalt, worauf er sie wieder verschloss und in der Begel bestellte; einige, beim Öffnen zu sehr beschädigte Briefe vernichtete er. Die entwendeten Beträge machen die Summe von Fr. 96 aus.

Zeller ersucht um Erlass der Strafe. Der Richter habe ihn verurteilen müssen, .er glaube aber trotz des schweren Fehltrittes auf Grund seines Vorlebens einer Begnadigung würdig zu sein. Die Verfehlungen seien erfolgt, um den Verpflichtungen als Familienvater besser nachzukommen. Während nahezu zwanzig Jahren habe er seinen Dienst als Angestellter der Postverwaltung zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten versehen. Jetzt sei er als Briefträger entlassen worden, unter Verlust der Ansprüche an die Versicherungskasse. Für Einzelheiten verweisen wir auf das Gesuch selbst.

· Der stellvertretende Präsident des korrektionellen Gerichts von Bern .bestätigt die Angabe des Gesuchstellers, dass ihm das urteilende Gericht den bedingten Straferlass zugebilligt hätte, wenn dies rechtlich zulässig gewesen wäre. Er empfiehlt das Begnadigungsgesuch und dasselbe geschieht durch vier Amtsrichter.

In den Akten befindet sich ein sehr gut lautendes Dienstzeugnis des Bureauchefs und der Kreispostdirektion, eine Empfehlung des Direktors der sozialen Fürsorge von Bern und ein persönliches Schreiben der Ehefrau des Gesuchstellers.

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Die Polizeidirektion der Stadt Bern beantragt den gänzlichen Erlass der Strafe, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, ebenso die kantonale Polizeidirektion die bedingte Begnadigung.

Die eidgenössische Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft den Strafvollzug bis zum Entscheid der Bundesversammlung aufgeschoben.

Unserseits betrachten wir mit der Oberpostdirektion und der Bundesanwaltschaft als ausschlaggebend, dass Zeller schwere Postvergehen zur Last fallen. Die Antragstellungen der Kantonsbehörden tragen unseres Erachtens diesem Umstand zu wenig Eechnung. Das Postverkehrsgesetz lässt ausdrücklich zu, leichte Fälle von Postgeheimnisverletzung
disziplinarisch zu ahnden. Im Falle Zeller handelt es sich demgegenüber um eine eigentliche Kette von einzelnen Amtsvergehen, um wiederholte Postgeheimnisverletzungen zum Zwecke des Diebstahls und um Vernichtung von Postsendungen.

Dass Zeller seine dienstlichen Obliegenheiten als Briefträger auf das gröblichste verletzt hat, ist unbestreitbar. Hinzu kommt, dass die Gesuchsanbringen, welche die Vergehen auf finanzielle Schwierigkeiten zurückführen, im Widerspruch stehen zu den Aussagen Zellers in der Administrativuntersuchung, wonach er sich nicht in Geldverlegenheit befand. Die Oberpostdirektion bemerkt,

697 tatsächlich seien im Begnadigungsgesuch keinerlei Umstände angeführt, welche die Verfehlungen als einigermassen begreiflich erscheinen liessen. Gewiss erregt die Familie des Verurteilten Mitgefühl. Dies muss aber bei der Lage des Falles in den Hintergrund treten vor der schon wiederholt geltend gemachten Notwendigkeit, die S t r e n g e des B e a m t e n s t r a f r e c h t e s auch im Begnadigungsweg zur Wirkung zu bringen. Was insbesondere die bedingte Begnadigung anbetrifft, so wiederholen wir im allgemeinen die bereits im Falle Schmid neuerdings geltend gemachten Erwägungen (Antrag l des I. Berichtes).

Dem zugunsten des Gesuchstellers sprechenden Vorleben halten wir hier die n ä h e r n Verumständungen der Verfehlungen entgegen, die es als Amtsvergehen mit sich bringen, dass der Strafe in besonderem Mass eine generalp r ä v e n i e r e n d e Bedeutung zukommen muss (zu vgl. Antrag 3 im I,Bericht vom 7. November 1924, Bundesbl. Ili, 71S und 7 im I.-Bericht vom 4. Mai 1926, Bundesbl. I, 624/625). Der gänzliche oder bedingte Erlass der Strafe sollte deshalb ausser Betracht fallen.

Kommiserationsweise beantragen wir dermalen lediglich Abweisung zurzeit. Dabei beabsichtigen wir, den Strafvollzug Mitte Mai des nächsten Jahres anordnen zu lassen, so dass im Zeitpunkt der Sitzungen der Begnadigungskommission und des Beginns der Junisession entschieden werden kann, ob es bei der teilweisen Strafverbüssung sein Bewenden haben solle und der Bundesversammlung die teilweise Begnadigung zu beantragen sei. Für den Zeitpunkt der Kommissionsberatungen wird ein Bericht beschafft werden, der über die Lebensführung Zellers sowie über seine Erwerbs- und Familienverhältnisse seit der Verurteilung Auskunft gibt.

68. Fritz Bauer geb. 1902, Mechaniker, Basel.

(Eisenbahngefährdung.)

63. Fritz Bauer ist am 12. Mai 1926 vom Gerichtspräsidenten von Fraubrunnen gestützt auf Art. 67, Abs. 2 rev., des Bundesstrafrechtes zu 5 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse verurteilt worden.

Das von Bauer geführte Automobil geriet bei der Station Zollikofen derart ins Schleudern, dass Bauer die Herrschaft über den Wagen verlor und auf einen Motorwagen der Solothurn-Bern-Bahn auffuhr.

Für Bauer stellt ein Anwalt das Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe.

Nach dem Gesuch, auf das wir verweisen, soll Bauer zugute gehalten werden,
dass ihn sein mitfahrender Dienstherr zu raschem Fahren verhalten habe, ferner sei das damalige neblige Wetter, der daherige glitschrige Strassenbelag in Betracht zu ziehen und weiterhin zu berücksichtigen, dass die Strassenverhältnisse in Zollikofen durchaus unzulänglich seien. Bauer falle ein geringes Mass von Verschulden zur Last, indem zum grössten Teil Umstände ausschlaggebend gewesen seien, die er als zuverlässiger Fahrer, dem nie vorher ein Unfall zugestossen sei, in .keiner Weise zu verantworten habe. Bauer

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bekleide den Grad eines Automobiloffiziers. Der Vollzug der Gefängnisstrafe wurde ihn zeitlebens mit einem Makel belasten xind eine ausserordentliche Härte bedeuten.

: Der Regierungsstatthalter und gleichzeitige Gerichtspräsident von Fraubrunnen empfiehlt das Gesuch. Bauer habe die zulässige Fahrgeschwindigkeit auf Befehl seines Dienstherrn überschritten ; moralisch verantwortlich für die Eisenbahngefährdung sei letzterer. Die schlechten Verkehrsverhältnisse in Zollikofen hätten den Vorfall mitverursacht. Das Begnadigungsgesuch entspreche dem Bat des urteilenden Richters, indem mangels gesetzlicher Grundlage der bedingte Straferlase nicht habe erfolgen können.

Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartementes betont grundsätzlich, dass bei den immer noch zunehmenden Gefährdungen des Eisenbahnverkehrs durch Motorfahrzeuge besondere Nachsicht im allgemeinen nicht angezeigt erscheine. Angesichts der besonderen Umstände des Falles wird jedoch dem Erlass der Gefängnisstrafe kein Widerstand entgegengebracht. Auch die Direktion der Solothurn-Bem-Bahn macht gegen eine Begnadigung keinerlei Bedenken geltend.

Da Bauer nach den Urteilserwägungen den Zusammenstoss grob fahrlässig verschuldet hat, erhebt sich die Frage, ob sein Gesuch abzuweisen sei, wie seinerzeit dasjenige des Chauffeurs Toller (Antrag 8 des I. Berichtes vom 17. November 1925, Bundesbl, III, 389 ff), In Würdigung der ganzen Aktenlage halten wir jedoch dafür, dass die Verumständungen des Falles für Bauer wesentlich günstiger liegen. Bauer hat das Mögliche getan, um die herbeigeführte Gefährdung zu beseitigen. Fehlerhaft war die allzu grosse, die Gefährdung verursachende Fahrgeschwindigkeit; Bauer wird aber dadurch einigermassen .entlastet, dass er sich nach den Weisungen seines mitfahrenden Dienstherrn verhielt. Man kann sogar die Frage aufwerfen, ob der Dienstherr nicht richtigerweise als Mitschuldiger an der 'Zuwiderhandlung gegen das Automobilkonkordat in Betracht falle. Hinzu kommt, dass die Person Bauers besonderes Interesse erweckt, -wie dies die warme Empfehlung seines Gesuches durch den urteilenden Richter deutlich dartut.

Wir beantragen, den bedingten Erlass der Ge.fängnissträfe unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren, wobei als Bedingung besonders hervorzuheben ist, dass Bauer während der Probezeit kein
vorsätzliches Vergehen verübe. Die".Busse von Fr. 200, um deren Erlass nicht nachgesucht wird, bleibt bestehen.

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- ' 64. Hans Biedermann, geb. 1908, Fabrikarbeiter, Winznau (Solothurn).

(Bahnpolizei.)

64. Hans Biedermann ist am 30. März 1926 vom Amtsgerichtspräsidenten Ölten-Gösgen in Anwendung von Art. 6 'des .Bundesgesetzes betreffend die Handhabung der Bahnpolizei vom 18, Februar 1878 zu Fr. 7 Busse verurteilt worden.

69» Die Verurteilung erging, weil Biedermann in Schönenwerd auf einen in die Station einfahrenden, noch in ziemlich starker Fahrt befindlichen Zug aufgesprungen sei.

Biedermann, der den Vorfall auch heute nicht zugibt, sondern Irrtum behauptet, ersucht um Erlass der Busse mit dem Hinweis, dass er in seiner Arbeitsstelle keinen Barlohn erhalte und als Waise den Armenfonds der Heimatgemeinde schon zur Genüge in Anspruch genommen habe.

Der Gemeinderat von Winznau unterstützt das Gesuch, ebenso das Polizeidepartement des Kantons Solothurn.

. Da die Angaben des Polizeiberichts für Biedermann günstig lauten, bean tragen wir mit den Behörden des Kantons Solothurn, die Busse zu erlassen.

Die Kosten belaufen sich ohnehin auf Fr. 24.70.

65. Josef Kalt, geb. 1898, Landwirt, Gippingen-Leuggern .(Aargau), " (Milchfälschung).

65. Josef Kalt ist am 25. August 1926 vom Bezirksgericht Zurzach gestützt auf Art. 86 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 zu 4 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse verurteilt worden.

Kalt, der im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters die Stallarbeiten besorgt, hat die zu Konsumzwecken bestimmte Milch in. fortgesetzter Weise verwässert; der Wasserzusatz betrug ca. 87% der ursprünglichen Vollmilch.

Kalt ersucht in nicht -selbst verfasster Eingabe um Erlass der Gefängnisstrafe. .Das Vergehen sei mit der hohen Busse von Fr. 100. bereits reichlich gesühnt, und es wäre zu viel verlangt, wenn der 28 jährige Gesuchsteller die Gefängnisstrafe absitzen müsste. Es wird auf das kantonale Gesetz über den bedingten Straferlass verwiesen.

· · . Das Bezirksgericht Zurzach beantragt .Abweisung.

Mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt beantragen wir desgleichen.

Abweisung. .Im Geschäftsbericht für 1925 (Bundesanwaltschaft, 8. 284,.

Nr. 19) haben wir mitgeteilt, dass bei Milchfälschungen eine anhaltende Verschärfung der Strafen festzustellen sei, was in erheblich höheren Bussen, namentlich aber in der zunehmenden Anwendung der Freiheitsstrafe zum Ausdruck komme. Besondere Kommiserationsgründe bestehen im vorliegenden Falle nicht, insbesondere fällt dem Verurteilten zur Last, dass er die Machenschaften auf einen schwachsinnigen Minderjährigen hinauszureden suchte.

66. Robert Küng, geb. 1864, Landwirt und Fischer, Baden (Aargau), 67. Emil Leder, geb. 1881, Landwirt, 68. August Merkofer, geb. 1876, Landwirt,

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69. August Jegge geb. 1901, Landwirt, alle in Kaisten (Aargau).

(Tierseuchenpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 18. Juni 1917 in Verbindung mit der Vollziehungsverordnung und kantonalrechtlichen Vollzugserlassen sind verurteilt worden: 66. Bobert Küng, verurteilt am 25. Mai 1926 vom Bezirksgericht Baden gemäss Art. 142 und 270 der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung zu Fr. 40 Busse.

Im Stalle des Küng wurde vom Bezirkstierarzt um die Mittagszeit des 1. März abbin die Maul- und Klauenseuche festgestellt. Obschon Küng von seinem Knecht bereits am Abend des 27. Februar und am Morgen des 28.

auf verdächtige Wahrnehmungen aufmerksam gemacht wurde, obschon die Verdachtsgriiude sich am Abend desselben Tages vermehrten und die Krankheitserscheinungen am Morgen des 1. März noch deutlicher ersichtlich waren, zögerte Küng die Anzeige bis gegen Mittag hinaus.

Küng ersucht in nicht selbst verfässter Eingabe um Erlass der Busse.

Die Verheimlichung der Seuche falle in Wirklichkeit dem Knecht zur Last.

Infolge Abschlachtung seines Viehstandes sei ihm ein Schaden von über Fr. 2000 verursacht worden.

Das Bezirksgericht Baden beantragt in Berücksichtigung des von Küng geltend gemachten Seuchenschadens die teilweise Begnadigung.

Mit dem eidgenössischen Veterinäramt beantragen wir deshalb Abweisung, weil die gegenüber dem Knechte nachträglich erhobene Beschuldigung aktenwidrig ist und der ganze oder teilweise Erlass der mässig gehaltenen Busse die Lage des Gesuchstellers nicht beeinflussen kann. Das Veterinäramt betont, dass Küng den Ausbruch der Seuche in seinem Stall wissentlich zu spät angezeigt habe.

67--69. Emil Leder, August M e r k o f e r , August Jegge, sämtliche in getrennten Verfahren verurteilt am 8. Juli 1926 vom Bezirksgericht Laufenburg in Anwendung der Art. 20, 41, Abs. l, des Bundesgesetzes und der Verfügung einer kantonalen Begierungsdirektion je zu Fr. 30 Busse.

Die Vorgenannten haben nach Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in der Gemeinde Kaisten ihre Hühner laufen lassen, obschon die aargauische Gesundheitsdirektion gestützt auf das Tierseuchengesetz verfügt hatte, dass kleine Haustiere angebunden oder eingesperrt werden müssten.

Sie ersuchen in gemeinsamer Eingabe um Erlass der Bussen und bringen hierzu an, die Verfügung sei bis
drei Tage vor Ablauf der Dorfsperre beachtet worden, hernach hätten die Hühner sich bloss in den Baumgärten der Gesuchsteller befunden, eine Seuchenverschleppung sei infolge der örtlichen Entfernung vom letzten Seuchenherd ausgeschlossen gewesen, auch habe ihr Verhalten niemand geschädigt. Man möge ihnen zugute halten, dass sie während der Seuche zur Genüge beeinträchtigt worden seien und dass sie sich als Landwirte zurzeit ohnehin in keiner beneidenswerten Lage befänden. .

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Der Gemeindeammann von Kaisten bestätigt die Eichtigkeit der Gesuchsanbringen und befürwortet die Begnadigung.

Das Bezirksgericht Laufenburg hat mehrheitlich beschlossen, Abweisung zu beantragen, da eine krasse Missachtung der nicht zuletzt auch im Interesse der Gesuchsteller getroffenen Vorbeugungsmassnahmen vorliege und behördliche Anordnungen in Seuchenfällen unbedingt strikt zu handhaben seien.

Mit dem eidgenössischen Veterinäramt beantragen wir aus den von der Mehrheit des urteilenden Gerichts geltend gemachten Erwägungen, die Gesuchsteller ohne weiteres abzuweisen. Die in Betracht kommende bundesreohtliche Strafandrohung lautet auf Busse von Fr. 80--2000, d. h. es wurde in allen drei Fällen die Mindestbusse erkannt. Besondere Kommiserationsgründe sind nicht vorhanden.

70. Sebastian Wehrli, Käsereibesitzer, Heiden (Appenzell A.-Eh.).

(Forstpolizei).

70. Sebastian Wehrli ist am 80. Dezember 1925 vom Kleinen Bat des Kantons Graubünden in Anwendung von Art. 46, Ziffer 7, des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei, in der durch Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1928 erhaltenen Fassung, mit Fr, 5700 gebüsst worden.

Wehrli und ein in der Folge verstorbener Mitkäufer Schmid erwarben auf der Maiensäss Breitenberg bei Zillis im Umfang einer vorhandenen Schlagbewilligung für 4278 Stämme Holz auf dem Stock, das in den Jahren 1923 1924 geschlagen wurde. Hierbei erfolgte unter der Leitung des Vorarbeiters Maag, des Schwiegervaters von Schmid, ein Überhau von 772 Stämmen mit 570 Festmeter Holzmasse, Wehrli, der an die Busse «unpräjudizierlich» Fr. 1140 entrichtet hat, was dem früheren Mindestansatz von Fr. 2 gleichkommt, stellt das Gesuch um gänzlichen oder doch weitgehenden Erlass der Bestbusse. Er habe bei dem sohlechten Geschäft über Fr. 20,000 verloren. Als Nichtfachmann sei er vollständig auf seinen Geschäftsführer Maag angewiesen gewesen. Der unerlaubte Holzschlag sei von diesem, ohne Mitwissen Webrlis, vorgenommen worden.

Das Kreisforstamt Thusis befürwortet, entsprechend dem seinerzeitigen Strafantrag, die Busse bis zu den entrichteten Fr. 1140 zu ermässigen. Ob Wehrli im behaupteten Umfang geschädigt worden sei, könne nicht genau beurteilt werden; nach den Vertragsbedingungen wäre bei rationeller Holznutzung und -Verwertung ein
Verdienst möglich gewesen. Der Kantonsforstinspektor, der mit dem Kreisforstamt einig geht, äussert sich zugunsten der Herabsetzung der Busse nach Ermessen.

Der Kleine Eat des Kantons Graubünden und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Abweisung. Der Kleine Bundesblatt. 78. Jahrg. Bd. II.

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Bat bemerkt, in Anbetracht der in ihrer Auswirkung au ss e r or d e n t l i e h s c h w e r e n Zuwiderhandlung sei er über die Mindestbusse von Fr. 5 hinausgegangen, immerhin mit dem Bestreben, das Bussenurteil in Berücksichtigung aller mildernden Umstände doch möglichst rücksichtsvoll zu gestalten. Die Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei betont namentlich die unverantwortliche Holzerei, die hier stattgefunden habe.

Unserseits beziehen wir uns auf das Augenscheinsprotokoll, wonach bei diesem Holzschlag «in unverantwortlicher Weise gehaust» worden ist, und die ausführlichen Erwägungen im Strafentscheid des Kleinen Eates. Es handelt sich um ein Spekulationsgeschäft, wobei das gefällte Holz Schutzwaldgebiet betrifft. Die Behauptung Wehrlis, von den Machenschaften seines Vorarbeiters keine Kenntnis gehabt zu haben, wird im Straf entscheid zurückgewiesen und kann hier nicht nachgeprüft werden. Wehrli kann sich auch nicht damit entlasten, dass er sich beim ganzen Holzkauf nur um das Finanzielle zu kümmern gehabt habe; seine Mitverantwortlichkeit für die Durchführung des Schlages bestand von Anfang an und nach dem tödlichen Unfall Schmids hätte Wehrli sich in verstärktem Masse mit der Angelegenheit befassen sollen.

Nach der ganzen Aktenlage bestehen keine.genügenden Gründe, um von der rechtlich nicht, zu beanstandenden Strafausmessung gnadenweise abzugehen.

Wir beantragen Abweisung.

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Hans Salzgeber, älter, Parpan (Graubünden), Martha Jauch, geb. 1861, Hausfrau, Oeschgen (Aargau), .

Rosa Schegg, geb. 1873, Wäscherin, St. Gallen, Alfred Bigler, geb. 1882, Maurer, Wimmis (Bern), Armand Gueniat, geb. 1898, Handlanger, Bassecourt (Bern).

Otto Renfer, geb. 1899, Landwirt, Corgémont (Bern).

(Jagdvergehen).

Gestützt auf das Bundesgesetz über Jagd- und Vogelschutz vom .24. Juni 1904, bzw. das an seine Stelle getretene gleichnamige Bundesgesetz vom 10. Juni 1925 sind verurteilt worden: 71. Hans Salzgeber, verurteilt am 2. März 1925 vom Kreisgerichtsausschuss Churwalden in Anwendung von Art. 21, Ziffer l, des Bundesgesetzes von 1904 und kantonalrechtlichen Jagdbestimmungen zu Bussen von Fr. 40 und Fr. 500.

Salzgeber hat zu geschlossener Jagdzeit von einer aus einer Kiste verfertigten «Fuchsenhütte» aus der Fuchsjagd obgelegen und hierzu eine Schiessvorrichtung erstellt, die das urteilende Gericht als Selbstschussanlage bezeichnet.

Salzgeber ersucht in längerer Eingabe um Erlass der Busse von Fr. 500, wozu er hauptsächlich geltend macht, die noch nicht fertiggestellt gewesene, mithin auch nicht ' verwendete Schusseinrichtung stelle nach einhelliger .Auf-

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fassung von Jägerkreisen keinen Selbstschuss dar, so dass das ergangene Urteil in Wirklichkeit rechtsirrtümlich sei. Leider habe sein Anwalt versäumt, rechtzeitig die Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht zu ergreifen, weshalb es bei dem abweisenden Beschwerdeentscheid des Kleinen Eates vom 24. März 1925 sein Bewenden habe. Für einen unbescholtenen Mann sei es überaus bitter, sich ungerecht verurteilt zu wissen; heute bleibe ihm lediglich die Möglichkeit des Begnadigungsgesuches, um mindestens der Bezahlung der hohen Busse zu entgehen.

Die Eingabe, auf deren Einzelheiten wir verweisen, ist von einer Anzahl gutachtlicher Äusserungen aus Jiigerkreisen begleitet, die sich zum Begriff des «Selbstschusses» im Sinne der eidgenössischen und kantonalen Jagdgesetzgebung aussprechen.

Das Justiz- und Polizei département des Kantons Graubünden erachtet eine Begnadigung deswegen als angezeigt, weil das Gericht das Bussenmaximum verhängt habe, während die Ansicht Salzgebers über den Begriff des Selbstschusses in Jägerkreisen Unterstützung finde. Es liege bei Salzgeber ein mehr oder minder entschuldbarer Irrtum vor. Die Busse solle in bedeutendem Masse herabgesetzt werden.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schreibt, die Bestrafung wegen Anlage einer Selbstschussvorrichtung vermöge nicht zu befriedigen. Der Definition des Gerichtes, jede Einrichtung sei als Selbstschussanlage zu betrachten,, «wobei der Jäger nicht selbst an dem an die Schulter angeschlagenen Gewehr den Abzug mit dem Finger abdrücke», könne nicht augestimmt werden. In Übereinstimmung mit den dem Gesuch mitgegebenen Gutachten erweise sich eine Schussvorrichtung dann als «Selbstschuss», wenn das zu treffende Lebewesen den Schuss selbst auslöse. "Die Gemeingefährlichkeit derartiger Anlagen liege darin, dass der Ersteller in der Eegel über die Schussabgabe keine Kontrolle habe. Demgegenüber sei die von Salzgeber gebaute Anlage offenbar so gedacht gewesen, dass er selbst den Schuss im gegebenen Augenblick durch einen Zug an einer Schnur auslösen werde ; wenn in der Urteilsbegründung stehe, die Einrichtung hätte ebensogut benutzt werden können, um den Schuss vom Köderplatz her auslösen zu lassen, so hätte es hierzu einer wesentlichen Zutat bedurft, nämlich einer Verbindung zwischen Schusswaffe und Köderplatz, wovon
jedoch in der Strafanzeige nicht die Eede sei. Jedenfalls lasse sich sagen, dass Salzgeber nicht beabsichtigt habe, eine Selbstschussvorrichtung zu erstellen. In Wirklichkeit sei die Bestrafung zu Unrecht erfolgt," weshalb die gänzliche Begnadigung beantragt werde.

Unserseits ziehen wir folgendes in Erwägung: Die Begnadigimg kanu am Urteilsspruch selbst nichts ändern und Salzgeber lediglich ganz oder zum Teil vor dem Bussen Vollzug bewahren. Nach der Aktenlage möchten wir dem TJrteil gegenüber auf die Tatfrage, ob die Schussvorrichtung nicht auch als Selbstschuss hätte dienen können, nicht näher eintreten. Das urteilende

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Gericht stellt seinerseits die Möglichkeit dieser Verwendungsart fest und der Kleine Eat des Kantons Graubünden bemerkt hierzu, als Kassationsinstanz, die Auffassung des Gerichtes könne nicht ohne weiteres voii der Hand gewiesen werden. Hierbei mag es im Begnadigungsweg sein Bewenden haben.

Nichtsdestoweniger befürworten auch wir weitgehende Begnadigung. Nach den besondern Umständen des Falles erweist sich die Busse von Fr. 500 als stark übersetzt. Die nicht aktenwidrige Feststellung, dass die Vorrichtung unfertig war und keine Verwendung-gefunden hatte, ist wesentlich, "indem sie dazu führt, nicht ein vollendetes Vergehen, sondern lediglich Versuch hierzu anzunehmen. Ferner darf in hohem Masse Berücksichtigung finden, dass Salzgeber in don Urteilserwägungen als «notorisch schonungsvoller Jäger» bezeichnet wird.

Wir beantragen Herabsetzung der Busse bis Fr. 50.

72. Martha Jauch, verurteilt am 9. September 1926 vom Bezirksgericht Laufenburg in Anwendung von Art. 39, Abs. 3, des Bundesgesetzes von 1926 zu Er. 50 Busse, Frau Jauch hat einen Mäusebussard, der verletzt war und nicht mehr fliegen konnte, eingefangen und in der Folge gefangen gehalten. Der Mäusebussard gehört zu den geschützten Vögeln.

Frau Jauch ersucht um Erlass der Busse mit dem Hinweis, lediglich aus Mitleid gehandelt zu haben. Dass die von ihr in treuester Absicht begangene Handlung gegen das Jagdgesetz verstosse, hätte sie nicht geahnt.

Das Bezirksgericht Laufenburg schreibt, der Tatbestand sei derart, dass eine Begnadigung am Platze sei, Angesichts der Harmlosigkeit des Falles und da die Gesuchsanbringen glaubwürdig sind, beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die Busse gänzlich zu erlassen.

78. Eosa Sohegg, verurteilt am 25. September 1926 vom Polizeirichter des Bezirkes St. Gallen in Anwendung von Art. 28, Ziffer 2, des Bundesgesetzes von 1904 zu Fr. 40 Busse.

Eosa Schegg hat vermittels eines Käfigs, den sie mit Futter vor das Fenster stellte, acht Vögel eingefangen, sie hat ferner geschützte Vögel gekauft oder eingetauscht und in einem Falle auch verkauft.

Eosa Schegg ersucht um Milderung der Busse. Es handelt sich um eine in sehr ärmlichen Verhältnissen lebende, bevormundete Person, die in ihrer o-eistigen Gesundheit beeinträchtigt ist und bereits wiederholt in einer
Irrenanstalt versorgt werden rmisste.

In den Akten befinden sich Berichte der Kantonspolizei und des Untersuchungsrichteramtes des Bezirkes St. Gallen. Der Vormund, der einvernommen worden ist, äussert sich u. a. dahin, an die Busse sei bereits Fr. 20 entrichtet worden; der gänzliche Straferlass sei nicht am Platze, da die Gesuchstellerin dadurch zur Ansicht verleitet werden könnte, die Sache sei nicht ernst

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gemeint gewesen. Das kantonale Justizdepartement kann den gänzlichen Erlass der Busse ebenfalle nicht befürworten. Das Untersuchungsrichteramt des Bezirkes St. Gallen und die eidgenössische Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Abweisung.

Da Eosa Schegg nicht nur des öftern geschützte Vögel mit besonderem Fanggerät eingefangen, sondern mit solchen auch gehandelt hat, liesse sich die Abweisung des Gesuches ohne weiteres begründen. Angesichts des persönlichen, Mitleid erregenden Zustandes der Gesuchstellerin mag es jedoch bei dem Betrag von Fr. 20, der bereits entrichtet sein soll, sein Bewenden haben, weshalb wir beantragen, die Busse um die Hälfte zu ermässigen.

74. Alfred Bigler, verurteilt am 11. August 1926 vom Gerichtspräsidenten von Medersimmental in Anwendung der Art. 40,48, Ziffer 5, und 60 des Bundesgesetzes von 1925 zu Fr, 250 Busse und Einziehung der verbotenen Jagdwaffe.

Bigler wurde während geschlossener Jagdzeit mit einem zerlegbaren Stutzer in Jagdgebiet getroffen.

Bigler ersucht um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse. Er habe für eine zehnköpfige Familie zu sorgen, zudem sei die Ehefrau in ihrer Geeundheit beeinträchtigt. Die Zuwiderhandlung habe er begangen, in der Absicht, an den Unterhalt der Familie beizutragen, da er mit seinem geringen Verdienst nicht auskomme.

Die Angaben über Familien- und Erwerbsverhältnisse werden vom Gemeinderat Wimmis bestätigt. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes bezeichnet Bigler als bekannten Frevler, der auf Grund seiner Gewandtheit bis zu diesem ersten Mal nicht habe ertappt werden können. Mit Bücksicht auf seine sehr armen Verhältnisse wird trotzdem die Herabsetzung der Busse bis Fr. 150 befürwortet. Die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen sprechen gich desgleichen für eine teilweise Begnadigimg aus. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei übernimmt den Antrag des Begierungsstatthalters.

Da Bigler wegen Jagdvergehen nicht vorbestraft ist und seine schweren Familienlasten nachgewiesen sind, mag ihm im Anschluss an die einhelligen Antragstellungen die teilweise Begnadigung gewährt werden. Wir beantragen Herabsetzung der Busse bis Fr. 150, in der Meinung, dass die Entrichtung dieses Betrages für Bigler noch immer eine schwere Last darstellt.

75. .Armand Gueniat, verurteilt am
15. Dezember 1925 vom Gerichtspräsidenten von Delsberg in Anwendung der Art. 19 und 21, Ziffer 5, des Bundesgesetzes von 1904 zu Fr. 60 Busse.

Gueniat ist nebst andern wegen wiederholter Vogelstellern mit Schlingen und andern Fanggeräten gebüsst worden.

Er ersucht um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse, da er zu deren Entrichtung der Familie das Notwendigste entziehen müsste.

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Der Gemeinderat von Bassecourt, der Begierungsstatthaiter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beziehen sich auf die misslicben Familienverhältnisse und befürworten die Herabsetzung der Busse um .die Hälfte.

Mit der kantonalen Forstdirektion und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Abweisung. Gueniat.

der in anderer Sache ein Begnadigungsgesuch eingereicht hat, das im L Bericht (Antrag 43) zur Behandlung steht, erweist sich hier als heimlicher Vogelräuber, demgegenüber Strenge am Platze ist. Gegen ihn spricht ferner, dass er gleichzeitig wegen Wirtschaftsskandals gebüsst werden irmsste. Der im Gesuch eventuell erbetene Strafaufschub, bzw. die Gewährung von Teilzahlungen, dürfte von den Kantonsbehörden zugebilligt werden.

76. Otto E en fer, verurteilt am 6. Märst 1926 vom Gerichtspräsidenten von Courtelary, erstmals in Anwendung von Art. 45, Abs. 2, des Jagdgesetzes von 1925 und der Art, 20 und 41 des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von .Tierseuchen vom 13. Juni 1917 zu Fr. 40 Busse und neuerdings am 2. Juli in Anwendung von Art. 45, Abs. 2, des Jagdgesetzes zu Fr. 25 Busse..

Beide Urteile betreffen das Jagenlassen von Hunden, wobei diese im ersten Falle nicht die vorgeschriebenen Halsbänder trugen.

Eenfer ersucht um Erlass der Bussen. Übertretungen seien in Wirklichkeit nicht begangen worden und die Anzeigen auf den Bacheakt eines Jagdpolizeiorgans zurückzuführen. Die beiden Urteile und ein drittes wegen Beleidigung des Anzeigers und wegen Ärgernis erregenden Benehmens hätten an Bussen und Kosten zu einer Summe von Fr. 156.40 geführt. Man möge berücksichtigen, dass er Gemeindehirt sei und für fünf Kinder aufzukommen habe.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet, die hier zur Erörterung stehenden Bussen von Fr, 40 und 25 um die Hälfte zu ermässigen.

Die kantonale Forstdirektion hält dafür, die Bussen seien zu belassen und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Abweisung, .Wir beantragen Abweisung. Hinsichtlich der Tatbestandsfragen muss es bei den richterlichen Feststellungen sein Bewenden haben. Gegen Benfer spricht nicht nur die zeitlich zwischen den beiden Verurteilungen wegen Jagdvergehens erfolgte Busse wegen Beleidigung eines Jagdpolizeiorgans, sondern auch das Vorstrafenverzeichnis mit zwei beträchtlichen Bussen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wirtschaftspolizei.

77. Rosa Ergenzinger, geb. 1886, Lehrerin, 78. Johanna Rutti, geb. 1858, beide in Balsthal (Solothurn), 79. Erwin Willi ßrossenbacher, geb. 1898, Bahnarbeiter, Lyssach (Bern).

(Fischereipolizei.)

707

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 sind verurteilt worden: 77. und 78. Bosa Ergenzinger und Johanna Eût t i., verurteilt am 7. Septemher 1926 vom Amtsgericht von Balsthal in Anwendung von Art. 21 des Bundesgesetzes in Verbindung mir der buridesrätlichen SpezialVerordnung vom 17. April 1925 je zu Fr. 50 Busse.

Die Vorgenannten haben eine grosse Menge Abfälle in ein Fischgewässer geworfen, diese aber hernach wieder herausgeschafft.

Sie ersuchen um Erlass der Bussen und verweisen namentlich darauf, dass das Gericht die Begnadigung bereits im Urteilsdispositiv befürwortet.

Das kantonale Polizeidepartement beantragt Herabsetzung der Busse bis Fr. 20. Die Handlungsweise der Gesuchstellerinnen stehe im Zusammenhang mit den durch die Wasserkatastrophe bedingten Aufräumungsarbeiten.

Von diesem Gesichtspunkt aus sei die vom Gericht empfohlene Begnadigung grundsätzlich zu befürworten, jedoch genüge ein teilweise!1 Erlass.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir auf Grund der Geringfügigkeit des Falles Ermässigung der Bussen bis je zu Fr. 10.

79. Erwin Willi Grossenbacher, verurteilt am 16. Juli 1926 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf in Anwendung von Art. 81, Ziffer 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Grossenbacher hat in. einem Bachbett eine Chedditpatronc zum Explodieren gebracht. Der Bach, der eine Privatfischenze ist, führte sozusagen kein Wasser, dagegen wies er eine grössere Vertiefung mit Wasser auf; durch die Sprengung wurden Fische getötet oder wenigstens betäubt.

Grossenhacher ersucht, in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Busse. Er habe mit der Patrone lediglich pröbehi wollen und den Fischfang nicht beabsichtigt. Grossenbacher könne bei seinen misslichen Familienverhältnissen die Busse nicht entrichten, weshalb die Umwandlungsstrafe drohe.

Der Gemeinderat von Lyssach empfiehlt das Gesuch. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragt Herabsetzung der Busse um die Hälfte, die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen befürworten Ermässigung bis Fr. 30.

Da die Gesuchsanbringen über den Vorfall unglaubwürdig sind, ist unseres Erachtens den persönlichen Verhältnissen des Gesuchstellers mit dem Antrag des Eegierungsstattbalters genügend Kechnung getragen, weshalb wir den A n t r a g stellen, die Busse bis Fr. 50 zu ermässigen.

80. Gottfried Abegglen, geb. 1898, Pierrist und Landarbeiter, Iseltwald (Bern),

708

81. Heinrich Müller, geb. 1898, Schreinermeister, Münchenstein (Baselland1 Schaft), 82. Werner Schweizer, geb. 1901, Elektriker, Oensingen (Solothurn), 83. Karl Jäger, geb. 1898, Metallformer, Pfäffikon (Schwyz), 84. Henri Lance, geb. 1885, Inhaber eines Sportinstitutes, Genf, 85. Wilhelm Anderes, geb. 1901, Elektriker, Tägerwilen (Thurgau), (Militärpflichtersatz).

Wegen schuldhafter Mchtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 80. Grottfried Abegglen, verurteilt am 3. Mai 1926 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 36 für 1925 betreffend.

Abegglen ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der HaftStrafe. Er hat im Januar 1926 eine Teilzahlung von Fr. 12 geleistet und am Tage der Hauptverhandlung den Eestbetrag von Fr. 24 entrichtet; da er der Haupt Verhandlung unentschuldigt fernblieb, hatte der Richter von der gänzlichen Steuertilgung keine Kenntnis. Abegglen macht namentlich geltend, dass ihm schlechte Erwerbsverhältnisse die ordnungsgemässe Regelung der Angelegenheit verunmöglicht hätten.

Der urteilende Richter, der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes und das Kantonskriegskommissariat befürworten das Gesuch. Die kantonale Polizeidirektion beantragt die bedingte Begnadigung. Die eidgenössische Steuerverwaltung äussert sich in eingehendem Bericht, auf den wir verweisen.

Unserseits bemerken wir, dass zwar mehrere Erwägungen gegen eine Begnadigung sprechen. Angesichts der einhellig zugunsten des Gesuchstellers lautenden Anträge der Kantonsbehörden mag die Tatsache den Ausschlag geben, dass Abegglen sich im Steuerjahr erwiesenermassen als Pierrist verselbständigen wollte, dass er sich hierzu einrichtete, grössere Verpflichtungen einging und hernach ohne Auf träge blieb. Hätte Abegglen den Richter, der heute die Begnadigung befürwortet, von der Steuertilgung benachrichtigt, so hätte dieser die Schuldfrage nach der Aktenlage vermutlich verneint.

Wir beantragen den bedingten Erlass der Haftstrafe von l Tag unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren \md heben als Bedingungen besonders hervor, dass Abegglen während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und auch nicht neuerdings die
Entrichtung der Militärsteuer schuldhaft unterlasse.

81. Heinrich Müller, verurteilt am 23. September 1926 vom Polizeigericht Ariesheim zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 42 für 1925 betreffend.

Müller, der die Steuer am 14. September bezahlte, ersucht um Aufhebung der Gefängnisstrafe. Er arbeite seit vier Jahren auf eigene Rechnung. Bei

709 Eingehung eines grössern Arbeitsvertrages sei er übervorteilt worden und habe seither schwer zu kämpfen gehabt.

Die kantonalen Justiz- und Militärdirektionen beantragen den Erlass der Strafe. Die eidgenössische Steuerverwaltung hält dafür, dass entweder Herabsetzung bis zur Mindeststrafe oder, weitestgehend, bedingte Begnadigung erfolgen könne.

Wir beantragen bedingte Begnadigung wie bei Abegglen. Hierzu verweisen wir namentlich auf die Erklärung des Sektionschefä von Münchenstein vom 19. Oktober und die Tatsache, dass Müller der Aburteilung vorgängig nicht nur die Steuer für 1925, sondern vorsorglich auch für 1926 entrichtet hat. Dabei bemerken wir aber ausdrücklich, dass der Gerichtsentscheid durchaus zu Eecht ergangen ist, indem der unentschuldigt ausgebliebene Beschuldigte es unterlassen hatte, das Gericht von der Steuertilgung in Kenntnis zu setzen.

82. Werner Schweizer, verurteilt am 25. Mai und 10. Juli 1926 vom Amtsgericht von Baisthal zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuer von Fr. 86.60 für 1925 betreffend.

Schweizer ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er hat die Steuer am 27. März bezahlt, mithin ca. zwei Monate vor der Aburteilung, aber nach unentschuldigtem Wegbleiben vom Termin zur Verantwortung vom 26. März. Schweizer schreibt, der Strafvollzug würde ihm, als von der Telephonverwaltung konzessioniertem Geschäftsinhaber, geradezu zum Verderben.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn, das zu der Angelegenheit in zwei Berichten vom 26. Juli und 29. Oktober Stellung nimmt, beantragt abschliessend den Erlass der Haftstrafe. Die eidgenössische Steuerverwaltung, auf deren Bericht wir verweisen, spricht sich mit Nachdruck gegen die Begnadigung aus.

Unserseits ziehen wir in Erwägung, dass die Angelegenheit eine gewisse Ähnlichkeit mit der Begnadigungssache Feuz aufweist (Abweisungsantrag 55 des I. Berichtes). Dabei spricht jedoch von vorneherein zugunsten Schweizers, dass er es, anders als Feuz, nicht zum Äussersten kommen liess, sondern auf den ersten richterlichen Schritt hin bezahlte. Die Angelegenheit läset sich unseres Erachtens im Begnadigungsweg von zwei Gesichtspunkten aus betrachten : Entweder begnügt man sich, wie es in rechtlich einwandfreier Weise seitens des urteilenden Gerichts erfolgte, festzuhalten, dass die nicht ordnungsgemässe Eegelung der Steuersache durchaus auf
ein schuldhaftes Verhalten des Gesuohstellers zurückzuführen ist oder aber es wird, bei der Besonderheit des Falles, weiterhin geprüft, ob nicht trotz des vorhandenen Verschuldens Anlass zu einem gnadenweisen Entgegenkommen bestehe. Es lässt sich nämlich einräumen, dass Schweizer keineswegs eine ablehnende Haltung gegenüber unserem Wehrwesen zur Last fällt. Wenn er es aus Verärgerung und Starrsinn zur Anhebung des Strafverfahrens kommen liess, so erfolgte dies, weil er von dersanitarischen Untersuchungskommission wider seinen Willen zu den Ersatz-

710 Pflichtigen versetzt wurde. Dabei hätte er nur noch zwei Wiedferholungskurse zu bestehen gehabt. Die Erhebungen über den Leumund und die Lebensführung Schweizers lauten günstig, Bei dieser Sachlage wird, -wie die Vernehmlassung des kantonalen Polizeidepartements vorn 29. Oktober dartun kann, die Auffassung verständlich, es könne gnadenhalber dabei sein Bewenden haben, dass Schweizer die Unrichtigkeit seines Verhaltens eingesehen und noch vor dem Urteüstermin bezahlt habe, dass er gut beleumdet sei und für die inskünftige ordnungsgemässe Eegelung der Militärsteuer Gewähr biete.

Immerhin b e a n t r a g e n wir lediglich die bedingte Begnadigung wie bei Abegglen.

83. Karl Jäger, verurteilt am 15. Mai 1926 vom Bezirksgericht Höfe zu 5 Tagen Haft, die Militärsteuern für 1920/1924 betreffend, und zu l Tag Haft, die Militärsteuer für 192-5 betreffend ; an Steuerbeträgen kommen in Betracht : für 1920 Best Fr. 1; für 1921--1925 je Fr. 19.50 Neben den Haftstrafen, wurde auf 2 Jahre Stimmrechtsentzug und 2 Jahre Wirtshausverbot erkannt.

Jäger ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Haftstrafen und des Wirtshausverbotes. Jäger habe bis zum 27. Altersjahr irn Ausland gelebt und infolge der Nachwirkungen des "Weltkrieges mit seiner Frau und drei unerzogenen Kindern den Heimatkanton aufgesucht. Hier sei er seinen Steuerpflichten gegenüber Gemeinde, Bezirk und Kanton pünktlich nachgekommen, dagegen habe er die Militärsteuern schlechterdings nicht aufbringen können. Gegen das Strafurteil sei die Appellation einerseits aus Gesetzesunkenntnis unterblieben, anderseits auf Grund von Zusicherungen, dass der Strafvollzug bei nachträglicher Steuerentrichtung unterbleiben werde.

Im Juni und Juli habe Jäger bereits Baten von Fr. 50 und 30 geleistet. Gleichwohl sei das entehrende Urteil im Amtsblatt veröffentlicht worden; falls nun die " Haftstrafen und das Wirtshausverbot wirklich vollzogen würden, sei die Familie ruiniert und die Vaterlandsliebe für immer dahin. Jäger sei ein solider, arbeitsamer Mann und rechtschaffener Familienvater. Mangels jeglicher Unterstützung sei er gezwungen gewesen, für den Unterhalt der Familie Schulden einzugehen. Er habe für seine Familie das Menschenmögliche getan und vordiene die Begnadigung wie kein Zweiter.

Der Sektionschef von Freienbach und die eidgenössische
Steuerverwaltimg äussern sich in langem, aufschlussreichen Berichten. Das Militär- und Polizeidepartement des Kantons Schwyz schreibt, aus den Akten ergebe sich, dass die Bestrafung Jägers in formeller und materieller Hinsicht durchaus gerechtfertigt gewesen sei, jedoch werde einer allfälligen Begnadigung nicht opponiert.

Die bereits genannten sorgfältigen Vernehmlassungen ergeben eindeutig, dass die Gesuchsanbringen der Angelegenheit nicht gerecht werden. Ohne im übrigen die persönlichen Eigenschaften des Gesuchstellers herabzumindern, muES mit Nachdruck betont werden, dass Jäger sich vor und während des Strafverfahrens höchst gleichgültig und saumselig benommen hat. Die Lang-

711 mut der Kantonsbehörden ist offensichtlich. Im November 1923 sind ihm durch Beschluss des Regierungsrates des Kantons Schwyz die Steuerrückstände für 1918/1922 von Fr. 202.50 bis Fr. 50 abgeschrieben worden. In den folgenden Jahren wurde er bei gutem Verdienst äusserst rücksichtsvoll eingeschätzt.

Vor und während des Strafverfahrens erfolgten wiederholt Mahnungen; bezeichnenderweise gab Jäger zu, jeweilen die Aufforderungen nicht einmal gelesen ssu haben ! In den zwölf Jahren vor seiner Verurteilung zahlte Jäger im ganzen Fr. 15 Militärpflichtersatz, während seine ersatzpflichtigen Altersgenossen in gleichen Verhältnissen mindestens Fr. 500 aufzubringen hatten. -- Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf die Vernehmlassungen selbst.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, deren Antrag wir in den Hauptpunkten übernehmen, halten wir dafür, dass mit einer teilweisen Begnadigung allen Kommiseratiönsgründen, die angenommen werden können, genügend, ja weitgehend Kechnung getragen sei. Wir möchten Jäger namentlich zugute halten, dass er bis zum Jahre 1920 im Auslande lebte, ferner, dass er seit der Verurteilung beträchtliche Teilzahlungen geleistet hat. Die gänzliche Begnadigung wäre hinwiederum, andern Gesuchstellern gegenüber, eine nicht zu verantwortende Ausnahme.

Wir beantragen, die Haftstrafen und die Nebenstrafen um die Hälfte zu ermässigen, unter der Bedingung, dass Jäger die Bestschuld binnen drei Monaten, von der Eröffnung des Entscheides der Bundesversammlung an gerechnet, gänzlich entrichte.

84. Henri Lance, verurteilt am 5. Juli 1926 vom Polizeigericht von Genf zu 6 Tagen Haft, die Militärsteuern von Fr. 284 für 1923 und weiter zurückliegende Jahre betreffend.Lance ersucht um Erlass der Haftstrafe. Das Urteil sei während seiner Abwesenheit von Genf ergangen. Die Nichtentrichtung der Steuerrückstände sei auf ungünstige Erwerbsverhältnisse zurückzuführen. Seit 1916 habe er an Militärsteuern immerhin nahezu Fr. 800 entrichtet, so dass er dafür halte, sein möglichstes getan zu haben. Er unterstütze die betagten Eltern.

Aus den über Lance eingeholten Berichten ergibt sich, dass er bereits am 29. Mai 1924 verurteilt worden ist; da er gegen das Urteil opponierte, blieb das Verfahren seither in der Schwebe, insbesondere auf Grund einer Zahlungsvereinbarung des Ersatzpflichtigen mit dem
kantonalen Militärdépartement. Da sich Lance in der Folge an die Vereinbarung nicht hielt, verlangte die Steuerbehörde die Bestätigung des Urteils, die dann am 5. Juli 1926 ausgesprochen wurde. Die kantonale Militärsteuerverwaltung anerkennt, dass Lance ratenweise Fr. 150 aufgebracht habe, dagegen schulde er an die Steuern,'die zum Strafverfahren geführt hätten, noch immer Fr, 97.20, Kosten inbegriffen, ferner seien die Steuern für 1924 und 1925 ausstehend. Von 1920 bis 1925 hat Lance stets von Amtes wegen eingeschätzt werden müssen, da er keine Steuererklärungen einreichte. Die kantonale Militärsteuerverwaltung sieht von

712 einer Befürwortung des Begnadigungsgesuches ab, weil Lance die ergangenen Urteile seiner Nachlässigkeit zuzuschreiben habe.

Die kantonale Staatsanwaltschaft bezieht eich auf die vorhandene Begnadigungapraxis mit dem Bemerken, darnach sei eine Empfehlung des vorliegenden Gesuches kaum angängig.

Die eidgenössische Steuerverwaltung schreibt, die allgemein gehaltenen Gesuchsanbringen vermöchten nicht darzutun, dass Lance sich in einer Notlage befunden habe. Aus den Akten ergebe sich eine Eeihe von Anhaltspunkten dafür, dass die Zahlung aus Gleichgültigkeit unterblieben sei. Die Begnadigung sei hier nicht gerechtfertigt.

Da die Gleichgültigkeit des Ersatzpflichtigen der ganzen Steuerangelegenheit gegenüber offenkundig ist, hat jedenfalls die gänzliche Begnadigung ausser Betracht zu fallen. Hinwiederum lässt sich kommiserationsweise zugunsten des Gesuchstellers das Fehlen von Vorstrafen, der in persönlicher Hinsicht vorteilhafte Polizeibericht, ferner die Unterstützung der Eltern und der verminderte Erwerb infolge flauen Geschäftsganges anführen.

Wir beantragen, die Haftstrafe um die Hälfte zu ermässigen, unter der Bedingung, dass Lance die Eestschuld von Fr. 97.20 binnen drei Monaten, von der Eröffnung des Entscheides der Bundesversammlung an gerechnet, gänzlich entrichte.

85. Wilhelm Anderes, verurteilt am 20. Februar 1926 von der Bezirksgerichtlichen Kommission Kreuzungen zu 2 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 42.60 für 1924 betreffend.

Anderes ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Die Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt. Er habe 1924 den Wiederholungskurs wegen Krankheit nicht bestehen können, hernach habe er die Mahnungen jeweilen im Militärdienst erhalten und heute sei der betreffende Dienst bereits nachgeholt.

Der über Anderes beschaffte Polizeibericht lautet durchaus ungünstig, ebenso eine Auskunft des Kreiskommandos in Frauenfeld und Berichte seiner militärischen Vorgesetzten.

Das Bezirksamt Kreuzungen schreibt, Anderes sei einer Begnadigung unwürdig. Das kantonale Polizeidepartement wäre geneigt, das Gesuch zu empfehlen, wenn sich Anderes seither im Militärdienst gut gehalten habe.

Die eidgenössische Steuerverwaltung erachtet die bedingte Begnadigung als zulässig. Das kantonale Militärdepartement beantragt Abweisung.

Die besondern Verumständungen des Falles und die
ungleichen AntragStellungen der Behörden brachten es mit sich, dass der Person des Gesuchstellers eingehend nachgeforscht wurde. Heute ist der Fall abgeklärt. Dass vorübergehend Dienstbereite zur Ersatzpflicht herangezogen werden, entspricht dem Gesetz, das die Militärdienstleistung oder die Steuerentrichtung für das betreffende Jahr verlangt; im Zeitpunkt der Dienstbefreiung ist vielfach un' gewiss, ob der Militärdienst nachgeholt werden wird. Ein Zuwarten mit der

713

Taxation ist praktisch offenbar unangängig. Bezüglich der Ersatzpflicht untersteht der aus besonderem Grunde Dienstbefreite den gesetzlichen Anforderungen; holt er den Militärdienst nach, wird ihm die Steuer zurückerstattet.

Der Gesuchsteller Anderes hat sich um das Strafverfahren wenig gekümmert und ist der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Die Auskünfte sowohl der bürgerlichen wie der militärischen Behörden führen zum Ergebnis, dase Anderes ein unzuverlässiger, arbeitsscheuer und liederlicher Mensch ist.

Wir beantragen Abweisung.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 19. November 1926.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates: Der Bundespräsident:

Häberlin.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

---^K>«s-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1926). (Vom 19. November 1926.)

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24.11.1926

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