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3433 Botschaft :

des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Vergütung ausserordentlicher Leistungen der Bundesbahnen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.

(Vom 4. März 1929.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Im November 1926 hat dio nationalrätlicbe Bundesbahnkommission bei Beratung des Voranschlages der Bundesbahnen den Beschluss gefasst, es sei von der Generaldirektion ein Bericht, einzuverlangen, aus dem hervorgehe, in welchem Umfange die Bundesbahnen während und nach den Kriegsjahren mit ausserord entlichen Ausgaben im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt belastet worden seien. Dabei wurde namentlich auf folgende Leistungen und Lasten hingewiesen : Militärtransporte, Anschaffung von Güterwagen zur Landeaversorgung, Notstandsarbeiten, Beschleunigung der Elektrifizierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Übernahme der Kohlenvorräte der Kohlengenossenschaft, Tarifzugeständnisse zugunsten der Kantone Tessin und Genf. Diesem Auftrag kamen die Generaldirektion und der Verwaltungsrat mit ihren ausführlichen Berichten vom 14./27. April 1927 nach, die damals allen Mitgliedern der eidgenössischen Räte zur Kenntnisnahme übermittelt wurden. Ausser den von der nationalrätlichen Bundesbahnkommission erwähnten Massnahmen, die eine ausserordentliche Belastung der Rechnungen der Bundesbahnen herbeigeführt und zum Anwachsen des Kriegedefizites beigetragen haben, wiesen die Bundesbahnbehörden auch auf die Mehrlasten auf dem Gebiete der Personalversicherung hin, soweit sie durch Beschlüsse der Bundesversammlung zugunsten des Personals der allgemeinen Bundesverwaltung veranlasst worden sind.

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Die ausserordentlichen Leistungen und Lasten wurden von der Generaldirektion, im Einvernehmen mit dem Verwaltungerate, rein zu dokumentarischen Zwecken uod nicht etwa in der Annahme, dass eine Rückerstattung in diesem Umfange möglich wäre, auf rund 459 Millionen Franken bewertet. Die Bundesbahn behörden bemerken hierzu, dass in dieser Summe die sehr beträchtlichen Mehrausgaben nicht berücksichtigt sind, die dadurch entstanden, dass sie als öffentliche Verwaltung bei ihren Anschaffungen und Vergebungen die einheimische Industrie auch bei grossem Preisunterschied bevorzugen und bei der Verteilung ihrer Aufträge auch auf regionale Interessen Rücksicht nehmen mussten. Noch eine Reihe anderer Opfer, so zum Beispiel die unentgeltliche Rückgabe von Wasserkräften an den Kanton Tessin, kommen in dieser Aufstellung nicht zum Ausdruck. Im übrigen gingen die Bundesbahnbehörden bei der Ermittlung der Werte der in die Aufstellung einbezogenen Aufwendungen von der Voraussetzung aus, dass alle Leistungen auszuscheiden hatten, die der Staat auch von einem privatwirtsohaftlichen Unternehmen hätte beanspruchen können.

Es ist festzustellen, dass weder die Generaldirektion noch der Ver* waltungsrat gegenüber dem Bunde eine eigentliche Forderung auf Schadioshaltung in dem genannten Umfange gestellt haben, sondern es wurde vom Verwaltungarate der Bundesbahnen lediglich gebeten, dass der Bundesrat und die Bundesversammlung mit allem Wohlwollen für die Bundesbahnen an die Prüfung der Frage herantreten möchten, ob nicht ein Ersatz für diese Kriegsleistungen angezeigt sei.

In der Junisession des Jahres 1927 haben sich die eidgenössischen ßäte anlässlich der Behandlung der Jahresrechnung und des Geschäftsberichtes der Bundesbahnen für das Jahr 1926 bereits mit den erwähnten Berichten der Bundesbahnbehörden befasst und folgendes P o s t u l a t aufgestellt : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Räten Bericht zu erstatten über die Mittel zur Besserung der finanziellen Lage der Bundesbahnen. Im besondern wird er ersucht, die Räte aufzuklären über die Leistungen, für die die Bundesbahnen infolge des Krieges sowie infolge von Beschlüssen der politischen Behörden im Laufe der letzten Jahre aufzukommen hatten, und fernerhin über die Vorteile, die die Bundesbahnen in ihrer Eigenschaft als Staatsunternehmen genossen
haben."

Wie die Berichterstatter der nationalrätlichen Bundesbahnkommission ausdrücklich bemerkten, bestand keineswegs die Absicht, dem Bundesrate mit diesem Postulat irgendwelche Marschroute vorzuschreiben, sondern es wollte ihm fiberlassen werden, ob er unter Berücksichtigung aller einschlägigen Verhältnisse eine teilweise Rückvergütung dieser ausserordentlichen Leistungen durch den Bund vorschlagen könne oder nicht. Die ßundeeblatt. 81. Jahrg. Bd. I.

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grosse Mehrheit der Bundesbahnkommission war jedoch der Auffassung, dass eine teilweise Rückvergütung keine Verlängerung der Kriegssteuer nach sich ziehen, und dass die Bundesfinanzen durch eine solche Aktion nicht erschüttert werden dürfen.

Der Bundesrat hat durch seine Vertreter bei verschiedenen Gelegenheiten erklären lassen, dass von einer Vergütung des Bundes im ganzen oder auch nur in einem annähernden Umfange der von den Bundesbahnbehörden gemachten Aufstellung keine Rede sein könne. Er ist aber nach eingehender Prüfung der Angelegenheit zur Überzeugung gelangt, dass den Bundesbahnen, da ihnen in der Tat im Kriege und in der Nachkriegszeit Leistungen überbunden worden sind, die ohne die Existenz, einer Staatsbahn dem Bundesfiskus ausschliesglich zur Last gefallen wären, grundsätzlich eine Entschädigung gebühre, deren Höhe ex bono et aequofestzusetzen sei. Eine solche erscheint einmal aus den Gesichtspunkten der Billigkeit und der Verwaltungstechnik begründet, da die Grundsätzeeiner gesunden Administration die Belastung eines Verwaltungszweiges durch Leistungen, die ihrer Natur nach eigentlich andere Verwaltungsabteilungen zu tragen hätten, verbieten. Sodann aber spricht für einen Ausgleich auch der Umstand, dass je nach der Belastung der einen oder andern Kasse ganz verschiedene Wirtschafts- und Bevölkerungskreise für die Deckung dieser Lasten aufzukommen haben. Die Angelegenheit gewinnt dadurch eine Bedeutung, die über den Rahmen einer bloss internen Buchungsfrage zwischen verschiedenen Abteilungen der Bundesverwaltung hinausgeht.

Was die Form und Höhe der Entschädigung betrifft, stand zunächst die Ausrichtung von jährlichen Raten von 5 Millionen Franken für eine gewisse Anzahl Jahre in Frage. Schliesslich hat sich aber der Bundesrat einstimmig auf den Boden einer einmaligen Vergütung, und zwar im Betrage von 35 Millionen Franken, gestellt. Er wollte dadurch deutlicher zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht um eine Subvention, sondern um eine zumindest aus Billigkeit geschuldete Entschädigungsleistung handelt.

Der Betrag soll auf den Zeitpunkt zur Ausrichtung gelangen, da die Beitragsleistungen an die beschleunigte Elektrifikation aufhören werdenr d. h. auf 15. Januar 1930.

Als V o r t e i l e , die bei der Beurteilung und Erledigung der Rückerstattungsfrage nach dem Wortlaut
des Postulates der eidgenössische» Räte mit in Betracht gezogen werden müssen, wurden damals namentlich erwähnt die Steuerfreiheit, die subsidiäre Haftbarkeit des Bundes bei Anleihen der Bundesbahnen, sowie die Ausdehnung der Tilgungsfrist von 00 auf 100 Jahre.

Auf den angeblichen Vorteil der verlängerten Amortisationsfrist brauchen wir wohl nicht näher einzutreten, da es jedermann klar sein dürfte,,

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dass die Bundesbahnen durch diese reine Buchungsoperation finanziell nicht gestärkt wurden.

Hinsichtlich der S t e u e r f r e i h e i t ist zu bemerken, dass auch die auf Grund der frühern kantonalen Eisenbahnkonzessionen gebauten privaten Eisenbahnen im Genüsse der Steuerfreiheit waren. Erst für die auf Grund von eidgenössischen Konzessionen gebauten privaten Linien konnten die Kantone die Entrichtung von Steuern verlangen. Die Belastung ist jedoch eine verhältnismässig geringe. Das Steuerprivileg der Bundesbahnen fällt bei einem Vergleiche mit ihren ausserordentlichen Leistungen nicht wesentlich in Betracht. In diesem Zusammenhange sei übrigens daran erinnert, dass die Bundesbahnen mit dem Frachturkundenstempel an die Stempelsteuern des Bundes jährlich über 2 Millionen Franken abliefern, während die Lastwagentransporte von dieser Abgabe befreit sind.

Die Frage, welche Vorteile die A n l e i h e n s g a r a n t i e des B u n d e s für die Bundesbahnen zeitigte, kann zahlenmässig nicht beantwortet werden.

Vergleiche über die Bedingungen der Anleihen der frühern Hauptbahnen mit denjenigen des Bundes ergeben noch keine zuverlässigen Anhaltspunkte, um die wegen der Bundesgarantie vermutlich günstigeren Anleihensbedingungen bewerten zu können. Die Vorteile der Staatsgarantie dürften weniger in der Möglichkeit, billiges Geld zu erhalten, als vielmehr in der Leichtigkeit, jederzeit über einen grossen Kredit verfügen zu können, zum Ausdrucke gekommen sein.

Den Vorteilen, die den Bundesbahnen aus ihrer Eigenschaft als Staatsbahn erwachsen, stehen aber anderseits, rein fiskalisch betrachtet, wiederum Nachteile gegenüber, die jene mehr als aufwiegen. Man denke nur an die gegenüber den privatwirtschaftlichen Betrieben durchschnittlich höheren BesolduMgen und Löhne des Personals, die von politischen Behörden festgesetzt werden. Bei der Ausdehnung der Personalversicherung in Anpassung an die neuen Versicherungsbestimmungen für das Bundespersonal mussten die Bundesbahnen gewisse Mehrleistungen in Kauf nehmen, die sie sonst nicht hätten Übernehmen müssen. Auch bei Vergebungen ist eine Staatsbahn weniger frei als ein Privatunternehmen, indem die einheimische Industrie selbst bei grossen Preisunterschieden berücksichtigt werden IDUSS.

Die einzelnen ausserordentlichen Leistungen.

In der Botschaft vom 1. Juni 1923 betreffend Gewährung eines Bundesbeitrages für die Beschleunigung der Elektriflkation der Bundesbahnen ist vom Bundesrat grundsätzlich bereits anerkannt worden (Bundesbl. 1923, II, 8.359), dass die Bundesbahnen während des Krieges und seither im Interesse der Allgemeinheit ganz ausserordentliche Leistungen zu übernehmen und dafür Aufwendungen zu machen hatten, die heute

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schwer auf ihnen lasten. Die Botschaft enthält hierüber folgende Ausführungen: ,,Das starke Anwachsen der Schuldenlast der Bundesbahnen . ist zu einem beträchtlichen Teil Aufwendungen zuzuschreiben, die nicht durch die Bedürfnisse und Verhältnisse des Eisenbahnbetriebes diktiert wurden, sondern bezweckten, der Allgemeinheit auf einem dem Verkehrswesen zum Teil fremden Gebiete zu nützen. Gewiss waren diese Aufwendungen im allgemeinen Landesinteresse geboten. Je grössere Lasten aber die Bundesbahnen für derartige Zwecke zu übernehmen haben, um so weniger vermögen sie ihrer eigentlichen Aufgabe, als Verkehrsanstalt den Interessen der nationalen Volkswirtschaft zu dienen, gerecht zu werden. .. Diese Erwägungen führen ohne weiteres zu dem Schlüsse, dass es gerechtfertigt und vom Standpunkte der Volkswirtschaft aus geboten erscheint, den Bundesbahnen als Ausgleich für die Opfer, die sie für besondere, ausserhalb ihres eigentlichen Aufgabenkreises liegende Zwecke gebracht haben, eine Zuwendung aus der allgemeinen Bündeskasse zu gewähren." Da sonach der Bundesrat bereits vor fünf Jahren die grundsätzliche Meinung vertrat, die ausserordentlichen Leistungen der Bundesbahnen vermöchten Zuwendungen aus der allgemeinen Bundeskasse zu rechtfertigen und diese Auffassung damals von den eidgenössischen Räten geteilt wurde, glauben wir davon Umgang nehmen zu können, die aufgezählten ausserordentlichen Leistungen in längern Ausführungen kontradiktorisch zu behandeln und ina einzelnen zu untersuchen, ob sie noch mit dem Aufgabenkreis einer Staatsbahn vereinbar seien oder nicht.

Dass die Bundesbahnen in grossem Umfange bahnfremde Leistungen übernommen haben, wird eigentlich von den bisherigen Gegnern einer Rückerstattung nicht in Abrede gestellt und kann ernsthaft überhaupt nicht bestritten werden. Hingegen können die Meinungen über die Höhe und den Umfang der ausserordentlichen Leistungen in guten Treuen auseinandergehen. Auch im Hinblick darauf, dass die Erstattung nur eines Bruchteils der ausgerechneten Summe in Betracht kommen kann, können wir uns in unserer Stellungnahme zu den Ausführungen der Generaldirektion in ihrem Berichte vom 14. April 1927 auf folgende Bemerkungen beschränken : a. Militärtransporte. Soweit die Transporte für die schweizerische Armee in Frage kommen, sind die Bundesbahnen durch die
nachträgliche Bezahlung von 30 Millionen Franken im Hinblicke darauf, dass die Armee auch den Schutz der Anlagen der Bundesbahnen gewährleistete, hinreichend entlastet worden. Im Interesse der kriegführenden Staaten gewährten die Bundesbahnen Transportbegünstigungen im Werte von rund 18 Millionen Franken, wovon 12,o Millionen in die Zusammenstellung aufgenommen wurden. Da die konzessionierten Eisenbahnunternehmungen für diese Transporte die nämlichen Taxbegünstigungen einräumten wie die Bundesbahnen, konnte für diese Leistungen keine Rückvergütung in Erwägung gezogen werden.

305 b. Anschaffung von Güterwagen sai Sicherung der Landesversorgung. Die Behörden der Bundesbahnen haben den Schaden, der ihnen aus der außerordentlichen Vermehrung des Güterwagenbestandes im Interesse der Landesversorgung erwachsen ist, Wert Ende 1926, auf rund 30 M i l l i o n e n F r a n k e n beziffert. Diese Massnahme haben wir schon in der bereits erwähnten Botschaft vom 1. Juni 1923 als ausserordentliche Leistung der Bundesbahnen im Interesse der Allgemeinheit anerkannt, indem wir folgendes ausführten : ,,Es sei zunächst daran erinnert, dass die Bundesbahnen im Laufe des Krieges, als die ausländischen Bahnen ihr Rollmaterial aus militärischen Gründen zurückhielten und für die Einfuhr der für die Schweiz bestimmten Waren fast durchweg schweizerische Wagen gestellt werden mussten, ihren Wagenpark stark vermehrten, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Die beträchtlichen Kapitalaufwendungen für diese Wagenanschaffungen, die gerade in der Zeit der grössten Teuerung vorgenommen werden mussten, machen sich heute um so nachteiliger fühlbar, als das Wagenmaterial infolge des durch die allgemeine Wirtschaftskrisis bewirkten Rückganges nur ungenügend ausgenützt werden kann." Seither haben sich die Verhältnisse glücklicherweise gebessert. Es bleibt aber die Tatsache bestehen, dass die Bundesbahnen für diesen umfangreichen Wagenpark grosse Opfer bringen mussten, weil die Wagen während der grössten Teuerung angeschafft werden mussten und dadurch noch entsprechend höhere Zinsenlasten und Erneuerungskosten entstanden. Wir haben es hier mit einer ausserordentlichen Leistung der Bundesbahnen im Interesse der Landesverteidigung und der Landesversorgung zu tun, die diesen einen gewissen Anspruch auf angemessene Rückvergütung verleiht.

c. Notstandsarbeiten. Die Bundesbahnen haben in den Jahren 1918 bis 1921 in grossem Umfange Notstandsarbeiten ohne Bundesbeitrag ausgeführt.

Die Opfer für diese in die teuerste Zeit fallenden Arbeiten, die vom Betriebsstandpunkt aus nicht unbedingt erforderlich waren, oder die sonst am 6--10 Jahre hätten verschoben werden können, sollen anerkannt werden.

Die Bundesbahnen haben mit dieser ausserordentlichen Leistung der nationalen Volkswirtschaft unbestreitbar eineu grossen Dienst erwiesen. In ihrer Eigenschaft als Bestandteil der Bnndesverwaltung wurden in dieser
Hinsicht an die Bundesbahnen zweifelsohne höhere Anforderungen gestellt, als dies einem privaten Unternehmen gegenüber geschehen wäre.

d. Die Einführung der elektrischen Zugförderung. Die Generaldirektion bewertet die Überkapitalisierung, die infolge der Elektrifizierung in der allerteuersten Zeit (1917--19223 durchgeführt werden musate, auf annähernd 100 Millionen Franken. An diese Elektriflkationsarbeiten, die unter dem Drucke der Kohlennot und der Arbeitslosigkeit wegen der Verteuerung aller Materialien im ungünstigsten Zeitpunkte vorgenommen werden mussten, haben die Bundesbahnen bereits einen Bundesbeitrag von 60 Millionen Franken erhalten.

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e. Verluste wegen der Übernahme der Kohlen der Kohlengenossenschaît.

Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass die Bundesbahnen in den ersten Nachkriegsjahren zur Ermöglichung der raschen Aufhebung des Einfuhrmonopols der schweizerischen Kohlengenosseaschaft im Interesse der Allgemeinheit grosse Opfer bringen mussten. Das Bedürfnis, den Bundesbahnen hiefür eine Vergütung aus der Bundeskasse zufliessen zu lassen, machte sich im Nationalrate bereits im Jahre 1922 geltend. Auf Antrag der Bundesbahnkommission wurde nämlich am 3. Oktober 1922 folgendes Postulat angenommen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob es nicht im Interesse der allgemeinen Volkswirtschaft angezeigt wäre, zur Erreichung eines rascheren Taxabbaues den schweizerischen Bundesbahnen dio Verluste von 30--40 Millionen, die dieselben durch den Kohlenpreisabbau erlitten haben, aus der allgemeinen Bundeskasse zurückzu vergüten.a In der Botschaft des Bundesrates vom 1. Juni 1923 betreffend Gewährung eines Bundesbeitrages für die Beschleunigung der Elektrifikatiou wurde sodann festgestellt, dass die Mehrbelastung der Betriebsrechnung der Bundesbahnen durch die teuren Kohlen einzig für das Jahr 1922 die Summe von über 40 Millionen Franken ausgemacht hat.

Hätten die Bundesbahnen die Kohlen, die noch vor dem unerwartet raschen und starken Preissturz von der Kohlengenossenschaft vorsorglich bestellt worden waren, nicht übernommen, so wären dis übrigen Kohlenverbraucher, besonders die Industrie, von namhaften Verlusten betroffen worden. Der Schaden, den die Bundesbahnen dadurch erlitten haben, dass sie, um der Kohlengenossenschaft einen Dienst zu erweisen, mehr Kohlen abgenommen haben, als dem Versorgungaprogramm der Bundesbahnen entsprochen hatte, kann nach den Berechnungen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes auf 12 M i l l i o n e n Franken (ohne Zinsen) beziffert werden.

Als Grossverbraucher hatten neben den Bundesbahnen bekanntlich auch die G a s w e r k e Kohlen von der Kohlengenossenschaft bezogen.

Von den teuren amerikanischen Kohlen wurden ihnen aber nicht mehr Tonnen zugewiesen, als ihnen entsprechend den früher festgelegten Kontingenten geliefert werden mussten. Trotzdem hat ihnen die Bundesversammlung mit Beschluss vom 15. April 1921 eine Entschädigung von 8 Millionen
Franken zugesprochen. Der Bundesrat hatte eine Entschädigung von bloss 4 Millionen Franken beantragt (vgl. S. 8 der bezüglichen Botschaft vom 12. März 1921). Obwohl also eine rechtliche Verantwortlichkeit des Bundes gegenüber den Gaswerken nicht in Frage kam, wurden letztere vom Bunde aus Billigkeitserwägungen in sehr reichlichem Masse entschädigt.

Für die von uns beantragte teilweise Rückvergütung fallen neben den ausserordentlichen Leistungen für die Wagenbeschaffung namentlich

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auch die bei der Kohlenbeschaffung eingetretenen ausserordentlichen Mehrlasten in die Wagschale.

Insgesamt übersteigen, wie sich nicht wohl bestreiten lässt, die Lasten, die den Bundesbahnen dui-ch die Übernahme von ausserhalb ihres Aufgabenkreises liegenden Leistungen erwachsen sind, die beantragte Ver.gütung von 35 Millionen Franken in bedeutendem Masse, und zwar auch bei Berücksichtigung der den Bundesbahnen aus der Staatsgarantie und der Steuerfreiheit erwachsenden Vorteile.

Das Jahr 1928 hat glücklicherweise eine neue Verkehrsvermehrung gebracht, so dass die Gewinn- und Verlustrechnung dieses Jahres noch günstiger absohliessen wird als im Vorjahre. Nach Vornahme der ordentlichen Tilgungen und Abschreibungen sowie der Einlagen in die Spezialfonds wird die Gewinn- ,und Verlustrechnung des Jahres 1928 vermutlich noch mit einem Aktivsaldo von 18--19 Millionen Franken abschliessen.

Diese Ergebnisse könnten vielleicht die Ansicht aufkommen lassen, die Bundesbahnen vermöchten nunmehr die ausserordentlichen Leistungen und Lasten der Kriegs- und Nachkriegsjahre selbst zu tragen und zu tilgen.

Bei aller Genugtuung, die man angesichts der günstigen Ergebnisse der zwei letzten Betriebsjahre empfinden mag, darf man sich jedoch nicht zu optimistischen Annahmen und Hoffnungen hingeben. Das Kriegsdeazit beträgt auf Ende 1928 nach Vornahme einer Abschreibung von 7 Millionen Franken aus dem Überschuss des Jahres 1928 immer noch die sehr hohe Summe von rund 190 Millionen Franken. Bei der Würdigung des Ergebnisses des Jahres 1928 darf auch nicht ausser acht gelassen werden, dass es durch besondere Umstände begünstigt war (schöner Reisesommer, Feste und Ausstellungen, ausnahmsweise Konjunktur), Das Jahr 1929 kann sehr wohl wieder eine Verkehrsabschwächung bringen.

Die Bundesbahnen werden auch bei günstiger Beurteilung der Zukunftsaussichten schwerlich in der Lage sein, neben ihren übrigen Verpflichtungen zur Verzinsung und Amortisation das Kriegsdefizit, das schwer Auf ihnen lastet, in absehbarer Zeit zu tilgen, zumal der in Aussicht stehende Abbau der Gütertarife im Wagenladungsverkehr einen jährlichen Einnahmenausfall von 12--15 Millionen Franken zur Folge haben wird.

Dieser Abbau ist jedoch im Interesse unserer Volkswirtschaft und zur Stärkung der Bundesbahnen gegenüber dem Wettbewerb der Lastwagen
dringend erwünscht.

In einer Eingabe vom 6. Juni 1928 an die Generaldirektion hat der Schweizerische Handels- und I n d u s t r i e v e r e i n eindringlich einen Abbau der Gütertarife gefordert. In diesem Zusammenhange äusserte sich der Vorort über die Rückerstattungsfrage wie folgt: ,,Die Kreise von Industrie und Handel hatten bisher keine Gelegenheit, ihre Ansicht hierüber kundzugeben. Es ist aber anzunehmen, dosa sie auch ihrerseits eine den Bundesbahnen gerecht werdende Lösung nicht ablehnen werden, sofern, die Prüfung ergibt, dass den Bundesbahnen in der Kriegszeit Opfer

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zugemutet worden sind, die einem Privatunternehmen nicht hätten auferlegt werden können."

Die von uns vorgeschlagene einmalige Leistung aus der Bundeskasse wird zur Tilgung des Kriegsfehlbetragea verwendet werden müssen.

Indirekt wird es jedoch den Bundesbahnen durch diesen Bundesbeitrag erleichtert, den Taxabbau durchzuführen und so in Form von billigere» Taxen die vom Bunde erhaltenen Zuschüsse wieder in die Kreise von Industrie, Handel, Landwirtschaft und Gewerbe zurückfliessen zu lassen.

Ein Entgegenkommen des Bundes wird es den Bundesbahnen sodann eher ermöglichen, den eindringlich gestellten Begehren der beteiligten Kantone um Fortsetzung der Elektrifizierung Rechnung zu tragen und die längere Pause, die sonst zwischen die erste und zweite Elektrifizierungsetappe eingeschoben werden muss, zu verkürzen.

Gleich wie die Finanzlage der Bundesbahnen hat sich seit der Übermittlung des Berichtes des Verwaltungsrates und der General direktîon glücklicherweise auch die Finanzlage dos Bundes gebessert. Mit der fortschreitenden Entwicklung des Automobilverkehrs sind namentlich die Zolleinnahmen auf Automobilen und Benzin in den letzten Jahren sehr stark gestiegen, und wir stehen nun vor der Tatsache, dass der Haushalt der Bundesbahnen durch diese Umwälzung im Verkehr sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wird, während anderseits die Bundeskasse von dieser Entwicklung Nutzen zieht. Dieser Umstand lässt es um so eher angezeigt erscheinen, dass der Bund eine etwelche Vergütung für Leistungen, die sonst ihm obgelegen hätten, vornimmt und den Bundesbahnen hilft, die vom Automobil drohende Krise zu überwinden. In Ansehung der grossen Lasten, die auch für den Bundestiskus in Aussicht stehen, rnuss jedoch diese Rückerstattung in bescheidenem Rahmen gehalten werden. Der Finanzhaushalt des Bundes darf durch diese ausserordentliche Leistung nicht erschüttert werden. Als Termin für die Auszahlung diesesBetrages sehlagen wir den 15. Januar 1930 vor, weil die letzte Quote von 10 Millionen Franken des Bundesbeitrages an die beschleunigte Elektrifizierung im Jahre 1929 entrichtet wird. Verglichen mit den ausserordentlichen Leistungen fremder Staaten an ihre Staats- oder Privatbahnen kann dieser Betrag keineswegs als übersetzt angesehen werden (England -- 4,a Milliarden Franken, Vereinigte Staaten von Amerika =
8,6 Milliarden Franken, Schweden = 299 Millionen Franken, Holland = 280 Millionen Franken). Für das Ausmass der Rückerstattung muss aber vor allem die Leistungsfähigkeit der Bundeskasse auf Grund der gegenwärtigen E i n n a h m e n q u e l l e n bestimmend sein. An diese Leistung muss sodann die Bedingung geknüpft werden, dass sie am Kriegsfehlbetrag abzuschreiben ist und nicht zu andern Zwecken verwendet werden darf. Auch hat es, wie bereits angedeutet, die Meinung, dass mit einer einmaligen Entschädigung im vorgeschlagenen Ausmasse die Auseinandersetzung zwischen» den beiden Verwaltungen als endgültig vollzogen zu betrachten sei.

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Die vorgesehene Vergütung an die Bundesbahnen' für besondere Leistungen zugunsten der Allgemeinheit steht mit dem Grundsatz der gesetzlich festgelegten Trennung des finanziellen Haushaltes der Bundesbahnen von demjenigen des Bundes durchaus im Einklang. An der Verpflichtung der Bundesbahnen zur finanziellen Selbsterhaltung der Bundesbahnen soll auch in Zukunft nicht gerüttelt werden. Dieser Pflicht entspricht aber das gesetzliche Recht der finanziellen Selbstverwaltung. Wenn der Gesetzgeber bestimmt hat, dass das Rechnungswesen der Bundesbahnen vom übrigen Rechnungswesen des Bundes getrennt zu halten und so zu gestalten ist, dass ihre Finanzlage jederzeit mit Sicherheit festgestellt werden kann, so hat er damit auch dem Willen Ausdruck geben wollen, daas in der Belastung der beiden Rechnungen der allgemeinen Bundesverwaltung und der Bundesbahnverwaltung eine reinliche Scheidung der Ausgaben für allgemeine Btaatszwecke einerseits und für Transportzwecke anderseits durchgeführt werde. In Art. 8 des Rückkaufgesetzes war der Grundsatz enthalten, dass die Betriebseinnahmen der Bundesbahnen nur der Verkehrswirtschaft dienen sollen und niemals den Aufgaben der allgemeinen Staatswirtschaft. Danach sollten Reinerträge und Überschüsse nicht zur Lösung von Aufgaben verwendet werden, die als allgemeine Staatsaufgaben anzusprechen sind. Endlich wäre ein solches Verfahren nicht vereinbar mit Art. l des neuen Organisationsgesetzes, das als obersten Verwaltungsgrundsatz die Bestimmung aufstellt, dass die Bundesbahnen ,,unter Wahrung der Interessen der nationalen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen verwaltet und betrieben werden müssen"1. Den Interessen der nationalen Volkswirtschaft wird bei der heutigen Wettbewerbslage im Verkehrswesen eine Staatsbahn dann am besten dienen, wenn sie alle Ausgaben und Einnahmenausfalle vermeidet, die sich kaufmännisch nicht begründen lassen, d. h. die nicht eine Stärkung gegenüber dem Wettbewerb des Automobils zur Folge haben. Denn mit jeder finanziellen Schwächung der Bundesbahnen, in denen der Bund, d. h. die schweizerische Volkswirtschaft, mehr als 2*/2 Milliarden Franken angelegt hat, ist früher oder später auch eine Schwächung der nationalen Volkswirtschaft verbunden. Dass die Grenzlinien zwischen Aufgaben einer Staatsbahn und den allgemeinen Staats wirtschaftlichen
Pflichten unter der Herrschaft des frühem tatsächlichen Transportmonopols sich je nach den Konjunkturverhältnissen und der Finanzlage mehr oder weniger verschieben konnten, war durchaus verständlich. Im Zeitalter des Automobilwettbewerbes hingegen muss eine Einschränkung des Aufgabengebietes auch einer Staatsbahn auf das normale Leistungsmass einer Privatbahn das stets anzustrebende Ziel sein.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ersuchen wir die eidgenössischen Räte, dazu Hand zu bieten, in dem von uns vorgeschlagenen Ausmasse eine Differenz aus der Welt zu schaffen, die auch die Öffent-

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lichkeit lebhaft beschäftigt hat und damit auch einem Gebot der Billigkeit gegenüber den Bundesbahnen nachzukommen. Wenn den Bundesbahnen durch diese Leistung des Bundes ihre schweren Aufgaben etwas erleichtert werden, so liegt dies ebenfalls im Interesse des ganzen Landes. Wir empfehlen Ihnen deshalb die Annahme des nachstehenden Bundesbeschlusses.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. März 1929.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler : Kaeslin.


Bundesbeschluss betreffend

die Vergütung ausserordentlicher Leistungen der Bundesbahnen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.

D i e B u n d e sv e r sa m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1929,

beschliesst:

Art. 1.

Den schweizerischen Bundesbahnen wird für ihre ausserordentlichen Leistungen während und nach den Kriegsjahren auf den 15. Jannar 1930 eine Vergütung von 35 Millionen Franken ausgerichtet, die zur Tilgung des Kriegsdefizites zu verwenden ist.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Vergütung ausserordentlicher Leistungen der Bundesbahnen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.

(Vom 4. März 1929.)

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1929

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

11

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2433

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13.03.1929

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