06.061 Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2003­2007) (In Erfüllung des Postulats «Regelmässige Berichterstattung über die Menschenrechtspolitik der Schweiz» der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates vom 14. August 2000) vom 31. Mai 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz (2003­2007) und ersuchen Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. Mai 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-0981

6071

Übersicht Der internationale Menschenrechtsschutz hat sich in den vergangenen Jahren in einigen Bereichen in eine erfreuliche Richtung entwickelt. So hat sich etwa die Anzahl Staaten erhöht, welche die wichtigsten internationalen Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert haben. Einzelne bestehende Übereinkommen wurden durch neue rechtliche Instrumente ergänzt und die darin verankerten Rechte gestärkt. Die erzielten Fortschritte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschrechte heute weltweit auf dem Prüfstand stehen und die Herausforderungen für die internationale Menschenrechtspolitik gewaltig sind: Obwohl immer mehr Regierungen willens sind, sich rechtlich zum Schutz der Menschenrechte zu verpflichten, wollen oder können sie diesen Verpflichtungen nicht nachkommen. Weltweit wenden noch immer rund 70 Staaten regelmässig Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Verfahren an, um Menschen zu strafen oder zu demütigen.

Gegenwärtig bekennen sich noch immer 73 Staaten zur Todesstrafe. Zehntausende von Menschen «verschwinden» weltweit nach wie vor spurlos oder werden willkürlich inhaftiert. Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Armut: Ihnen bleibt das Recht auf Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung, aber auch auf Teilhabe am politischen Leben sowie auf Rechtsgleichheit verwehrt.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gegen die USA und in der Folge auch gegen Staaten wie Indonesien, Marokko, Spanien und Grossbritannien wurde die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu einer der obersten Prioritäten der internationalen Politik erklärt. Gewisse Staaten, die den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht wenig Respekt zollen, missbrauchen die Terrorismusbekämpfung, um ihre interne Repression zu verschärfen oder gewaltfreie oppositionelle Gruppierungen mundtot zu machen. Neben der Terrorismusbekämpfung verändern auch andere Phänomene die Rahmenbedingungen für menschenrechtspolitische Akteure: Konflikte, Migration, Armut, demokratische oder rechtsstaatliche Defizite, das grenzüberschreitende Unternehmertum oder biotechnologische und medizinische Errungenschaften stellen Herausforderungen dar, mit denen sich eine umfassend verstandene Menschenrechtsaussenpolitik heute auseinandersetzen muss.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass sich solche
Herausforderungen nur im Rahmen von Partnerschaften mit anderen Staaten, internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Akteuren sinnvoll bewältigen lassen. Gleichzeitig erachtet er es als seine Pflicht, seine Strategien und Instrumente regelmässig zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Die meisten seiner langjährigen Prioritäten beurteilt er nach wie vor als sinnvoll und erhaltenswert: gezielte Förderung elementarer Menschenrechte und Schutz besonders verletzlicher Gruppen, Verankerung der Menschenrechte in anderen Politikbereichen («Mainstreaming») und Weiterentwicklung von Partnerschaften.

6072

Der vorliegende Bericht ist folgendermassen gegliedert: Nach einer Einführung wird erläutert, mit welchen Rahmenbedingungen menschenrechtspolitische Akteure heute konfrontiert sind. Anschliessend steht die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz im Vordergrund: Vorgestellt werden Grundprinzipien, Zielsetzungen, Instrumente sowie konkrete operationelle und konzeptionelle Herausforderungen.

Der Bericht ist als «Situationsbericht» konzipiert, was bedeutet, dass gegenwärtige und zukunftsorientierte Überlegungen im Zentrum stehen.

6073

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6072

1 Einleitung

6075

2 Ausgangslage

6075

3 Allgemeines und Herausforderungen 3.1 Frauen und Kinder als Hauptleidtragende 3.2 Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung 3.3 Menschenrechte und Globalisierung 3.4 Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit 3.5 Menschenrechte und Gewaltkonflikte 3.6 Menschenrechte und Migration 3.7 Tendenzen multilateraler Menschenrechtspolitik

6076 6078 6079 6079 6081 6083 6084 6085

4 Schweizerische Menschenrechtsaussenpolitik 4.1 Grundsätze 4.2 Einsatz für elementare Menschenrechtsstandards 4.2.1 Recht auf Leben, Sicherheit und Integrität 4.2.2 Religions-, Meinungsäusserungs- und Vereinigungsfreiheit 4.2.3 Rechte der Frauen 4.2.4 Rechte des Kindes 4.2.5 Diskriminierungsverbot, Rassismus und Minderheiten 4.2.6 Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 4.2.7 Internationale Bestrafung der schwersten Rechtsverstösse 4.3 Menschenrechtsaussenpolitik als Querschnittsaufgabe 4.3.1 Menschenrechtsförderung und Terrorismusbekämpfung 4.3.2 Menschenrechte, Gewaltkonflikte und Migration 4.3.3 Menschenrechte und Entwicklung 4.3.4 Neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik 4.4 Umsetzung der Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz 4.4.1 Handlungsleitende Prinzipien 4.4.2 Stärkung des multilateralen Menschenrechtssystems

6086 6087 6088 6088 6090 6091 6092 6092 6095 6096 6097 6097 6099 6101 6105 6106 6106 6108

5 Schlussfolgerung: Konzentration, Glaubwürdigkeit und Kohärenz

6114

6074

1

Einleitung

Dem vorliegenden Bericht liegt ein Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates vom 14. August 2000 zu Grunde, das der Bundesrat am 13. September 2000 entgegengenommen hat. Es hat folgenden Wortlaut: «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament einmal pro Legislatur in einem Situationsbericht Auskunft zu geben über die getroffenen, eingeleiteten und geplanten Massnahmen und Bemühungen zur Förderung einer wirksamen und kohärenten Menschenrechtspolitik. Dieser Bericht soll insbesondere folgende Punkte berücksichtigen: ­

Übersicht über aktuelle Zielsetzung, Planung und getroffene Massnahmen in der schweizerischen Menschenrechtspolitik und Würdigung ihrer Wirksamkeit;

­

Darstellung, wie menschenrechtliche Kriterien in den verschiedenen Politikbereichen zur Anwendung kommen (insbesondere Entwicklungs-, Aussenwirtschafts-, Migrations- und Friedenspolitik usw.), und Offenlegung der Interessenkonflikte, in denen Werte der Menschenrechte gegen andere Werte abgewogen werden;

­

Aufzeigen, mit welchen Massnahmen Wirksamkeit und Kohärenz von aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Aktivitäten verstärkt werden können und werden;

­

Einbezug von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zur Weiterentwicklung der Menschenrechtspolitik.»

Mit dem vorliegenden Dokument legt der Bundesrat seinen ersten Situationsbericht für die Legislaturperiode 2003­2007 vor. Informationen über vergangene konkrete Aktionen bereitet er im Rahmen anderer Berichtspflichten auf, insbesondere über die Verwendung der verschiedenen Rahmenkredite, die das Parlament für den Bereich der Aussenbeziehungen im Bereich der Menschenrechtspolitik bewilligt hat.

2

Ausgangslage

Am 16. Februar 2000 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament mit dem Bericht über die Menschenrechtspolitik der Schweiz (BBl 2000 2586) ein operationelles Konzept, das den schweizerischen Behörden die Entscheidfindung im Zusammenhang mit Menschenrechtsfragen erleichtern soll. Dieser Text liefert Angaben über die anwendbaren Grundsätze, die verfügbaren Instrumente, die beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Akteure und die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der schweizerischen Menschenrechtspolitik im Rahmen der Aussenpolitik.

Seither wurde die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz bei verschiedenen Gelegenheiten bestätigt und weiterentwickelt. Bedeutsam sind insbesondere folgende Grundlagendokumente: ­

Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101, BV) nennt die Förderung der Menschenrechte und der Demokratie als eines der fünf Hauptziele der schweizerischen Aussenpolitik ­ die anderen Zielsetzungen sind Armutsbekämpfung, Friedensförderung, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im 6075

Ausland (Art. 54 Abs. 2 und 101 BV). Daraus ergibt sich der Grundsatz, dass die Menschenrechte bei allen Tätigkeiten der Schweiz im Ausland zu beachten sind.

­

Der Aussenpolitische Bericht 2000 vom 15. November 2000 (BBl 2001 261) bestätigt die Achtung der Menschenrechte explizit als aussenpolitisches Ziel der Schweiz. Der Bundesrat verpflichtete sich darin, seine Bemühungen zur Achtung und Förderung der Menschenrechte mit geeigneten Massnahmen zu verstärken.

­

Ein Resultat dieser Bemühungen stellt das Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (SR 193.9) dar, das seit dem 1. Mai 2004 in Kraft ist. Basierend auf diesem Gesetz steht für die Jahre 2004­2007 ein Rahmenkredit in Höhe von 220 Millionen Franken für entsprechende Massnahmen zur Verfügung. Dieser Kredit ist direkt für die Förderung der Menschenrechte bestimmt. Zudem stellt das Parlament der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit sowie der Direktion für Völkerrecht weitere Kredite zur Verfügung, die der Umsetzung der Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz in ihren jeweiligen Fachbereichen dienen. Eine Tabelle über die zwischen 2003 und 2005 vom Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten für diese Förderung bewilligten Beträge ­ aufgeteilt nach den dafür bestimmten Krediten ­ findet sich in Anhang II des vorliegenden Berichts.

­

Im Rahmen seiner Jahresziele hat der Bundesrat die in den oben erwähnten Grundlagendokumenten definierten strategischen Vorgaben bekräftigt und konkretisiert. Auch die Beantwortung parlamentarischer Vorstösse hat er verschiedentlich zum Anlass genommen, konzeptionelle und strategische Fragen zu klären. Als Beispiel sei hier die Möglichkeit zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution erwähnt, die der Bundesrat in aufgrund eines Postulats aus dem Parlament und verschiedenen Anregungen aus der Zivilgesellschaft gegenwärtig prüft.

­

Die Menschenrechte nehmen auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit einen immer grösseren Stellenwert ein. Dies hat der Bundesrat in den Botschaften zur Erneuerung der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, den Staaten Osteuropas und der GUS bekräftigt, und das Parlament hat den notwendigen Krediten in den Jahren 2003 bzw. 2004 zugestimmt.

­

Von grundlegender Bedeutung für die Ausgestaltung der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik hat sich ausserdem der Beitritt der Schweiz zur UNO vom 10. September 2002 erwiesen. Diese Organisation stellt nicht nur den massgeblichen internationalen Referenzrahmen für menschenrechtspolitische Akteure dar. Die Erfahrung zeigt, dass sie einem Staat wie der Schweiz auch zahlreiche Anknüpfungspunkte bietet, um eigene menschenrechtliche Anliegen auf internationaler Ebene wirkungsvoll einzubringen.

3

Allgemeines und Herausforderungen

Seit dem verstärkten Aufkommen internationaler Menschenrechtsnormen vor etwas mehr als fünfzig Jahren lässt sich immer das Gleiche feststellen: Der tiefe Graben zwischen der Vision einer Gesellschaft, die sich an die Menschenrechte hält, und der 6076

Realität ist nicht kleiner geworden. Die Übertragung der Idealvorstellungen in die Realität jedes Landes ist eine Pflicht, der sich die Staaten immer wieder auf neuer Grundlage stellen müssen. Die Menschenrechtslage ist in zahlreichen Ländern problematisch, und Menschenrechtsverletzungen zu beziffern ist ein komplexes Unterfangen. Einerseits existieren keine flächendeckenden, verlässlichen Bestandesaufnahmen aller relevanten Rechtsverletzungen, andererseits ist der Aussagegehalt der vorhandenen Daten nicht immer gleich gross. Entsprechende Daten werden häufig manipuliert, vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte und innerer Unruhen.

Die von den internationalen Organisationen erarbeiteten Quellenvergleiche und statistischen Datensammlungen geben dennoch einen groben Überblick über das heutige Ausmass der Menschenrechtsverletzungen.

Weltweit sollen noch rund 70 Staaten regelmässig Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Verfahren anwenden, um Menschen zu Geständnissen zu zwingen, sie zu strafen, zu demütigen oder ihren Willen zu brechen. Kein Staat ist gegen solche Praktiken vollumfänglich gefeit. Das Phänomen der erzwungenen Migration in Friedens- und Kriegszeiten betrifft weltweit Millionen von Menschen ­ als Opfer oder als Angehörige. Jährlich werden ausserdem Zehntausende von Menschen weltweit willkürlich in Haft gehalten, einige von ihnen bloss, weil sie ein Grundrecht wie zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäusserung ausgeübt haben. Andere werden ohne Haftbefehl, ohne Anklage und ohne Urteil eines unabhängigen Gerichts inhaftiert, oder sie werden weiterhin gefangen gehalten, obschon sie ihre Strafe abgesessen haben. Gemäss Amnesty International bekennen sich nach wie vor 73 der 196 Staaten zur Todesstrafe und wenden diese auch an. Die Zahl derjenigen Länder, welche alljährlich Hinrichtungen durchführen, ist jedoch weit geringer. Im Jahre 2004 wurden in 25 Ländern und Territorien 3797 Gefangene hingerichtet und in 64 Ländern und Territorien 7395 Personen zum Tode verurteilt.

97 % der belegten Hinrichtungen fanden in China, in den USA, im Iran und in Vietnam statt.

Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Armut: Ihnen bleiben das Recht auf Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung, aber auch auf Teilhabe am politischen Leben sowie auf Rechtsgleichheit
verwehrt. Konkret müssen über eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben. Gemäss dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) schliesst jedes fünfte Kind nicht einmal die Primarschule ab. Und nahezu 800 Millionen Menschen ­ 15 % der Weltbevölkerung ­ leiden chronisch unter Hunger.

Armut wird nicht nur durch mangelndes Einkommen bestimmt, sondern ist auch die Folge von Diskriminierung der betroffenen Personen, die weitgehend vom wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben ausgeschlossen werden. Die Instrumente für den Schutz der Menschenrechte sind wichtig und international breit abgestützt; dank ihnen können die vielen Facetten der Armut bekämpft werden: Das Verbot von Diskriminierungen sowie die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte bilden den internationalen Referenzrahmen, dem die grosse Mehrheit der Staaten mit der Ratifizierung der internationalen Normen zugestimmt hat. Die Staaten müssen alle Bürgerinnen und Bürger vor Machtmissbrauch schützen und den Zugang der benachteiligten Bevölkerungsgruppen zum Markt, zu den Dienstleistungen, zu den öffentlichen Ressourcen sowie zur politischen Macht ermöglichen. Die konkrete Umsetzung dieser Verpflichtung für jede und jeden sowie die Anwendung der Menschenrechte für die benachteiligten Gruppen sind bei jedem menschenrechtlichen Engagement die grössten Herausforderungen.

6077

3.1

Frauen und Kinder als Hauptleidtragende

Von den heutigen Menschenrechtsverletzungen sind Frauen und Kinder in besonderem Masse betroffen. Aus den Statistiken der Abteilung für Frauenförderung der UNO und der UNO-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen gehen das Ausmass und die wichtigsten Gründe hervor, weshalb Frauen an der Ausübung ihrer Rechte gehindert werden: Rund 70 % der 1.3 Milliarden Menschen, die weltweit in Armut leben, sind Frauen. 80 % der 35 Millionen intern Vertriebenen oder der Flüchtlinge sind Frauen und Mädchen. Sie sind durch Missbrauch und Ausbeutung besonders gefährdet. Das Phänomen der Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet.

Frauen, die sich in einem wirtschaftlichen, sozialen, familiären oder emotionalen Abhängigkeitsverhältnis befinden, sind besonders davon betroffen. Häufig werden Frauen aber nicht nur wegen ihres Geschlechts diskriminiert, sondern zusätzlich auch wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit. Schätzungsweise jede dritte Frau weltweit ­ 10 % in der Schweiz gemäss einer Studie von 2005 ­ erleidet sexuelle oder physische Gewalt durch ihren Partner. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass 85 bis 115 Millionen Frauen und Mädchen Genitalverstümmelungen verschiedener Formen über sich ergehen lassen mussten und unter den Folgen dieser unmenschlichen Eingriffe leiden. Noch heute werden jährlich rund zwei Millionen Mädchen Opfer solcher Praktiken. Im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten und inneren Unruhen sind auch Vergewaltigungen weit verbreitet. Besonders perfide ist die Praxis, Frauen von Mitgliedern der Konfliktparteien zu vergewaltigen, um die betroffene Gesellschaft zu terrorisieren und zu entmenschlichen. Direkte Folge dieser Gewaltakte: Frauen sind die zahlreichsten Opfer des HIV/AIDS-Virus. Trotz der praktisch weltweiten Ratifizierung des Abkommens zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung der Frauen wird vielen von ihnen weiterhin der Zugang zum wirtschaftlichen und politischen Leben verwehrt.

Kinderrechtsverletzungen sind ebenfalls überall auf der Welt verbreitet. Im Zuge bewaffneter Konflikte wurden im letzten Jahrzehnt zwei Millionen Kinder getötet, und weitere Millionen wurden verletzt, verstümmelt oder psychisch traumatisiert.

Die Zahl der Kindersoldaten ­ Jungen wie Mädchen ­ beläuft sich weltweit auf mindestens 300 000. Gemäss Informationen
der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) werden 246 Millionen Kinder für Tätigkeiten eingesetzt, die klar gegen geltende Rechtsnormen verstossen. Unter ihnen 180 Millionen, die den ärgsten Formen der Ausbeutung wie Sklaverei, gefährliche Arbeiten, Prostitution oder Pornografie ausgesetzt sind. Zudem halten einige Staaten weiterhin an der Todesstrafe für Jugendliche unter 18 Jahren fest. Millionen Kinder leiden unter den Folgen extremer Armut oder bleiben sich selber überlassen. Strassenkinder zum Beispiel werden oftmals Opfer von Diskriminierung, aussergerichtlichen Hinrichtungen oder des Organhandels. Die HIV/Aids-Pandemie, deren Ausmass die pessimistischsten Prognosen der Neunzigerjahre übertrifft, droht die über Jahrzehnte erzielten Fortschritte für das Überleben und die Entwicklung von Kindern zunichte zu machen.

Dies gilt insbesondere für Afrika südlich der Sahara, das in Bezug auf die Gesundheitsversorgung und die Lebenserwartung um Jahrzehnte zurückgeworfen wurde.

UNAIDS zufolge lebten in diesem Teil Afrikas Ende 2003 mindestens zwei Millionen Kinder unter 15 Jahren mit dem HIV-/Aidsvirus. UNAIDS und UNICEF schätzen weiter, dass in dieser Region insgesamt 11 Millionen unter 15-jährige Waisenkinder leben, die einen Elternteil oder gar beide Eltern infolge von HIV/Aids

6078

verloren haben. Die Risiken der Diskriminierung, Ausgrenzung und verstärkten Gefährdung sind bei diesen Kindern besonders gross.

3.2

Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung

Themen wie Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz haben in den letzten Jahren wieder an Aktualität gewonnen.

Im Zunehmen begriffen ist insbesondere das Phänomen der Mehrfachdiskriminierung aufgrund von ethnischer, religiöser oder kultureller Zugehörigkeit oder des Geschlechts. Parallel dazu häufen sich etwa die Aufstachelungen zum Rassenhass im Internet. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung ist ein Trend zur Erstellung von «Rassenprofilen» festzustellen, bei denen den betroffenen Menschen kriminelle Eigenschaften aufgrund äusserlicher Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszüge zugeschrieben werden.

Terrorakte sind Angriffe gegen die fundamentalsten Menschenrechte. Die Staaten haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 führten immer mehr Länder weltweit neue Anti-Terrorgesetze ein oder verschärften bestehende Gesetze. Einige dieser Gesetze stehen dabei im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die sich aus den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht ergeben, indem sie individuelle Rechte unzulässig einschränken. Damit steigt das Risiko von willkürlichen Inhaftierungen, von Folter und Misshandlung, von Diskriminierung gewisser Bevölkerungsgruppen und von Verletzungen der Privatsphäre. Gewisse Regierungen, die den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht wenig Respekt zollen, missbrauchen die gegenwärtige Situation, um ihre Repressionen zu verschärfen, gewaltfreie Oppositionsgruppen mundtot zu machen und die Schuld dafür den Menschenrechtsverteidigern in die Schuhe zu schieben. Es ist inakzeptabel, dass die Grundrechte unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung ausgehöhlt werden. Die Leitlinien über die Menschenrechte und den Kampf gegen Terrorismus des Europarats vom 11. Juli 2002 sind in dieser Hinsicht ein Bezugsrahmen für die Staaten. Im Fall der Schweiz haben die Ereignisse der letzten Jahre gezeigt, dass das Anti-Terror-Dispositiv nicht genügt und den aktuellen Formen des Terrorismus angepasst werden muss. Das Bundesgesetz, das Massnahmen zur Erhaltung der inneren Sicherheit vorsieht, muss entsprechend revidiert werden, wobei die in diesem Rahmen vorgesehenen Massnahmen die Einhaltung der Grundrechte und der internationalen Verpflichtungen der Schweiz voraussetzen.

3.3

Menschenrechte und Globalisierung

Die Globalisierung wirkt sich in vielerlei Hinsicht positiv auf die Menschenrechte aus: Sie eröffnet durch die Stärkung des Welthandels nicht nur neue Perspektiven zur Verbesserung der weltweiten Lebensstandards, sondern ermöglicht dank neuer Kommunikationsmittel auch den Austausch demokratischer Ideen, fördert die Wissensvermittlung über die Menschenrechte und erleichtert es der Zivilgesellschaft, im Rahmen weltumspannender Initiativen zum Schutz und zur Förderung dieser Rechte beizutragen.

6079

Doch die Globalisierung, ein diffuses, nicht beherrschbares Phänomen, kann auch negative Folgen haben. So stellt die wirtschaftliche Logik, der sie folgt, eine Bedrohung für die Menschenrechte dar, insbesondere für die wirtschaftlichen und sozialen Rechte. Die ­ gewollte oder ungewollte ­ Unkenntnis der Menschenrechte stellt ein grosses Risiko für Menschenrechtsverletzungen dar. Die Globalisierung muss deshalb auf der Grundlage des Rechts und der Sensibilisierung der verschiedenen Akteure angegangen werden. Mit diesem Ansatz verbessert der Staat die Fähigkeit, seine Pflichten zur Einhaltung und zum Schutz der Rechte vollumfänglich wahrzunehmen und die Demokratie sowie den Zusammenhalt der verschiedenen Kulturen und lokalen Traditionen zu stärken.

Das internationale Menschenrechtssystem wird immer mehr als wichtige Ergänzung zur wirtschaftlichen Globalisierung wahrgenommen. Die Minimalstandards im Bereich der Menschenrechte sind Instrumente, um die negativen Folgen der Globalisierung zu bekämpfen und minimale Verantwortlichkeiten festzulegen. Dennoch bleiben in erster Linie die betreffenden Staaten dafür verantwortlich, ihre Bevölkerung gegen die Verletzungen dieser Menschenrechte zu schützen.

Um den negativen Globalisierungseffekten entgegenzuwirken, entwickeln verschiedene international tätige Wirtschaftsakteure seit einigen Jahren ein neues Verantwortungsbewusstsein. Zahlreiche von ihnen ­ erfreulicherweise auch die Wirtschaftsunternehmen selbst ­ realisieren, dass es ihren längerfristigen Geschäftsinteressen zuträglich ist, wenn sie sich beispielsweise für die Erhaltung der sozialen und wirtschaftlichen Stabilität, für die Wahrung der Menschenrechte oder den Schutz der Umwelt einsetzen. Aufgrund dieses Bewusstseinswandels hat sich auch das Verhältnis zwischen der Zivilgesellschaft und den progressiv gesinnten Unternehmen gewandelt: Ehemals konfrontative Auseinandersetzungen entwickeln sich vielerorts zum partnerschaftlichen Dialog. In dieser Hinsicht unterstützt die Schweiz aktiv den Global Compact der UNO und ermutigt den Privatsektor, sich an der Umsetzung der Menschenrechte zu beteiligen. An diesem Dialog nehmen neben den zivilgesellschaftlichen Akteuren und den Wirtschaftsunternehmen auch internationale Organisationen wie die UNO, die Internationale Arbeitsorganisation (IAO, eine dreigliedrige
Organisation, die Regierungen und Sozialpartner vereint), aber auch die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welthandelsorganisation (WTO) teil. Diese Organisationen anerkennen, dass eine nachhaltige menschliche Globalisierung nur möglich ist, wenn sämtliche öffentlichen und privaten Akteure universal gültige Werte und Regeln fördern und umsetzen.

Seit der WTO-Ministerkonferenz in Singapur 1996 ist die IAO als eines der kompetenten Organe für die Sicherung der sozialen Dimension in der wirtschaftlichen Globalisierung anerkannt. Die Schaffung von menschenwürdiger Arbeit für alle ist eine der zentralen Empfehlungen des Berichts der Weltkommission zur sozialen Dimension der Globalisierung, der im Februar 2004 unter dem Titel «Eine faire Globalisierung ­ Chancen für alle schaffen» veröffentlicht und an der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2004 diskutiert wurde. Das Erreichen dieses Ziels wird auch weiterhin im Zentrum der Diskussionen zwischen den verschiedenen Partnern der IAO stehen. Die Umsetzung der sozialen Dimension der Globalisierung stellt für die Schweiz eine Priorität dar.

Im Spannungsfeld zwischen Menschenrechten und Globalisierung geht es letztlich darum, den Übergang von der globalen Wirtschaft und Gesellschaft zur «Global Governance» zu gewährleisten. Unter dem Eindruck schwindender Einflussmög6080

lichkeiten auf nationaler Ebene nimmt der Bedarf nach globaler Vernetzung und Steuerung unter Einbezug aller relevanten internationalen Akteure zu. Der Aufbau einer gerechten Weltordnung ist ein Anliegen, das weitere Dimensionen anspricht.

Dennoch bieten die weltweit anerkannten Menschenrechte eine von allen Ländern akzeptierte Grundlage und einen zugleich rechtlichen und operativen Bezugsrahmen für die Behandlung der sozialen und politischen Anliegen der Globalisierung.

3.4

Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit

Obwohl Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechtspolitik grundsätzlich auf das gleiche Ziel ­ die Menschenwürde für alle ­ hinarbeiten müssen, wurde der enge Zusammenhang zwischen Entwicklung und Menschenrechten während langer Zeit ignoriert. In den letzten Jahren stellte man vermehrt fest, dass es unmöglich ist, Entwicklung ohne Menschenrechte und umgekehrt Menschenrechte ohne Entwicklung zu verstehen. Die Erfahrungen in der Entwicklungspolitik haben gezeigt, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nur dort nachhaltig ist, wo entsprechende rechtliche und politische Rahmenbedingungen aufgestellt wurden. Deren Übereinstimmung mit den Grundsätzen der guten Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte gehören dazu. Die internationale Menschenrechtspolitik hat erkannt, dass die internationalen Sanktionen nach Menschenrechtsverletzungen und die üblichen punktuellen Eingriffe zu Gunsten der bürgerlichen und politischen Rechte nur sehr eingeschränkt zur Verbesserung der Lage in einem Land beitragen.

So hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sehr eng miteinander verbunden sind und nicht voneinander losgelöst werden können.

Mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Menschenrechtsförderung und Entwicklungszusammenarbeit haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Organisationen und Experten befasst. Die UNO hat zusammen mit verschiedenen Geberländern die nachfolgenden Prinzipien formuliert, die einen Grundkonsens zum Ausdruck bringen, wie Menschenrechte im Rahmen eines menschenrechtsorientierten Entwicklungsansatzes in die Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren sind.

­

Sämtliche Tätigkeiten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit müssen die Wahrung der Menschenrechte garantieren.

­

Die Planung und Umsetzung von Programmen muss sich an den Menschenrechtsnormen orientieren.

­

Die Entwicklungszusammenarbeit soll nicht nur die Staaten stärken, die für die Umsetzung der Menschenrechte verantwortlich sind, sondern auch die Individuen und Gruppen, denen sie zugute kommen.

Diese Grundprinzipien sind Ausdruck eines verstärkten Problembewusstseins innerhalb der UNO bezüglich der Zusammenhänge zwischen Menschenrechten, Armut und nachhaltiger Entwicklung. Dieses Bewusstsein wird zum Beispiel im Bericht des Generalsekretärs Kofi Annan vom 21. März 2005 über das UNO-Reformprojekt unterstrichen, der den Titel «In grösserer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle» trägt. Der Generalsekretär fasst die engen Beziehungen zwischen Frieden, Entwicklung und Menschenrechten in drei Arten von Freiheiten zusammen: Der Freiheit, vor Not geschützt zu sein, der Freiheit, vor Angst geschützt zu sein und der Freiheit, in Würde leben zu können.

6081

Die internationalen Instrumente binden die Staaten an drei Verpflichtungsarten: Erstens die Pflicht, die Menschenrechte selbst nicht zu verletzen (Unterlassungspflicht); zweitens die Pflicht, die Beeinträchtigung von Menschenrechten durch Dritte zu verhindern (Schutzpflicht); drittens die Pflicht, Massnahmen zu ergreifen, um die volle Verwirklichung der Menschenrechte zu realisieren (Leistungspflicht).

Traditionellerweise beschäftigt sich die Entwicklungszusammenarbeit mit Bereichen, in denen es darum geht, auf effektive Art (Leistungspflicht) die Menschenrechte in den Empfängerländern anzuwenden. Sie fördert und unterstützt mit anderen Worten die Schaffung von Institutionen und Kapazitäten, um eine Einhaltung der Menschenrechte für alle zu garantieren. Diese Erfahrungen erweisen sich auch für eine Menschenrechtspolitik als nützlich, die sich nicht auf Kritik, Verurteilung und Sanktion beschränkt, sondern deren Ziel darin besteht, den Partnerländern zu helfen, die Grundrechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen zu schützen und menschenrechtskonforme Strukturen zu erarbeiten.

Die Menschenrechte sind eng mit den Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit für bessere rechtliche und politische Rahmenbedingungen (Governance) in den Entwicklungsländern verbunden. In den letzten Jahren wurden Massnahmen ergriffen, um den Partnerländern namentlich in folgenden Bereichen zu helfen: ­

Politische Entscheidfindung im Rahmen transparenter und partizipativer Prozesse und im Hinblick auf die effiziente Nutzung öffentlicher Ressourcen;

­

Klar aufgeteilte Verantwortlichkeiten (Accountability) und integere Führung der staatlichen Aufgaben;

­

Wirksame öffentliche Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse marginalisierter Bevölkerungsgruppen;

­

Zugängliches, professionelles, unabhängiges und rechtsstaatliches Rechtssystem, das marktwirtschaftlich orientierte Entwicklungen ermöglicht und Verantwortlichkeiten privater und öffentlicher Akteure festlegt;

­

Politische Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit.

Diese Bereiche der Regierungsführung haben alle einen Bezug zu den Menschenrechten. Zum Beispiel bilden die bürgerlichen und politischen Rechte, die für eine transparente und partizipative Entscheidfindung und für eine Kontrolle der Führung der Staatsgeschäfte durch pluralistische Meinungsbildung unabdingbar sind, die Grundlage jeden Rechtsstaates. Doch auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte spielen insofern eine Rolle, als sie einen Referenzrahmen bilden, dank dem die staatlichen Behörden Leistungen liefern können, die den vorhandenen Bedürfnissen entsprechen und in keiner Weise diskriminierend sind.

Heute sind die Menschenrechte gleichzeitig Ziel und Instrument einer effizienten Entwicklungspolitik. Die Menschenrechtsabkommen sind dadurch legitimiert, dass sie die verpflichtende, freiwillig übernommene Grundlage für den Einsatz der Geber- und Empfängerländer bei der Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen und bei der Armutsbekämpfung bilden.

6082

3.5

Menschenrechte und Gewaltkonflikte

Frieden ist der beste Nährboden für die umfassende Umsetzung der Menschenrechte.

Gleichzeitig bildet die Wahrung dieser Rechte und das Bestehen eines «Rechtsstaats» die Grundlage jeder Form von dauerhaftem Frieden. Häufig sind systematische Menschenrechtsverletzungen untrügliche Vorboten eines bevorstehenden Konflikts; gleichzeitig tragen solche Verletzungen auch dazu bei, bestehende Spannungen zwischen einzelnen Gruppen zu vergrössern und den Ausbruch von bewaffneten Auseinandersetzungen zu fördern. Aus diesem Grund ist es wichtig, schon bei den ersten Anzeichen kollektiver Verletzungen der elementaren Menschenrechte präventiv aktiv zu werden. Gerade in diesem Frühstadium sind nationale Systeme zum Schutz der Menschenrechte in Form von nationalen Menschenrechtsorganisationen oder Parlamentsausschüssen von grosser Bedeutung. Das Instrumentarium zur Frühwahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen in konfliktanfälligen Regionen muss durch Massnahmen nach Beendigung eines Konfliktes und gezielte Präventionsmassnahmen ergänzt werden.

Festzustellen ist, dass fast alle Gewaltkonflikte ­ seien sie international oder nicht ­ heute von schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts begleitet werden (aussergerichtliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt oder Folterungen). Häufig sind innere Konflikte von staatlichen Zerfallserscheinungen begleitet. Zerfall bedeutet, dass der Staat nicht mehr in der Lage ist, seine grundlegenden Funktionen wahrzunehmen und die Anwendung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu garantieren.

An die Stelle des Staates treten bewaffnete Gruppen, die ihre menschen- und völkerrechtlichen Schutzfunktionen für die Zivilbevölkerung ­ wenn überhaupt ­ nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung wahrnehmen und häufig selbst Verletzungen des Menschenrechts oder des humanitären Völkerrechts begehen. Die meisten dieser Rechtsverletzungen bleiben ungeahndet. Die Zivilbevölkerungen sind in den heutigen Gewaltkonflikten bewusst zu Zielen der Krieg führenden Parteien geworden; Schätzungen zufolge machen sie 90 % der Opfer aus.

Es ist schwierig, diese Verletzungen zu bekämpfen und ein menschenrechtskonformes Verhalten sicherzustellen oder durchzusetzen, vor allem in Ländern mit schwachen Staatsstrukturen oder
Zerfallserscheinungen, wo zuerst verantwortliche Institutionen und die nötigen Kapazitäten für eine Verbesserung der Situation geschaffen werden müssen. Die internationale Gemeinschaft hat weder in Bosnien und Herzegowina, noch in Ruanda, in Darfur oder in der Demokratischen Republik Kongo die Massaker stoppen können.

Hauptziel der internationalen Gemeinschaft muss sein, den Schutz der Zivilbevölkerungen in Gewaltkonflikten konkret zu verbessern. In diesem Rahmen wurde das Konzept der Schutzverantwortung für die Zivilbevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen erarbeitet. Am Weltgipfel im September 2005 in New York haben die Staatengemeinschaft wie auch kürzlich der UNO-Sicherheitsrat diesem Konzept zugestimmt und dabei die Verantwortung jedes Staates unterstrichen, die Bevölkerung auf seinem Staatsgebiet gegen die hässlichsten Verbrechen zu schützen. Wenn ein Staat diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen will oder kann, muss die internationale Gemeinschaft eingreifen, nötigenfalls mit einer gemeinsamen Massnahme im Rahmen von Kapitel VII der UNO-Charta. Verschiedene Beispiele zeigen indes, dass die internationalen Eingriffe im Krisenfall nicht mehr genügen. Die internatio6083

nale Gemeinschaft muss dem betroffenen Staat aktiv helfen, neue politische und administrative Strukturen zu schaffen, mit denen die Menschenrechte eingehalten und durchgesetzt werden können.

Dabei ist die Art, wie das «Erbe» des Konflikts, die Menschenrechtsverletzungen, die Kriegsverbrechen oder die Verbrechen gegen die Menschheit angegangen werden, in vielen Fällen entscheidend. Es geht darum, rasch gesetzliche und institutionelle Bestimmungen zu finden, die eine Sanktionierung von besonders schweren Rechtsverletzungen ermöglichen, ohne die nationale Versöhnung und Wahrheitssuche zu behindern. Seit einigen Jahren messen die internationalen Friedensmissionen der UNO und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dem Aufbau von krisenresistenten Staatsstrukturen auf der Grundlage menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Grundsätze grosses Gewicht bei.

3.6

Menschenrechte und Migration

Zwischen den weltweiten Migrationsbewegungen und den Menschenrechten besteht in mancher Hinsicht ein Zusammenhang. Menschenrechtsverletzungen beispielsweise zählen ganz allgemein zu den Hauptgründen für erzwungene Migrationen.

Zudem sind Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge, Vertriebene und Opfer von Menschenhandel besonders verletzlich für rassistische Angriffe und andere Formen von Diskriminierung und sexuellen Missbrauch. Sie alle bilden eine Gruppe, die besonders stark der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist.

Die heutigen internationalen Migrationsbewegungen sind sehr komplex, und ihre Bewältigung gewinnt für die Staaten zunehmend an Bedeutung. Dabei geht es in erster Linie darum, die positiven Aspekte der Migration zu maximieren und unfreiwillige Migrationsbewegungen zu bekämpfen und zu verhüten. Erzwungene Migration kann verschiedene Ursachen haben. Eine der häufigsten ist die Verletzung der Menschenrechte. Ein Teil der unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten versucht, in Industrieländer einzureisen und über das Asylwesen eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Der grösste Teil von ihnen bleibt jedoch in ihrer Heimat und lässt die wachsenden Migrationsströme innerhalb der Entwicklungs- oder Transitionsländer weiter anschwellen. Diese Menschen fliehen nicht nur vor der Verfolgung in ihrem eigenen Land, sondern auch aus einem Umfeld eingeschränkter bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte.

Die Flüchtlinge sind durch die Flüchtlingskonvention von 1951 und das Zusatzprotokoll von 1967 geschützt. Allerdings haben nicht alle Staaten diese Rechtsinstrumente unterzeichnet. Die Konvention wird uneinheitlich und meistens zuungunsten der schutzbedürftigsten Menschen umgesetzt. Es wird angenommen, dass heute nicht weniger als 25 Millionen intern vertriebene Menschen im eigenen Land leben.

Sie sind Missbräuchen und dem Entzug der Grundrechte besonders stark ausgesetzt.

Die Leitprinzipen über interne Vertreibung sind zwar internationale Standards, die es den Vertriebenen erlauben sollen, ihre Rechte wahrzunehmen; diese Standards werden jedoch von den direkt betroffenen Regierungen sehr ungleich angewendet.

Eine besondere beunruhigende Form der Zwangsmigration ist der kommerzielle Menschenhandel. Er hat deutlich zugenommen und betrifft Jahr für Jahr rund 900 000 Frauen, Männer und Kinder. Die Opfer werden auf verschiedenste Art und

6084

Weise missbraucht, unter anderem durch Prostitution, sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit und neue Formen der Skalverei, illegale Adoption oder Organhandel.

Angesichts der Komplexität dieses Problems befassen sich die dafür zuständigen UNO-Organisationen wie das Hochkommissariat für Flüchtlinge und internationale Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit solchen Migrationsfragen. Aber auch bei Organisationen, die sich speziell für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen, stehen sie auf der Tagesordnung, so zum Beispiel im Europarat, wo sie zu einem vorrangigen Anliegen geworden sind.

3.7

Tendenzen multilateraler Menschenrechtspolitik

Die oben aufgezeigten Rahmenbedingungen und die Entwicklungstendenzen stellen die Akteure der internationalen Menschenrechtspolitik vor neue konzeptionelle Herausforderungen. Einerseits geht es darum, die Durchsetzung der Menschenrechte auch unter den veränderten Rahmenbedingungen zu gewährleisten, und andererseits, Instrumente für neue Phänomene zu entwickeln. In diesem Prozess spielen neben den verschiedenen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen vor allem die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) mit ihren Sonderorganisationen (wie die IAO, die Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereint) sowie regionale Organisationen wie der Europarat, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder die Europäische Union (EU) eine zentrale Rolle. Hinzu kommen andere Organisationen und Netzwerke wie etwa die Internationale Organisation der Frankophonie, das Netzwerk Menschliche Sicherheit, der Global Compact der UNO oder der Stabilitätspakt für Südosteuropa, die nützliche Plattformen für die Stärkung, Weiterentwicklung und Durchsetzung der Menschenrechte bieten.

Auf globaler Ebene ist die UNO der bedeutendste Akteur. Bis zur letzten Session im März 2006 wurden die Menschenrechtsfragen mehrheitlich von der UNO-Menschenrechtskommission parallel zum Sicherheitsrat und zur Generalversammlung behandelt. Diese wichtige Funktion wurde vor kurzem mit der Ersetzung der Kommission durch den UNO-Menschenrechtsrat noch verstärkt. Die Schaffung des neuen Organs zeigt den Willen des UNO-Generalsekretärs, den er schon 2002 im Rahmen des Programms «Stärkung der Vereinten Nationen: eine Agenda für weitere Veränderungen» ausgedrückt hatte, die Organisation zu reformieren. Aufgrund von Empfehlungen des so genannten Expertenpanels für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel im Dezember 2004 veröffentlichte der UNO-Generalsekretär am 21. März 2005 einen Bericht unter dem Titel «In grösserer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle». Auf der Grundlage dieses Berichts führte ein grosser Reformprozess am 15. März 2006 in der Generalversammlung schliesslich zur Annahme der Resolution für die Schaffung des Menschenrechtsrats. Damit werden Menschenrechte, Sicherheit und Entwicklung innerhalb der UNO-Hierarchie auf die gleiche Stufe gestellt.
Auch andere internationale Organisationen haben Massnahmen zur Bewältigung der heutigen Herausforderungen ergriffen. Der Europarat versucht, einen wirksamen und umfassenden Menschenrechtsschutz zu fördern, indem er laufend Schulungsund Sensibilisierungsinitiativen durchführt oder in der Person seines Menschenrechtskommissars auf Mängel in der Gesetzgebung und Praxis in den Mitgliedstaaten aufmerksam macht. Der Europarat konzentriert sich weiterhin auf die 6085

Rechtsentwicklung und die juristische und politische Kontrolle der Einhaltung von Verpflichtungen, welche die Mitgliedstaaten mit dem Beitritt oder der Ratifikation eines seiner 200 Übereinkommen eingegangen sind. Daneben unterstützt der Europarat auch weiterhin die Länder Zentral- und Osteuropas sowie des Südkaukasus bei der Umsetzung und Konsolidierung von politischen Reformprozessen sowie bei Verfassungs- und Gesetzesreformen.

Die OSZE hat in den vergangenen Jahren die so genannte menschliche Dimension weiter in den Vordergrund gerückt. Diese Entwicklung wird von verschiedenen teilnehmenden Staaten kritisiert, die finden, dass diese Politik zu Lasten der politisch-militärischen und ökonomisch-ökologischen Dimension geht. Mit ihrer Arbeit konnten die Missionen und Präsenzen vor Ort, die Mitarbeitenden in den traditionellen «technischen» Institutionen ­ dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, dem Hohen Kommissar für nationale Minderheiten und OSZEBeauftragten für Medienfreiheit ­ und die 2004 ernannte Sonderbeauftragte für den Kampf gegen Menschenhandel ihre OSZE-Tätigkeiten in den Bereichen Aufsicht, Frühwarnung, kritische Intervention und technische Unterstützung fortsetzen und ausbauen.

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören auch zu den Grundwerten der Europäischen Union. Sie sind in den Maastrichter Verträgen verankert und wurden durch die Annahme der Charta der Grundrechte im Jahre 2000 erneut bekräftigt. Im Bericht des luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker vom 11. April 2006 über das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Europarat wird zudem gefordert, dass die EU der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten solle. Die EU setzt sich für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte sowohl innerhalb ihrer Grenzen wie auch gegenüber Drittstaaten ein. Sie hat sich international als einer der Hauptakteure in diesem Bereich etabliert. Wie die Schweiz führt die EU Menschenrechtsdialoge mit China und dem Iran, sie betrachtet die Achtung der Menschenrechte als integralen Bestandteil der Zusammenarbeit mit Drittstaaten, und sie unterstützt reformbereite Partnerstaaten mit positiven Massnahmen.

4

Schweizerische Menschenrechtsaussenpolitik

Menschenrechte sind ein Ausdruck universell anerkannter Grundwerte. Ihnen liegt das Gebot der Menschlichkeit zugrunde, zur Schaffung einer Welt beizutragen, in der die Menschenwürde, der Respekt gegenüber der Verschiedenartigkeit der Menschen, individuelle Freiheit, Wohlbefinden und Sicherheit gewahrt werden.

Dieses Gebot ist in unserem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern tief verwurzelt. Es ist in der Bundesverfassung und anderen Grundlagendokumenten ausgestaltet und bildet den grundlegenden Rahmen für die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz.

6086

4.1

Grundsätze

Die Strategie des Bundes beruht auf folgenden Grundsätzen: Völkerrecht als massgeblicher Bezugsrahmen Unsere Menschenrechtsaussenpolitik orientiert sich an völkerrechtlichen Übereinkommen und am Gewohnheitsrecht. Der Bundesrat beurteilt die Weltlage danach, ob die internationalen Normen eingehalten werden. Er stützt sein Engagement auf diese Normen ab und strebt danach, sie mit seinen Aktionen zu stärken. Gleichzeitig trägt er aktiv zur Weiterentwicklung dieser Normen bei und stärkt die internationalen rechtlichen und politischen Organe, die über die Anwendung des Völkerrechts wachen. Er achtet darauf, dass Schweizer Entscheidungen, Projekte und Programme diese Normen nicht verletzen, sondern zu ihrer Realisierung beitragen.

Die Schweiz ist überzeugt, dass die Glaubwürdigkeit ihrer Menschenrechtsaussenpolitik eng mit der Ratifikation der entsprechenden internationalen Übereinkommen und deren Anwendung im Rahmen ihrer Rechtsordnung zusammenhängt. Sie ist den wichtigsten europäischen und internationalen Menschenrechtsübereinkommen beigetreten, und seit dem Jahr 2000 hat sie ihre internationalen Verpflichtungen mit der Ratifizierung neuer Rechtsakte und dem Rückzug von Vorbehalten zusätzlich erweitert.

Art. 54 Abs. 2 der Bundesverfassung Die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz ist durch Artikel 54 Absatz 2 der Bundesverfassung definiert und entspricht voll und ganz der schweizerischen humanitären Tradition. Wenn sich die Schweiz beispielsweise für die Opfer von Gewalt einsetzt, dann tut sie dies für die Würde dieser Personen, ohne Rücksicht auf Nationalität, politisches, wirtschaftliches und soziales Umfeld ihres Herkunftslandes und dessen Beziehung zu unserem Land.

Langfristige Interessenwahrung Nebst dem humanitären Leitgedanken liegt der Einsatz für die Menschenrechte auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Schweiz. Ihre Aussenpolitik beruht auf der Überzeugung, dass Frieden, Entwicklung und Stabilität nur dann solide und nachhaltig sein können, wenn alle Staaten für die Wahrung der Grund- und Menschenrechte einstehen und sich an rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien halten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Staaten, welche diese Prinzipien anwenden, weniger anfällig sind für Krisen, die Nothilfe, Flüchtlingsschutz und Friedensmissionen erforderlich machen. Staaten, die auf einem
soliden menschenrechtlichen Fundament stehen, sind auch zuverlässigere und deshalb interessantere Handelspartner.

Universalität der Menschenrechte Die Schweiz setzt sich für eine weltweite Achtung der Menschenrechte ein. Für unser Land sind diese Rechte die grundlegende Bedingung für eine stabile und friedliche Welt. Durch den bilateralen Menschenrechtsdialog, die Förderung der Konsensfindung in multilateralen Foren, die Beteiligung der lokalen Bevölkerung bei der Entwicklung von Projekten und der Verbreitung einer allgemeinen Menschenrechtskultur ist die Schweiz bestrebt, die gemeinsame Basis aller Länder bezüglich des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte stetig zu stärken.

6087

Obschon der Bundesrat anerkennt, dass es keine allgemein gültigen Modelle für die Umsetzung dieser Rechte gibt, widersetzt er sich Angriffen auf die bereits in Kraft getretenen Rechtstexte, ob diese nun wirtschaftlich, kulturell, politisch oder religiös motiviert sind.

Einsatz für Menschenrechte und ihre konkrete Umsetzung Die Schweiz engagiert sich für alle Menschenrechte ­ bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ­ gleichermassen. Sie bejaht deren Unteilbarkeit und erachtet alle Rechte als wichtig. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass die übrigen Staaten und Institutionen ihre Menschenrechtsverpflichtungen einhalten und ist darum bemüht, auch die eigenen wahrzunehmen.

Mit der Ratifizierung der entsprechenden Menschenrechtsübereinkommen haben sich alle Vertragsstaaten (auch die Schweiz) zur Einhaltung von Verpflichtungen aller Art bekannt. Die staatlichen Behörden müssen die Menschenrechte einhalten, die verletzlichen Gruppen gegen Rechtsverletzungen schützen und die Rechte in die soziale Realität übertragen. Der Einsatz der Schweiz erfordert verschiedene Instrumente, um die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte in allen Ländern zu fördern und andere Staaten in ihren Bemühungen für die Durchsetzung dieser Rechte zu unterstützen. Parallel zur internationalen Menschenrechtspolitik gibt es zahlreiche andere politische Bereiche, wo Anforderungen an die Einhaltung dieser Rechte eine Rolle spielen, selbst wenn sie nicht immer im Vordergrund stehen (Querschnittbedeutung der Menschenrechte). Der Bundesrat wird darum bemüht sein, die Dimension dieser Rechte systematisch in andere Bereiche seiner Aussenpolitik zu integrieren, um von den neuen Möglichkeiten zu profitieren, welche die Globalisierung für eine Stärkung der internationalen Grundrechtsnormen bietet.

4.2

Einsatz für elementare Menschenrechte

Wenngleich sich der Bundesrat zum Grundsatz der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte bekennt, hat er doch mit der Konzentration auf bestimmte Themen Prioritäten setzen wollen. Es handelt sich dabei um Rechte oder Bereiche, die für den internationalen Menschenrechtsschutz von elementarer Bedeutung sind und zu deren Weiterentwicklung die Schweiz wirkungsvoll beitragen kann.

4.2.1

Recht auf Leben, Sicherheit und Integrität

Recht auf Leben Das Recht auf Leben ist das höchste und grundlegendste aller Menschenrechte. Es ist die Quelle aller anderen Menschenrechte und neben der Menschenrechtsaussenpolitik deshalb auch eine zentrale Zielgrösse anderer aussenpolitischer Tätigkeitsbereiche der Schweiz, etwa der Entwicklungszusammenarbeit oder der humanitären Hilfe. Bewaffnete Konflikte, politische Gewalt, Deportation, Armut und sozialer Ausschluss bedrohen das Leben und die Sicherheit von vielen Personen. In den meisten Fällen wollen oder können die betreffenden Staaten das Leben dieser verletzlichen Bevölkerungsgruppen nicht schützen. Mit der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe leistet die Schweiz in unterschiedlicher Form Hilfe in verschiedenen Ländern, um möglichst vielen Personen das Recht auf Leben und den 6088

Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen in Krisensituationen (Wasser, Nahrung, Unterkunft, persönliche Sicherheit) zu garantieren.

Der Bundesrat misst der Achtung und Stärkung des Rechts auf Leben besonderes Gewicht bei und hat aus diesem Grund die Bekämpfung der Todesstrafe zu einer Priorität seiner Menschenrechtsaussenpolitik gemacht. Er verurteilt mit Nachdruck alle Formen von aussergerichtlichen, summarischen oder willkürlichen Hinrichtungen, darunter auch die von Einzelpersonen begangenen und von Staaten tolerierten Tötungen wie beispielsweise die so genannten Ehrenmorde oder die Ermordung von Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden. Im Rahmen seiner Möglichkeiten setzt er sich für die Abschaffung der Todesstrafe oder zumindest für ein Hinrichtungsmoratorium als einem ersten Schritt hin zu deren Abschaffung aus. Gegenüber Staaten, die an dieser Strafe dennoch festhalten, insistiert er, dass völkerrechtliche Mindeststandards beachtet werden.

Der Bundesrat will der uneingeschränkten Achtung des Rechts auf Leben in den kommenden Jahren weiterhin oberste Priorität einräumen. Seinen langjährigen Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe auf bilateraler wie multilateraler Ebene und seine Aktionen zur Bekämpfung aussergerichtlicher, summarischer oder willkürlicher Hinrichtungen will er weiterführen und weiter intensivieren. Der Handlungsbedarf ist insbesondere in jenen Ländern gross, in denen bewaffnete Konflikte ausgetragen werden oder die von schweren inneren Unruhen heimgesucht sind.

Folterverbot Jeder Mensch hat das unveräusserliche Recht, nicht der Folter unterworfen zu werden. Dieses Recht darf unter keinen Umständen ausser Kraft gesetzt werden. Infolgedessen ist jeder Versuch, die Ausübung physischen oder psychischen Drucks bei Verhören für rechtlich zulässig zu erklären, absolut unzulässig. Dieses absolute Verbot gilt auch für Strategien im Rahmen der Terrorismusbekämpfung.

Die Bekämpfung der Folter ist seit langem ein Schwerpunkt der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik. Der Bundesrat stützt sich im Rahmen seines diesbezüglichen Engagements auf das Völkerrecht, welches die Folter uneingeschränkt verbietet. Er setzt sich für die strafrechtliche Verfolgung von Folterern ein und plädiert für das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung und Entschädigung. Einen
besonderen Schwerpunkt setzt er bei Präventionsmassnahmen, das heisst, er pocht auf den raschen Zugang zu einem Anwalt in den ersten Stunden nach einer Verhaftung sowie auf eine regelmässige Begutachtung der Haftbedingungen durch unabhängige Beobachter. Ein grundlegendes universelles Präventionsinstrument ist das Fakultativprotokoll zum UNO-Übereinkommen gegen Folter, das die UNO-Generalversammlung am 18. Dezember 2002 angenommen hat. Die Schweiz hat sich zusammen mit Costa Rica und der Genfer NGO Association pour la Prévention de la Torture APT mehr als zwei Jahrzehnte lang für dieses Protokoll eingesetzt, das einer internationalen Kommission unabhängiger Experten ständigen Zugang zu allen Gewahrsamsorten der Vertragsstaaten gewährt. Gegenwärtig wird eine Botschaft des Bundesrates für die Ratifizierung erarbeitet. Sie soll dem Parlament bis Ende 2006 vorgelegt werden.

Verschwindenlassen und willkürliche Inhaftierungen Die Praxis des Verschwindenlassens bedeutet für die betroffenen Menschen Freiheitsentzug oder dessen Billigung durch eine Amtsperson. Ihr weiteres Schicksal oder ihr Aufenthaltsort werden geheim gehalten, um sie willentlich dem Schutz des 6089

Gesetzes zu entziehen. So verstösst die Praxis des Verschwindenlassens von Personen gegen eine Vielzahl von Menschenrechten, deren Schutz die Schweiz als prioritär betrachtet: Das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf fairen Prozess sowie das Recht, nicht der Folter unterworfen zu werden und das Recht auf Leben.

Das Verschwindenlassen hat nicht nur tragische Folgen für die direkt Betroffenen und deren Angehörige, für die das Leiden nie aufhört, sondern es erschwert auch Bemühungen um Frieden und Versöhnung. Es nährt Angst und Ressentiments.

Deshalb unterstützt der Bundesrat das Projekt einer Konvention zum Schutz aller Personen gegen das Verschwindenlassen, das eine Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission am 23. September 2005 angenommen hat und das ein Instrument mit effizientem Kontrollmechanismus darstellt. Zudem wird er sich weiter dafür einsetzen, dass sich die internationale Politik vorrangig mit der Frage der verschwundenen Personen in bewaffneten Konflikten oder unter willkürlichen Regimes befasst.

In Krisen- oder Konfliktsituationen lebt die Zivilbevölkerung, die regelmässig den Angriffen der Krieg führenden Parteien ausgesetzt ist, in grosser Unsicherheit. Eine nachhaltige Beruhigung der Lage ist nur dort möglich, wo die Sicherheit der betroffenen Regionen verbessert werden kann. Mit ihrem Einsatz für Entwicklung und Friedenspolitik versucht die Schweiz, der Sicherheit der Zivilbevölkerung besondere Aufmerksamkeit zu widmen; sie trägt so dazu bei, dass das Recht auf persönliche Sicherheit für die Bevölkerungsgruppen, die in den Krisenregionen leben, zu einer konkreten Realität wird.

4.2.2

Religions-, Meinungsäusserungs- und Vereinigungsfreiheit

Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit Wie das Verbot von Folter sind die Rechte, welche die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit garantieren, unantastbar. Häufig werden unterschiedliche Religionen und Meinungen als hauptsächliche Ursachen von Spannungen gesehen. Meistens erweisen sich jedoch die Grundwerte, die sich hinter unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Haltungen verbergen, als sehr ähnlich. Der Bundesrat bemüht sich, Gruppen mit unterschiedlichen Überzeugungen zu einem gemeinsamen Verständnis dieser Grundwerte zu bringen und sie davon zu überzeugen, dass unterschiedliche Perspektiven eine Bereicherung darstellen können. Er plädiert insbesondere für Toleranz und Verständnis gegenüber religiösen Bewegungen, ohne jedoch den weltweiten Schutz aller Menschenrechte zu relativieren. In diesem Sinn wurde im Jahr 2004 im Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten eine Arbeitsgruppe mit dem Namen «chantier islasmisme» geschaffen, die sich mit der Frage der islamistischen Bewegungen befasst. Ziel ist die Analyse dieser Gruppierungen, aber auch die Suche nach einem Dialog und die Umsetzung verschiedener Projekte. Wie schon in der Vergangenheit wird die Schweiz auch weiterhin Demarchen machen zugunsten von Opfern, deren Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit beschnitten wird.

6090

Meinungsäusserungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit Die Meinungsäusserungsfreiheit (darin eingeschlossen das Recht auf Information), die Vereinigungs- und die Versammlungsfreiheit sind zentrale Bedingungen für die Umsetzung der übrigen Menschenrechte und stellen einen Eckpfeiler jeder pluralistischen und demokratischen Gesellschaft dar. Unter bestimmten Umständen und unter Beachtung festgelegter Verfahren kann es rechtlich zulässig sein, die Meinungsäusserungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Häufig wird diese Möglichkeit jedoch missbraucht, beispielsweise wenn Staaten diese Freiheiten unverhältnismässig begrenzen.

Zu den ersten, die unter solchen Massnahmen leiden, gehören die Menschenrechtsverteidiger, die Menschenrechtsverletzungen anprangern, obwohl sie sich selbst und ihre Angehörigen dadurch einer grossen Gefahr aussetzen. Die Besorgnis des Bundesrates wird weiterhin den Menschenrechtsverteidigern gelten, ohne deren mutigen Einsatz die internationale Menschenrechtspolitik nicht denkbar wäre. Der Bundesrat wird sich weiterhin für den Schutz dieser Verteidiger einsetzen.

4.2.3

Rechte der Frauen

Die Rechte von Frauen und Mädchen sind integraler Bestandteil der universellen und unveräusserlichen Menschenrechte. Sie sind durch verschiedene rechtliche Instrumente geschützt, insbesondere durch das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Die Schweiz hat ihre beiden ersten Berichte über die Umsetzung des CEDAW im Januar 2003 dem zuständigen Ausschuss unterbreitet. Den dritten wird sie im Lauf des Jahres 2006 überreichen.

Ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Frauen vor Diskriminierung wäre die schweizerische Ratifikation des Fakultativprotokolls vom 6. November 1999 zum UNOÜbereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Das Protokoll sieht unter anderem ein individuelles politisches Mitteilungsverfahren vor, welches Frauen unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit eröffnet, dem zuständigen CEDAW-Ausschuss erlittene Rechtsverletzungen mitzuteilen. Eine Botschaft zur Ratifizierung des Fakultativprotokolls wird den eidgenössischen Räten demnächst zugeleitet.

Anlässlich der 4. Frauenweltkonferenz (Peking +10, New York 2005) hat Bundesrat Pascal Couchepin die Unterstützung der Schweiz für die Aktionspläne von Peking und Kairo bekräftigt und dabei die Beziehung zwischen der Umsetzung der Geschlechtergleichstellung und dem Schutz der sexuellen Gesundheitsrechte der Frau unterstrichen. Er hat auch auf die Prioritäten der Schweizer Regierung in der laufenden Legislatur verwiesen, das heisst den Kampf gegen Frauenhandel und den Einsatz für die Teilnahme der Frauen am wirtschaftlichen Leben.

Der Bundesrat räumt der systematischen Integration der Genderperspektive in die bilateralen und multilateralen Tätigkeiten der Schweiz besondere Priorität ein. In bestimmten politischen Bereichen, zum Beispiel in der Friedensförderungspolitik und in der Strategie 2010 für die Entwicklungszusammenarbeit, hat die Schweiz einen besonderen Schwerpunkt auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Frauenrechte in allen bilateralen und multilateralen Tätigkeiten ihrer Aussenpolitik gelegt. In zahlreichen Partnerländern setzt sich die Schweiz dafür ein, 6091

dass der Zugang der Frauen zu den Ressourcen und ihre aktive Beteiligung an der Entwicklung gefördert werden; dabei stützt er sich auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die international garantierten Frauenrechte.

4.2.4

Rechte des Kindes

Das UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist der Eckpfeiler des internationalen Schutzes der Menschen unter 18 Jahren. Dieses Übereinkommen ist mit 191 Vertragsstaaten das meistratifizierte Menschenrechtsübereinkommen der Welt.

Die internationale Gemeinschaft hat sich bis 2002 engagiert bemüht, dieses Übereinkommen zu ergänzen, um Kinder besser vor besonders schwerem Missbrauch wie Zwangsarbeit oder Pädophilie zu schützen. Sie ist nun gefordert, diese Rechte im Laufe dieses Jahrzehnts in die Praxis umzusetzen.

Der Bundesrat hat in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass die Rechte des Kindes in internationalen Gremien ein sensibles Thema sind, und zwar vor allem deshalb, weil sie den familiären Bereich berühren und dieser je nach Kultur und ­ unter anderem auch religiösen ­ Wertvorstellungen sehr unterschiedlich gesehen wird. Wie bei allen anderen Menschenrechten schenkt der Bundesrat den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Wertvorstellungen auch im Bereich der Rechte des Kindes grosse Beachtung. Gleichzeitig ist er jedoch der Überzeugung, dass der Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, Prostitution, Pornographie, Kinderarbeit oder deren Schutz in bewaffneten Konflikten Anliegen sind, die in allen Kultur- und Religionskreisen gelten sollen. Ausgehend von dieser Überzeugung will er sein Engagement zugunsten der Stärkung von entsprechenden rechtlichen und politischen Instrumenten und deren Anwendung in allen Ländern fortsetzen. Auch die Entwicklungszusammenarbeit wird ihren Einsatz zu Gunsten besonders verletzlicher Kinder fortführen. Ein dafür wichtiges rechtliches Instrument ist das Fakultativprotokoll zum UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend Kinderverkauf, Kinderprostitution und Kinderpornografie, dessen Ratifikation durch die Schweiz der Bundesrat möglichst rasch realisieren möchte.

Das Protokoll will etwa eine internationale Zusammenarbeit in der Strafverfolgung bei den im Übereinkommen verankerten Straftatbeständen aufbauen und die internationale Rechtsharmonisierung und Solidarität fördern. Der Bundesrat will darüber hinaus auch dem Grundsatz der Nichtteilnahme von Kindern an bewaffneten Konflikten international stärkere Nachachtung verschaffen und sich dafür einsetzen, dass Regierungstruppen und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen davon absehen,
Kinder zu rekrutieren. Auf multilateraler Ebene will er die Arbeiten der UNO zum Schutze von Kindern vor Gewalt, sexueller Ausbeutung, einschliesslich der Pornografie im Internet sowie dem Missbrauch in der Familie tatkräftig unterstützen.

4.2.5

Diskriminierungsverbot, Rassismus und Minderheiten

Diskriminierungsverbot «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren» ist der Grundsatz, der den Menschenrechten zugrunde liegt und in allen Menschenrechtsabkommen steht. Er ist die Grundlage für das Diskriminierungsverbot. Danach hat kein 6092

Staat das Recht, Menschen aus Gründen der Persönlichkeit, in der sich Personen oder Personengruppen voneinander unterscheiden (wie Rasse und Geschlecht, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit bzw. Herkunft sowie Meinungen und Vermögen), verschieden zu behandeln. Das Diskriminierungsverbot stellt ein zentrales Element jedes modernen Staates dar, der um das Wohlbefinden seiner Bürgerinnen und Bürger bemüht ist.

Häufig definieren Personengruppen ihre kulturelle Identität und Besonderheit in Abgrenzung zu den andern. Das Recht auf Differenz und Abweichung ist deshalb eine Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Gesellschaft, die immer stärker multikulturell geprägt ist. Das heisst, der Staat muss darüber wachen, dass niemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ohne begründete Rechtfertigung ungleich behandelt oder benachteiligt wird.

Die Entwicklungszusammenarbeit ist sich bewusst geworden, dass Armut und sozialer Ausschluss eng mit Diskriminierung verbunden sind. Die benachteiligten Gruppen geraten häufig in einen Teufelskreis von Armut, sozialem Ausschluss sowie rechtlicher und politischer Diskriminierung, und es ist nicht einfach, diesen Kreis zu durchbrechen. In vielen Ländern bietet die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit den benachteiligten Gruppen Unterstützung, um aus dieser Spirale herauszukommen, und trägt dazu bei, dass nicht diskriminierende Staatsleistungen zum Tragen kommen.

Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus In vielen Ländern der Welt gibt es noch immer ­ und an bestimmten Orten sogar wieder mehr ­ Diskriminierung und Intoleranz, die teils bewusst, teils unbewusst praktiziert oder geduldet wird. Die Schweiz bemüht sich, solche Tendenzen auf internationaler und nationaler Ebene zu verurteilen und zu bekämpfen.

Die bedeutendste internationale Veranstaltung, die zu diesem Themenfeld in den letzten Jahren stattfand, war die Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban im Jahre 2001. Als europäisches Land ohne koloniale Vergangenheit gelang es der Schweizer Delegation an dieser Konferenz, zwischen Gruppen von Staaten zu vermitteln, die entgegengesetzte Positionen vertreten. Die Folgearbeiten zur Weltkonferenz von Durban sind eine Priorität auf der internationalen Agenda. Mit der 2001 erfolgten Schaffung einer Fachstelle für Rassismusbekämpfung 2001 und der Eröffnung
2005 eines Kredits zur Unterstützung von Projekten zur Rassismusbekämpfung zeigt der Bundesrat den ­ international anerkannten ­ Willen der Schweiz, die im Rahmen dieser Konferenz angenommene Erklärung und den Aktionsplan umzusetzen. Angesichts der weltweiten Bedeutung der Phänomene Rassismus und Antisemitismus und der starken Gegensätze zwischen einzelnen internationalen Akteuren wird die Schweiz ihre Bemühungen fortsetzen, für alle Seiten annehmbare Kompromisse vorzuschlagen und vermeintliche Gegensätze zu überbrücken. Die UNO-Menschenrechtskommission hat sich in den vergangenen Jahren als ein Forum erwiesen, in dem die Schweiz diese Rolle als Brückenbauer besonders effektiv wahrnehmen kann. Zu erwähnen ist auch, dass die Schweiz 2003 die Kompetenz des UNOAusschusses für die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung anerkannt hat; dieser Ausschuss erhält und prüft alle Informationen von Personen oder Personengruppen in seinem Rechtsbereich, die sich als Opfer einer Verletzung eines der im Abkommen genannten Rechte fühlen. Zudem hat die Schweiz für alle Sonderverfahren der Menschenrechtskommission eine permanente Einladung für die Durchführung von Abklärungsmissionen in der Schweiz erlassen. So hat sie im Januar 6093

2006 Besuch von Doudou Diène, UNO-Sonderberichterstatter über aktuelle Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundener Intoleranz erhalten. Bei dieser Gelegenheit besuchte er zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Akteure in der Deutschschweiz, der Westschweiz und im Tessin. Der Schlussbericht seines Besuchs wurde noch nicht publiziert, doch kann ein Vorbericht auf der Website des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte eingesehen werden (www.ohchr.org).

Schliesslich engagiert sich die Schweiz seit Dezember 2004 im Kampf gegen Antisemitismus als Mitglied der «Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research (ITF)», die 1998 auf Initiative von Schweden hin gegründet wurde. Um die Koordination zwischen der Schweizer Delegation und der Arbeit vor Ort zu sichern, sind die in diesem Bereich tätigen Schweizer Verbände ebenfalls aufgerufen, sich in einer Begleitgruppe zu organisieren.

Rechte der Angehörigen von Minderheiten Die Schweiz hat als multikulturelles Land eine besondere Verantwortung, sich zugunsten von Minderheiten in aller Welt einzusetzen. Eigene historische Erfahrungen legen den Schluss nahe, dass die Förderung von kultureller, religiöser und sprachlicher Identität der Angehörigen von Minderheiten sowie ihre gleichberechtigte Mitwirkung im politischen und gesellschaftlichen Leben die Stabilität und den Wohlstand eines Landes fördern und Gewaltkonflikten vorbeugen kann. Minderheitenrechte werden jedoch nicht von allen internationalen Akteuren als Gewinn gesehen. Zahlreiche Länder befürchten, dass bereits eine Anerkennung der Existenz von Minderheiten auf ihrem Staatsgebiet Separatismus schürt und die staatliche Integrität bedroht.

Der Bundesrat setzt sich für das Recht auf lokale Selbstbestimmung und das Prinzip der Subsidiarität als Mittel zur Förderung und zum Schutz der Identität von Minderheiten innerhalb gemeinsamer Grenzen ein. Dabei bemüht er sich, die Erfahrungen der Schweiz weiterzugeben im Wissen, dass sich Minderheitenprobleme je nach Land unterschiedlich manifestieren und deshalb unterschiedliche Lösungen erfordern. Im Rahmen seiner Aktivitäten der zivilen Konfliktbearbeitung, der Migrationspolitik, der Entwicklungszusammenarbeit oder der humanitären Hilfe, bei denen die Rechte der Angehörigen
von Minderheiten jeweils eine wichtige Rolle spielen, hat der Bundesrat mit dieser behutsamen und selbstkritischen Vorgehensweise positive Erfahrungen gemacht. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung der Minderheiten bleibt eine wichtige Grundlage für das Engagement der Schweiz.

Der Schutz der Mitglieder von Minderheitengruppen und -völkern sowie deren Angehörigen stellt eines der drängendsten Probleme des Völkerrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes dar. Dies zeigt die Vielzahl der ethnisch und religiös begründeten Gewaltkonflikte. Der Bundesrat will sich in den kommenden Jahren für die Stärkung entsprechender internationaler Schutzmechanismen einsetzen und die Entwicklung wirksamer Instrumente im Rahmen der UNO unterstützen.

Indigene und Stammesvölker Die indigenen Völker zählen weltweit rund 300 Millionen Menschen, die etwa 5000 Gemeinschaften in mehr als 70 Ländern angehören. Vielen von ihnen fällt es schwer, ihren Platz in der heutigen Welt zu finden, weil sie entweder nicht die gewünschte Autonomie haben oder von der dominierenden Gesellschaft an den 6094

Rand gedrängt werden. Der Bundesrat setzt sich seit mehr als einem Jahrzehnt für die Rechte dieser Völker und gegen deren Diskriminierung ein. Diese Unterstützung zeigt sich einerseits im Rahmen seiner Programme in den betroffenen Ländern; andererseits beteiligt er sich seit Jahren an den Verhandlungen für eine Erklärung der UNO über die Rechte der indigenen Völker und nimmt als Beobachter an der UNO-Arbeitsgruppe über Indigene teil. In der laufenden Legislaturperiode wird er ausserdem prüfen, ob er das Übereinkommen 169 der IAO über eingeborene und in Stämmen lebende Völker im Hinblick auf die Situation der Fahrenden in der Schweiz ratifizieren kann. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass das Instrument auf diese Bevölkerungsgruppe anwendbar ist. Deshalb wurde ein Bericht über die Situation der Fahrenden in der Schweiz erarbeitet.

Seit langem kümmert sich die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz stark um die indigenen Völker. Es gilt dabei, jede Entwicklungsmassnahme zu vermeiden, die negative Auswirkungen auf die Rechte und Lebensbedingungen dieser Völker haben könnte, ohne jedoch die legitimen Bedürfnisse der Bevölkerungen, die sich moderneren Lebensarten zuwenden, zu vernachlässigen.

4.2.6

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sind im gleichnamigen internationalen Pakt von 1966 verankert, der für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft trat. Sie umfassen unter anderem das Recht auf Arbeit unter gerechten und günstigen Arbeitsbedingungen, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard (Nahrung, Kleidung, Unterkunft) sowie das Recht auf ein Höchstmass an Gesundheit.

Häufig gelten wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als weniger verbindlich, weil sie ­ im Gegensatz zu den bürgerlichen und politischen Rechten ­ nicht genug konkret sind, um in Rechtsverfahren eingesetzt zu werden (fehlende Justiziabilität).

In den letzten Jahren hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass mit den Menschenrechten Verpflichtungen auf verschiedenen Ebenen (Unterlassungspflicht, Schutzpflicht, Leistungspflicht) verbunden sind. Im Allgemeinen sind die Empfehlungen für die Staaten in den erstgenannten Punkten ­ der Unterlassungspflicht und der Schutzpflicht ­ besser definiert als bei der Leistungspflicht, die wegen der schwierigen konkreten Umsetzung immer noch zu zahlreichen Kontroversen führt. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte müssen von den Staaten in erster Linie schrittweise umgesetzt werden. Dabei verfügen die Staaten in der Regel über grossen Handlungsspielraum bei der Übertragung der Rechte in die Realität ihres Landes. Obwohl die wirtschaftlichen und sozialen Rechte meistens noch nicht Gegenstand von Individualbeschwerdeverfahren für Rechtsschutz sein können, sind sie verbindlich und verpflichten die Staaten, sie für alle zu garantieren und eine aktive Politik zugunsten ihrer Umsetzung zu betreiben (programmatische Dimension dieser Rechte). Sie verbieten zudem den Staaten, im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren.

Die seit jeher auf Armutsbekämpfung ausgerichtete Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz hat während Jahren Programme und Projekte unterstützt, die direkt oder indirekt zur Durchsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von benachteiligten Personen in den Partnerländern beigetragen haben. In Zukunft wird die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ihre Tätigkeiten noch expliziter auf die 6095

Grundsätze der Menschenrechte ausrichten und damit noch mehr zur Durchsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte beitragen.

Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gehören zu den entwicklungsfähigsten Menschenrechten. Die Chancen der Globalisierung lassen sich nur verwirklichen, wenn sie stärker ins Zentrum der internationalen Diskussion rücken. Der Bundesrat ist entschlossen, das Entwicklungspotenzial dieser Rechte bestmöglich zu erschliessen, sei es im Rahmen seiner bilateralen Programme der Armutsbekämpfung, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit oder der Friedensförderung, sei es im Rahmen multilateraler Aktivitäten.

4.2.7

Internationale Bestrafung der schwersten Rechtsverstösse

Die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs 1998 (in Kraft seit dem 1. Juli 2002) ist ein Ausdruck der Staatengemeinschaft, der Straflosigkeit für die Verantwortlichen im Falle der schlimmsten Verstösse gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht ein Ende zu setzen. Bei diesen Verstössen geht es um Straftatbestände wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen wie gezielte bewaffnete Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, Vergewaltigung als Kriegswaffe, Folter, Versklavung und Apartheid. Diese Tatbestände stellen völkerrechtliche Verbrechen dar und ziehen die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Einzelpersonen nach sich. Innerstaatliche und internationale Gerichte, die Individuen für solche Verstösse zur Rechenschaft ziehen, tragen wesentlich dazu bei, die Würde der Opfer wieder herzustellen, traumatisierte Gesellschaften mit ihren Behörden zu versöhnen, künftigen Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen und eine friedliche Entwicklung zu ermöglichen.

Die Bekämpfung der Straflosigkeit ist ein zentrales Anliegen des schweizerischen Engagements für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Der Bundesrat hat sich deshalb stets für eine Weiterentwicklung und Stärkung der rechtlichen und institutionellen Grundlagen zur Ahndung schwerer Rechtsverstösse eingesetzt und notwendige Massnahmen ergriffen, um das innerstaatliche Recht den internationalen Standards anzupassen. In den kommenden Jahren will er auf eine möglichst universelle Geltung des Internationalen Strafgerichtshofs hinarbeiten. Daneben wird er auch die Tätigkeit der nichtständigen Internationalen Gerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda so lange weiter unterstützen, bis die Hauptverantwortlichen der Verbrechen der Neunzigerjahre verhaftet und bestraft worden sind. Der Bundesrat nimmt bei der Ahndung der schwersten Verstösse eine konsequente und kompromisslose Haltung ein und versucht, die Regierungen seiner Partnerländer von dieser Haltung zu überzeugen. Gleichwohl will er vermehrt auch Versöhnungsprozesse in vom Krieg zerrütteten Gesellschaften unterstützen. Im Rahmen der 61. Session der UNO-Menschenrechtskommission 2005 hat er erstmals in der Geschichte der Schweiz eine thematische Resolution zur Schnittstelle zwischen Menschenrechten und Justiz in Transitionsprozessen zur
Diskussion gestellt und damit eine ausbaufähige Grundlage für sein weiteres Engagement in diesem Bereich gelegt.

Anzufügen bleibt jedoch, dass Straflosigkeit, wenn sie weit verbreitet ist, nur in den betroffenen Ländern selbst bekämpft werden kann. Zu diesem Zweck brauchen diese Länder Gerichte, die auf rechtsstaatlicher Basis funktionieren und integer, kompe6096

tent, unabhängig sowie für alle Personen zugänglich sind. In zahlreichen Ländern mit schwachen staatlichen Institutionen ist es oft schwierig und sehr teuer, solche Gerichte zu schaffen, selbst wenn ein reeller politischer Wille dazu vorhanden ist.

Für ihre Einsetzung braucht es insbesondere in diesen «fragilen» Staaten internationale Unterstützung. Die Schweiz hat solchen Ländern bereits bei der Einsetzung von staatlichen Strukturen und personellen Ressourcen Hilfe bieten können.

4.3

Menschenrechtsaussenpolitik als Querschnittsaufgabe

Noch bis vor wenigen Jahren zielten die menschenrechtspolitischen Strategien des Bundesrats primär auf die Stärkung und Förderung der bürgerlichen und politischen Rechte ab. Heute hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass solche Strategien zu kurz greifen, um wirksam auf die komplexe Wechselwirkung zwischen politischen Systemen und Frieden, nachhaltiger Entwicklung, Wirtschaftswachstum und Migrationsmanagement einzuwirken. Dazu bedarf es einer Aufwertung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Das bedeutet, dass die Umsetzung dieser Rechte verstärkt werden muss, ein Prozess, zu dem der Bundesrat mit seiner Unterstützung der UNO-Reformarbeiten beiträgt. Wie UNO-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Bericht über das Erreichen der Millenniumsziele für Entwicklung, Frieden und Sicherheit festgestellt hat, sind Menschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung eng miteinander verbunden. Nach seinen Worten «gibt es keine Entwicklung ohne Sicherheit, keine Sicherheit ohne Entwicklung und es kann weder Sicherheit noch Entwicklung geben, wenn die Menschenrechte nicht eingehalten werden.» Ebenso wenig sind Begleitstrategien sinnvoll, wenn sie voneinander losgelöst umgesetzt werden. Aus der Menschenrechtsoptik gesehen bedeutet dies, dass es die nötige Weitsicht und Hartnäckigkeit braucht um sicherzustellen, dass die Aktionen im Rahmen von Terrorismusbekämpfung, Konfliktbearbeitung, Entwicklungszusammenarbeit, Aussenhandel, Wissenschaft, Technologie oder auch von Migrationen nicht nur mit den geltenden Menschenrechtsnormen vereinbar sind, sondern auch deren Geltung weltweit stärken.

Die Frage, wie sich die Menschenrechte im Rahmen anderer Politikfelder im Sinne einer Querschnittsaufgabe und mit einem integrierten wirtschafts- und sozialpolitischen Ansatz stärken lassen, beschäftigt heute internationale Organisationen wie UNO, IAO, Weltbank, IWF, OECD oder WTO. Auch der Bundesrat steht vor der Herausforderung, seine aussenpolitischen Strategien künftig so auszugestalten, dass sie einer umfassend verstandenen Menschenrechtsaussenpolitik gerecht werden.

Nachfolgend soll anhand von Schlüsselbereichen aufgezeigt werden, wie er seine diesbezügliche Verantwortung wahrnehmen will.

4.3.1

Menschenrechtsförderung und Terrorismusbekämpfung

Anti-Terror-Strategien müssen vereinbar sein mit dem humanitären Völkerrecht, den internationalen Flüchtlingsabkommen und den Menschenrechtsübereinkommen, darunter der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Ein Staat darf angesichts einer ausserge6097

wöhnlichen, Existenz bedrohenden Situation ­ etwa einer unmittelbaren Bedrohung durch Terroristen ­ gewisse Rechte ausser Kraft setzen. Dabei ist er jedoch verpflichtet, die dafür vorgesehenen Verfahren anzuwenden, die Verhältnismässigkeit der Mittel und die Kurzfristigkeit seiner Massnahmen zu gewährleisten sowie die Grundrechte zu achten, die unter keinen Umständen ausser Kraft gesetzt werden dürfen.

Die Schweiz misst der Terrorismusbekämpfung einen grossen Stellenwert bei.

Gleichzeitig sieht sie es als vordringliche Aufgabe, dass bei der Erarbeitung entsprechender Strategien und Massnahmen der Schutz der Menschenrechte und die Achtung der Menschenwürde internationale Anliegen erster Priorität bleiben. In diesem Sinne wird sich der Bundesrat weiterhin dafür einsetzen, dass das Folterverbot unter keinen Umständen in Frage gestellt wird. Er ist ausserdem überzeugt, dass sich die Terrorismusgefahr durch kurzfristige Massnahmen nur zum Teil reduzieren lässt.

Wichtig sind langfristige Massnahmen, die auf die Beseitigung der Ursachen des Terrorismus abzielen wie Elend und Hunger, extreme Ungleichheit, fehlende gesellschaftliche und politische Perspektiven, Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, Nichtachtung kultureller Identität, fehlender oder lückenhafter Menschenrechtsschutz sowie mangelnde Bereitschaft zum Dialog. Diese Faktoren bieten kriminellen und extremistischen Gruppierungen einen günstigen Nährboden, um ihre radikalen und fanatischen Überzeugungen zu verbreiten. Wirkungsvolle Terrorismusbekämpfung darf deshalb nicht ausschliesslich auf gesetzgeberische und polizeiliche Massnahmen abstellen. Mindestens ebenso wichtig ist es, friedliche Möglichkeiten der Konfliktbeilegung zu fördern, nachhaltige Entwicklungsmodelle zu unterstützen und den Menschenrechtsschutz sowie die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie zu stärken.

Der Bundesrat wird sich in den zuständigen internationalen Gremien wie der UNO, der OSZE und dem Europarat weiterhin dafür einsetzen, dass die Menschenrechte bei Anti-Terror-Massnahmen konsequent beachtet und zu diesem Zweck effiziente internationale Kontrollmechanismen geschaffen werden. Er misst dabei den Richtlinien über die Menschenrechte und den Kampf gegen den Terrorismus des Europarats grosse Bedeutung bei und setzt sich für deren möglichst universelle Geltung ein.
Die Schweiz war zudem entscheidend an der Resolution der UNO-Menschenrechtskommission beteiligt, die 2005 ein neues Mandat für einen Sonderbeauftragten des Generalsekretärs zur Vereinbarkeit von Anti-Terror-Massnahmen mit den Menschenrechten geschaffen hat.

Auf bilateraler Ebene unterstützt die Schweiz ihre Partnerstaaten bei der Terrorismusbekämpfung sowie bei der Respektierung des Völkerrechts, des Rechtstaats und der Menschenrechte. Gegenüber Staaten, welche die Terrorismusbekämpfung den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht überordnen, wird die Schweiz wie bis anhin im Rahmen bilateraler Demarchen oder anderer Formen der Intervention aktiv werden. So unterhält sie beispielsweise einen kritischen Dialog mit den Vereinigten Staaten über die Häftlinge in Guantánamo Bay.

6098

4.3.2

Menschenrechte, Gewaltkonflikte und Migration

Menschenrechte und Friedensförderung Staaten, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen, sind bisweilen mit schwierigen Fragen konfrontiert: Sollen sie Menschenrechtsverletzungen öffentlich verurteilen, wenn sie dadurch ihre Vermittlerrolle in einem laufenden Friedensprozess gefährden würden? Sollen sie auf der Berücksichtigung von menschenrechtlichen Bestimmungen in einem Friedensvertrag insistieren, wenn der Konsens zwischen den Konfliktparteien an der Frage zu zerbrechen droht? Wenn sich die Schweiz in einem Friedensprozess engagiert, signalisiert sie gegenüber den Konfliktparteien klar und deutlich, dass die Beilegung eines Konflikts die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts voraussetzt, beziehungsweise dass das Ziel jedes Transformationsprozesses darin liegen muss, den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Häufig besteht in gewissen Phasen eines Prozesses ein politischer und taktischer Handlungsspielraum, was die zeitliche Planung bestimmter menschenrechts- oder friedenspolitischer Aktionen anbelangt. Diesen Spielraum nutzt die Schweiz, indem sie jeweils derjenigen Aktion den Vorzug gibt, mit der sie zum gegebenen Zeitpunkt die grösste Wirkung erzeugen kann. Unter keinen Umständen verstösst sie dabei jedoch gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen oder bietet Hand zu Konzessionen bei Verbrechen gegen die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht. Eine dogmatische Abgrenzung zwischen menschenrechtspolitischen und anderen Aktivitäten der Schweiz in Konfliktgebieten ist nicht hilfreich. Alle Aktivitäten verfolgen letztlich analoge Ziele, nämlich die Rechtssicherheit der betroffenen Menschen und das Vertrauen, das sie in das Rechtsprimat haben können, zu verbessern.

Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass auch während eines Konflikts die Menschenrechte gewahrt oder wieder verstärkt beachtet werden. Diese Bestrebungen können eine präventive Wirkung entfalten, wenn sie bereits vor dem Ausbruch des Konflikts Berücksichtigung finden. Während des Konflikts setzt sich die Schweiz insbesondere für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein, und in der Phase des Wiederaufbaus ist sie vor allem darum bemüht, rechtsstaatliche Strukturen wieder herzustellen und zu stärken, sowie die Vergangenheitsarbeit zu fördern. Im Bereich der Rechtsentwicklung hat die
Schweiz 2003 einen Reflexionsprozess über die Auswirkungen der neuen Konfliktformen auf das humanitäre Völkerrecht in Gang gebracht. Überzeugt von der Bedeutung, welche die Einhaltung der Menschenrechte für die Errichtung eines nachhaltigen Friedens hat, unterstützte die Schweiz zusammen mit Norwegen die Publikation einer Studie zu Menschenrechten und Friedensabkommen. Diese im März 2006 durch den International Council On Human Rights Policy veröffentlichte Studie trägt den Titel «Negociating Justice? Human Rights and Peace agreements» und analysiert die konstruktive Rolle, welche die Menschenrechte in diesem Kontext übernehmen können.

Migrationspolitik In den vergangenen Jahren hat die Schweiz zwei wichtige internationale Prozesse im Bereich der internationalen Migration in Gang gebracht: im Rahmen der im Jahr 2001 lancierten Berner Initiative ist es gelungen, eine internationale Agenda für Migrationsmanagement festzulegen, die der menschenrechtlichen Dimension angemessen Rechnung trägt. Die Globale Kommission zur Internationalen Migration (GKIM), die gemeinsam mit Schweden auf Anregung des UNO-Generalsekretärs ins Leben gerufen wurde, hat ihren Bericht im Oktober 2005 veröffentlicht. Das fünfte 6099

Handlungsprinzip dieses Berichts fordert die Staaten auf, den gesetzlichen und administrativen Rahmen für die internationale Migration zu stärken, um die Menschenrechte der Migrantinnen und Migranten zu schützen. Die Einhaltung der regionalen und internationalen Normen gewährleistet den Schutz der Rechte aller in die Schweiz eingewanderten Migrantinnen und Migranten. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass die Empfehlungen dieses Berichts angemessen beachtet werden. Sie ist davon überzeugt, dass sie die bevorstehende internationale Diskussion über Migrationsfragen erheblich beeinflussen können. Zudem hat das Engagement der Schweiz in der Prävention von Gewaltkonflikten, Entwicklungszusammenarbeit und Förderung der Menschenrechte auch Auswirkungen auf die Vorbeugung von unfreiwilligen Migrationsflüssen. Die Schweiz ist bestrebt, mit den Herkunftsstaaten einen Dialog über Migrationsfragen zu führen und auf diesem Gebiet Partnerschaften einzugehen. Gleichzeitig wird damit auch ein besserer Schutz der Migrantinnen und Migranten sowie die Vorbeugung gegen erzwungene Migration angestrebt.

Flüchtlingsschutz Der internationale Flüchtlingsschutz sowie die Situation der im eigenen Land Vertriebenen sind in verschiedener Hinsicht unbefriedigend. Angesichts der Ausmasse der erzwungenen Migration ­ 10 Millionen Flüchtlinge und 25 Millionen Vertriebene wegen Konflikten und Naturkatastrophen ­ muss zunächst dafür gesorgt werden, dass die Mindestanforderungen im internationalen Flüchtlingsrecht und die Menschenrechte in den aktuellen Krisen eingehalten werden. Zu diesem Zweck müssen auch Massnahmen zur Verbesserung der Schutzmöglichkeiten in den Herkunftsregionen dieser Menschen ergriffen werden. Die Schweiz wirkt innerhalb des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) an der Erarbeitung der Schlussfolgerungen von dessen Exekutivkomitees mit. Die im Rahmen dieses Prozesses erarbeiteten internationalen Standards sollen das mit der Konvention von 1951 geschaffene Schutzsystem stärken. Andererseits unterstützt die Schweiz die Verbreitung und Umsetzung der Grundstandards für den Schutz der Vertriebenen in ihrem eigenen Land ­ die so genannten Leitprinzipen über interne Vertreibung ­ und unterstützt insbesondere das Mandat von Prof. Walter Kälin (Universität Bern) als Vertreter des UNO-Generalsekretärs für die
Menschenrechte von intern Vertriebenen. Ausserdem bietet die Schweiz seit langem erhebliche konkrete Unterstützung beim Schutz der Grundrechte von Flüchtlingen und intern Vertriebenen sowie der Opfer von Konflikten auf der ganzen Welt. Dies geschieht mit Beiträgen an internationale humanitäre Organisationen, die einen Schutzauftrag erfüllen, wie etwa das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Menschenhandel Eine besonders perfide Erscheinung an der Schnittstelle zwischen Menschenrechtsund Migrationspolitik ist der Menschenhandel. Der Bundesrat verurteilt diesen Handel als schwere Verletzung der Menschenrechte und -würde. Er setzt sich für ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene ein und engagiert sich deshalb im Rahmen global und regional tätiger spezialisierter UNO-Organe, der OSZE und dem Europarat für Prävention und den Schutz der Opfer des Menschenhandels. Im März 2003 verabschiedete das EDA «Leitlinien für aussenwirksame Massnahmen zur Prävention des Menschenhandels sowie zum Schutz seiner Opfer». In diesem Dokument legte es den konzeptionellen Rahmen seiner künftigen Politik fest. Prioritäten liegen einerseits auf verstärkter Prävention, die das EDA mittels Schulungs6100

und Sensibilisierungsmassnahmen gegenüber dem Botschaftspersonal sowie durch Information jener Personen erreichen will, die ein Touristenvisum oder eine Aufenthaltsbewilligung L (Kabarett-Tänzerinnen) beantragen; andererseits will es die Kapazitäten von NGOs und von Partnerregierungen stärken. Diese sollen besser für den Kampf gegen den Menschenhandel vorbereitet und befähigt werden, Programme zur freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung der Opfer vor Ort durchzuführen. Nach den Empfehlungen des im Jahr 2002 verfassten interdepartementalen Berichts über den Menschenhandel in der Schweiz wurde im darauf folgenden Jahr eine Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel ins Leben gerufen, die dem Stab des Bundesamtes für Polizei angegliedert ist. Sie nimmt eine Schlüsselstellung ein in der Informationsvermittlung, Koordination und Analyse für den Bund und die Kantone, entwickelt Strategien und ergreift Massnahmen in den Bereichen Prävention, Repression und Opferschutz. In gesetzgeberischer Hinsicht dürften die Eidgenössischen Räte noch in der laufenden Legislatur über die Ratifizierung des UNO-Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität entscheiden. Ebenfalls im Gang ist das schweizerische Verfahren zur Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend Kinderverkauf, Kinderprostitution und Kinderpornografie. In diesem Zusammenhang soll im Strafgesetzbuch der Artikel 196 über den Menschenhandel in Form einer Erweiterung seines Anwendungsbereichs auf den Organhandel und die Zwangsarbeit angepasst werden. Schliesslich klären die zuständigen Departemente gegenwärtig ab, ob die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel, an deren Ausarbeitung die Schweiz aktiv mitgewirkt hat, unterzeichnet werden kann.

4.3.3

Menschenrechte und Entwicklung

Bereits 1997, lange vor anderen Geberländern, verfügte die Schweiz über Leitlinien zum Thema Menschenrechte und Entwicklung. Darin unterstrich sie die Bedeutung, die sie dieser Wechselwirkung beimisst und leitete daraus konkrete Vorgaben ab.

Eine Evaluation im Jahre 2003 ergab, dass die Leitlinien im Rahmen des operationellen Engagements noch nicht konsequent angewendet werden und dass sie im Lichte aktueller Erkenntnisse angepasst werden müssen.

Menschenrechtspolitische Aspekte haben im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahren einen stets grösser werdenden Stellenwert eingenommen. Dies ist sowohl im Rahmen operationeller Programme als auch des politischen Dialogs zu beobachten, auf bilateraler wie multilateraler Ebene. Die meisten Tätigkeiten der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit betreffen die wirtschaftlichen und sozialen Rechte und begünstigen deren konkrete und nachhaltige Umsetzung in den Partnerländern. In den letzten Jahren haben auch die bürgerlichen und politischen Rechte an Bedeutung gewonnen: Die grössere Aufmerksamkeit, die den rechtlichen und politischen Strukturen in den Partnerländern zuteil wird, hat zur Folge, dass in gewissen Ländern die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit nun vermehrt direkt die Einsetzung von menschenrechtskonformen und den Grundsätzen des Rechtsstaates verpflichteten Strukturen und Kapazitäten unterstützt. Heute ist die Förderung der guten Regierungsführung ein wichtiger Teil der Programme in fast allen prioritären Ländern der Entwicklungszusammenarbeit, sei das in den Ländern des Südens oder im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Transitionsländern.

6101

Die Schweiz stützt sich auf den internationalen «menschenrechtsorientierten Entwicklungsansatz», der allen neuen Strategiepapieren zugrunde liegt. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit hat sie im März 2006 ihre Leitlinien zur «Förderung der Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit» überarbeitet. Unter Berücksichtigung einer sich verändernden Umwelt ­ Rückgang der Armut im Zusammenhang mit der Förderung der Menschenrechte einerseits, grösseres Engagement bei der Förderung der guten Regierungsführung andererseits ­ betreibt sie eine zeitgemässe Menschenrechtspolitik, die sich am UNO-Entwicklungsansatz orientiert und die Förderung, die Einhaltung sowie den Schutz der Menschenrechte als Querschnittsaspekt der Entwicklungszusammenarbeit betrachtet.

Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS In den Schweizer Programmen für die Staaten Mittel- und Osteuropas spielt die Förderung der Menschenrechte seit jeher eine grosse Rolle. In Russland beispielsweise unterhält die Schweiz seit 1994 ein Programm zur Unterstützung russischer Nichtregierungsorganisationen und wirkt bei der Reform des Strafvollzugs mit. In Tadschikistan unterstützt sie die Regierung bei der Erfüllung der Berichtspflicht, der sie gemäss verschiedener UNO-Menschenrechtsübereinkommen regelmässig nachkommen muss. In der Ukraine sowie in verschiedenen anderen Ländern Südosteuropas und Zentralasiens unterstützte sie den Gesetzgebungsprozess und die Reform des Rechtswesens mit verschiedenen Ausbildungs- und Begleitmassnahmen.

Entwicklungszusammenarbeit im Süden Auch in der Zusammenarbeit mit den traditionellen Partnerländern des Südens ist die Förderung einer guten Regierungsführung und der Menschenrechte ein wichtiges Anliegen. Während Menschenrechte und gute Regierungsführung Grundpfeiler aller Programme darstellen, unterscheidet sich die konkrete Form der Förderung je nach den Bedürfnissen und Partnern im jeweiligen Zielland. In einigen Ländern ­ beispielsweise im Nahen und Mittleren Osten ­ bilden die gute Regierungsführung und die Achtung der Menschenrechte die eigentlichen Schwerpunktthemen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Förderung der guten Regierungsführung gehört auch zu den prioritären Programmen in Lateinamerika, im südlichen Afrika und in Asien. Je nach Kontext und landeseigenem Programm umfassen die
Tätigkeiten die Unterstützung von Rechts- und Verwaltungsreformen (einschliesslich des Zugangs zur Justiz und zum Jugendstrafrecht), von Schlichtungs- und Versöhnungsstellen sowie menschenrechtlichen Institutionen, von gerichtlichen und aussergerichtlichen Schlichtungsverfahren und Versöhnungsprozessen, die Bekämpfung von Kriminalität und Korruption, die Förderung gewisser Rechte, insbesondere der Rechte der Frauen und Kinder, des Rechts auf Bildung oder des Diskriminierungsverbots, Rechtshilfe sowie die Unterstützung lokaler menschenrechtlich orientierter Nichtregierungsorganisationen.

Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit wird sich in den kommenden Jahren bemühen, die konsequente Anwendung des menschenrechtsorientierten Ansatzes bei der Armutsbekämpfung einzuleiten und Methoden für eine noch systematischere gegenseitige Durchdringung beider Bereiche zu entwickeln. Eine erklärte Priorität stellt der Zugang benachteiligter Bevölkerungsgruppen und Minderheiten zum Entwicklungsprozess sowie zu Ressourcen und rechtstaatlichen Institutionen dar, ebenso der Aufbau von zivilgesellschaftlichen Kapazitäten und staatlichen Behörden in den Zielländern. Zudem wird ein Schwerpunkt auf den

6102

Zugang der Entwicklungsländer zu Handelsketten und globaler Produktion gelegt, um ihnen eine Teilnahme an den Weltmärkten zu ermöglichen.

Bemühungen zur Anwendung des menschenrechtsorientierten Ansatzes werden sich nicht auf die bilaterale Ebene beschränken. Auch auf multilateraler Ebene wird es darum gehen, die Menschenrechte systematisch in die Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren, zum Beispiel im Rahmen der von den Bretton Woods-Institutionen eingeleiteten Armutsbekämpfungsstrategien und bei der Umsetzung der Millenniumserklärung sowie ihrer Entwicklungsziele (MDG); dazu gehört auch die Debatte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über die Umsetzung des «Rechts auf Entwicklung». Verschiedene Sonderorganisationen der UNO (UNDP, UNICEF, UNIFEM, UNFPA, UNAIDS, FAO, WHO) setzen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit den UNO-Ansatz mit integrierter Menschenrechtsdimension um. Der Zugang zu Wasser, Nahrung und Gesundheitsversorgung, aber auch das Grundrecht auf Nichtdiskriminierung sind wichtige Referenzwerte für die Schweiz geworden, die all diese Organisationen finanziell unterstützt.

Wirtschaft und Menschenrechte Wirtschaftliche Tätigkeit und Menschenrechtsförderung sind Tätigkeiten, die sich ergänzen und sich in mancher Hinsicht gegenseitig bedingen. Offene, demokratische und verantwortliche politische Systeme, ein glaubwürdiger und anerkannter Rechtsrahmen und die Einhaltung der Menschenrechte fördern eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Gleichzeitig können Handel und Investitionen einen fruchtbaren Boden für den Dialog über die Menschenrechte bilden, da sie regelmässige Beziehungen und gegenseitige Interessen voraussetzen. Die Globalisierung hat diese Interdependenz gesteigert und die Rolle der Wirtschaftsakteure bei der Förderung und beim Schutz der Menschenrechte stärker in den Vordergrund gerückt; die internationalen Wirtschaftsorganisationen stehen vor neuen Herausforderungen und erkennen, dass die Achtung und die Förderung der Menschenrechte auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Sinn macht und damit Teil ihres Mandats bilden.

Viele Wirtschaftsakteure werden dieser Erkenntnis bei ihren unternehmerischen Entscheiden jedoch nur Rechnung tragen, wenn ihnen dadurch gegenüber ihren Konkurrenten keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Auf internationaler
Ebene muss deshalb die Einhaltung der Menschenrechte durch die wirtschaftlichen Akteure gefördert werden, damit diese sowohl verantwortungsvolle wie auch nachhaltige Unternehmensstrategien dem kurzfristigem Profitstreben vorziehen.

Ein Unternehmen, das sich seiner Verantwortung bewusst ist, stellt sich Fragen über die Auswirkungen seiner Entscheide auf die Gesellschaft der Partnerländer; es ist sich im Klaren, dass sein richtig verstandenes Interesse darin besteht, sich nicht auf die Sorge um die wirtschaftliche Produktivität zu beschränken. Grossunternehmen mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten müssen zum Aufkommen einer weltweiten menschenrechtszentrierten Global Governance beitragen und dafür mit Regierungen, internationalen Organisationen, Netzwerken und NGOs zusammenarbeiten. Es ist erfreulich festzustellen, dass die Diskussion zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft und den Unternehmen über verschiedene Aspekte der Global Governance immer konstruktiver und partnerschaftlicher wird. Zahlreiche Initiativen zielen darauf ab, freiwillige oder bindende ethische Verhaltensregeln aufzustellen, welche die Unternehmen bei ihrer Tätigkeit im Ausland einhalten sollten. Die Schweiz unterstützt diese Entwicklung. Der im Jahr 2000 vom UNO-Generalsekretär ins Leben gerufene Global Compact ist zweifellos das bekannteste Beispiel dafür. Bis 6103

heute haben sich mehr als 2500 Unternehmen auf der ganzen Welt (25 davon in der Schweiz) verpflichtet, die 10 Grundsätze zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umwelt und Korruptionsbekämpfung anzuwenden. Daneben wurden auch gezieltere Initiativen zum Beispiel im Bereich der Korruptionsbekämpfung entwickelt. Der Bundesrat unterstützt alle diese ­ freiwilligen ­ Anstrengungen der UNO, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft. Er stellt fest, dass sich die Schweizer Unternehmen aktiv daran beteiligen. Ein wichtiger Schritt wurde an der 61. Session der Menschenrechtskommission mit der Ernennung von John Ruggie zum Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs für Fragen der Menschenrechte und transnationaler Geschäfte sowie Handelsunternehmen gemacht. Aufgabe des Sonderbeauftragten ist es namentlich, die mögliche Normen zur menschenrechtlichen Verantwortung der Unternehmen zu präzisieren. Die Schweiz hat sich für die Annahme der Resolution eingesetzt und wird die Arbeit des Sonderbeauftragten unterstützen.

Das bilaterale und multilaterale Engagement der Schweiz zugunsten von Kohärenz und Komplementarität zwischen Wirtschaft und Menschenrechten wird in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Als Beispiel kann der Besuch im März 2006 einer Delegation von chinesischen Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertretern im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China erwähnt werden. Bei dieser Gelegenheit haben die Teilnehmenden verschiedene Schweizer Unternehmen und ein Seminar über Fragen zu Wirtschaft und Menschenrechten besucht. Auf konzeptioneller Ebene gilt es zu klären, welche Beiträge, Rollen und Verantwortlichkeiten die einzelnen Akteure ­ Staat, Privatwirtschaft, internationale Finanzorganisationen ­ wahrnehmen können und welche Normen dabei zu berücksichtigen sind. Der Bundesrat will sich aktiv an diesem Klärungsprozess beteiligen. Gleichzeitig wird er ein wachsames Auge darauf haben, dass dieser Prozess nicht dazu missbraucht wird, die menschenrechtlichen Verpflichtung der Staaten aufzuweichen.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit Strukturelle volkswirtschaftliche Mängel in einem Staat können die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte erschweren. Hier setzen die Instrumente der wirtschaftlichen Zusammenarbeit an, insbesondere die Zahlungsbilanzhilfe oder
Entschuldungsmassnahmen. Wenn die Schweiz solche Massnahmen ergreift, erwartet sie von der Regierung eines Partnerlands, dass diese die Menschenrechte beachtet. Der Aufbau von stabilen Volkswirtschaften in den Ländern des Ostens und Südens ist eine langfristige Zielsetzung. Auf dem Weg dorthin setzt der Bundesrat auch kurzfristiger wirkende Instrumente ein. Er setzt sich etwa für ein transparentes «Public Management» ein, unterstützt die Korruptionsbekämpfung oder demokratische Partizipations- und Konsultationsmechanismen, um sicherzustellen, dass wirtschaftliche Unterstützungsmassnahmen und andere Massnahmen zur Armutsbekämpfung von allen gesellschaftlichen Akteuren mitgetragen werden.

Die 2003 eingeleitete Revision der Exportrisikoversicherung weist in eine ähnliche Richtung. Ziel der Revision ist nicht nur der Ausbau und die Effizienzsteigerung dieser Versicherung, sondern auch die bessere Berücksichtigung von Anliegen aus anderen Politikbereichen. Eine Exportrisikoversicherung soll nur für Wirtschaftsakteure gewährt werden, deren Vorhaben im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz stehen.

6104

4.3.4

Neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik

Wissenschaft und Technik gehören zu jenen Lebensbereichen, in denen die Globalisierung zu besonders tief greifenden Veränderungen geführt hat. Einzelne der bahnbrechenden wissenschaftlichen Errungenschaften, die in den letzten Jahren möglich wurden, werfen grundlegende menschenrechtliche Fragen auf. Dies ist besonders in den Bereichen Biotechnologie und Bioethik, bei den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien oder beim Umweltschutz der Fall.

Biotechnologie und Bioethik In den letzten Jahren wurden in der biologischen und medizinischen Forschung grosse Fortschritte erzielt. Einige neuere Techniken wie die Forschung am menschlichen Genom, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, die Transplantationsmedizin, insbesondere das reproduktive und therapeutische Klonen, werfen grundlegende ethische und juristische Fragen in Bezug auf die Menschenwürde auf. Im Jahre 2002 verortete sich der Bundesrat hinsichtlich einiger dieser Fragen, indem er das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin betreffend die Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs des Europarats unterzeichnete. In der UNO beteiligt er sich im Rahmen des für Menschenrechte zuständigen 6. Ausschusses der Generalversammlung seit längerem aktiv an den Verhandlungen über einen Entwurf eines Übereinkommens zum Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen. Da das menschliche Klonen seiner Ansicht nach als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu taxieren ist, wird er alles daran setzen, diesen Verhandlungsprozess, der seit einiger Zeit blockiert ist, wieder in Gang zu bringen. In der 59. Session der Generalversammlung gelang es den UNO-Mitgliedern nicht, einen Konsens zu diesem Projekt zu erreichen. Deshalb hat sich die Arbeitsgruppe im Februar 2005 erneut getroffen und knapp eine nicht verbindliche Erklärung zum Klonen von Menschen angenommen. Der Bundesrat hat sich für diese Erklärung ausgesprochen und wird sich weiterhin für ein zweistufiges Vorgehen einsetzen: für ein sofortiges Verbot des reproduktiven Klonens und eine separate Debatte über die Regelung des therapeutischen Klonens.

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bergen grosses Potenzial, auch aus einer menschenrechtspolitischen Perspektive. Mit dem Zugang armer
und verletzlicher Bevölkerungsgruppen wie Frauen, indigenen Völkern oder Behinderten zu diesen Technologien wird die Meinungs- und Religionsfreiheit in eine willkommene Richtung ausgebaut. Dieses Potenzial versucht der Bundesrat zu nutzen, indem er in seinen Programmen der Entwicklungszusammenarbeit Aktivitäten vorsieht, die den digitalen Graben verringern. Aus menschenrechtlicher Sicht beinhalten die neuen Technologien aber auch Gefahren: Sie erleichtern etwa kriminelle Machenschaften oder die Verletzung der Privatsphäre. Diesen negativen Auswirkungen arbeitet der Bundesrat entgegen, indem er sich im multilateralen Rahmen dafür einsetzt, dass der Geltungsbereich der gefährdeten Menschenrechte in die erforderliche Richtung erweitert wird. Beim zweiten Informationsweltgipfel vom November 2005 in Tunis bildeten die Menschenrechte eines der prioritären Themen, das die Schweiz mit ihren tunesischen Partnern behandelte.

6105

Menschenrechte und Umweltschutz Der Weltgipfel über die nachhaltige Entwicklung von 2002 in Johannesburg bot Gelegenheit zu einer vertieften Reflexion über die Wechselwirkungen zwischen der Achtung der Menschenrechte und dem Umweltschutz. Umweltzerstörung kann die Verwirklichung des Rechts auf Leben, Gesundheit, Nahrung, menschenwürdige Arbeitsbedingungen oder, im Fall der indigenen Völker, auf kulturelle und wirtschaftliche Autonomie unmittelbar gefährden. Gleichzeitig können völkerrechtliche oder menschenrechtliche Bestimmungen, etwa die Aarhus-Konvention vom 25. Juni 1998, den Zugang der Bürger zu umweltrelevanten Informationen, politischen Mitwirkungsmöglichkeiten oder zur Justiz erleichtern.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Umweltschutz wie auch die Menschenrechte wesentliche Instrumente der Politik der Armutsbekämpfung, der nachhaltigen Entwicklung und der Gewährleistung der menschlichen Sicherheit darstellen. Diese Überzeugung brachte er in der UNO-Menschenrechtskommission zum Ausdruck, in der sich die Schweiz als Co-Sponsorin einer Resolution über Menschenrechte und Umwelt als Elemente der nachhaltigen Entwicklung engagiert hat. Ein kohärentes Signal in dieselbe Richtung würde die schweizerische Ratifikation der AarhusKonvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten bedeuten, die der Bundesrat den eidgenössischen Räten noch in der laufenden Legislaturperiode empfehlen wird.

4.4

Umsetzung der Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz

Zur wirkungsvollen Umsetzung der menschenrechtspolitischen Zielsetzungen des Bundesrates ist einerseits ein zielgerichteter Mitteleinsatz notwendig; andererseits gewinnt die Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Partnern an Bedeutung.

4.4.1

Handlungsleitende Prinzipien

Thematische und geografische Schwerpunktsetzung Im Sinne eines möglichst effizienten Mitteleinsatzes verfolgt der Bundesrat eine Politik der Schwerpunktsetzung. Dabei konzentriert er sich auf Schwerpunktthemen, bei denen die Schweiz aufgrund ihrer Erfahrung und der von ihr ratifizierten Übereinkommen einen besonders sinnvollen Beitrag leisten kann. Thematisch sind dabei drei Bereiche prioritär: 1) der Schutz und die Förderung der grundlegenden Menschenrechtsstandards, die unter keinen Umständen eingeschränkt werden dürfen; 2) der Schutz von besonders verletzlichen Gruppen; 3) Beiträge zur besseren Regelung von Spannungsfeldern, die in direktem Zusammenhang mit der Globalisierung stehen.

Geografisch stehen jene Zielländer im Zentrum, in denen sich Synergien mit Aktivitäten verwaltungsinterner und -externer Partner nutzen lassen. Dabei haben sich Partnerschaften mit Wirtschaftsakteuren oder integrierte Ansätze mit Partnern der Entwicklungszusammenarbeit oder der zivilen Konfliktbearbeitung als besonders 6106

fruchtbar erwiesen. Da die Schweiz ihre Aktivitäten in der Regel partnerschaftlich im Rahmen eines kritischen, aber konstruktiven Austauschs mit den Behörden des Ziellandes konzipiert, ist die Fähigkeit und der Wille zum Dialog ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die geografische Schwerpunktbildung.

Partner Für die Umsetzung der Menschenrechte sind in erster Linie die Staaten verantwortlich. In der international vernetzten Welt von heute kann diese Umsetzung jedoch nicht mehr nur Sache der staatlichen Organe sein, sondern sie entwickelt sich immer mehr zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.

Die Schweiz ist sich dessen bewusst und unterstützt deshalb gezielt auch nichtstaatliche Akteure in der Menschenrechtspolitik. Sie fördert neue Formen der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, wie dies beispielsweise am Weltinformationsgipfel im Dezember 2003 der Fall war, als sich Regierungen, internationale Organisationen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft in Genf zusammenfanden.

Die Auswahl der Dialogpartner hängt entscheidend davon ab, ob seitens der Partnerstaaten ein politischer Wille für Reformen im Bereich der Menschenrechte besteht und über welche menschenrechtlichen Reformkapazitäten diese Staaten verfügen.

Nebst Nichtregierungsorganisationen spielen bei der Weiterentwicklung der Menschenrechte, der Information der Bevölkerung und der Unterstützung von Opfern auch Medien, Anwaltsverbände, Gewerkschaften und religiöse Autoritäten eine wichtige Rolle. Der Bundesrat gewährt ihnen im Rahmen seiner budgetären Möglichkeiten finanzielle Unterstützung und steht mit den in der Schweiz niedergelassenen oder vertretenen nationalen und internationalen NGOs in einem regelmässigen Dialog. Bedeutende Schweizer Wirtschaftsunternehmen werden sich bei grenzüberschreitenden Investitionen ihrer sozialen Verantwortung immer stärker bewusst. Der Bund wirkt hier als Schnittstelle zwischen den Menschenrechten und der Wirtschaft und fördert den Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.

Die Fachkompetenz der Schweizer Universitäten und die innovativen Ideen, die aus ihnen hervorgehen, erlauben es der Schweiz, ihren Einfluss auf die internationale Förderung der Menschenrechte zu erhöhen. Zahlreiche Positionen und Strategien der Schweiz beruhen auf Studien wissenschaftlicher Institutionen.
Differenzierter Einsatz des menschenrechtspolitischen Instrumentariums In seinem Bericht über die Menschenrechtspolitik der Schweiz vom 16. Februar 2000 hat der Bundesrat das Instrumentarium, das ihm für diesen Politikbereich zur Verfügung steht, in groben Linien dargestellt. Das damals erstellte Inventar ist heute im Grossen und Ganzen noch immer gültig, wenn auch einzelne Instrumente, etwa der Menschenrechtsdialog, konzeptionell weiterentwickelt wurden und neue Instrumente hinzugekommen sind. Das aktuelle Instrumentarium beinhaltet einerseits diplomatische Instrumente wie den politischen Dialog, den Menschenrechtsdialog und den lokalen Menschenrechtsdialog, andererseits bilaterale und multilaterale politische Interventionen und Demarchen, Erklärungen des Bundesrats oder diplomatische Initiativen. Diese Instrumente werden zunehmend durch weitere Massnahmen wie Unterstützungsprogramme, Projekte oder Expertenentsendungen ergänzt. Ferner stehen dem Bundesrat rechtliche Instrumente zur Verfügung wie etwa Beiträge zu Prozessen der Kodifizierung und Weiterentwicklung der Menschenrechte, Beitritt und Ratifizierung von Menschenrechtsübereinkommen oder die

6107

Anrufung von Rechtsmitteln, die in den jeweiligen Übereinkommen vorgesehen sind.

Unter den verfügbaren Instrumenten nehmen die bilateralen Menschenrechtsdialoge eine besondere Stellung ein. Diese langfristig orientierten Dialoge werden im Rahmen regelmässiger offizieller Delegationsbesuche geführt und mit unterschiedlichen Begleitmassnahmen unterstützt. Die bilateralen Menschenrechtsdialoge setzen politisches Engagement und einen personellen Aufwand voraus, die eine Konzentration auf wenige Partnerländer nahe legen. Die Schweiz hat deshalb zusätzliche, flexible Diskussionsinstrumente entwickelt, um die Menschenrechtsfrage unter Berücksichtigung der Ressourcenfrage und der Besonderheiten der verschiedenen Partnerländer zu behandeln; ein Beispiel dafür ist der von einer Schweizer Vertretung in einem spezifischen Land geführte lokale Menschenrechtsdialoge. Der politische Dialog mit besonderem Schwerpunkt auf Menschenrechtsfragen in bestimmten Ländern ist für die Schweiz ein weiteres Instrument.

Je nach Situation kommen die oben aufgelisteten Instrumente kombiniert oder gestaffelt zum Einsatz. Grundsätzlich liegt den menschenrechtspolitischen Strategien des Bundesrates mit den Behörden der Zielländer ein partnerschaftlicher Ansatz zugrunde. Wenn sich die Instrumente der Kooperation als wirkungslos erweisen, stehen ihm auch andere Instrumente ­ etwa die politische Demarche ­ zur Verfügung, um seinen Überzeugungen Gehör zu verschaffen.

Der Bundesrat ist bemüht, menschenrechtliche Anliegen systematisch in andere Politikbereiche zu integrieren, beispielsweise in die Entwicklungszusammenarbeit, Aussenwirtschaftspolitik, Sicherheitspolitik, Umweltpolitik, humanitäre Hilfe, Migrationspolitik, internationale Rechtshilfe oder den Kulturaustausch und so zur Stärkung des internationalen Menschenrechtsschutzes beizutragen.

4.4.2

Stärkung des multilateralen Menschenrechtssystems

Der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren reiche Erfahrungen im Rahmen seines bilateralen friedens- und menschenrechtspolitischen Engagements in Konfliktgebieten sammeln können, beispielsweise in Südosteuropa, im Nahen Osten, in Kolumbien, Guatemala, Mexiko oder Sri Lanka. Die Erfahrung zeigt, dass die menschenrechtlichen Aspekte wesentliche Elemente jedes Friedensprozesses und absolut zentral für die Einsetzung von legitimen Staatsstrukturen sind, dank denen politische Konflikte mit friedlichen Mitteln gelöst werden können. Diese Erfahrung versucht der Bundesrat im Rahmen seines multilateralen Engagements fruchtbar zu machen.

Ein besonders geschätzter Beitrag der Schweiz ist die Entsendung von zivilen und militärischen Friedensexperten in multilaterale Missionen.

Die zentralen Fragen des internationalen Menschenrechtsschutzes werden heute nicht auf bilateraler, sondern auf multilateraler Ebene diskutiert und entschieden.

Wer auf diese Diskussionen Einfluss ausüben will, muss sich in den massgeblichen Organisationen aktiv einbringen. Dem Bundesrat ist es in den vergangenen Jahren immer wieder gelungen, multilaterale Diskussionen in einem aus schweizerischer Sicht positiven Sinne mit zu beeinflussen. Um die menschenrechtlichen Interessen der Schweiz optimal wahrzunehmen, ist der Bundesrat entschlossen, sein multilaterales Engagement in diesem Bereich künftig weiter zu intensivieren.

6108

Der Handlungsspielraum der Schweiz als einzelnem Akteur im multilateralen Rahmen ist sehr begrenzt. Das multilaterale System lebt von Allianzen; Seitdem die Schweiz UNO-Vollmitglied ist, führt sie deshalb vermehrt Konsultationen innerhalb und ausserhalb der westlichen Staatengruppe durch, um andere Staaten für ihre Anliegen zu gewinnen und diesen zum Durchbruch zu verhelfen. Eine besonders enge Zusammenarbeit hat sich seit 2003 mit der norwegischen Regierung entwickelt, mit der die Schweiz seither zahlreiche gemeinsame Strategien verfolgt und Aktionen durchgeführt hat.

Organisation der Vereinten Nationen (UNO) Die UNO ist die wichtigste globale Organisation im Bereich der Menschenrechte.

Seit ihrem Beitritt zu dem Vereinten Nationen am 10. September 2002 beteiligt sich die Schweiz noch aktiver als zuvor an den menschenrechtspolitischen Diskussionen der UNO und wirkt darauf hin, dass der internationale Menschenrechtsschutz gestärkt wird. Dies trifft sowohl für die Generalversammlung wie auch für den Sicherheitsrat zu. In den offenen Debatten im Sicherheitsrat hat die Schweizer Delegation in jüngerer Vergangenheit regelmässig das Wort ergriffen, wenn es um Themen wie den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, Kindersoldaten und Kinder in bewaffneten Konflikten, Terrorismusbekämpfung, Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und Justiz in Transitionsprozessen, Bestrafung von schweren Verstössen gegen das Völkerrecht, Bekämpfung der illegalen Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen oder Antipersonenminen ging. Exponiert hat sie sich auch in der Frage der Sanktionen, die der Sicherheitsrat bei einer Bedrohung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit beschliessen kann. Sie plädiert dabei für gezielte Massnahmen, welche die Verantwortlichen treffen, die Zivilbevölkerung und Drittländer aber möglichst verschonen. Dieser Philosophie entspricht das Kimberly-Zertifizierungssystem zur Unterbindung des Handels mit Kriegsdiamanten, ein System, zu dessen Entwicklung die Schweiz aktiv beigetragen hat.

UNO-Menschenrechtskommission und Sonderberichterstatter In den 60 Jahren seit ihrer Gründung 1947 hat die Menschenrechtskommission in ihrem Aufgabenbereich eine starke Entwicklung durchgemacht und hat sich zum zentralen Räderwerk des UNO-Systems für den Schutz der Menschenrechte
entwickelt. In den ersten 20 Jahren ihres Bestehens spielte die Kommission eine wichtige Rolle bei der Einführung anerkannter internationaler Standards auf dem Gebiet der Menschenrechte. So wurden 1966 die beiden Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einerseits und über bürgerliche und politische Rechte anderseits in Kraft gesetzt. Ab 1967 erhielt die Kommission neue Instrumente, um über ihre Rolle als Verfasserin von Vertragswerken hinaus auf Menschenrechtsverletzungen reagieren zu können. Möglich wurde dies vor allem dank der Einführung eines Systems von Sonderverfahren zur Ernennung von Experten und Expertinnen für die Durchführung von Abklärungsmissionen vor Ort. Über das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte hat die Kommission Länder beraten und ihnen technische Hilfe vermittelt. Dabei hat die Mitwirkung nichtstaatlicher Organisationen, nationaler Menschenrechtsinstitutionen und unabhängiger Experten dieses Organ zu einer Plattform für offene Debatten gemacht. Schliesslich hat die Kommission auch zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit der Justiz in Transitionsprozessen oder der Terrorismusbekämpfung beigetragen. Die Schweiz unterstützte alle diese Errungenschaften, die ihrer Ansicht nach vom Menschenrechtsrat übernommen werden 6109

müssen. Diese Überzeugung widerspiegelt sich in ihrem Engagement bei der Lancierung von zwei diplomatischen Initiativen zur Justiz in Transitionsprozessen und zu Nepal, über die anlässlich der 61. Session der Kommission Resolutionen verabschiedet wurden.

Innerhalb der Menschenrechtskommission hat die Schweiz die Erteilung und Erneuerung der Mandate von Sonderberichterstattern und anderen Expertinnen und Experten stets mit allen Kräften unterstützt. In ihren Augen erfüllen diese unabhängigen Fachleute, die mit der Abklärung der Menschenrechtssituation in gewissen Ländern oder nach speziellen Themen beauftragt sind, eine zentrale Aufgabe. Sie machen die internationale Gemeinschaft auf besonders dringende Probleme und beunruhigende Vorkommnisse aufmerksam und verschaffen damit den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gehör. Zudem tragen diese Expertinnen und Experten dazu bei, die oft polarisierende Debatte in den UNO-Gremien objektiver zu gestalten.

Zwei Schweizer Experten sind im Rahmen von Sonderverfahren ernannt worden: Professor Jean Ziegler, Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, und Professor Walter Kälin, Sonderbeauftragter des UNO-Generalsekretärs für die Rechte von intern Vertriebenen. Von 1990 bis 2005 haben neben diesen beiden noch vier weitere Schweizer Persönlichkeiten derartige Mandate ausgeführt.

Schaffung eines UNO-Menschenrechtsrats und weiteres Vorgehen Die Polarisierung der Debatte in der UNO-Menschenrechtskommission bereitete dem UNO-Generalsekretariat seit langem Sorgen. Im Jahr 2003 beschloss die Schweiz, sich eingehender mit einer Idee des UNO-Generalsekretärs zu beschäftigen, die Arbeiten der Kommission objektiver und transparenter zu gestalten. Das EDA erteilte der Universität Bern den Auftrag, entsprechende Abklärungen durchzuführen («Studie Kälin»). Im September 2004 unterbreitete Bundesrätin Micheline Calmy-Rey dem Expertenpanel für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel und dem UNO-Generalsekretär den Schweizer Vorschlag, die bestehende UNOMenschenrechtskommission durch einen Menschenrechtsrat zu ersetzen. Dieser Vorschlag wurde im Bericht der Expertengruppe vom Dezember 2004 sowie im Bericht des Generalsekretärs vom März 2005 im Wesentlichen übernommen. Die Schweiz spielte auch eine wichtige Rolle im Verhandlungsprozess, der vom Präsidenten der
Generalversammlung eingeleitet wurde und zur Verabschiedung einer Schlusserklärung der Staatschefs am UNO-Weltgipfel M+5 vom 14. bis 16. September 2005 in New York führte.

Die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft in dieser Erklärung die Schaffung eines Menschenrechtsrates beschloss, darf für die Schweiz und ihre Partner als Erfolg gewertet werden. Dieser Erfolg wurde am 15. März 2006 mit der Verabschiedung der Resolution A/RES/60/251 über die Schaffung eines UNO-Menschenrechtsrates mit 170 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen besiegelt. So löst der UNO-Menschenrechtsrat ab dem 19. Juni 2006 mit seiner ersten Sitzung die Menschenrechtskommission ab.

Obwohl die Resolution A/RES/60/251 nicht alle ursprünglichen Forderungen der Schweiz enthält, ist sie ein guter Kompromiss, der eine Stärkung des UNO-Systems zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte ermöglicht. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Rat und der Kommission lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1) Ein erhöhter institutioneller Status: Der Rat wird ein Unterorgan der Generalversammlung; 2) Häufigere Sessionen: Zur Stärkung des Dialogs und der Kooperation wird er mindestens drei Sessionen während mindestens 6110

zehn Wochen pro Jahr abhalten, auf Antrag eines Drittels seiner Mitglieder können ausserdem Sondersessionen einberufen werden; 3) Wirksamere und gerechtere Mechanismen: Er wird über einen universellen periodischen Überprufungsmechanismus verfügen, durch den die Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen aller Staaten überprüft werden kann; 4) Eine kleinere Zahl von Mitgliedern (47 anstelle von 53 der Menschenrechtskommission), die von der Generalversammlung mit absolutem Mehr für eine Dauer von drei Jahren gewählt werden, wobei ein Mitglied nach zwei aufeinander folgenden Mandaten nicht mehr wählbar ist; 5) Eine grössere Glaubwürdigkeit, denn die Ratsbewerber sind aufgefordert, freiwillige Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte zu formulieren. Ausserdem kann ein Mitglied bei schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen von der Generalversammlung mit Zweidrittelsmehr suspendiert werden.

Schliesslich hat sich die Schweiz äusserst stark dafür eingesetzt, dass als Sitz des neuen Organs Genf gewählt wird ­ eine Stadt mit grosser humanitärer Tradition, wo sich bereits das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte und zahlreiche internationale NGOs niedergelassen haben. In Genf fanden zwar seit mehr als fünfzig Jahren die Sessionen der Menschenrechtskommission statt, erstmals aber seit der Gründung der Vereinten Nationen hat damit ein UNO-Hauptorgan die Schweiz als Sitz gewählt. Die Wahl der Schweiz am 9. Mai 2006 zum Mitglied des Menschenrechtsrats für die nächsten drei Jahre ermöglicht unserem Land, seinen Einsatz noch konkreter auszugestalten und wird die Schweizer Menschenrechtsaussenpolitik vor neue Herausforderungen stellen.

Die Ausschüsse der Menschenrechtskonventionen In den meisten UNO-Menschenrechtskonventionen sind Ausschüsse vorgesehen, die prüfen sollen, ob die Mitgliedstaaten ihre Pflichten erfüllen. Die Schweiz legt ihnen ihre Berichte vor und führt mit ihnen einen konstruktiven Dialog. Mit technischer und finanzieller Unterstützung steht sie seit einiger Zeit südlichen oder östlichen Ländern wie Bosnien und Herzegowina oder Tadschikistan bei der Erfüllung dieser schwierigen Aufgabe zur Seite. Vor dem Hintergrund dieser konkreten Erfahrung hat die Schweiz den verschiedenen Ausschüssen vorgeschlagen, die Berichte zu vereinheitlichen und die gegenseitigen Synergieeffekte
zu verbessern. Sie ist in einer guten Position, um ihre Anträge zur Diskussion zu bringen, denn sie kann sich auf die grosse Erfahrung von drei renommierten Schweizer Wissenschaftlern in diesen Komitees stützen: Professor Giorgio Malinverni von der Universität Genf im Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Professor Walter Kälin von der Universität Bern im Menschenrechtsausschuss und Professor Jean Zermatten im Ausschuss für die Rechte des Kindes.

Für die Schweiz haben diese Reformbestrebungen innerhalb der UNO eine besondere Bedeutung. Unter dem Arbeitstitel «Unified Reporting System» ist das EDA daran, als Pilotprojekt mit der Bezeichnung «Joint Reports» ein neues Format periodischer Berichterstattungen auszuarbeiten. Ein «Joint Reports» hätte nicht nur den Vorteil, den zwischenstaatlichen Vergleich zu vereinfachen und die Erfolge und Schwachpunkte zu verdeutlichen, sondern auch, die Umsetzung der Konventionen zu fördern und eine kohärente Formulierung der Menschenrechtspolitik auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene zu ermöglichen. Dadurch könnte besser bestimmt werden, in welchen Bereichen Massnahmen nötig sind. Sämtliche Berichte der Schweiz, in denen sie zuhanden der verschiedenen Ausschüsse Rechenschaft über ihre Verpflichtungen ablegt, werden veröffentlicht und können auf der 6111

Website des EDA nachgelesen werden (www.eda.admin.ch). Auf der Website des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (www.unhchr.org) werden auch die Schlussfolgerungen dieser Ausschüsse und weitere Dokumente über ihre Arbeit veröffentlicht. Dem vorliegenden Bericht liegt zudem eine Übersicht aller Berichte bei, die von der Schweiz seit ihrer Ratifizierung der verschiedenen UNO-Menschenrechtsübereinkommen verfasst wurden.

Partnerschaften innerhalb des UNO-Systems Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte ist seit seiner Gründung im Jahre 1993 zum weltweit wichtigsten Kompetenz-, Informations- und Koordinationszentrum für Menschenrechtsfragen geworden. Die Partnerschaft zwischen dem UNOHochkommissariat und der Schweiz hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert.

Mit ihren freiwilligen Beiträgen gehört die Schweiz zu den wichtigsten Geberländern. Neben dieser bilateralen Wirkung setzt sich die Schweizer Delegation in der Generalversammlung dafür ein, dass ein grösserer Anteil des ordentlichen UNOBudgets an das Hochkommissariat geht. Auf der Grundlage des vom UNOHochkommissariat für Menschenrechte ausgearbeiteten Aktionsplans sieht die von den Staatschefs am Millenniumsgipfel +5 (New York, 14. bis September 2005) angenommene Schlusserklärung eine Verdoppelung des regulären Budgets für das Hochkommissariat vor. Dieser Entscheid wird ein grosses Engagement für eine konkrete Umsetzung in den nächsten fünf Jahren erfordern, und die Erhöhung der Mittel für das Hochkommissariat ist zudem an die Bedingung geknüpft, dass weitere prioritäre Programme für die Entwicklungsländer erarbeitet werden. Die Unterstützung der Schweiz für das Hochkommissariat beschränkt sich nicht auf finanzielle Beiträge; unser Land stellt ihm auch ein neues, von der Universität Bern entwickeltes Arbeitsinstrument, den so genannten Menschenrechtsindex, Universal Human Rights Index, zur Verfügung. Diese Datenbank, die öffentlich ist, ermöglicht einen raschen Überblick über die Menschenrechtssituation für jedes Land und jedes Menschenrecht.

Neben den Hauptorganen der UNO, dem Menschenrechtsrat und den verschiedenen Ausschüssen gibt es eine Reihe von Sonderorganisationen, Programmen und Fonds, die aus Sicht einer umfassend verstandenen schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik ebenfalls wichtig sind und deshalb finanzielle
Unterstützung erhalten, beispielsweise das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF), der UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA), der UNO-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM) oder das UNO-Programm für HIV/AIDS (UNAIDS).

Auch Organisationen wie die UNO-Organisationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) und für Gesundheit (WHO) befassen sich zunehmend mit Themen, die einen unmittelbaren Bezug zu den Menschenrechten aufweisen. Die Schweizer Delegationen in diesen Organisationen werden sich auch in Zukunft bemühen, die Anliegen der Menschenrechtsaussenpolitik in relevante Entscheidungsprozesse einzubringen.

Wie erwähnt, spielt die Schweiz (als Gründungsmitglied) auch in der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) eine aktive Rolle. Diese Sonderorganisation, deren Strategie auf das Ziel «Sicherung einer menschenwürdigen Arbeit für alle» ausgerichtet ist, hat den Auftrag, die soziale Gerechtigkeit zu fördern und für die Einhaltung der Menschenrechte in der Arbeitswelt zu sorgen. Die Schweiz wirkt am dreigliedrigen System für die Einsetzung, Umsetzung und Kontrolle der internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen mit, welche die Minimalstandards im 6112

Arbeitsbereich festlegen: Gewerkschaftsfreiheit, Organisations- und Kollektivverhandlungsrecht, Abschaffung von Zwangs- und Kinderarbeit, Chancen- und Behandlungsgleichheit, Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit usw. Die Schweiz beteiligt sich namentlich an den Arbeiten der Kommission für den Vollzug der Normen der Internationalen Arbeitskonferenz, die jedes Jahr gravierende Verstösse gegen die Normen in ihrem Zuständigkeitsbereich prüft.

Europarat, OSZE und weitere Netzwerke Einen hohen Stellenwert für die schweizerische Menschenrechtsaussenpolitik nimmt der Europarat ein. Stark engagiert hat sich die Schweiz bei der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der vom Schweizer Luzius Wildhaber präsidiert wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein zentrales Organ und gilt als grösste Errungenschaft des Europarats; er ermöglicht 800 Millionen Europäerinnen und Europäern den Zugang zu einem internationalen Gericht mit obligatorischer Gerichtsbarkeit und für die Vertragsstaaten verbindlichen Urteilen.

Die Schweiz gehörte am 13. Mai 2004 zu den Erstunterzeichnern des Protokolls Nr. 14 zur EMRK, mit dem für die Zulassung zum EGMR ein Filtermechanismus eingeführt und die Behandlung der vorgelegten Fälle optimiert wurden.

Die Schweiz beteiligt sich im Ministerkomitee ausserdem an den Folge- und Kontrollmassnahmen, die vor allem die neuen Mitgliederländer betreffen. Sie konzentriert sich dabei auf die zuletzt beigetretenen Staaten ­ Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro, Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Gleichzeitig engagierten sich die Schweizer Vertreter in den verschiedenen Institutionen des Europarats besonders für eine Lösung des Konflikts in Tschetschenien, nicht zuletzt wegen der äusserst gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die in dieser Region Russlands begangen werden. Die Schweiz unterstützt ausserdem das Mandat des 1999 eingesetzten Menschenrechtskommissars, der die Einhaltung der grundlegenden Prinzipien durch die 46 Mitgliedstaaten des Europarates überwacht. Vom 30. November bis 3. Dezember 2004 stattete der frühere Kommissar Alvaro Gil-Robles der Schweiz einen Besuch ab. Er veröffentlichte am 8. Juni 2005 seinen Bericht, der auf der Website der Organisation eingesehen werden kann (www.coe.int). Die Kommentare der Schweiz zu den
Schlussfolgerungen des Berichts sind dort ebenfalls beigefügt.

Nach Ansicht des Bundesrats bleibt der Europarat für die Schweiz von erstrangiger Bedeutung. Der Bundesrat nimmt die Ziele des Europarats ernst. Die Schlüsselrolle dieser Organisation bei der Einhaltung der Menschenrechte sowie der Förderung von Rechtsstaat und Demokratie entspricht voll und ganz den aussenpolitischen Zielen der Schweiz.

Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen für eine bessere Wahrnehmung des Europarats, einer Organisation, die versuchen muss, sich wieder auf ihre bewährten Stärken ­ die normative Tätigkeit in den drei Kernbereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ­ rückzubesinnen. Unterstützungsprogramme helfen den Transitionsländern, ihre Verpflichtungen wahrzunehmen. Bei der Schaffung von Recht, der Hilfestellung für die Erarbeitung von akzeptablen Normen in den Transitionsländern und der Kontrolle über die Einhaltung dieser Normen ist der Europarat zum Hauptakteur auf dem Kontinent geworden. Es wird deshalb von zentraler Bedeutung sein, die bestehenden Instrumente und Mechanismen noch effizienter zu gestalten.

6113

Eine wichtige Plattform für die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz ist und bleibt auch die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie bietet vielfältige Möglichkeiten zur Förderung unserer grundlegenden Werte und den Dialog mit der Zivilgesellschaft, die gleichberechtigt mit den Staaten und den internationalen Organisationen an den Sitzungen teilnimmt. Die Schweiz wird in der OSZE besonderes Gewicht auf die Durchführung von Wahlen nach internationalen Standards, die Förderung von Toleranz und Nichtdiskriminierung, die Chancengleichheit von Frau und Mann, die Bekämpfung des Menschenhandels und die Folterprävention legen.

Als Gründungsmitglied spielt die Schweiz im Netzwerk Menschliche Sicherheit (HSN) eine besonders aktive Rolle. Das Netzwerk umfasst seit 1999 ein Dutzend gleichgesinnter Länder aus aller Welt; sie teilen eine Vision der menschlichen Sicherheit, die wesentlich auf den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht beruht. Dieses Forum, das Ideenlabor und informelle Austauschplattform zugleich ist, eignet sich vorzüglich dazu, politische Vorschläge und Initiativen, etwa zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, zum Einbezug von Frauen in Friedensprozessen, zur Menschenrechtserziehung, zur Reform der Menschenrechtskommission, zur Kontrolle der Leichtwaffen oder betreffend den Internationalen Strafgerichtshof vorzuberaten.

Die Schweiz unterstützt auch verschiedene Programme zur Rechtskonsolidierung sowie zur Festigung der Demokratie und der Menschenrechte innerhalb der Internationalen Organisation der Frankophonie. Sie zählt nicht nur zu den fünf wichtigsten Geldgebern dieser Organisation, sondern profitiert unmittelbar vom Kontakt mit den beteiligten Ländern des Südens. Im Rahmen der Konsultationen über die Menschenrechte, die unter Delegationen der Frankophonie regelmässig stattfinden, gelingt es häufig, das Verständnis für unterschiedliche menschenrechtliche Perspektiven zu vergrössern und gegensätzliche Standpunkte einander anzunähern.

Schliesslich leistete der Bundesrat von Anfang an politische und finanzielle Unterstützung an den im Juni 1999 gegründeten Stabilitätspakt für Südosteuropa. Das Ziel dieses Paktes besteht hauptsächlich darin, demokratische Strukturen in der Region zu festigen, den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu unterstützen
und die regionale Zusammenarbeit zu fördern. Im Bereich Demokratisierung und Menschenrechte engagiert sich der Bundesrat für die Förderung der Minderheitenrechte und des interethnischen Dialogs, die Rückkehr der Flüchtlinge in Sicherheit und Würde, die Mitwirkung der Frauen am politischen Prozess, den sozialen Zusammenhalt, die Bekämpfung des Menschenhandels und die Entwicklung der Medien.

5

Schlussfolgerung: Konzentration, Glaubwürdigkeit und Kohärenz

Konzentration Der Bundesrat nimmt die Interessen der Schweiz im Bereich der Menschenrechtsaussenpolitik wahr, indem er seine Ressourcen auf prioritäre Anliegen und Bereiche konzentriert. Erstens will er sich mit gezielten Massnahmen für die Weiterentwicklung und Durchsetzung grundlegender Menschenrechte einsetzen und dabei auch die zunehmende Bedeutung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte beachten. Zweitens will er den Schutz von besonders verletzlichen Gruppen wie Angehörigen von Minderheiten, Kinder, Frauen, Betagte, Flüchtlinge oder Gefangene weiter 6114

erhöhen. Und drittens will er den Stellenwert der Menschenrechte systematisch in andere aussenpolitische Aktionsfelder integrieren, um die neuen Möglichkeiten der Globalisierung für die Stärkung des internationalen Menschenrechtsschutzes zu nutzen. Dies erfordert ein Zusammenwirken mit anderen Staaten und mit nichtstaatlichen Akteuren von der lokalen bis zur internationalen Ebene.

Glaubwürdigkeit Die Wirkung der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik erhöht sich, wenn Synergien zwischen menschenrechtlichen und anderen aussenpolitischen Aktivitäten optimal genutzt werden. In einzelnen Fällen können dabei Interessenkonflikte entstehen. Wenn der Bundesrat mit solchen Konflikten konfrontiert wird, legt er seine Interessen im konkreten Fall im Rahmen einer politischen Güterabwägung fest.

Dabei beachtet er erstens das Völkerrecht, zweitens die Bundesverfassung und drittens alle relevanten Bundesgesetze.

­

Das Völkerrecht ­ insbesondere die Menschenrechtsübereinkommen und das Völkergewohnheitsrecht ­ auferlegt den Staaten nicht nur Verpflichtungen hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen, die auf ihrem Hoheitsgebiet geschehen. Wenn ein Staat Aktivitäten im Wissen unterstützt, dass diese Menschenrechtsverletzungen durch einen anderen Staat Vorschub leisten, steht er in der Mitverantwortung. Aus diesem Grund trifft der Bundesrat alle möglichen Vorkehrungen, damit seine aussenpolitischen Aktivitäten Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Staat nicht Vorschub leisten. Eine politische Güterabwägung ist überall dort ausgeschlossen, wo zwingende völkerrechtliche Schranken bestehen. Auch dort, wo solche Schranken nicht bestehen, entscheidet sich der Bundesrat nach Möglichkeit für jene Optionen, welche völker- und damit auch menschenrechtlichen Zielsetzungen am besten entsprechen.

­

Die Achtung der Menschenrechte gehört zu den fünf Zielen der schweizerischen Aussenpolitik, wie sie in Artikel 54 Absatz 2 der Bundesverfassung definiert sind. Daraus folgt, dass das Ziel der Achtung der Menschenrechte grundsätzlich für alle Aktivitäten im Ausland beachtet werden muss. Die Bundesverfassung präzisiert zudem, dass Bund und Kantone das Völkerrecht, d.h. auch menschenrechtliche Verpflichtungen beachten müssen (Art. 5 Abs. 4 BV).

­

Auch auf Gesetzesstufe gelten heute für verschiedene Politikbereiche Bestimmungen, die eine menschenrechtliche Prüfung vorschreiben, etwa für die Kriegsmaterialausfuhr, die Auslieferung und Verlegung von Gefangenen oder die Rechtshilfe in Strafsachen. In den entsprechenden Gesetzen ist festgehalten, dass bundesrätliche Entscheide davon abhängig zu machen sind, ob das Völkerrecht und die Menschenrechte eingehalten werden. Eine analoge Vorgabe ist im neuen Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERVG, SR 946.10) verankert.

Mit dem Embargogesetz (EmbG) vom 22. März 2002 (SR 946.231) liegt eine Gesetzesgrundlage vor, aufgrund der sich der Bundesrat internationalen Sanktionen anschliessen und Zwangsmassnahmen erlassen kann, um die Einhaltung des Völkerrechts, namentlich die Respektierung der Menschenrechte, durchzusetzen.

6115

Der Bundesrat wird im Rahmen der Revisionen von Erlassen darauf hinwirken, dass die Achtung der Menschenrechte in anderen Politikbereichen expliziter verankert wird und geeignete Prüfverfahren vorgesehen werden.

Kohärenz durch Analyse, Information und Konsultation Damit die Menschenrechtsperspektive systematisch in alle aussenpolitischen Entscheidungsprozesse integriert wird, will der Bundesrat die internen Informations-, Konsultations- und Entscheidungsmechanismen transparenter ausgestalten und sicherstellen, dass die Bundesangestellten in Hinsicht auf den internationalen Menschenrechtsschutz gut ausgebildet, informiert und sensibilisiert sind. Der Bundesrat geht diese Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen an: ­

In den letzten Jahren wurden in der Bundesverwaltung immer zuverlässigere Analyseinstrumente entwickelt, um die Menschenrechtslage in den betreffenden Ländern zu überprüfen und die tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen der Tätigkeiten der Schweiz auf die Menschenrechtslage in den Partnerländern zu evaluieren. Diese Instrumente liefern wertvolle Informationen in Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem, um die menschenrechtliche Vereinbarkeit bestimmter aussenpolitischer Strategien zu überprüfen oder um Strategien und Programme zu konzipieren, die spezifisch auf die Verbesserung der Menschenrechtslage abzielen.

­

Der Bundesrat hat überdies eine Reihe von internen Konsultations- und Entscheidungsmechanismen eingerichtet, um die Kohärenz zwischen menschenrechtspolitischen und anderen Aktivitäten zu erhöhen. Hervorzuheben ist die Kerngruppe Internationale Menschenrechtspolitik (KIM), in der alle interessierten Departemente vertreten sind. Erwähnenswert ist ausserdem der Einbezug von Menschenrechtsexperten und -expertinnen in offizielle Delegationen für internationale Verhandlungen. Schliesslich wurde auch die Zusammenarbeit im Informationsaustausch zwischen dem EDA und dem Bundesamt für Migration in Folge einer parlamentarischen Initiative von Frau Müller-Hemmi vom 15. Juni 2005 verbessert (05.3308, Beurteilung der Situation in Myanmar/Burma nach Rückschaffungsfehlentscheid).

­

Der grosse Stellenwert, den der Bundesrat solchen Mechanismen beimisst, lässt sich an der Art und Weise aufzeigen, wie er seine Politik der politischen Konditionalität angepasst hat. Mit seinem Beschluss vom 9. April 2003 ist er von einem eher starren Konditionalitätsverständnis zu einem dynamischen und positiven Verständnis übergegangen, in dem der Dialog zur Einhaltung und zum Schutz der Menschenrechte sowie gezielte Programme zu ihrer Förderung und der Gouvernanz in den Partnerländern in den Vordergrund rücken. Entsprechend dieser Logik hat der Bundesrat entschieden, bei bilateralen Abkommen zwar nach wie vor auf einem Verweis auf die wichtigsten Menschenrechtsübereinkommen zu insistieren, aber auf eine Suspensionsklausel zu verzichten. Der Bundesrat hat ausserdem ein interdepartementales Frühinformations- und Konsultationssystem sowie im Falle vom Meinungsunterschieden ein Schlichtungsverfahren eingeführt, um rasch auf veränderte Rahmenbedingungen in den Partnerländern reagieren zu können.

­

Um das diplomatische und konsularische Personal, die Akteure der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe und die Experten und Expertinnen der zivilen Konfliktbearbeitung stärker für menschenrechtspoli-

6116

tische Anliegen zu sensibilisieren, wurde das entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebot des Bundes erweitert. Nach der Publikation des BergierBerichts hat der Bundesrat beschlossen, in der Bundesverwaltung Sensibilisierungsmassnahmen einzuführen. Aufgrund dieses Beschlusses wurde ein Bericht erarbeitet und dessen Empfehlungen umgesetzt. Gegenwärtig gibt es in jedem Departement eine für die Menschenrechtsweiterbildung verantwortliche Person.

Artikel 54 Absatz 2 der Bundesverfassung erwähnt, dass die Förderung der Menschenrechte eines der Ziele der Schweizer Aussenpolitik ist. Die Grundsätze und Prinzipien der Konzentration, Glaubwürdigkeit und Kohärenz, die in diesem Bericht erwähnt werden, sind wesentliche Elemente, die es dem Bundesrat ermöglichen, die in der Verfassung festgeschriebenen menschenrechtsrelevanten Aufgaben noch wirkungsvoller zu erfüllen.

6117

6118

Inkrafttreten für die Schweiz: 29. Dezember 1994

SR 0.104

Periodizität: ein Bericht muss alle zwei Jahre und sooft der Ausschuss es verlangt (Art. 9) vorgelegt werden. In der Praxis zeigt aber der Ausschuss eine grosse Flexibilität.

Prüfungsinstanz: Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung überprüft.

Der Initialbericht war am 29.12.1995 fällig. Die CH reichte den Bericht am 15.1.1997 ein. Die Präsentation fand am 3., 4. und 17.3.1998 statt.

Grundlage: Art. 9 CERD: «Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Beratung durch den Ausschuss einen Bericht über die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen vorzulegen ...».

Internationales Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD)

Der vierte Bericht, welcher am 29.12.2001 fällig war, ist in Ausarbeitung. Der Ausschuss erwartet den vierten und fünften Bericht am 29.12.2003.

Der zweite Bericht war am 29.12.1997 fällig ­ der dritte am 19.12.1999. Die Schweiz reichte einen gemeinsamen Bericht am 14.11.2000 ein. Dieser wurde am 4. und 5.3.2002 in Genf präsentiert. Die Federführung hatte die DV, EDA, inne.

CH-Berichterstattung

Berichterstattungspflicht

Vertrag

Berichterstattungspflichten der Schweiz im Rahmen der UNO-Menschenrechtsübereinkommen

Anhang I

6119

Inkrafttreten für die Schweiz: 18. September 1992

Periodizität: Die Vertragsstaaten legen ihre Berichte abschnittsweise nach Massgabe eines Programms vor, das vom ECOSOC binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Paktes nach Konsultation der Vertragsstaaten und der betroffenen Sonderorganisationen aufzustellen ist.

(Art. 17)

Prüfungsinstanz: Der ECOSOC schuf 1985 einen Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als Prüfungsinstanz (CESCR). Der Ausschuss ist dem ECOSOC untergeordnet.

Der zweite Bericht war am 30.6.1999 fällig.

Der Initialbericht war am 30.6.1994 fällig. Die CH reichte den Bericht am 26.6.1996 ein. Dieser wurde am 20.11 und 23.11.1998 präsentiert.

Grundlage: Art. 16 Pakt I: « ... (2) a) Alle Berichte werden dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vorgelegt, der sie abschriftlich dem Wirtschafts- und Sozialrat übermittelt, damit dieser sie nach Massgabe dieses Paktes prüft.»

Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I)

SR 0.103.1

CH-Berichterstattung

Berichterstattungspflicht

Vertrag

6120

Inkrafttreten für die Schweiz: 18. September 1992

Periodizität: Auf Anforderung des Ausschusses (Art. 40).

Der Ausschuss zeigte in der Praxis Flexibilität.

Prüfungsinstanz: Ausschuss für Menschenrechte (CCPR).

Der dritte Bericht ist am 1.11.2006 fällig und befindet sich in Ausarbeitung.

Der zweite Bericht war am 17.9.1998 fällig. Die CH reichte den Bericht am 29.9.1998 ein. Dieser wurde am 19.10.2001 in Genf präsentiert. Die Federführung hatte das Bundesamt für Justiz, EJPD.

Der Initialbericht war am 17.9.1993 fällig. Die CH reichte den Bericht am 24.2.1995 ein. Der Bericht wurde am 24. und 25.10.1996 präsentiert.

Grundlage: Art. 40 Pakt II: «Die Vertragsstaaten verpflichten sich, über die Massnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte Berichte vorzulegen ...»

Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (Pakt II)

SR 0.103.2

CH-Berichterstattung

Berichterstattungspflicht

Vertrag

6121

Periodizität: Alle vier Jahre und so oft es der Ausschuss verlangt (Art. 18).

Prüfungsinstanz: Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau.

Inkrafttreten für die Schweiz: 26. April 1997

SR 0.108

Der Initialbericht und der zweite Bericht waren am 26.4.1998 bzw. am 26.4.2002 fällig.

Grundlage: Art. 18 CEDAW: «Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Beratung durch den Ausschuss einen Bericht über die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen und die diesbezüglichen Fortschritte vorzulegen ...»

Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

Der dritte Bericht war auf den 26.4.2006 fällig und befindet sich in Ausarbeitung.

Die Präsentation fand am 14. und 17.1.2003 in New York statt. Die Federführung hatte das Büro für Gleichstellung, EDI inne.

Die CH reichte den gemeinsamen Bericht am 20.2.2002 ein.

CH-Berichterstattung

Berichterstattungspflicht

Vertrag

6122

Inkrafttreten für die Schweiz: 26. Juni 1987

Periodizität: Ergänzende Berichte alle vier Jahre; alle anderen Berichte auf Anforderung des Ausschusses.

Prüfungsinstanz: Ausschuss gegen Folter

Grundlage: Art. 19 CAT: «Die Vertragsstaaten legen dem Ausschuss über den Generalsekretär der Vereinten Nationen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für den betreffenden Vertragsstaat Berichte über die Massnahmen vor, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen getroffen haben. Danach legen die Vertragsstaaten alle vier Jahre ergänzende Berichte über alle weiteren Massnahmen sowie alle sonstigen Berichte vor, die der Ausschuss anfordert.»

Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT)

SR 0.105

Berichterstattungspflicht

Vertrag

Der vierte Bericht war am 25.6.2000 fällig.

Die CH reichte den Bericht am 18.12.2002 ein.

Die Präsentation fand am 6. und 9. Mai 2005 statt.

Der dritte Bericht war am 25.6.1996 fällig. Die CH reichte den Bericht am 7.11.1996 ein. Dieser wurde am 14.11.1997 präsentiert. Die Federführung hatte das Bundesamt für Justiz, EJPD, inne.

Der zweite Bericht war am 25.6.1992 fällig. Die CH reichte den Bericht am 28.9.1993 ein. Dieser wurde am 20.4.1994 präsentiert.

Der Initialbericht war am 25.6.1988 fällig. Die CH reichte den Bericht am 14.4.1989 ein. Dieser wurde am 15.11.1989 präsentiert.

CH-Berichterstattung

6123

Inkrafttreten für die Schweiz: 26. Juli 2002

SR 0.107.1

Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten

und

Inkrafttreten für die Schweiz: 26. März 1997

Periodizität: Alle fünf Jahre (Art. 44)

Prüfungsinstanz: Ausschuss für die Rechte des Kindes

Grundlage: Art. 44 CRC: «Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Ausschuss über den Generalsekretär der Vereinten Nationen Berichte über die Massnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte vorzulegen ...»

Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (CRC)

SR 0.107

Berichterstattungspflicht

Vertrag

Die Federführung hat die Direktion für Völkerrecht, EDA, inne.

Der Initialbericht zum Protokoll betreffend «Kindersoldaten» war am 26.7.2004 fällig. Der Bundesrat verabschiedete den Bericht am 30.6.2004; die Präsentation fand am 9.1.2006 statt.

Der zweite und dritte Bericht sind auf den 25.9.2007 fällig.

Der Initialbericht war am 23.3.1999 fällig. Die CH reichte den Bericht am 19.1.2001 ein. Der Bericht wurde am 29.5.2002 in Genf präsentiert. Die Federführung hatte die Direktion für Völkerrecht, EDA, inne.

CH-Berichterstattung

6124

DV

«Rahmenkredit für Massnahmen zur zivilen Konfliktbear-beitung und Menschenrechtsförderung»

PA IV

Kredit für freiwillige Aktionen zur Wahrung des Völkerrechts

*(in Kraft erst seit Mai 2004)

Kredit

Abteilung

Projekte zur Unterstützung von ausländischen Institutionen oder NGOs, die zur Einhaltung, Umsetzung und Entwicklung der Menschenrechte beitragen.

Bilaterale Unterstützungsprojekte für die Umsetzung der Menschenrechte.

Einsetzung von bilateralen Menschenrechtsdialogen;

Erarbeitung von Politiken im Zusammenhang mit aufkommenden Themen (Bsp: Wirtschaft und Menschenrechte);

Lancierung von diplomatischen Initiativen für die Menschenrechtsentwicklung, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen;

Art der Tätigkeiten

(CHF) 2004

240 000.­

418 000.­

*3 700 000.­ *5 600 000.­

(CHF) 2003

(CHF) 2005

452 000.­

7 500 000.­

EDA-Kredite für die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz, aufgeteilt auf die Politische Abteilung IV, Menschliche Sicherheit (PA IV), die Direktion für Völkerrecht (DV) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA):

Anhang II

6125

Rahmenkredit(e) Technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe

DEZA

Rahmenkredit(e) für die Humanitäre Hilfe

Rahmenkredit(e) für die Osthilfe

Kredit

Abteilung

Projekte zur Stärkung von Menschenrechtsorganisationen.

Unterstützung von multilateralen Organisationen im Bereich Menschenrechte;

Bilaterale Programme zur Förderung von Justiz- und Menschenrechten;

Bilaterale Programme zur Stärkung von Rechtsystemen und Förderung von Rechtstaatlichkeit;

Art der Tätigkeiten

(CHF) 2004

(CHF) 2005

21 000 000.­ 23 000 000.­ 24 000 000.­

(CHF) 2003

6126