03.411 Parlamentarische Initiative Wiederzulassung von Formel-1-Rennen Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 22. November 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 111 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt mit 13 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

Eine Kommissionsminderheit (Vollmer, Allemann, Fehr Jacqueline, Hämmerle, Hollenstein, Marti Werner, Pedrina, Teuscher) beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten.

22. November 2005

Im Namen der Kommission Der Präsident: Otto Laubacher

2005-3226

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Übersicht Der Nationalrat gab der am 21. März 2003 von Ulrich Giezendanner eingereichten parlamentarischen Initiative am 22. September 2004 mit 88 zu 75 Folge. Die Initiative verlangt, Formel-1-Rennen in der Schweiz grundsätzlich wieder zuzulassen.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen erarbeitete daraufhin einen entsprechenden Erlassentwurf zur Änderung von Artikel 52 Strassenverkehrsgesetz und den vorliegenden Bericht. Sie verabschiedete den definitiven Erlassentwurf an ihrer Sitzung vom 22. November 2005 zuhanden des Nationalrates.

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Bericht 1

Ausgangslage

Am 21. März 2003 hat Nationalrat Ulrich Giezendanner eine parlamentarische Initiative eingereicht, deren Ziel die Wiederzulassung von Formel-1-Autorennen ist.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates hat die Initiative am 10. Februar 2004 vorgeprüft. Die Kommission teilte die Ansicht des Initianten, das grundsätzliche Verbot von Rundstreckenrennen sei nicht mehr zeitgemäss.

Sie beantragte dem Rat mit 14 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative Folge zu geben.

Der Nationalrat folgte diesem Antrag am 22. September 2004 mit 88 zu 75 Stimmen. Die KVF wurde mit der Ausarbeitung eines Erlasses beauftragt.

1.1

Enstehungsgeschichte des Rundstreckenverbotes

In seinem Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955 (SVG) schlug der Bundesrat in Artikel 49 vor, alle motor- und radsportlichen Veranstaltungen bewilligungspflichtig zu erklären. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlungen von Artikel 49 sprachen sich die Räte für ein generelles Verbot von Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen aus (Stenographisches Bulletin 1956 N 280 ff., 1957 N 205 ff., 1958 S 71 ff. und 113 ff.). Dementsprechend verbietet der heutige Artikel 52 des Strassenverkehrsgesetz (SVG; SR 741.01) solche Rundstreckenrennen, wobei der Bundesrat Ausnahmen von diesem Verbot gestatten kann.

Ausschlaggebend für die Aufnahme dieses Verbotes waren in erster Linie Gründe der Verkehrssicherheit. Die Verschärfung im Gegensatz zum bundesrätlichen Entwurf wurde mit dem Hinweis auf das Unglück auf der Rennstrecke von Le Mans (F) im Jahre 1955, bei welchem 82 Menschen ums Leben kamen, begründet. Weiter wurde argumentiert, dass durch das Fehlen einer schweizerischen Autoindustrie kein nationales Interesse an solchen Autorennen bestehe. Der sportliche Wert sowie die technische Notwendigkeit solcher Wettbewerbe wurde in Abrede gestellt. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Zulassen von Rundstreckenrennen im Widerspruch zu Sinn und Zweck des neuen SVG stehen würde, welches Wert auf Sicherheit und Verkehrserziehung lege. Der Eingriff in die kantonale Strassenhoheit wurde als verfassungsmässig beurteilt, da gemäss Artikel 3 Absatz 1 SVG Bundesrecht gegenüber der kantonalen Strassenhoheit vorgehe.

1.2

Geltendes Recht

Heute ist im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von motorsportlichen Veranstaltungen Artikel 52 SVG massgebend. Dieser enthält ein Verbot von öffentlichen Rundstreckenrennen und stellt andere motor- und radsportliche Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen unter Bewilligungspflicht.

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Der Bundesrat hat in der Verkehrsregelnverordnung (VRV; SR 741.11) weitere Vorschriften im Zusammenhang mit Bewilligungen und den verbotenen Veranstaltungen gemacht, so insbesondere in Artikel 94 und 95 VRV.

Mit Blick auf die Aufhebung des Verbotes von Rundstreckenrennen stellt sich vorgängig die Frage, welche motorsportlichen Veranstaltungen unter dem heutigen Recht ­ unter Vorbehalt einer Bewilligung ­ zulässig sind und welche in den Bereich des Verbotes fallen.

Artikel 52 Absatz 1 SVG enthält den Grundsatz, dass öffentliche Rundstreckenrennen verboten sind. Artikel 94 Absatz 1 VRV umschreibt öffentliche Rundstreckenrennen als Rennen, bei denen die gleiche Strecke ununterbrochen mehrmals zu befahren ist. Öffentlich sind diese, sobald Zuschauer Zugang zur Rennstrecke haben1. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Veranstalter Zuschauer ausdrücklich eingeladen haben. Es kommt einzig darauf an, ob faktisch Zuschauer dabei sind2.

Ebenfalls unerheblich ist nach herrschender Auffassung3, ob solche Rennen auf öffentlichen oder abgesperrten Strassen durchgeführt werden.

Artikel 52 Absatz 1 Satz 2 SVG gibt dem Bundesrat jedoch die Kompetenz, einzelne Ausnahmen vom Rundstreckenverbot zu gestatten. Von dieser Kompetenz hat er mit Erlass von Artikel 94 Absatz 3 VRV Gebrauch gemacht und Rasenrennen mit Motorrädern, Geschicklichkeits-Wettfahrten im Gelände, Kartrennen (bis zu 100 cm3) und Autoslaloms als unter Bewilligungsvorbehalt zulässig erklärt. Gleichzeitig behält er sich im letzten Satz dieses Artikles vor, weitere Ausnahmen zuzulassen. Von diesem Vorbehalt wiederum hat der Bundesrat äusserst restrikitv Gebrauch gemacht. Als einzige Ausnahme, wurde 1965 dem Centre de Pilotage in Lignières (NE) die Bewilligung erteilt, jährlich eine festgelegte Zahl öffentlicher Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen durchzuführen4. Anderen Bewilligungsbegehren wurde nicht stattgegeben.

Der Bundesrat kann nicht nur Ausnahmen vom Verbot gewähren, er kann dieses gestützt auf denselben Artikel (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 SVG) auch auf andere Arten von Motorfahrzeugrennen ausdehnen. Der Gesetzgeber hat diesen Spielraum dem Bundesrat absichtlich belassen, da «unter Umständen auch noch andere Ideen in Zukunft aufkommen könnten, die es ebenfalls rechtfertigen würden, dass man sie nicht realisieren liesse.»5 Auch von dieser Kompetenz
hat der Bundesrat Gebrauch gemacht und in Artikel 94 Absatz 2 VRV Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer einander gemäss Reglement durch die gegenseitige Beschädigung zum Ausscheiden zwingen dürfen, untersagt. Als ausdrücklich verboten bezeichnet er StockCar-Veranstaltungen, Ballonverfolgungsfahrten sowie Karts mit Fahrzeugen von mehr als 100 cm3 Zylinderinhalt.

Artikel 52 Absatz 2 SVG sieht für alle «andere(n) motor- und radsportliche(n) Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen, ausgenommen Ausflugsfahrten» eine Bewilligungspflicht vor. Diese werden von denjenigen Kantone erteilt, deren Gebiet befahren wird.

1 2 3 4 5

Hans Giger, Strassenverkehrsgesetz, Zürich 2002, S. 160 f.

BGE 100 IV 91 ff.

Siehe dazu die Übersicht bei Peter D. Burri, Die Frage der Verfassungsmässigkeit der Regelung motorsportlicher Veranstaltungen im SVG, Luzern, 1981, S. 23.

Beschluss des Bundesrates vom 16. Juli 1965; vgl. auch BGE 100 IV 91.

Sten.Bull. N 1958, S. 753.

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Artikel 52 Absatz 3 SVG stellt für alle motorsportlichen Veranstaltungen ­ seien es Ausnahmen vom Verbot der Rundstreckenrennen oder andere motor- und radsportliche Veranstaltungen ­ Bewilligungsvoraussetzungen auf. Die Bewilligungsvoraussetzungen betreffen Aspekte der Verkehrssicherheit (Art. 52 Abs. 3 SVG). Der Bundesrat hat zusätzlich Anforderungen betreffend den Umweltschutz aufgestellt (Art. 95 Abs. 2 VRV). Im selben Artikel hält er auch fest, dass kein Anspruch auf eine Bewilligung besteht (Art. 95 Abs. 2 VRV).

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass öffentliche Rundstreckenrennen verboten sind. Ausgenommen vom Verbot sind Rasenrennen, Geschicklichkeits-Wettfahrten im Gelände, Kartrennen und Autoslaloms. Ein absolutes Verbot gilt ebenso für Stock-Car-Rennen und Ballonverfolgungsfahrten. Unter Vorbehalt einer entsprechenden Bewilligung sind andere motor- und radsportliche Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen zulässig.

1.3

Motorsportveranstaltungen in der Schweiz

In der Schweiz findet heute ein Vielzahl von unterschiedlichen Motorsportveranstaltungen statt. So finden jährlich Bergrennen etwa in Les Rangiers, Oberhallau und am Gurnigel statt. An einigen Orten in der West- und Südschweiz werden Rallies durchgeführt. Die Anzahl kleinerer Veranstaltungen ­ wie zum Beispiel Supermotard oder Motocrossrennen ­ ist nicht überschaubar. Die Bewilligungskompetenz liegt bei den Kantonen.

Auf Grund des Verbotes führen verschiedene schweizerische Veranstalter Läufe der Schweizer Meisterschaften unter dem Patronat von Autosport Schweiz auf Rundstrecken im benachbarten Ausland durch.

2

Beurteilung des Verbotes aus heutiger Sicht

Wie eingangs erwähnt, wurden in den 50-er Jahren sicherheitstechnische Gründe geltend gemacht für das Verbot von Rundstreckenrennen. Die Sicherheit auf den Rennplätzen der ganzen Welt hat sich in den letzten 50 Jahre entscheidend verbessert. Im Bereich der Formel-1-Rennstrecken hat sich die Sicherheit der Zuschauer derart verbessert, dass eine Katastrophe wie in Le Mans heute praktisch ausgeschlossen werden kann. Auch die Sicherheit der Fahrer hat stark zugenommen.

Heute profitiert insbesondere die zivile Autoindustrie von den Fortschritten der Sicherheitstechnologie im Formel-1-Geschäft.

Die Aufrechterhaltung des Verbotes aus sicherheitstechnischen Gründen erscheint heute nicht mehr zeitgemäss.

Aufgrund der verfügbaren Daten ist nicht bestimmbar, im welchem Ausmass sich die Durchführung von Motorsportveranstaltungen im öffentlichen Strassenraum negativ auf die Verkehrssicherheit auswirkt6. Aus verkehrserzieherischen Gründen sollte dennoch vermehrt darauf geachtet werden, dass Motorsportveranstaltungen von entsprechenden Informationskampagnen zur Unfallverhütung sowie von Ver6

Schreiben des Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung zuhanden der KVF vom 9. August 2005.

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kehrskontrollen auf den Zufahrtswegen begleitet werden. Mit solchen Massnahmen könnte allfällig negativen Wirkungen von Rundstreckenrennen entgegen gewirkt werden.

2.1

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Für die Aufhebung des Verbotes spricht zudem das wirtschaftliche Potential solcher Grossveranstaltungen.

Die Bedeutung der Automobilwirtschaft in der Schweiz ist eine wesentliche, sie bietet Arbeitsplätze für ca. 4500 Personen7. Im Bereich der Zulieferungsindustrie bestehen schweizweit ca. 15 500 Arbeitsplätze8. Die Durchführung von Formel-1Rennen könnte indessen in beiden Bereichen direkt und indirekt wertvolle Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig könnten sowohl Stellen für KMUs im HightechBereich geschaffen und diese Arbeitsplätze spezifisch in strukturschwachen Randregionen angesiedelt werden. Die schweizerische Automobilindustrie hätte die Möglichkeit, sowohl in technischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu profitieren.

Positive wirtschaftliche Auswirkungen kann eine solche Grossveranstaltungen auch auf andere Branchen haben. Im Zusammenhang mit dem allfälligen Bau einer Rennstrecke ist mit umfangreichen Investitionen zu rechnen9.

Auch die Auswirkungen allfälliger Formel-1-Rennen auf den Tourismus könnten überwiegend positiv gewertet werden. Ein «Grosser Preis der Schweiz» würde ein sportliches Grossereignis mit weltweiter Ausstrahlung darstellen und hätte damit einen positiven Einfluss auf die Marketingbemühungen des schweizerischen Tourismus. Im Falle einer Veranstaltung von Formel-1-Rennen könnte mit mehreren 10 000 Zuschauern gerechnet werden, die innerhalb wie auch ausserhalb einer Anlage Investitionen tätigen. Direkt in die Kasse des jeweiligen Kantones fliessen insbesondere die Erträge der Billetsteuer, welche auf die Eintritte zur Veranstaltung erhoben werden muss.

Die Durchführung von Grossveranstaltungen kann jedoch auch negative Auwirkungen auf die Volkswirtschaft haben. So besteht je nach Grösse eines Anlasses der Bedarf nach Sicherheitskräften ausserhalb der Rennanlagen auf öffentlichem Grund.

Die Kosten für diese Polizeiaufgebote würden zu Lasten der öffentlichen Hand gehen. Weiter ist von staatlicher Seite her mit den Kosten von allfälligen Umweltbelastungen zu rechnen.

2.2

Auswirkungen auf die Umwelt

Im Zusammenhang mit der Austragung von Rundstreckenrennen ist mit Umweltimmissionen verschiedenster Art zu rechnen. Deren Ausmass hängt von der Art und der Anzahl durchgeführter Veranstaltungen ab und kann nicht abschliessend festgestellt werden.

7 8 9

Vgl. Stellungnahme des seco vom 15. August 2005 zuhanden der KVF.

Vademecum, Schweizerischer Strassenverkehrsverband 2005.

Der Bau der im Jahre 2004 fertiggestellten Rennstrecke in Bahrain kostete 140­150 Mio.

US-Dollar, vgl. Schreiben des seco vom 15. August 2005.

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Die Rennanlage wie auch die Annexanlagen (Werkstattbetriebe, Erschliessungs- und Parkierungsanlagen) müssen die gewässerschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen.

Bewilligungen sind insbesondere für die Entwässerung und den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen notwendig.

Auch in raumplanerischer Hinsicht hat der Bau von Rennanlagen samt Infrastruktur bedeutende Auswirkungen. Der Bodenverbrauch beispielsweise der Rennstrecke des Nürburgrings benötigt eine Fläche von 20 Quadratkilometern.

Bei der Durchführung ­ und bereits beim Bau einer Rennstrecke ­ von Rundstreckenrennen müssen deshalb die Umweltvorschriften des Bundes integral eingehalten werden10.

Grundsätzlich unterstehen alle Pistenanlagen für motorsportliche Veranstaltungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (vgl. Anhang 60.2 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Nr. 6; SR 814.011). Damit auch die Durchführung dieser Veranstaltungen im Einklang mit den massgebenden umweltrechtlichen Bestimmungen steht, müssen die Bewilligungsvoraussetzungen entsprechend konkretisiert werden.

Im vorgeschlagenen Erlass wird deshalb explizit darauf hingewiesen, dass eine Bewilligung dann erteilt wird, wenn die Vorschriften gemäss Umweltschutzgesetzgebung eingehalten sind und insbesondere keine wesentlichen schädlichen Einwirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind. Diese Formulierung hat nicht rechtsetzenden Charakter, da sie lediglich wiederholt was ohnhin gilt.

Die Bewilligungsvoraussetzungen im Einzelnen müssen auf Ebene der Verordnung detailliert umschrieben werden.

3

Grundzüge der Vorlage

Die parlamentarische Initiative Giezendanner verlangt grundsätzlich die Zulassung von Formel-1-Rennen, welche heute als Rundstreckenrennen unter das Verbot von Artikel 52 Absatz 1 SVG fallen. So sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Durchführung von Rennen, den Bau einer Rennpiste oder die Umnutzung einer bestehenden Anlage für Rundstreckenrennen zu ermöglichen.

Dem Anliegen der Initiative kann demnach Rechnung getragen werden, indem dieses Verbot aufgehoben wird. Eine Beschränkung auf die Zulassung von Formel-1Rennen unter Beibehaltung des allgemeinen Verbotes von Rundstreckenrennen ist verfassungsrechtlich jedoch unzulässig. Bewilligungspflichten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse ausgewiesen und verhältnismässig sein11. Kommt man zum Schluss, dass ein Verbot von Formel-1Rennen nicht mehr haltbar ist, weil die in Frage stehenden öffentlichen Interessen (Sicherheit der Beteiligten und Schutz der Umwelt insbesonder Lärmschutz und 10

11

Massgebliche Vorschriften für die Durchführung von Rundstreckenrennen und den Betrieb von entsprechenden Anlagen finden sich in Art. 7, 8, 11, 15, 23 und 25 USG (SR 814.01), Art. 2­5 und 17­19 Luftreinhalteverordnung (SR 814.318.142.1) sowie Art. 2­4, 7, 10­12, 39, 40 und 45 Lärmschutzverordnung (SR 814.41).

Zur Zulässigkeit von Bewilligungspflichten siehe Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, S. 368 ff.

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Schutz der Luft) auch durch das Aufstellen einer entsprechenden Bewilligungserfordernis gewahrt werden können, so ist das Verbot erst recht nicht verhältnismässig für Rennen mit Fahrzeugen mit kleineren Motoren und tieferen Geschwindigkeiten.

Im Sinne einer umfassenden verfassungskonformen Lösung sollen also öffentliche Rundstreckenrennen im Grundsatz wieder zugelassen werden.

Wie bis anhin gelten für alle im Grundsatz zulässigen Rennen dieselben Bewilligungsvoraussetzungen. Können Veranstalter nicht gewährleisten, dass die erforderlichen Kriterien bezüglich Verkehrssicherheit und Umweltschutz erfüllt sind, so wird ihnen keine Bewilligung erteilt. Es besteht auch weiterhin kein Anspruch auf Bewilligungserteilung. Auch an der Kompetenz des Bundesrates, weitere Rennen zu verbieten, ändert sich nichts.

4

Begründung der Minderheit

Eine Kommissionsminderheit wendet sich gegen die Wiederzulassung von öffentlichen Rundstreckenrennen.

Sie sieht darin in erster Linie ein umweltpolitisch falsches Zeichen: Der Betrieb einer Rennstrecke ist mit erheblichen Bodenbelastungen verbunden12. Je nach Intenstität des Rennbetriebes kann die Fruchtbarkeit des Bodens beeinträchtigen werden. Im Rahmen von Grossveranstaltungen kann es auch zu physischen Belastungen des Bodens kommen beispielsweise bei der Nutzung ungefestigter Böden als temporäre Parkflächen13.

Es ist zudem anzunehmen, dass während der Durchführung von Rennen schädliche und lästige Lärmbelastungen für Anwohnerinnen und Anwohner in der näheren Umgebung auftreten. Dazu trägt nicht nur die Veranstaltung selbst sondern auch der Mehrverkehr ausserhalb der Rennanlage bei. Für das Publikum besteht darüber hinaus eine Gefahr für die Schädigung des Gehörs.

Sowohl der Rennbetrieb wie auch der Publikumsverkehr führt zu einer lokalen Mehrbelastung der Luft durch Schadstoffe wie Stickoxide, Feinpartikel oder Kohlenwasserstoffe. Ebenfalls ist mit erhöhten Emissionen von Treibhausgasen zu rechnen.

Diese durch solche Veranstaltungen entstehenden immensen Boden-, Luft- und Lärmbelastungen könnten auch mit den entsprechenden Bewilligungsvoraussetzungen nicht vermieden werden.

Der Bau von Rundstrecken stehe überdies nicht im Einklang mit den raumplanerischen Zielen der Schweiz. Die Infrastrukturen, welche im Zusammenhang mit Rundstreckenrennen erstellt werden, hätten bedeutende Auswirkungen auf die Landschaft. Je nach Topographie ist zudem davon auszugehen, dass die Geräuschkulisse eine grössere Region übertönt, die dadurch massiv beeinträchtigt wird.

Solche Veranstaltungen würden dem Konzept des schweizerischen Tourismus zuwiderlaufen, welcher mit dem Angebot von Naturerlebnissen wirbt.

12

13

So unter anderem durch polyaromatische Kohlenwasserstoffe sowie KadmiumEmissionen durch Pneuabrieb; vgl. Schreiben des BUWAL vom 26. Juli 2005 zuhanden der KVF.

Die Böden werden dadurch verdichtet, was die Versickerung von Niederschlägen und das Pflanzenwachstum beeinträchtigt.

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Die Minderheit verweist auch auf die Probleme mit jugendlichen Rasern auf Schweizer Strassen. In diesem Zusammenhang setze die Zulassung solcher Rennen auch unter verkehrserzieherischem Blickwinkel ein falsches Zeichen.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist die Wiedereinführung von Rundstreckenrennen nach Ansicht der Kommissionsminderheit nicht opportun. Die Schweiz verfüge über keine interessierte Automobilindustrie. Dies zeige das Beispiel der Rennstrecke in Lignières (NE), welche nach einem Konkurs erst nach längerer Zeit wieder einen Betreiber gefunden hat. Auch international konzentriere sich der Formel-1-Bereich auf attraktivere neue Märkte wie bspw. den fernen Osten.

Sie spricht sich deshalb für eine Beibehaltung des Verbotes aus.

5

Erläuterungen zur Änderung von Art. 52 SVG

In Artikel 52 Absatz 1 SVG wird der Grundsatz der Zulässigkeit von motor- und radsportlichen Veranstaltungen festgehalten. Die separate Erwähnung von «öffentlichen Rundstreckenrennen» nebst «anderen motor- und radsportlichen Veranstaltungen» macht weiterhin Sinn. Rundstreckenrennen sind bereits dann bewilligungspflichtig, wenn sie öffentlich sind, egal ob sie auf öffentlichen oder privaten Strassen stattfinden. Dies entspricht einer partiellen Ausweitung des Geltungsbereiches des SVG auch auf private Strassen. Alle «anderen motor- und radsportlichen Veranstaltungen» sind nur bewilligugspflichtig, wenn sie auf Strassen im Sinne von Artikel 1 SVG durchgeführt werden, nämlich auf öffentlichen Strassen.

Damit garantiert werden kann, dass die Rennen in Übereinstimmung mit den geltenden sicherheitstechnischen und umweltrechtlichen Normen durchgeführt werden, werden sie für bewilligungspflichtig erklärt. Die wieder zulässigen Rundstreckenrennen werden damit denselben Bewilligungsvoraussetzungen wie alle anderen motor- und radsportlichen Veranstaltungen unterstellt. Dies war auch bis anhin für die Ausnahmen vom Verbot der Fall.

Absatz 2 belässt die bereits heute bestehende Kompetenz des Bundesrates, weitere Rennen zu verbieten, wenn ein solches Verbot sich aufgrund entgegenstehender Interessen der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes rechtfertigen lässt. Damit kann im Sinne einer einheitlichen Praxis garantiert werden, dass gewisse Rennen schweizweit nicht zulässig sind, während es andernfalls Sache der Kantone gewesen wäre, im Einzelfall Bewilligungen nicht zu erteilen. Die Änderung von Artikel 52 SVG belässt somit auch das Verbot von Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer einander gemäss Reglement durch gegenseitige Beschädigung zum Ausscheiden zwingen, wie es Artikel 94 Absatz 2 VRV vorsieht.

Absatz 3 des vorgeschlagenen Artikels enthält die Grundsätze der Bewilligungsvoraussetzungen. Dabei werden die bis anhin in Gesetz und Verordnung erwähnten Voraussetzungen nun allesamt auf Ebene des Gesetzes zusammengefasst: Bei der Zulassung von Rennen muss einerseits die Verkehrssicherheit ausreichend gewährleistet werden, andererseits müssen relevante umweltrechtliche Bestimmungen, insbesondere betreffend Lärmschutz und Luftverschmutzung (vgl. auch Art. 95 Abs. 2 VRV und Umweltschutzgesetz, SR 814.01),
beachtet werden. Damit sind die Grundzüge der Bewilligungsvoraussetzungen für Rundstreckenrennen im Gesetz festgehalten. Die Details können in der Verordnung geregelt werden.

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Absatz 4 erwähnt ausdrücklich, wie es bisher in der Verordnung geregelt war, dass kein Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung besteht. Die Kantone haben somit einen Ermessensspielraum, der ihnen ermöglicht auf örtliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Dies verhindert, dass Veranstalter mit der Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) einen Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung geltend machen können. In dieser Regelung spiegelt sich das Bestreben des Bundesgesetzgebers wider, den Kantonen die notwendige Autonomie zu belassen. Die Bewilligungsbehörde ist dabei selbstverständlich an die allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätze gebunden.

Absatz 5 entspricht inhaltlich dem bisherigen Absatz 4.

Die Details, welche im Zusammenhang mit dem Bau einer Rundstrecke geregelt werden müssen, sind nicht Gegenstand dieser Vorlage, sondern des Bau- und Planungsrechts.

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Es sind keine unmittelbaren finanziellen oder personellen Auswirkungen für die öffentliche Hand zu erwarten.

7

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Schweiz ist heute das einzige Land in Europa, welches ein Verbot von Rundstreckenrennen vorsieht. Die Aufhebung dieses Verbotes würde demnach zu keinen Kollisionen mit dem Recht der europäischen Union führen.

8

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Änderung stützt sich auf Artikel 82 BV, wonach der Bund Vorschriften über den Strassenverkehr erlässt. Demnach bleibt auch die Strassenhoheit der Kantone entsprechend Artikel 3 Absatz 1 SVG im Rahmen des Bundesrechts gewahrt.

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