zu 04.463 Parlamentarische Initiative Rolle des Bundesrates bei Volksabstimmungen Bericht vom 15. September 2006 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 8. November 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 15. September 2006 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates betreffend die parlamentarische Initiative «Rolle des Bundesrates bei Volksabstimmungen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. November 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Nationalrat Didier Burkhalter reichte am 7. Oktober 2004 eine parlamentarische Initiative ein, mit der er eine Ergänzung von Artikel 10 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19971 (RVOG) forderte. Mit der von ihm vorgeschlagenen Bestimmung soll der Bundesrat gesetzlich zu einer aktiven Informationstätigkeit im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen verpflichtet werden. Dabei soll er klar und objektiv die Haltung der Bundesbehörden vertreten.

Damit weist die parlamentarische Initiative eine andere Stossrichtung auf als die am 11. August 2004 mit 106 344 gültigen Unterschriften eingereichte Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda», mit welcher den Bundesbehörden das Engagement vor Volksabstimmungen weitgehend untersagt werden soll.

Am 27. Januar 2005 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) die parlamentarische Initiative vorgeprüft und ihr mit 17:6 Stimmen Folge gegeben.

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) schloss sich der Mehrheit der SPK-N an und gab am 28. April 2005 mit 6:1 Stimmen bei einer Enthaltung ihre Zustimmung zur Ausarbeitung einer Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Burkhalter.

Am 4. November 2005 beschloss die SPK-N mit 11:5 Stimmen bei 4 Enthaltungen, einen Vorentwurf über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Burkhalter als indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» auszuarbeiten, und beauftragte die Bundeskanzlei mit den entsprechenden Arbeiten.

Am 31. März 2006 verabschiedete die SPK-N den Bericht und den Vorentwurf über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Burkhalter zu Handen der Vernehmlassung. Die Vernehmlassungsvorlage sah die gesetzliche Verankerung einer Informationspflicht des Bundesrates und der Bundesverwaltung im Vorfeld von Abstimmungen sowie der bei der Information vor Abstimmungen von den Bundesbehörden einzuhaltenden Grundsätze (Kontinuität, Transparenz, Sachlichkeit, Verhältnismässigkeit) im Rahmen einer Änderung des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 19762 (BPR) über die politischen Rechte vor.

Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung gut aufgenommen. 24 von 46 Vernehmlassungsteilnehmern begrüssten sie. 6 Teilnehmer stimmten dem Erlassentwurf teilweise zu; sie äusserten aber Bedenken über
den Nutzen einer solchen Regelung. Für 5 Kantone schränkte die vorgeschlagene Regelung den Handlungsspielraum von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von Volksabstimmungen zu weit ein.

Sie lehnten den Vernehmlassungsentwurf deshalb ab. 9 weitere Teilnehmer begründeten ihre Ablehnung hingegen damit, dass die vorgeschlagene Änderung des BPR die Informationstätigkeit des Bundesrates und der Bundesverwaltung vor Abstimmungen zu wenig klar regelt und zu wenig einschränkt.

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SR 172.010 SR 161.1

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Daraufhin nahm die SPK-N an ihrer Sitzung vom 15. September 2006 den Vernehmlassungsbericht zum Vorentwurf über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Burkhalter zur Kenntnis und hiess den ihr unterbreiteten indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» gut. Der verabschiedete Entwurf entspricht im Wesentlichen der Vernehmlassungsvorlage.

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Stellungnahme des Bundesrates

In seiner Botschaft vom 29. Juni 2005 über die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda»3 hielt der Bundesrat fest, dass die verfassungsrechtlich garantierte freie Willensbildung nach Artikel 34 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)4 den Bundesrat zur Teilnahme am Abstimmungskampf verpflichtet. Dabei hat sich die Informationstätigkeit von Bundesrat und Bundesverwaltung an die Grundsätze Kontinuität, Transparenz, Sachlichkeit und Verhältnismässigkeit zu halten, die im Bericht «Das Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von Abstimmungen» aus dem Jahre 2001 der «Arbeitsgruppe erweiterte Konferenz der Informationsdienste» (Bericht AG KID) festgehalten sind.

Die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda», welche die Informationstätigkeit des Bundesrats massiv einschränken will, lehnt der Bundesrat deshalb ab. Ebenso entschied er sich gegen die Unterbreitung eines Gegenentwurfes, welcher die Verankerung der bestehenden Informationspflicht und der Grundsätze zur Informationstätigkeit vor Abstimmungen vorsieht, da eine solche Regelung zum einen nicht zwingend ist und zum anderen die bestehende differenzierte Praxis nicht lückenlos zu normieren vermag5.

Der Bundesrat teilt die im Bericht der SPK-N zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Burkhalter von der Kommissionsmehrheit vertretenen Auffassung, wonach die Bundesbehörden verpflichtet sind, die Stimmberechtigten im Vorfeld der Abstimmungen über die Abstimmungsvorlagen umfassend zu informieren.

Er bleibt jedoch bei seiner Haltung, die er in mehreren Antworten zu parlamentarischen Vorstössen und seiner Botschaft zur Volksinitiative dargelegt und bekräftigt hat, wonach eine gesetzliche Verankerung der Informationspflicht und der Informationsgrundsätze nicht notwendig ist. Der bundesrätliche Informationsauftrag ist in Artikel 180 Absatz 2 BV und in Artikel 10 RVOG ausreichend geregelt. Die Abstimmungsinformationsgrundsätze sind breit anerkannt und werden vom Bundesrat und der Bundesverwaltung eingehalten. Eine Verankerung dieser Grundsätze auf Gesetzesstufe bringt keine Verbesserung, weshalb darauf zu verzichten ist.

Der Bundesrat behält sich jedoch vor, eine von der Parlamentsmehrheit abweichende Abstimmungsempfehlung abzugeben. Gewiss wird er dies im Interesse eines einheitlichen Auftretens von
Parlament und Exekutive nicht inflationär tun. Indes ist er als eigenständige Gewalt gehalten, dem Souverän seiner eigenen Verantwortung notfalls abweichend von legislativen Mehrheitsentscheiden Ausdruck zu verleihen.

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BBl 2005 4373 SR 101 BBl 2005 4394

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