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Bundesratsbeschluß betreffend

die Abgabe denaturierter gebrannter Wasser.

(Vom 31. Januar 1893.)

Der schweizerische Bundesrat, in Ausführung von Art. 6 des Alkoholgesetzes vom 23. Dezember 1886; · auf den Antrag seines Finanz- und Zolldepartements, beschließt: Art. 1. Die für technische und Haushaltungszwecke bestimmten gebrannten Wasser unterstehen dem Monopol des Bundes; dieselben werden demgemäß nach Anleitung der hiernach folgenden Bestimmungen aus den von der Alkoholverwaltung dafür bezeichneten Lagerhäusern gegen Barzahlung in Mengen von wenigstens l Viertelfaß (= cirka 125 kg. oder 150 Liter) abgegeben. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Art. 13 und 14 hiernach.

Art. 2. Die für technische und Haushaltungszwecke bestimmten gebrannten Wasser dürfen zu andern Zwecken, insbesondere zur Bereitung von Getränken, nicht verwendet werden; dieselben werden zu diesem Behufe denaturiert.

Die Denaturierun erfolgt durch Versetzung der gebrannten Wasser mit gewissen anderen Stoffen, deren Eigenschaften die Mischung zum Trinkgenusse untauglich machen.

Die Denaturierung ist eine absolute oder eine relative.

223 Die absolute Denaturierung soll die Verwendung der Mischung zu Heizungs- und andern Haushaltungszwecken so wenig als thunlich beeinträchtigen.

Bei der relativen Denaturierung ist in der Auswahl der Zusatzstoffe darauf Rücksicht zu nehmen, daß die denaturierte Ware zu Zwecken der Wissenschaft und Technik oder zur Herstellung bestimmter Industrieprodukte Verwendung finden soll.

Die Bestimmung der Denaturierungsmittel ist Sache des Finanz- und Zolldepartements ; letzteres kann zur Verstärkung der Garantieen gegen mißbräuchliche Verwendung für die relative Denaturierung eine Verdünnung der gebrannten Wasser vorschreiben.

Art. 3. Die absolut denaturierten gebrannten Wasser werden von der Alkoholverwaltung an jedermann abgegeben, und zwar einstweilen nur in der Form von denaturiertem 95grädigem Sprit. Der Abgabepreis beträgt von dem auf die Publikation des vorliegenden Beschlusses im Bundesblatte folgenden Tage an bis auf Widerruf Fr. 55 für 100 kg.

der absolut denaturierten Ware (Nettogewicht) ohne Gebinde.

Art. 4. Die Verwendung der absolut denaturierten Ware unterliegt, nachdem dieselbe einmal aus den Lagerhäusern der Alkoholverwaltung in den öffentlichen Verkehr getreten ist, seitens der letzteren bis auf weiteres keiner direkten amtlichen Kontrolle mehr. Bezüglich der Beaufsichtigung des Handels mit absolut denaturierten gebrannten Wassern bleiben die Vorschriften von Art. 9 des Alkoholgesetzes vorbehalten.

Art. 5. Wer zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu seinem Gewerbebetrieb relativ denaturierte gebn.nnte Wasser zu beziehen wünscht, hat hierfür unter Angabe des Zweckes, zu welchem der Alkohol Verwendung finden soll, durch Vermittlung der Alkoholverwaltung schriftlich um eine Bewilligung des Finanz- und Zolldepartements nachzusuchen.

224 Die Bewilligungen werden für alle Zwecke erteilt, mit denen eine die richtige Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistende Denaturierung vereinbar ist; die erteilten Bewilligungen gellen für unbestimmte Zeit.

Die jetzigen Inhaber einer diesfälligen Bewilligung haben, sofern für dieselben nicht die Voraussetzungen von Art. 6, letztes Alinea, oder Art. 7 hiernach zutrefl'en, um eine solche nicht neu einzukommen, fallen indessen im übrigen ohne weiteres unter die Vorschriften des vorliegenden Bundesratsbeschlusses.

Art. 6. Die Inhaber von Bewilligungen zur Verwendung relativ denaturierter Ware sind verpflichtet: a. über den Bezug und die Verwendung der relativ denaturierten gebrannten Wasser und über den Vertrieb der daraus hergestellten Produkte die von der Alkoholverwaltung vorgeschriebenen Bücher zu führen; b. der Alkohol Verwaltung unmittelbar nach Schluß jeden Quartals einen amtlich beglaubigten Auszug aus diesen Büchern über die im vorangegangenen Vierteljahr stattgehabte Warenbewegung einzusenden; c. den Organen der Alkoholverwaltung die jederzeitige Einsicht in den gesamten Gewerbetrieb und die einschlägigen Geschäftsbücher, sowie die jederzeitige Aufnahme der vorhandenen Vorräte und die Einhebung von Mustern zu gestatten, wie auch die zur Ausübung der Kontrollfunktionen etwa benötigte Aushiilfe zu leisten ; d. alle anormalen Manki zu rechtfertigen und bei allfällig eintretenden ernstern Betriebsstörungen oder andern Vorkommnissen, die einen ungewöhnlichen Verlust an denaturierten gebrannten Wassern oder an Fabrikaten aus denselben zur Folge haben können, die Alkoholverwaltung sofort zu benachrichtigen.

Die Bezüger von relativ denaturierter Ware dürfen weder mit dieser selbst, noch mit solchen Erzeugnissen Handel treiben, welche eine so unwesentliche Änderung der

225 bezogenen Denaturierungswäre darstellen, daß die gewonnenen Produkte sich noch immer bloß als denaturierte gebrannte Wasser qualifizieren.

Art. 7. Gewerbetreibende, welche neben demjenigen Geschäftszweige, für welchen sie relativ denaturierte gebrannte Wasser verwenden, ein anderes Gewerbe betreiben, in welchem nicht denaturierte oder absolut denaturierte gebrannte Wasser gebraucht werden, haben die verschiedenen Fabrikationen von einander getrennt zu führen. Das Finanzund Zolldeparternent kann indessen auf begründete Begehr.en hin Ausnahmen von dieser Vorschrift eintreten lassen.

Art. 8. Die Abgabepreise für die zur relativen Denaturierung bestimmten gebrannten Wasser betragen von dem auf die Publikation des vorliegenden Beschlusses im Bundesblatt folgenden Tage an bis auf Widerruf: a. Für Rohspiritus Fr. 45 per 10,000 Literprozente; b. für 95grädigen Feinsprit Fr. 53 per 100 kg. Nettogewicht.

Diese Preise verstehen sich ohne Gebinde; dieselben werden auf der Menge der undenaturierten Wai'e berechnet.

Die Bestimmung der Abgabepreise für andere als die erwähnten Spritsorten bleibt specieller Vereinbarung zwischen dem Bezüger und der Alkoholverwaltung vorbehalten.

Art. 9. Die Inhaber von Bewilligungen ?,ur relativen Denaturierung haben die Denaturierungsstofie selbst zu liefern und dieselben in eigenen Kosten rechtzeitig an das betreffende Lagerhaus der Al kohol Verwaltung zu senden. Dort werden die besagten Stoffe auf ihre vorschriftsmäßige Beschaffenheit geprüft und bei Richtigbefund den gebrannten Wassern in dem vorgeschriebenen Verhältnisse beigemengt.

Auf Wunsch übernimmt auch die Alkoholverwaltung die Beschaffung der Denaturierungsmittel für Rechnung der Bezüger von relativ denaturierten gebrannten Wassern.

226 Art. 10. Alle Bestellungen auf Lieferung absolut oder relativ denaturierter gebrannter Wasser sind frankiert an die eidgenössische Alkoholverwaltung in Bern zu richten.

Letztere übernimmt keinerlei Verantwortlichkeit für die richtige Ausführung' von Aufträgen, welche in Umgehung dieser Vorschrift direkt an ihre Lagerhäuser gerichtet würden.

Bezüglich der Ausführung der Bestellungen gelten, soweit anwendbar, die Bestimmungen der Art. 11 bis und mit 18 des Bundesratsbeschlusses vom 30. Dezember 1890, betreffend den Verkauf von monopolisierten gebrannten Wassern durch die Alkoholverwaltung.

Art. 11. Den Abnehmern von absolut oder relativ denaturierter Ware, welche wenigstens eine halbe Eisenbahnwagenladung auf einmal und an die gleiche Adresse beziehen, werden folgende Ermäßigungen der Verkaufspreise zugestanden : a. Bei Bezug eines ganzen Kesselwagens . . . 2 % b. bei Bezug einer ganzen Wagenladung in Vi Gebinden i liì ,, c. bei Bezug einer ganzen Wagenladung in kleinerer Fassung l ,, d. bei Bezug einer halben Wagenladung in Vi Gebinden l ,, e. bei Bezug einer halben Wagenladung in 1 kleinerer Fassung k ,, Die Alkoholverwaltung wird ermächtigt, ihre eigenen Kesselwagen, sofern und insoweit dieselben nicht für andere Zwecke in Anspruch genommen sind, den Bestellern gegen eine Miete von Fr. 20 per Fahrt zur Verfügung zu stellen.

Art. 12. Wird die Lieferung des denaturierten Sprits in Kaufgebinden verlangt, so werden letztere zu nachstehenden Preisen berechnet:

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N e u e , d. h. e i n m a l g e b r a u c h t e Spritgebinde: a. Vi von cirka 650 1. Inhalt zu Fr. 36 per Stück; *. V. ,, c. V* ,,

,, ,,

320 ,, 150 ,,

,, ,,

,, ,,

, 23 ,, ,, 15 ,,

,, ,,

Petrol tonnen: d. von cirka 180 1. Inhalt zu Fr. 5 per Stück.

Die Alkoholverwaltung giebt keine Leihgebinde ab.

Art. 13. Die Inhaber von Bewilligungen zur relativen Denaturierung können bis auf weiteres die ihnen benötigte Ware unter Entrichtung des eidgenössischen Eingangszeilen von Fr. 7 per q. brutto statt bei der Alkoholverwaltung -auch direkt aus dem Auslande oder aus den in der Schweiz bestehenden eidgenössischen Niederlagshäusern beziehen ; dieselben bedürfen indessen hierfür einer besondern Bewilligung des Finanz- und Zolldepartements.

Art. 14. Bezüger von relativ denaturierter Ware, welche im Besitze der in Art. 13 erwähnten Bewilligung sind, beziehungsweise deren Warenführer, haben bei jeder Einfuhr von gebrannten Wassern zur relativen Denaturierung in die Schweiz, resp. bei jedem Austritt solcher Ware aus einem eidgenössischen Niederlagshaus, den von der Obersolldirektion bezeichneten Organen eine Deklaration einzureichen, welche den Namen oder die Firma des Adressaten dar Sendung, das Brutto- und Nettogewicht der letztern, die Gradstärke des Alkohols, den Gebrauch, zu dem derselbe bestimmt ist, und die Art und das Mengenverhältnis des Decaturierungsmittels angeben soll.

Die Einfuhr von zur relativen Denaturierung bestimmten gebrannten Wassern durch Private darf nur über die von der Oberzolldirektion bezeichneten Eingangsstationen stattfinden.

Die Denaturierung solcher Sendungen geschieht bis auf weiteres durch die Organe der Zollverwaltung mittelst der

228 vom Bezüger in eigenen Kosten dem Grenzzollamt, beziehungsweise dem eidgenössischen Niederlagshaus zugestellten und dort amtlich geprüften Denaturierungssubstanzen.

Für die Besorgung der Operation haben die Bezüger, resp. deren Warent'ührer der amtierenden Zollbehörde eine Entschädigung von 50 Cts. für je 100 kg. gebrannte Wasser zu entrichten. Diese Entschädigung soll indessen den Betrag von Fr. 10 für eine Wagenladung nicht übersteigen.

Die Oberzolldirektion übergiebt der Alkoholverwaltung allmonatlich eine detaillierte Zusammenstellung der Einfuhrdeklarationen mit Angabe der stattgehabten Erledigung.

Art. 15. Bei Einverständnis des Finanz- und Zolldepartements kann die relative Denaturierung und die vorgängige Prüfung der vom Besteller gelieferten Denaturierungsstoffe auch im Domizil des Inhabers der Bewilligung zur relativen Denaturierung stattfinden, gleichviel, ob dieser letztere den benötigten Alkohol bei der Monopolverwaltung oder aus dem Auslande, beziehungsweise einem eidgenössischen Niederlagshaus bezieht. Der Bezüger hat indessen in diesem Falle für die erforderlichen Geräte und Hülfsleistungen zu sorgen und die reglementarischen Diäten und Reisekosten des oder der zu der betreffenden Amtshandlung beorderten Beamten der Alkohol- oder Zollverwaltung zu bezahlen.

Art. 16. Wer den Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses oder den zum Vollzug desselben erlassenen Verfügungen zuwiderhandelt, wird nach Maßgabe der einschlägigen Strafbestimmungen des Alkoholgesetzes oder<,des Bundesgesetzes über das Zollwesen oder beider Gesetze zugleich zur Verantwortung gezogen.

o

Art. 17. Der vorliegende Beschluß (ritt sofort in Kraft.

Mit dessen Inkrafttreten fallen alle mit demselben in Widerspruch stehenden früheren Erlasse außer Wirksamkeit.

229 Das Finanz- und Zolldepartement wird mit dem Vollzug des Beschlusses beauftragt.

B e r n , den 31. Januar 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesratcs, Der Bundespräsident:

Scbenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Ringier.

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