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Schweizerisches Bundesblatt.

45. Jahrgang. II.

Nr. 20.

10. Mai 1893.

Einrückungsgebühr per Zeile oder deren Raum 15 Bp. -- Inserate franko an die Expedition.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 6 Franken.

Druck und Expedition der Buchdruckerei Karl Stämpfli & Cie. in Bern,

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Petitionen des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber und der Pferdezüchter der romanischen Schweiz.

(Vom 5. Mai 1893.)

Tit.

Im Dezember 1891 haben Sie uns zur Berichterstattung und Antragstellung eine P e t i t i o n des V e r e i n s o s t s c h w e i z e r i s c h e r P f e r d e b e s i t z e r und P f e r d e l i e b h a b e r überwiesen, in welcher verlangt wird, daß von einer fortwährenden Vergrößerung des Regiepferdebestandes und namentlich auch von dem angeregten Ankauf von Trainpferden durch den Bund Umgang genommen werde.

In seinem zweiten Teil wendet sich dieses Begehren gegen eine Forderung, die in der P e t i t i o n von Pferdezüchtern d e r r o m a n i s c h e n S c h w e i z enthalten ist, und deshalb ist es notwendig, daß wir in der heutigen Berichterstattung auch auf diese ersteingelangte und in unserem Bericht vom 15. Juni 1891 (Bundesbl. 1891, III, 650) bereits behandelte Eingabe wieder zurückkommen.

Übereinstimmend befassen sich zudem beide Petitionen mit der Hauptfrage, auf welchem Wege und durch welche Mittel eine stärkere Berücksichtigung und bessere Verwendung der Landespferde im Militärdienst herbeigeführt werden könne.

Diese Frage, gleich wichtig in militärischer wie in landwirtschaftlicher Beziehung, ist keineswegs neu. Seit Jahren sind über denselben Gegenstand Eingaben an den Bundesrat gelangt, Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. II.

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und an Vorschlägen zur Verbesserung des jeweilen angewandten Systems, die heimischen Pferde der Landbevölkerung zum Militärdienst beizuziehen, hat es niemals gefehlt. Von keinem dieser Vorschläge kann man aber sagen, daß er eine allseitig befriedigende und allen Anforderungen und Wünschen entsprechende Lösung der schwierigen Frage herbeigeführt haben würde.

Eine stärkere Berücksichtigung und bessere Verwendung der Landespferde im Militärdienst bedingt eine Änderung des bisher befolgten'Systems der P f e i ' d e s t e l l u n g bei der A r t i l l e r i e .

Deshalb setzen die Potenten, die Pferdezüchter der romanischen Schweiz und die ostschweiaerischen Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber, an diesem Punkte ein und suchen, von hier ausgehend, die endgültige Lösung der Hauptfrage herbeizuführen.

In beiden Eingaben wird daher übereinstimmend darzulegen versucht, daß das bisher befolgte System der Pferdestellung bei der Artillerie bedeutende Nachteile aufweise.

Es schade in hohem Grade der Landwirtschaft, besonders den Pferdezuchtern und Pferdebesitzern, indem es für die Produkte der erstem zu wenig Abnahme und für die effektiv gehaltenen Pferde der letztern zu wenig Verwendung übrig lasse. Dadurch aber werde ein weiterer, in militärischer Hinsicht wichtiger Nachteil hervorgerufen, indem der Pferdebestand der Schweiz in qualitativer und quantitativer Beziehung zurückgehen müsse.

Das bisher befolgte System der Pferdestellung bei der Artillerie besteht darin, daß die Pferde erster Annahme, d. h. diejenigen Pferde (cirka 300 Stück per Jahr), die in den Schulen und Kursen der Artillerie als Reitpferde Verwendung finden, von der eidgenössischen Regieanstalt gestellt werden, während dagegen die Pferde zweiter Annahme, d. h. die für die Bespannungen notwendigen Zugpferde, eingemietet werden.

Was die Pferde erster Annahme betrifft, so wurden eigentliche Mietpferde als solche niemals zugelassen, und zwar aus zwei Gründen : 1. mit Rücksicht auf die thatsächlich vorhandene Schwierigkeit, auf dem Wege der Miete nur einigermaßen trainierte und angerittene Pferde für Schulen und Kurse zu bekommen, und 2. wegen des hohen Pferdebestandes der Regie, der es unbedingt erfordert, daß ihr gestattet werde, den Großteil ihrer Pferde als Pferde erster Annahme in die Schulen und Kurse der Artillerie abzugeben.

Am 24. Juni
1889 wurde der Bundesral eingeladen, nachdem bereits infolge eines Postulats vom 9. Juni 1883 der Pferdebestand der Regieanstalt successive auf 275 Stück gebracht worden war,

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neuerdings die Frage zu prüfen, ob nicht zum Zweck besserer Bern ontierung der Kavallerie und Artillerie ein ständiges Pferdedepot zu errichten sei. Gestützt auf dieses Begehren erfolgte seither die Errichtung des Centralretnontendepots für die Kavallerie und die Erhöhung des Pferdebestandes der Regie auf das Doppelte; für die durch die Vermehrung notwendig gewordene Erweiterung der ßegieanstalt bewilligten die Räte unterm 26. Juni 1890 einen Kredit von Fr. 485,000.

Infolge dieser Bestanderhöhungen stehen in der Regie gegenwärtig cirka 540 Reitpferde. Diese können im Friedensverhältnis nicht alle ausschließlich als Offizierspferde in Dienst gegeben werden, sondern man muß für den größern Teil derselben bei der Artillerie Verwendung suchen, wenn sie nicht während mehrerer Monate unbeschäftigt bleiben sollen, was einen doppelten Nachteil zur Folge, hätte, einerseits für die Pferde selbst, die nicht in beständigem Training erhalten werden könnten, anderseits für die eidgenössische Staatskasse, welche das unausbleibliche bedeutende Deficit der Regieanstalt decken müßte.

Hauptsächlich aus diesem letztern finanziellen Grunde wurde die Anordnung getroffen, daß die Regie allein die Pferde erster Annahme zu den Artillerieschulen und -kursen zu stellen habe.

Was die Pferde zweiter Annahme betrifft, d. h. die für di« Bespannungen notwendigen cirka 300 Zugpferde, so wurden diese, wie oben erwähnt, nach dem bisher befolgten System je nach Bedarf eingemietet. Hier konnten also die Landespferde zur Verwendung kommen, und wenn dies nicht in höherem Grade erfolgte, als es thatsächlich der Fall war, so liegt die Schuld, wie wir im weitern nachweisen werden, nicht auf einer Seite allein. -- Gegen dieses bisher befolgte System der Pferdestellung bei der Artillerie wenden sich also ü b e r e i n s t i m m e n d die beiden Eingaben der Pferdezuchter aus der romanischen Schweiz und der Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber aus der Ostschweiz. Die Vorschläge aber, nach denen ein jeder Teil für sich eine Besserung der gegenwärtigen Verhältnisse herbeiführen will, stehen unter sich in d i a m e t r a l e m Gegensatz.

Die Pferdezüchter der romanischen Schweiz verlangen mit Bezug auf die vorliegende Frage: A n k a u f der A r t i l l e r i e pferde im In lande durch das Militärdepartement.

Zur Begründung des Antrages wird
geltend gemacht, daß seit ungefähr 20 Jahren durch den Import geeigneter Hengste und durch Prämiierung von Fohlen und von Weiden Wesentliches zur Hebung unserer Pferdezucht gethan worden sei. Was jedoch den Pferdezüchtern immer noch fehle, das sei der gesicherte und regelmäßige

828 Absatz ihrer Produkte, und dieser könne nur gefunden werden durch den Verkauf derselben als Truppenpferde, speciell als Artilleriepferde, da zur Zeit die Qualität sich noch nicht zur Retnontierung für die Kavallerie eigne.

Der Verein ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber verlangt dagegen, d a ß v o n e i n e r b e s t ä n d i g e n V e r m e h r u n g der R e g i e p f e r d e und n a m e n t l i c h auch von dem vorgeschlagenen Ankauf von Trainpferden durch den B u n d U m g a n g genommen werde.

Die Potenten sind überzeugt, daß eine Vermehrung der eidgenössischen Pferdebestände weder im militärischen noch im finanziellen lateresse des Bundes liege und daß sie auf der andern Seite die Interessen der landwirtschaftlichen Bevölkerung schwer schädige. Der Bund habe die Pflicht, im eigenen Lande für ein quantitativ und qualitativ genügendes Pferdematerial zu sorgen.

Dies geschehe: 1. durch Hebung der Pferdezucht, 2. durch Import, und 3. durch Heranziehen des heimischen Pferdematerials zum Militärdienst. Das letztere Mittel sei besonders geeignet, die Pferdezucht zu heben und das Halten von Pferden besserer Qualität durch die landwirtschafttreibende Bevölkerung zu fördern. Dagegen komme es darauf an, in welcher Form und ssu welchen Zwecken dieses Herbeiziehen des heimischen Pferdematerials zum Militärdienst geschehe. Es könne in doppelter Art erfolgen: durch Kauf oder durch Miete. Das Kaufsystem rechtfertige sich da, wo es sich um edlere Pferde handle, die längerer Dressur bedürften, und es könne nichts dagegen eingewendet werden, wenn für den Ankauf von Remonten und für das Heranziehen einer Anzahl von Regiepferden als Offlzierspferde größere Summen ausgeworfen würden.

Anders verhalte es sich aber mit dem Umfang dieser Anschaffungen für die Regieanstalt und mit der Anschaffung von Artilleriepferden.

,,Hier stehen wir'1, erklären die Petenten, ,,vor einem Konflikt mit dem Mietsystem, welches nach Bedarf einen Teil der benötigten Pferde von den Pferdebesitzern zu einem täglichen Mietgeld einmietet. Mit diesem System befand sich bisanhin sowohl der Staat als die pferdebesitzende und vorab die landwirtschaftliche Bevölkerung gut. Die letztere schaffte Pferde an, weil sie sicher war, dieselben jedes Jahr für längere Zeit in Dienst geben zu können, und sie war darauf angewiesen,
gutes Material anzuschaffen, weil sie von vornherein wußte, daß schlechtes für den Militärdienst nicht angenommen werde. War auch das Mietgeld kein erhebliches, so lag ein indirekter Vorteil doch darin, daß nach den Militärkursen die Pferde eingehafert, eingefahren, mehr oder weniger zugeritten den Eigentümern wieder zur Verfügung standen und

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über sie nach dem Dienst anderweitig disponiert werden konnte.

Anderseits hatte aber der Staat den Vorteil, stets eine größere Anzahl solcher Pferde zur "Verfügung zu haben, die er jederzeit zum Militärdienst beiziehen konnte." Die Vermehrung der Regiepferde und ein Ankauf von Artilleriepferden habe dagegen zur unausweichlichen Folge, daß die heimischen Pferde der Bevölkerung quantitativ und qualitativ zurückgehen müßten.

Nachdem der Verein ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber die Frage der Herbeiziehung der Landespferde zum Militärdienst noch vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus beleuchtet hat, macht er in seiner Petition zum Schlüsse das rechtsverbindliche Anerbieten, dem Bunde die sämtlichen Trainpferde für die ostschweizerischen Waffenplätze zum Durchschnittspreis von Fr. 2. 80 zu liefern, woraus, seiner Rechnung nach, für den Bund eine Minderausgabe von Fr. 35,000 per Jahr resultieren soll.

Nur im Ankauf der Artilleriepferde durch den Bund, also in der E r h ö h u n g des eidgenössischen Pferdebestandes, erblicken die einen die Möglichkeit der Verbesserung des gegenwärtig angewandten Systems und der Beseitigung seiner schädlichen Folgen, während die andern nicht nur jede weitere Erhöhung des Pferdebestandes entschieden als unheilvoll von der Hand weisen, sondern sogar eine V e r m i n d e r u n g desselben verlangen, als einziges Mittel, dem Pferdebestand im Lande in qualitativer und quantitativer Beziehung aufzuhelfen.

Es muß zugegeben werden, daß das gegenwärtig angewandte System der Pferdestellung bei der Artillerie neben gewissen Vorteilen auch entschiedene Nachteile aufweist, deren Folgen nicht leicht hingenommen werden dürfen.

Durch die der eidgenössischen Regieanstalt eingeräumte bevorzugte Stellung, die Pferde erster Annahme in den Artillerieschulen allein stellen zu dürfen, wurde die Möglichkeit gegeben, den Bestand an dressierten Reitpferden in unserm Lande zu erhöhen.

Die Artillerie ihrerseits zieht aus dem heutigen System, das ihr als Pferde erster Annahme die durchgerittenen oder wenigstens gut eingerittenen Pferde der Regie zur Verfügung stellt, den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß dadurch die Instruktion und die dienstliche Ausbildung des Einzelnen bedeutend erleichtert und die allgemeine Reitausbildung der Artillerie in hohem Maße gefördert wird.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß das bisherige Verfahren in der Pferdestellung bei der Artillerie, wonach keine Privatreitpferde mehr, auch nicht zum Zureiten taugliche Mietpferde, zur ersten

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Annahme zugelassen werden, auf das heimische Pferdematerial in q u a l i t a t i v e r Beziehung schädigend wirkt. Denn da die landwirtschafttreibende Bevölkerung weiß, daß ihre Pferde zur ersten Annahme nicht zugelassen, d. h. als Reitpferde für die Schulen und Kurse der Artillerie nicht angenommen werden, hält sie solche teurere Pferde im allgemeinen gar nicht mehr, sondern begnügt sich mit geringerem Zugmaterial.

Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die Artilleriepferdestellung durch die Regie und infolgedessen die verminderte Nachfrage nach Landespferdea, in Verbindung mit der schwierigen Lage, in der sich die landwirtschafttreibende Bevölkerung seit Jahren befindet, dazu führen werden, daß der Pferdebestand im Lande in q u a n t i t a t i v e r Beziehung zurückgeht. Mancher kleinere Landwirt würde ein eigenes Pferd halten, wenn er sicher wäre, dasselbe für einen Teil des Jahres in Militärdienst abgeben zu können, da er dadurch nicht nur während einer gewissen Zeit die für seine Verhältnisse hohen Fütterungskosten ersparen, sondern aus dem Vermieten seines Pferdes an die Eidgenossenschaft noch einen ansehnlichen Bargewinn erzielen würde. Nach dem bisherigen Verfahren bietet sich ihm aber hierzu wenig Aussicht.

Für die I n s t r u k t i o n und den F r i e d e n s d i e n s t ergeben sich daher aus der Pferdestellung durch die Regie für die Artillerie Vorteile; im Ernstfalle aber werden ihr aus diesem System schwere Nachteile erwachsen. Im Mobilisierungsfall werden der Artillerie von den 540 Regiepferden nur eine ganz kleine Zahl für höhere Offiziere zur Verfügung stehen; denn der Effektivbestand genügt nur, um die Stäbe beritten zu machen. Die Artillerie wird alle ihre Pferde, diejenigen erster und zweiter Annahme, vom Lande nehmen und sieh notwendigerweise mit dem Material begnügen müssen, das durch das Friedenssystem der Regiepferdestellung in quantitativer und qualitativer Beziehung zurückgegangen sein wird.

Die Notwendigkeit, das bisher befolgte System der Pferdestellung bei der Artillerie abzuändern, ist daher gewiß vorhanden, und in dieser Hinsicht sind die Petition der Pferdezüchter aus der romanischen Schweiz und das Begehren des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber als zeitgemäße Anregungen zu begrüßen.

Es bleibt uns übrig, zu prüfen, ob wir auf einem der
von den Petenten vorgeschlagenen Wege -- denn der eine schließt die Möglichkeit des andern aus -- zu dem erwünschten Ziel gelangen können.

Die Pferdezüchter der romanischen Schweiz verlangen : Ankauf der Artilleriepferde im Inlande durch das Militärdepartement. Genauer gefaßt lautet ihre Forderung: Beibehaltung des jetzigen

831 Pferdebestandes in der Regie zur Stellung der Pferde erster Annahme und daneben Errichtung eines Pferdedepots von cirka 300 Zugpferden durch Ankauf im Inland.

Vorerst muß bemerkt werden, daß diese Art des Vorgehens den Pferdezüchtern nur geringen Nutzen bringen würde. Deieia malige Ankauf von 300 Pferden und die jährlich notwendig werdende Remontierung von höchstens 100 Stück stehen in keinem Verhältnis zur Produktion, die im Jahr 1890 über 2000 Fohlen aus vom Bunde anerkannten Hengsten aufweist.

Dagegen stehen den sich ergebenden Vorteilen, die identisch sind mit denen, die aus der Stellung der Pferde erster Annahme durch die Regie hervorgehen (Vereinfachung der Verwaltung und Förderung der Reit- und Manövrierausbildung der Artillerie infolge des immer zur Verfügung stehenden gleichen geschulten Pferdematerials), schwerwiegende Nachteile gegenüber.

Durch Errichtung dieses ständigen Depots von cirka 300 Artilleriezugpferden würden wir, wie es bereits durch die Erhöhung des Pferdebestandes der Regie geschehen ist, eine Friedensinstitution schaffen, die sich gewiß in Friedenszeit trefflich bewähren würde, die aber in dieser Zeit schon die Ursachen schlimmer Folgen für den Ernstfall in sich schlösse.

Wenn der Bund neben den Pferden erster Annahme in Artillerieschulen und -kurse nun auch die Pferde zweiter Annahme stellen würde, so wäre ganz natürlich im Friedensverhältnis das weitere Herbeiziehen von Landespferden zum Militärdienst, außer in Truppenzusammenzügen, durchaus unmöglich geworden. Zu den verhältnismäßig nur kurze Zeit dauernden Divisionsübungen allein giebt aber der PferdebesiUer seine Pferde nicht gern; denn die Einnahme ist gering und an die Leistungsfähigkeit der Pferde werden große Anforderungen gestellt. Es würde sich somit als erster Übelstand der ergeben, daß man gezwungen wäre, in Truppenzusammenzügen zu weitgehenden Requisitionen zu schreiten, um die notwendige Zahl an Zugpferden zu erhalten.

Weit wichtiger wären aber die Folgen dieses Systems im Mobilisierungsfall. Da genügten die 300 Pferde des eidgenössischen Depots nicht mehr; denn zur Bespannung unserer Batterien, Parkkolonnen und Trainabteilungen bedürfen wir 13,300 Pferde. Woher sollen wir diese nehmen als vom Lande? Allein das Friedensdepot würde die schädliche Wirkung haben, daß die Landespferde vom Militärdienst
ausgeschlossen wären, mit Ausnahme der kurzen Zeit in Truppenzusammenzügen. Diese Landespferde, die nun notgedrungen beigezogen werden müßten, wären keineswegs an den Dienst gewöhnt, nicht an das Feuer der Geschütze, nicht an die

832 Art der Beschirrung und der Anspannung, nicht an das Fahrsystem und an die erhöhten Leistuogen, die plötzlich von ihnen verlangt werden müßten. Dazu käme der weitere Übelstand, daß Offiziere und Trainsoldaten, an das geschulte Friedensmaterial gewöhnt, in den so wichtigen ersten Tagen der Mobilmachung mit dem ungewohnten, ungeschulten Pferdetnaterial nicht umzugehen wüßten, von den dadurch entstehenden Schwierigkeiten voll in Anspruch genommen würden und für jede andere an sie herantretende Aufgabe zum Teil leistungsunfähig wären.

Im fernem würde die Errichtung eines Friedensdepots an Zugpferden voraussichtlich noch ein weiteres Zurückgehen des Bestandes an heimischem Pferdematerial auch in quantitativer Beziehung zur Folge haben.

Auf dem von den Pferdezüchtern der romanischen Schweiz vorgeschlagenen Wege gelangen wir somit zu keiner Besserung der gegenwärtigen Verhältnisse. Es bleibt uns übrig, den Vorschlag der Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber aus der Ostschweiz zu prüfen.

Diese verlangen Beibehaltung des bisher angewandten Mietsystems, eventuell Reduktion des Pferdebestandes der Regie, so daß in Zukunft auch Landespferde zur ersten Annahme in Artillerieschulen zugelassen werden könnten.

Es mag den Anschein haben, als ob dieses Verfahren zu dem erwünschten Ziele führen würde, durch Herbeiziehung der Landespferde zum Militärdienst nach und nach zu einem bedeutenden Bestand von an den Feldartilleriedienst gewöhnten Pferden zu gelangen. Nähere Prüfung ergiebt aber die Unhaltbarkeit dieser Annahme.

Trotz aller Mühe, die sich das Oberkriegskommissariat und die von .ihm bestellten Pferdestellungsoffiziere jederzeit gegeben haben, ist es nicht möglich gewesen, für die Einmietung der Artilleriepferde mit den kleinen Pferdebesitzern selbst in Verbindung zu treten. Immer sah man sich auf Pferdelieferanten angewiesen. Im Frühjahr und Sommer ließen sich die Pferde allerdings leicht direkt vom Pferdebesitzer beziehen; allein in dieser Zeit ist der Bedarf gering. Anders aber gestaltet sich die Pferdebeschaffung für die Zeit vom 1. August bis 15. Oktober, besonders aber flir die Zeit der Divisionsübungen. Die Mietpferde sind sowieso nur aus ackerbautreibenden Gegenden erhältlich, und zu der Zeit, wo der Bedarf jeweilen der größte ist, stellen sich auch die hauptsächlichsten landwirtschaftlichen Arbeiten ein. Der Landwirt giebt zu dieser Zeit seine Pferde nur sehr ungern in Militärdienst, und wenn er sie doch giebt, so geschieht es nicht selten nur

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deshalb, um dem ihm befreundeten Lieferanten gefällig zu sein.

Der Lieferant befaßt sich aber mit der Pferdestellung in dieser schwierigen Zeit nur dann, wenn ihm auch die mehr Gewinn einbringenden Lieferungen für den Frühlings- und Sommerdienst zugesichert werden. Unzählige Pferde, welche bis jetzt in Truppenzusammenzügen dienten, wären beim direkten Bezug vom Besitzer nicht erhältlich. Folgende Thatsachen legen hierfür Zeugnis ab: Im Jahr 1885 hat das Militärdepartement die Pferdelieferung für das damalige Jahresbedürfnis in der ganzen Centralschweiic in verschiedenen Blättern zur Konkurrenz ausgeschrieben. Es sind ihm 17 Pferde angemeldet worden. Und im Jahr 1890 hat der Pferdestellungsoffizier der Centralschweiz, um mit den Pferdebesitzern in direkte Beziehung zu treten, die Lieferung in 42 Zeitungen ausgeschrieben. Dafür hat er bei einem Bedarf von 1200 Pferden im ganzen 35 Anmeldungen bekommen.

Zur Erklärung dieser fast unfaßbar scheinenden Thatsache muß allerdings gesagt werden, daß es sich in beiden Fällen um einmalige Versuche handelte. Wir sind überzeugt, daß man nach und nach zu besseren Ergebnissen gekommen wäre, wenn die Versuche systematisch fortgesetzt worden wären. Anderseits muß man aber auch mit der Thatsache rechnen, daß der pferdehaltende Bauer nicht frühzeitig sich zur Abgabe seiner Pferde in Militärdienst verpflichten lassen will. Bis zum letzten Augenblick will er sich die freie Verfugung über dieselben vorbehalten. Dazu kommt uocb, daß, wie wir bereits erwähnten, wir die Landespferde nicht zur ersten Annahme zulassen können. Man will die Pferde erst ia dem Zeitpunkt zum Militärdienst verwenden, wo der Bauer sie selbst am notwendigsten braucht und ohne sie nicht auskommen zu können vermeint.

Somit sind wir, svie die Erfahrung beweist, bei Beibehaltung des bisher befolgten MietVerfahrens auf die Lieferanten angewiesen.

Diese allein sind bereit, die durchaus notwendige Garantie zu übernehmen, daß die Mietpferde zur rechten Zeit und am rechten Ort, in genügender Zahl und annähernd entsprechender Qualität gestellt werden. Und auch die Lieferanten gewähren diese durchaus notwendige Sicherheit nur, wenn man den äußersten Grad der Nachsicht den von ihnen gestellten Pferden gegenüber anwendet und wenn ihnen bei dem Unternehmen ein genügend großer Gewinn in Aussicht gestellt wird.
Das Lieferantensystem hat aber auch seinerseits bedeutende Nachteile zur Folge. Die Lieferanten verfügen über einen Stock von 300--400 Pferden und bringen diese, während einer Reihe von Jahren immer dieselben, in die Schulen und Kurse der Artillerie.

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Nur für Truppenzusammenzüge suchen sie Pferde im Lande direkt vom Besitzer zu bekommen. Diese Art des Vorgehens hat aber keineswegs eine Erhöhung des Bestandes an einheimischein Pferdematerial zur Folge, weit weniger noch eine Erhöhung des Bestandes an Landespferden, die an den Artilleriedienst gewöhnt sind.

Zudem sind die Pferde, welche durch die Lieferanten gestellt werden, zum Teil sehr minderwertig, da ein billiges Pferd dasselbe Mietgeld einträgt, wie ein besseres mit höherem Schatzungswert. Daraus ergeben sich aber die oft ganz anormal hohen Abschatzungssummen, die, wie die Erfahrung beweist, im entgegengesetzten Verhältnis stehen zum Schatzungswert des zum Dienst beigezogenen Pferdematerials.

Das Mietverfahren, wie es bisher allein möglich war, genauer bezeichnet also das System der Pferdebeschaffung durch Lieferanten, weist, ganz allgemein betrachtet, auch seinerseits so bedeutende Nachteile auf, daß es im' Interesse der Feldtüchtigkeit unserer Artillerie nicht beibehalten werden darf.

Was nun speciell noch das Anerbieten des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber anbetrifft, sämtliche Artilleriepferde für den Waffenplatz Frauenfeld zu einem Einheitspreis von Fr. 2. 80 per Stück stellen zu wollen, so ist darauf hinzuweisen, daß sich dieses Verfahren wenig vom System der Pferdebeschaffung durch Lieferanten unterscheiden würde. Zudem läßt der Verein bei der Beschaffung der angebotenen Pferde den größern Teil des Kantons Zürich außer Betracht, während doch dieser allein im Kriegsfalle ebensoviele Pferde zu stellen hat, wie Thurgau und St. Gallen zusammen.

Der Kanton Zürich würde dadurch in seinen Interessen, sowohl was die Beschaffung der Artilleriepferde, als die pferdebesitzendeo Landwirte betrifft, geschädigt, da er, solange als der Verein bestehen würde, vou der Pferdestellung ausgeschlossen wäre.

Aus diesen und andern Gründen, deren Aufführung an dieser Stelle wir nicht für angezeigt erachten, glauben wir auf das Anerbieten des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber nicht eintreten zu sollen.

Aus unsern Ausführungen geht hervor, daß das bisher befolgte System der Pferdestellung bei der Artillerie, das nur den Friedensverhältnissen Rechnung trägt, thatsächlich eine Reihe von Übelständen aufweist, die im Interesse der Schlagfertigkeit unserer Armee durchaus beseitigt werden sollten.

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Im weitern ist nachgewiesen worden, daß ein einseitiges Eingehen auf die Forderungen der Pferdezüchter der romanischen Schweiz und des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber, die unter sich in diametralem Gegensatz stehen, die Übelstände nicht beseitigen und keine wesentlich stärkere Berücksichtigung und bessere Verwendung der Landespferde im Militärdienst herbeiführen würde. Die Abhülfe muß daher in anderer Richtung gesucht werden.

Jedem ernsthaften Versuch, unter gleicher Berücksichtigung der militärischen wie der landwirtschaftlichen Interessen das bisher befolgte Verfahren der Pferdestellung bei der Artillerie abzuändern, steht aber als schwer zu beseitigendes Hindernis der hohe Pferdebestand der Regieanstalt entgegen. Zwar müssen wir zum voraus betonen, daß wir die Pferderegieanstalt beim bisherigen System der Artilleriepferdestellung und der jetzt üblichen Art der Berittenmachung unserer Offiziere als ein unentbehrliches Institut betrachten und daß dessen Erweiterung auf den jetzigen Bestand ein dringendes Bedürfnis war. Nur mittelst der Regieanstalt wird es bei dem Mangel an Reitpferden im eigenen Lande möglich, bei einer Mobilisierung wenigstens die Offiziere der Stäbe beritten zu machen. Allein die Erweiterung des Bestandes der Regieanstalt hat zur Folge, daß die Lieferung eines großen Teils der Artilleriepferde dieser Anstalt übertragen werden muß, soll sie nicht mit einem beträchtlichen jährlichen Betriebsdefieit abschließen. Die bevorzugte Stellung aber, die deshalb den Regiepferden in Bezug auf Annahme und Mietgeld eingeräumt werden muß, schließt die Landespferde vom Mitbewerb in ausgiebiger militärischer Dienstleistung aus.

Wenn wir daher im Interesse unserer Armee eine stärkere Berücksichtigung und bessere Verwendung der Landespferde im Militärdienst herbeiführen wollen, müssen wir vor allem untersuchen, auf welchem Wege eine allmähliche Reduktion des Pferdebestandes der Regieanstalt herbeigeführt werden darf, damit diese fernerhin nicht mehr genötigt ist, ihre vitalen Interessen darin zu suchen, allein die Pferde erster Annahme und zum Teil auch diejenigen zweiter Annahme in Schulen und Kursen der Artillerie zu stellen.

Nur ein Verfahren kann hier, unserer Ansicht nach, zum Ziele führen : Der Bestand an Reitpferden im Lande muß erhöht werden.

Dies ist
zudem eine Forderuog, die schon im Interesse der Kriegsbereitschaft unserer Armee erhoben werden muß.

Denn die 540 Pferde der Regieanstalt genügen wohl, um in Friedenszeit die Pferde erster Annahme bei der Artillerie zu stellen ; und daneben bleiben auch noch genug eingerittene Pferde übrig, um jedem berittenen Offizier, der sich darum bewirbt, für seinen Dienst ein Regiepferd zur Verfügung stellen zu können. Anders

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liegen aber die Verhältnisse in einem Mobilisierungsfall. Die Regiepferde genügen im Kriegsfalle nur zur Berittenmachung der Stäbe; keio berittener Subalternoffkier, viel weniger noch die Artillerie, werden von der Regie Pferde erhalten. Für berittene Offiziere und Unteroffiziere des Auszugs und der Landwehr bedürfen wir aber für die Mobilisierung total 6502 Reitpferde. Wenn wir nach der militärischen Pferdezählung vom Oktober und November 1890 den Bestand an zum Zureiten tauglichen, aber n i c h t zugerittenen Pferden außer Betracht lassen, so sind 1785 Reitpferde zu wenig vorhanden.

Um daher mit Bezug auf Reitpferde kriegsbereit zu sein, müßten wir entweder die Pferderegieanstalt so sehr erweitern, daß sie über 2000 Pferde aufnehmen und jederzeit bereit halten könnte, oder dann muß auf irgend eine andere Weise der Bestand an Reitpferden im Lande entsprechend erhöht werden.

Eine Regieanstalt mit über 2000 Pferden ist aber nicht leicht denkbar, einerseits, weil sie dem Bunde jährlich eine schwere finanzielle Einbuße auferlegen würde, da es unmöglich wäre, auch nur die Hälfte der Pferde dauernd nutzbringend zu verwenden; anderseits, weil durch diese Erweiterung die Nachteile, die an sich der Friedensinstitution einer zu großen Regieanstalt anhaften (Ausschluß der Laudespferde vom Militärdienst etc.), weit stärker als jetzt schon hervortreten würden.

Somit bleibt nur übrig, darnach zu trachten, den Reitpferdebestand im Lande zu erhöhen.

Auf zwei Wegen, so scheint es uns, könnte dies erreicht werden : 1. durch finanzielle Unterstützung derjenigen Offiziere, die sich ein eigenes Reitpferd halten ; 2. durch Verabfolgung von Prämien an Landwirte, die Ofliziersreitpferde halten und diese für den Militärdienst zur Verfügung stellen.

Gesetzlich sind die berittenen Offiziere verpflichtet, sich selbst beritten zu machen. Thatsächlich halten aber gegenwärtig kaum 800 Offiziere unserer Armee eigene Reitpferde. Den übrigen gestatten es entweder ihre bürgerlichen Verhältnisse nicht, oder sie ·erachten es als bequemer und finanziell vorteilhafter, statt ein' eigenes Reitpferd zu halten, mit gut trainierten Regiepferden in Dienst zu treten.

Uns scheint, der Bund sollte dem berittenen Offizier gegenüber es nicht dabei bewenden lassen, daß er ihn verpflichtet, sich selbst beritten zu machen, und daß er ihm hierfür im Dienste die gesetzliche Mietgeldentschädigung entrichtet. Er sollte ihm auf irgend

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eine Art die Haltung eines e i g e n e n Reitpferdes erleichtern, sei es durch Einführung der Amortisation, ähnlich wie bei den Pferden der Kavallerie, sei es durch Zusicherung eines jährlichen Beitrages an die Kosten des Unterhaltes für ein effektiv gehaltenes Reitpferd.

Aus einem solchen Vorgehen würde sich nebst der Erhöhung des Bestandes an Reitpferden im Lande der weitere eminente Vorteil ergeben, daß unsere berittenen Milizoffiziere, zum namhaften Teil im Besitz eigener Pferde, außer Dienst mehr reiten und sich dadurch eine bessere Reitausbildung aneignen würden, als gegenwärtig durchschnittlich der Fall ist. Sie würden sich zudem, was heute schlechterdings unmöglich ist, mehr Verständnis für die Behandlung und Pflege der Pferde erwerben, und dies hätte im weitern zur Folge, daß bei Friedensübungen viele der bisherigen, auf ungenügende Pferdewartung zurückzuführenden Abschatzungsbeträge für Offiziers- und Truppenpferde wegfallen und daß im Kriegsfall nicht schon in den ersten Tagen bedeutende Pferdenachschübe notwendig sein würden oder Offiziere, die beritten sein sollten, ihren Dienst zu Fuß machen müßten.

Allerdings wären die Kosten, welche dem Bunde aus der Amortisation oder Ralionsvergütung für Offizierspferde erwachsen würden, nicht unbedeutend. Wenn wir annehmen, daß auch nur 500 Offiziere infolge der Gewährung eines Bundesbeitrages sich dazu entschließen sollten, ein eigenes Reitpferd zu halten, so würde dies doch, zusammen mit den schon jetzt vorhandenen cirka 800 Offlzievspferden in Privatbesitz, eine Jahresausgabe von cirka Fr. 425,000 für Amortisation oder Rations vergiltung erfordern. Allein es fragt sieh, ob diese Summe zu hoch sei im Hinblick auf die Vorteile, die sich aus einem solchen Vorgehen für die Kriegsbereitschaft unserer Armee ergeben würden.

Um noch weiter zu gehen und um den Bestand an Reitpferden im Lande noch mehr zu erhöhen, mit einem Wort, um die Décentralisation der Regieanstalt herbeizuführen, könnte vom Bunde denjenigen Landwirten, die Offiziersreitpferde halten und diese auch in Friedenszeit, vorab bei größern Feldmanövern, den Offizieren im Dienst zum üblichen Mietgelde überlassen, Prämien verabfolgt werden, im Betrag von 10--15 °/o des Ankaufspreises des betreffenden Pferdes.

Dem Landwirte wird es in der Regel kein Schaden sein, sich Pferde zu halten,
die auch als Reitpferde benutzt werden können.

Solche Pferde können so ziemlich zu allen landwirtschaftlichen Arbeiten so gut verwendet werden, wie andere. Als Beweis dient der Pferdebestand des Kantons Schaffhausen, wo gegenwärtig je das neunte Pferd vom Gesamtbestand ein Dragonerpferd ist.

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Der Landwirt zöge aus diesem Verfahren einen nicht unbedeutenden Vorteil, da ihm nebst der Ausnützung der Arbeitskraft des Pferdes auch eine hohe Verzinsung des Anlagekapitals gesichert wäre.

Wenn es nun gelingen sollte, auf diesem Wege den Bestand an Reitpferden im Lande bedeutend zu erhöhen, dann würde es auch möglich sein, im Verhältnis zur Vermehrung der Reitpferde im Privatbesitz nach und nach die Regieanstalt zu reduzieren.

Dann, und. nur dann, könnte auch die Frage der Pferdestellung bei der Artillerie in einer Weise gelöst werden, die allen Interessen gerecht würde.

Für die Artillerie handelt es sich vor allem darum, -- diese Forderung muß im Interesse der Feldtüchtigkeit unserer Batterien erfüllt werden -- daß ihr die Möglichkeit gegeben werde, sich einen Stamm von zum Feldartilleriedienst geeigneten und an das Geschützfeuer, die Beschirrungsart, das Fahrsystem u. s. w. gewohnten Pferden im eigenen Lande zu beschaffen und zu erhalten.

Daneben haben wir bei der Artilleriepferdestellung auch diu Interessen der landwirtschaftlichen Bevölkerung, der Pferdezüchter sowohl als der pferdehaltenden Landwirte, zu berücksichtigen.

Es würde sich daher empfehlen, bei der Artilleriepferdebeschaffung in folgender Weise zu verfahren : Die Eidgenossenschaft kauft jedes Jahr im Frühling vor Beginn der Artillerierekrutenschulen eine größere Anzahl fünf- bis sechsjähriger Pferde, wo immer möglich nur im Inland. Der Durchschnittspreis wird auf Fr. 900 bis 1000 festgesetzt. Diejenigen Pferde, die sich als Pferde erster Annahme, also als Reitpferde für die Rekrutenschulen der Artillerie eignen, müßten \lk bis 2 Monate vor Beginn der Schulen angekauft werden, damit sie in der Regieanstalt der notwendigen ersten Dressur unterworfen werden könnten. Die Zugpferde dagegen würden erst mit dem Beginn der Rekrutenschulen angekauft und sofort, zugleich mit den Pferden erster Annahme, auf die Waffenplätze Thun, Frauenfeld und Bière verteilt.

Nach Schluß des Dienstjahres würden die Pferde verkauft sei es auf dem Wege des freien Verkaufs oder der Versteigerung, in beiden Fällen aber unter der Bedingung, daß der neue Besitzer das Pferd während der nächsten Jahre dem Bunde zur Verfügung halten müßte. Um diese Verkaufsbedingung annehmbar zu machen, würden die Pferde zu cirka 2ls des Ankaufspreises, also im Durchschnitt
zu Fr. 600--650, an die Käufer abgegeben, und es würde diesen für den Fall, daß ihr vom Bunde gekauftes Pferd in weitern Schulen und Kursen der Artillerie Verwendung finden sollte, ein

839 höheres Mietgeld zugesichert, als durchschnittlieh für gewöhnliche Mietpferde bezahlt wird.

Durch den Wiederverkauf der Bundespferde unter der Bedingung, daß die Pferde während einer noch zu bestimmenden Zeit im Lande verbleiben und dem Bunde zur Verfügung gehalten werden müssen, würde sich eine dauernde direkte Beziehung zwischen Bund und Pferdebesitzern ergeben. Dies dürfte zu dem seit langer Zeit vergebens angestrebten Ziele führen, daß bei der Beschaffung der Pferde für größere Felddienstübungen der Artillerie, wo voraussichtlich die Bundespferde nicht ausreichen werden, der Verkehr mit den Lieferanten, wenn immer möglich, ganz vermieden und direkt mit den Pferdebesitzern verhandelt werden könnte. Denn den Besitzern von Bundespferden, die mit dem Bunde schon in Beziehungen stehen, ihre Pferde an denselben vermieten und sich dabei gut stellen, wird es leicht sein, als Mittelspersonen zwischen dem Bunde und andern Pferdebesitzern zu handeln. Damit wäre neuerdings ein viel und teilweise mit Recht gerügter Übelstand des bis heute angewandten Systems der Artilleriepferdestellung durch Lieferanten beseitigt.

Aber auch hier muß der Bund finanzielle Opfer bringen, wenn das angestrebte Ziel erreicht werden soll. Zwar werden sie nicht so bedeutend sein, wie es bei oberflächlicher Betrachtung wohl scheinen könnte. Denn wenn die Pferde auch zu 2ls ihres Ankaufspreises abgegeben werden müssen, so darf dabei nicht außer acht gelassen werden, daß sie während ihres ersten Dienstjahres, abgesehen von der Verzinsung des Anlagekapitals, so viel von ihrem Ankaufspreis abverdient haben werden, daß der Ausfall zwischen diesem und dem Verkaufspreis als annähernd gedeckt erscheint.

Dafür würden wir aber, wenn das vorgeschlagene Verfahren befolgt würde, nach Verlauf von wenigen Jahren für die Bespannungen unserer Feldbatterien einen Stamm von geschulten, feldtüchtigen Artilleriepferden im eigenen Lande haben, und anderseits würde der Landwirtschaft, den Pferdezüchtern sowohl als den Pferdebesitzern, in wirksamster Weise die gewünschte Unterstützung zu teil.

Die Pferderegieanstalt würde ihrerseits aus einer Reduktion ihres Bestandes nur Nutzen ziehen. Denn erst dann könnte sie ihre eigentliche Aufgabe, die Centralequitationsanstalt unserer Armee zu sein, wirklich erfüllen. Bei dem gegenwärtigen großen Pferdebestand
muß sie, trotz besserer Bestrebungen, gezwungen die Rolle eines umfangreichen Pferdevermietungsgeschäftes übernehmen. Ihre eigentliche und höhere Aufgabe, um derentwillen das Institut von Anfang an errichtet wurde, einerseits Reitlehrer als Instruktionsoffiziere für unsere Armee auszubilden, anderseits diejenigen zwei Kate-

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gorien von Pferden abzurichten, die sie allein noch braucht, die Pferde für Offiziersinstruktionskurse und Offiziersbildungsschulen und die Pferde, die an berittene Offiziere verkauft werden sollen, kann die Regieanstalt gegenwärtig nicht erfüllen.

Auch die neuerstellten Räumlichkeiten der Regieanstalt wären keineswegs überflüssig, indem dort diejenigen angekauften Artilleriepferde, die sich als Pferde erster Annahme eignen würden, zugeritten und auch die andern Pferde zweiter Annahme immer während einer gewissen Zeit des Jahres untergebracht werden müßten.

Wir glauben, daß ein Verfahren, wie es in seinen Grundzügen in diesem Bericht niedergelegt ist, alle für unsere Verhältnisse erreichbaren Vorteile ia sich schließt, sowohl in Hinsicht auf die Kriegsbereitschaft unserer Armee als mit Bezug auf die Interessen der landwirtschaftlichen Bevölkerung.

Dennoch erachten wir es nicht als angezeigt, einen darauf sich beziehenden Gesetzesentwurf jetzt schon vorzulegen, weil es als unerläßlich erscheint, daß zuvor alle einschlägigen Verhältnisse noch eingehender geprüft und wenn möglich praktische Erfahrungen gesammelt werden.

Deshalb wird einerseits das Militärdepartement die Frage der Ausrichtung von Fouragevergütungen an alle berittenen Offiziere, die sich ein eigenes Reitpferd halten, eventuell die Einführung von Amortisationen und die Prämienzahlung an Landwirte noch näher prüfen und genaue Erhebungen anstellen lassen über die Tragweite solcher Maßnahmen. Es soll auch in Erwägung gezogen werden, welche schützenden Bestimmungen gegen Mißbräuche zu treffen sind und wie eine zweckentsprechende Kontrolle ausgeübt werden kann.

Anderseits beabsichtigen wir, um praktische Erfahrungen sammeln zu können über das in Vorschlag gebrachte System der Artilleriepferdestellung durch Ankauf der Pferde im Inland und Wiederverkauf derselben nach Schluß des Jahresdienstes, im nächsten Jahre einen solchen Versuch zu machen durch Ankauf von cirkalOO Pferden, die einer Artillerierekrutenschule als Pferde zweiter Annahme zugeteilt und im Spätjahr mit reduziertem Preis zum Verkauf gebracht werden sollen.

Damit wird der Petition der Pferdezüehter aus der romanischen Schweiz wenigstens teilweise Rechnung getragen. Dem Begehren der .Pferdebesitzer aus der Ostschweiz werden wir dadurch zu entsprechen suchen, daß wir die
Pferdestellungsoffiziere anweisen, mit dem Lieferantensystem wenn möglich ganz zu brechen und die Pferde direkt vom Besitzer einzumieten. Im fernem soll die Lieferung ]von Artilleriepferden durch die Regie auf die Pferde erster

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Annahme beschränkt und der Bestand der Pferderegieanstalt auf keinen Fall weiter erhöht werden.

Unter solchen Umständen aber müssen wir uns vorbehalten, zu geeigneter Zeit auf diese für unsere Kriegsbereitschaft so wichtige Angelegenheit wieder zurückzukommen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 5. Mai 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Ringier.

Bundesblatt. 45. Jahrg. ßd. II.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Petitionen des Vereins ostschweizerischer Pferdebesitzer und Pferdeliebhaber und der Pferdezüchter der romanischen Schweiz. (Vom 5. Mai 1893.)

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1893

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20

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10.05.1893

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825-841

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