zu 00.461 Parlamentarische Initiative Revision des Stiftungsrechts (Schiesser) Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats vom 23. Oktober 2003 Stellungnahme des Bundesrats vom 5. Dezember 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, im Sinne von Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG, SR 171.10) unterbreiten wir Ihnen unsere Stellungnahme zu Bericht und Anträgen der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats vom 23. Oktober 2003 (BBl 2003 8153), die eine Revision des Stiftungsrechts im Zivilgesetzbuch sowie eine Revision der Bundesgesetze über die direkte Bundessteuer, über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, über die Verrechnungssteuer und über die Mehrwertsteuer verlangen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. Dezember 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-2495

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Bericht 1

Ausgangslage

Die parlamentarische Initiative «Revision des Stiftungsrechts» wurde von Herrn Ständerat Schiesser am 14. Dezember 2000 in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht.

Im Rahmen der Vorprüfung beschloss der Ständerat am 8. Juni 2001 im Sinne des Antrags seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) einstimmig, der Initiative Schiesser Folge zu geben.

Daraufhin arbeitete eine von der WAK-S eingesetzte Subkommission eine Vorlage aus. Die WAK-S stimmte am 15. Mai 2003 mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen dieser Vorlage zu und beschloss, vor der Überweisung an den Ständerat bei den Kantonen eine Vernehmlassung über die Vorlage durchzuführen.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 4. Juni bis 31. Juli 2003. Alle Kantone mit Ausnahme des Kantons Zug haben die Fragen beantwortet, die ihnen mit der Einladung zur Vernehmlassung unterbreitet wurden; mehrere von ihnen haben zudem zu einzelnen Revisionsbestimmungen Stellung genommen. Zum Entwurf geäussert haben sich auch der Dachverband gemeinnütziger Stiftungen der Schweiz (proFonds), die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und das Opernhaus Zürich; die beiden Letzten nahmen ausschliesslich zur steuerrechtlichen Regelung Stellung. Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sind im Kommissionsbericht zusammengefasst.

Die Kommission beantragt mit 9 zu 1 Stimmen ohne Enthaltungen, den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zuzustimmen. Eine Minderheit möchte weitgehend am geltenden Bundessteuerrecht festhalten.

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Stellungnahme des Bundesrats

2.1

Zur Revision des Zivilgesetzbuchs

2.1.1

Grundsätzliche Zustimmung zum Entwurf

In Übereinstimmung mit den Ausführungen im Kommissionsbericht ist davon auszugehen, dass dem Stiftungswesen in unserem Land grosse Bedeutung zukommt.

Gemeinnützige Stiftungen üben im Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit in verschiedenen Bereichen wichtige Funktionen aus. Dazu gehören etwa soziale Wohlfahrt, Gesundheitswesen, Wissenschaft, Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst, Kultur, Entwicklungshilfe und humanitäre Leistungen. Vor allem in den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend zu zahlreichen Neuerrichtungen zu verzeichnen. Es darf festgehalten werden, dass in der Schweiz im Allgemeinen günstige Rahmenbedingungen für Stiftungen bestehen. Dennoch enthält der Gesetzesentwurf Massnahmen, die als wichtige Instrumente zur nachhaltigen Stärkung des gemeinnützigen Stiftungswesens in der Schweiz auch im internationalen Wettbewerb innerhalb des Fördermarkts gelten können.

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Ganz allgemein unterstützt der Bundesrat die Bestrebungen nach einer Revision des Stiftungsrechts und kann sich den mit dieser parlamentarischen Initiative verfolgten Zielen anschliessen (Verbesserung der Attraktivität des Stiftungsrechts sowie der Transparenz). Unter diesem Blickwinkel ist die vorliegende parlamentarische Initiative zu begrüssen.

Der Bundesrat unterstützt insbesondere die Einführung einer obligatorischen Revisionsstelle und die damit verbundene erhöhte Transparenz.

Im Übrigen hat der Bundesrat mit Genugtuung festgestellt, dass die Kommission einige Elemente des Vorentwurfs aus dem Jahre 1993 übernommen hat, die im damaligen Vernehmlassungsverfahren unumstritten blieben.

2.1.2

Zum Zweckänderungsvorbehalt (Art. 86a ZGB [neu])

Die im Entwurf (Art. 86a ZGB [neu]) vorgesehene Möglichkeit des Stifters, den Stiftungszweck zu ändern, ist eine begrüssenswerte Neuerung, denn sie gestaltet das Stiftungsrecht flexibler und damit attraktiver, was dem Ziel der vorgeschlagenen Revision durchaus entspricht.

Der Bundesrat kann ihr umso mehr zustimmen, als der Entwurf ­ anders als der Vernehmlassungsentwurf ­ vorsieht, dass bei Stiftungen, die einen öffentlichen oder gemeinnützigen Zweck im Sinne des Bundessteuerrechts verfolgen, eine Zweckänderung nur dann zulässig ist, wenn auch der geänderte Zweck öffentlich oder gemeinnützig ist.

Mit dieser Einschränkung wird verhindert, dass das Institut des Zweckänderungsvorbehalts aus steuerlichen Überlegungen missbraucht werden und praktisch einem Rückübernahmerecht des Stifters gleichkommen kann. Weiter wird dadurch den Personen, die einer Stiftung mit Blick auf ihren Zweck Spenden zukommen lassen, die Garantie gegeben, dass ihre Gelder stets für einen öffentlichen oder gemeinnützigen Zweck verwendet werden, selbst wenn dieser nicht mehr der ursprüngliche sein sollte.

So wird den Bedenken und Befürchtungen der zahlreichen Kantone Rechnung getragen, die im Vernehmlassungsverfahren den Zweckänderungsvorbehalt ausdrücklich abgelehnt oder sich dazu skeptisch geäussert haben.

2.2

Zur Revision des Steuerrechts

Ein wichtiger Teil des Gesetzesentwurfs besteht aus steuerrechtlichen Revisionsvorschlägen.

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2.2.1

Unterstützungswürdige Vorschläge im Bereich der direkten Steuern

Folgende im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) sowie im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vorgeschlagene Massnahmen dürfen als Verbesserungen bezeichnet werden: ­

Ausdehnung der bisher ausschliesslich auf Geldleistungen beschränkten, steuerlich zum Abzug zugelassenen Zuwendungen auf «übrige Vermögenswerte». Damit wird es möglich sein, dass ein Stifter auch Sachwerte wie z.B.

Liegenschaften widmet und im vorgegebenen Umfang steuerlich zum Abzug bringt.

­

Nach geltendem Recht können entsprechende, steuerlich abzugsfähige Zuwendungen nur an juristische Personen erbracht werden, die im Hinblick auf öffentliche oder gemeinnützige Zwecke von der Steuerpflicht befreit sind. Neu sollen solche Zuwendungen auch an Bund, Kantone und Gemeinden sowie an die Anstalten dieser Gebietskörperschaften steuermindernd möglich sein. Das führt z.B. dazu, dass eine Zuwendung an die ETH einkommens- bzw. gewinnmindernd berücksichtigt werden könnte.

Der Bundesrat kann diesen dem «Stiftungsgedanken» förderlichen Neuerungen zustimmen. Es bleibt noch der Hinweis, dass die Kantone im erwähnten Vernehmlassungsverfahren auf die Bewertungsprobleme hingewiesen haben, die sich aus der Anerkennung von Sachleistungen als steuerlich abzugsfähige Zuwendungen ergeben können. Der Bundesrat bejaht die Notwendigkeit entsprechender Regeln für die Bedürfnisse einer einheitlichen Praxis. Es wird zweckmässig sein, dafür eine Verordnung vorzusehen.

2.2.2

Zu weit gehende Erhöhung der Abzugsmöglichkeiten bei der direkten Bundessteuer

Der vorliegende Gesetzesentwurf will die Abzugsmöglichkeiten wie folgt ausdehnen: ­

Erhöhung der Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an steuerbefreite Einrichtungen von bisher 10 Prozent auf 40 Prozent des Reineinkommens (für natürliche Personen) oder des Reingewinns (für juristische Personen) im DBG (im StHG verbleibt die Kompetenz für die Festlegung einer Obergrenze wie bis anhin dem kantonalen Gesetzgeber).

­

Unter besonderen Voraussetzungen (besonders wichtiges öffentliches Interesse, Nachhaltigkeit der Finanzierung, mindestens gleich hohe Beteiligung von Kanton und Gemeinde im Sinn einer «Opfersymmetrie») ein Abzug bei der direkten Bundessteuer von bis zu 100 Prozent des Reineinkommens bzw.

des Reingewinns.

Diese vorgeschlagenen Erhöhungen des Prozentsatzes der abzugsfähigen Zuwendungen sind entschieden zu grosszügig bemessen. Folgende Überlegungen machen dies deutlich:

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip gemäss Artikel 127 Absatz 2 der Bundesverfassung, welche Bestimmung systematisch zur Finanzordnung des Bundes gehört, konkretisiert verfassungsrechtlich das für die Zwecke der Besteuerung wesentliche Gleichbehandlungsgebot. Im System der allgemeinen Reineinkommensbesteuerung bedeutet dieser Grundsatz, dass der Gesetzgeber alle Personen, die tatsächlich Einkommen erzielen, nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Steuer heranzuziehen hat, wobei er insbesondere durch einen progressiven Steuertarif der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angemessen Rechnung tragen darf.

Wer Zuwendungen macht, wird damit in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht geschmälert. Vielmehr ist die Zuwendung Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Person. Will man den verfassungsrechtlich massgebenden Besteuerungsgrundsätzen Beachtung schenken, so fällt ins Gewicht, ob Zuwendungen in mehr oder weniger engen Grenzen oder in der von der WAK-S vorgeschlagenen Höhe zum Abzug zugelassen werden. Hinzu kommt, dass durch solche Abzüge natürliche Personen mit hohen Marginalsteuersätzen ungleich stärker begünstigt werden als Steuerzahlende mit tieferen Einkommen.

Ferner wird durch eine zu ausgedehnte Abzugsmöglichkeit der Charakter der Einkommenssteuer als typische Fiskalsteuer (die Ertragsverwendung erfolgt zur Deckung allgemeiner Staatsaufgaben) erheblich tangiert. Schliesslich ist daran zu erinnern, dass Abzüge von dieser Tragweite auch haushaltrechtlich problematisch sind. Durch sie wird nicht nur das Bruttoprinzip nicht eingehalten, sondern letztlich auch die Finanzhoheit der Bundesversammlung eingeschränkt. Im Grunde wird nämlich haushaltpolitische Kompetenz auf die Steuerzahlenden delegiert, indem diese darüber entscheiden können, wieweit bestimmte Mittel für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden. Solche Steuernormen stehen damit nicht in wünschbarem Einklang mit den Anforderungen des Finanzhaushaltgesetzes.

Es kommt hinzu, dass die vorgeschlagenen Abzugsmöglichkeiten auch nicht zur massiven Verschlechterung der Haushaltslage des Bundes passen.

Der Bundesrat sieht sich in dieser Argumentation durch die Ergebnisse des von der WAK-S im Sommer 2003 bei den Kantonen durchgeführten Vernehmlassungsverfahrens klar bestätigt: Die bei der direkten Bundessteuer konkret vorgeschlagene
Vervierfachung des Abzugs durch Erhöhung von bisher 10 auf 40 Prozent des Reineinkommens oder Reingewinns wird von der grossen Mehrheit der Kantone mit Nachdruck abgelehnt.

Fünfzehn Kantone und die Finanzdirektorenkonferenz könnten hingegen einer Erhöhung dieses Abzugs auf 20 Prozent zustimmen. Es ist daher nur folgerichtig, dass auch der unter besonderen Voraussetzungen vorgesehene Abzug von bis zu 100 Prozent auf die beinahe geschlossene Ablehnung der Kantone stiess (vgl.

Bericht der WAK-S, Ziff. 2.3.6.2).

Die Kantone sind von Verfassung wegen wichtige Partner bei der Fortentwicklung des Rechts der direkten Steuern. Es ist daher angezeigt, diese ablehnende Haltung der Kantone ernst zu nehmen.

Der Bundesrat schliesst sich deshalb der mit grosser Mehrheit zum Ausdruck gebrachten Stellungnahme der Kantone an und beantragt in den Artikeln 33a Absatz 1 sowie 59 Absatz 1 Buchstabe c DBG eine Erhöhung auf 20 Prozent des Reineinkommens oder Reingewinns; die vorgeschlagene Erhöhung auf 40 Prozent lehnt der Bundesrat ab. Folgerichtig lehnt der Bundesrat auch die in den gleichen 8195

Artikeln vorgeschlagene Möglichkeit eines Abzugs von bis zu 100 Prozent des Einkommens oder Reingewinns ab. Zwar hat sich die WAK-S um einschränkende Voraussetzungen bemüht, aber der mit solchen Abzügen mögliche Eingriff in das Steuersubstrat der öffentlichen Hand geht zu weit.

Was die Steuern der Kantone und Gemeinden betrifft, begrüsst der Bundesrat den Entscheid der WAK-S, die Festlegung der Höhe des Abzugs gemäss Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe i StHG dem kantonalen Gesetzgeber zu überlassen. Dies entspricht der Lösung des geltenden Rechts für diesen allgemeinen Abzug.

2.2.3

Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer

Der Bundesrat stimmt dem von der WAK-S vorgeschlagenen neuen Steuerbefreiungstatbestand bei freiwilligen Leistungen für öffentliche oder gemeinnützige Zwecke zu, wie sie in der neuen Bestimmung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f VStG vorgeschlagen werden.

2.2.4

Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer

Der Entwurf fügt im Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG) einen neuen Artikel 33a ein, welcher für die mehrwertsteuerliche Behandlung der öffentlichen Bekanntmachung (insbesondere Verdankung) von Zuwendungen im Zusammenhang mit gemeinnützigen Organisationen eine besondere Regelung vorsieht. Diese besteht darin, dass eine öffentliche Nennung des Beitragszahlers dann keine steuerbare Werbe- oder imagefördernde Bekanntmachungsleistung mehr ist, wenn die öffentliche Erwähnung in neutraler Form geschieht, also unter Weglassung aller Zusätze, die besonders werbewirksam oder imagefördernd sein können, wie namentlich Hinweise auf Produkte, welche der Beitragszahler herstellt oder vertreibt. Dabei erklären die Absätze 1 und 2 des neuen Artikels 33a MWSTG im Sinn einer Präzisierung, dass noch kein steuerbarer Sachverhalt vorliegt, wenn der Beitragsempfänger bei der öffentlichen Bekanntmachung des Spenders bloss dessen Logo oder dessen Originalfirmenzug verwendet.

Der Bundesrat kann dieser Neuregelung zustimmen. Sie beschränkt sich ausdrücklich auf Fälle, in denen es sich um Organisationen handelt, die als gemeinnützig gelten, und verhindert damit einen weitergehenden Einbruch in das Umsatzsteuersystem, welches die Besteuerung von Dienstleistungen verlangt, die irgendwie werbewirksam sind.

Der Bundesrat kann ferner Absatz 4 zustimmen, welcher die massgeblichen Voraussetzungen nennt, damit eine bestimmte Organisation für die Belange von Sponsoringzahlungen als gemeinnützig gilt. Diese Kriterien lehnen sich eng an die langjährige Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff der Gemeinnützigkeit bei der direkten Bundessteuer an. Diese Bestimmung soll einer gesamtschweizerisch einheitlichen Praxis dienen.

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3

Finanzielle und personelle Auswirkungen, Verhältnis zum europäischen Recht und Verfassungsmässigkeit

In Bezug auf die Darstellung der finanziellen und personellen Auswirkungen, des Verhältnisses zum europäischen Recht und der Verfassungsmässigkeit schliesst sich der Bundesrat den Ausführungen im Kommissionsbericht an.

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