03.056 Botschaft zum Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria vom 10. September 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses zum am 9. Januar 2003 unterzeichneten Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. September 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-0807

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Übersicht Während von 1996 bis 2001 jährlich zwischen 122 und 289 Asylgesuche von nigerianischen Staatsangehörigen eingingen, erhöhte sich die Zahl der Gesuche per 31. Dezember 2002 auf 1062. Gleichzeitig stieg die Zahl der Personen, die die Schweiz verlassen mussten, von jährlich 85 auf 572. Innerhalb desselben Zeitraums stieg die Zahl der Asylsuchenden, die über keine Ausweispapiere verfügten oder anlässlich von behördlichen Kontrollen nicht in der Lage waren, derartige Papiere zu präsentieren, an. Die nigerianischen Behörden haben dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mehrmals mitgeteilt, dass sie mit den für die Wegweisung zuständigen schweizerischen Behörden nur nach Abschluss eines Rückübernahmeabkommens nach dem Modell der von Nigeria mit Italien, Spanien und Irland abgeschlossenen Abkommen zusammenarbeiten würden.

Nigeria ist der erste afrikanische Staat, mit dem die Schweiz ein Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten (Rückübernahmeabkommen) abgeschlossen hat. Es handelt sich um ein bedeutendes Abkommen mit einem der bevölkerungsreichsten Staaten südlich der Sahara (ca. 130 Millionen Einwohner), dessen Staatsangehörige über 15 Prozent der Gesamtzahl der Angehörigen der afrikanischen Staaten ausmachen. Das Abkommen steht im Einklang mit der Politik des Bundesrates, Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten abzuschliessen. Nach Abschluss derartiger Abkommen mit praktisch allen europäischen Staaten sowie mit Sri Lanka, Hongkong, den Philippinen oder Kirgisistan, stellt das Abkommen mit Nigeria eine weitere logische und kohärente Etappe dieser Politik dar.

Das Abkommen übernimmt die Prinzipien anderer, bereits zwischen der Schweiz und bestimmten europäischen Staaten abgeschlossener Rückübernahmeabkommen.

Es weicht von diesen jedoch dahingehend ab, dass das Abkommen mit Nigeria eine Programmklausel vorsieht, die darauf abzielt, im Rahmen der mit Nigeria angestrebten Zusammenarbeit Unterstützung zu leisten. Zudem erfordert der in Artikel IV Absatz 5 vorgesehene Datenweitergabe eine rechtliche Grundlage, die nur durch die Genehmigung des Abkommens durch das Parlament geschaffen werden kann.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Zur Bekämpfung der illegalen Migration hat die Schweiz in den letzten Jahren zunächst neue bilaterale Rückübernahmeabkommen mit ihren Nachbarstaaten ausgehandelt (Italien) oder zwecks Anpassung an die neuen Erfordernisse neu verhandelt (Deutschland, Frankreich und Österreich). Anschliessend wurde, die Zusammenarbeit der Schweiz im Bereich Asyl und Migration auf weitere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erweitert. Den Eckstein dieser Zusammenarbeit bildet die Regelung der Rückübernahme und der Durchbeförderung sowie der Begleitung von Personen, die die Schweiz verlassen müssen, während der Durchbeförderung. Die Schweiz orientierte sich hierbei an den EU-Mitgliedsstaaten, die ihre bilateralen Beziehungen gestärkt und in diesem Bereich eine Harmonisierung und Sicherung des Rechts vorgenommen haben.

Nach wie vor ist die Schweiz jedoch einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt. Dies hat mehrere Ursachen. In zahlreichen Ländern und Regionen, in denen die Migrationsbewegungen ihren Ursprung haben, hat sich die Lage im Laufe der letzten Jahre weiter verschlechtert. So haben in einer von Kommunikation und Mobilität geprägten Welt in bestimmten Staaten schwelende Krisen spürbare Auswirkungen auf die Schweiz. Angesichts dessen, dass es sich bei der illegalen Migration um ein globales und expandierendes Phänomen handelt, sah sich die Schweiz veranlasst, mit den Behörden der betroffenen Herkunfts- und Transitländern direkt zusammenzuarbeiten und Verhandlungen aufzunehmen.

Allein aus Westafrika stieg die Zahl der Personen mit unbefugtem Aufenthalt in der Schweiz von 28 per Ende 1992 auf 2272 per Ende 2002. Innerhalb desselben Zeitraums stieg die Zahl der Personen, die zu dem Zeitpunkt, als sie in der Schweiz um Asyl ersuchten, über keine Ausweispapiere verfügten oder anlässlich von behördlichen Kontrollen nicht in der Lage, derartige Papiere vorzulegen, an. Im Jahre 2002 verfügte praktisch keine der aus einem der 14 Mitgliedsstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) stammende Person über Ausweispapiere. Nigeria bildet da keine Ausnahme: Die Asylgesuche, die zwischen 1996 und 2001 zwischen jährlich 122 und 289 schwankten, stiegen 2002 auf 1062 im Jahr 2002. Gleichzeitig wuchs die Anzahl der Personen, die die Schweiz verlassen mussten, von jährlich 85 auf 572 an. Die nigerianischen
Behörden teilten dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mehrmals mit, dass sie mit den für die Wegweisung zuständigen schweizerischen Behörden nur nach Abschluss eines Rückübernahmeabkommens nach dem Modell der von Nigeria mit Italien, Spanien und Irland abgeschlossenen Abkommen zusammenarbeiten würden.

Nigeria ist der erste afrikanische Staat, mit dem die Schweiz ein Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten (Rückübernahmeabkommen) abgeschlossen hat. Es handelt sich um ein bedeutendes Abkommen mit einem der bevölkerungsreichsten Staaten südlich der Sahara (ca. 130 Millionen Einwohner), dessen Staatsangehörige über 15 Prozent der Gesamtzahl der Angehörigen der afrikanischen Staaten ausmachen. Für Nigeria stellt dieses Abkommen die conditio sine qua non zu der Wieder6445

aufnahme einer Zusammenarbeit dar, mit der eine Rückkehrpolitik gegenüber seinen sich mit unbefugtem Aufenthalt in der Schweiz befindlichen Staatsangehörigen gewährleistet wird. Angesichts der Anzahl Personen, deren Wegweisung sistiert oder blockiert ist, und des Migrationspotenzials eines Landes wie Nigeria, muss mit diesem Staat schnell und dringend eine Lösung zur Entspannung der Rückkehrsituation gefunden werden.

1.2

Ablauf der Verhandlungen

Aufgrund eines von der Schweiz im Juli 2001 in Abuja beim Aussenministerium der Bundesrepublik Nigeria gestellten Gesuchs, wurde vom 3. bis 4. Dezember 2001 eine erste Delegation nigerianischer Fachleute zu Sondierungsgesprächen in Bern empfangen. Bei diesem Treffen vereinbarten die beiden Delegationen, zunächst Abkommensentwürfe auszutauschen und dann auf Expertenebene mit den formellen Verhandlungen über den Abkommenstext zu beginnen.

Die beiden Delegationen trafen sich am 11. und 12. Juli 2002 erneut in Abuja, um über die Texte zu verhandeln. Sie vereinbarten, das nigerianische Modell insoweit als Arbeitsgrundlage zu verwenden, als dieses die inhaltlichen Bedürfnisse der Schweiz berücksichtigte und dem entsprach, was Nigeria zuvor mit Italien, Spanien und Irland ausgehandelt hatte. Der Abkommensentwurf wurde ­ mit Ausnahme von drei Artikeln zu Fragen des Datenschutzes und der technischen Zusammenarbeit im Migrationsbereich ­ am 12. Juli 2002 in Abuja paraphiert. Nach einem Schriftenverkehr zu den noch offenen Punkten zwischen den schweizerischen und den nigerianischen Behörden, konnten die Verhandlungen definitiv abgeschlossen werden.

Am 18. Dezember 2002 genehmigte der Bundesrat dann das Abkommen. Auf Grund der Bedeutung dieses Bereichs für die schweizerischen Interessen beinhaltete dieser Entscheid die Möglichkeit einer vorzeitigen Anwendung des Abkommens. Da Nigeria sein formelles Einverständnis zu dieser vorzeitigen Anwendung nicht gegeben hat, ist dieser Punkt hinfällig geworden.

Die Unterzeichnung des Abkommens durch den nigerianischen Minister Sule Lamido erfolgte am 9. Januar 2003 anlässlich eines Arbeitsbesuches der Vorsteherin des EJPD, Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold in Abuja.

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt des Abkommens

2.1.1

Titel und Präambel

Im Titel des Abkommens über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria kommt das Bedürfnis der nigerianischen Seite zum Ausdruck, angesichts der Geschichte dieses Landes und der afrikanischen Staaten südlich der Sahara, nicht den Begriff «Rückübernahmeabkommen» zu verwenden. Dieser Begriff erinnert nach Sicht der nigerianischen Seite zu sehr an die von der Kolonialgeschichte und der Sklaverei dominierten Beziehungen des afrikanischen Kontinents zu den Staaten des Nordens.

Der Titel ändert jedoch in keiner Weise etwas am Inhalt des Abkommens. Dies 6446

spiegelt schon die Präambel wider, die den Willen beider Vertragsparteien zum Ausdruck bringt, die Rückführung von Personen zu erleichtern, die sich unbefugt im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten.

2.1.2

Erläuterungen zu den Bestimmungen

Allgemeines und nationales Einwanderungsrecht (Art. I und II) Diese Bestimmungen verweisen auf die Beziehung zum inländischen Recht und bestätigen die Verpflichtung der Parteien, sich bei der Umsetzung des Abkommens gegenseitig zu unterstützen.

Aufnahme von Personen, Rückführungsverfahren, Nachweis der Staatsangehörigkeit, besonderes Identifikationsverfahren (Art. III bis VI) Diese Bestimmungen legen die Verpflichtung der beiden Parteien fest, ihre eigenen Staatsangehörigen wieder aufzunehmen, die sich unbefugt im Hoheitsgebiet der anderen Partei aufhalten. Sie sehen eine umfassende Verpflichtung, seine eigenen Staatsangehörigen ohne Formalitäten wieder aufzunehmen vor (Art. III). Zudem werden die Dokumente und Beweismittel, die es erlauben, die Staatsangehörigkeit dieser Personen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (Art. IV, V und VI) dargelegt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, stellt die zuständige Behörde innerhalb von vier Tagen ein Reisedokument aus (Art. V Abs. 6, und Art. VI Abs. 1 Ziff. [iv]).

Ebenfalls geregelt wird die Anhörung zwecks Nachweises der Staatsangehörigkeit, conditio sine qua non für die Ausstellung eines Reisedokuments und folglich einer Rückübernahme (Art. IV).

Rückführungsbedingungen (Art. VII) Diese Bestimmung sieht vor, dass die ersuchte Partei untersucht und überprüft, ob die auf ihrem Boden ankommende Person auch tatsächlich die Person ist, für die sie Reisedokumente ausgestellt hat. Es geht dabei nicht darum, eine neue Identifizierung bzw. eine erneute Bestätigung der Staatsangehörigkeit vorzunehmen. Sollte sich herausstellen, dass die betroffene Person nicht die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei besitzt, nimmt die andere Partei diese Person unter denselben Bedingungen zurück (Art. XI).

Gegenseitige Unterstützung (Art. VIII) Es wird noch einmal an das Prinzip der Verpflichtung erinnert, sich gegenseitig Unterstützung bei der Identifizierung von Staatsangehörigen der beiden Vertragsparteien zu gewähren.

Kosten (Art. IX) Die Kosten für die Rückführung eines Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei werden von der ersuchenden Vertragspartei bis zum Bestimmungsflughafen getragen.

Beförderung von Gepäck (Art. X) Die ersuchende Vertragspartei muss sich vergewissern, dass die persönliche Habe der rückübernommenen Person dieser in ihr Bestimmungsland folgt.

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Rechte und Verpflichtungen (Art. XII) Diese Bestimmung hält fest, dass die während eines legalen Aufenthalts in der Schweiz erworbenen Rechte (zum Beispiel durch eine Eheschliessung) unberührt bleiben, wobei diese Rechte nur zu den Bedingungen des ersuchenden Staats erworben werden können.

Einreise zurückgeführter Personen (Art. XIII) Gemäss dem Wortlaut dieses Artikels bleibt es zurückgeführten Personen unbenommen, gemäss den entsprechenden innerstaatlichen Gesetzen und Vorschriften ein Gesuch um legale Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragspartei, die um Rückführung ersuchte, zu stellen.

Auswirkungen auf internationales Recht (Art. XIV) Die Bestimmung hält fest, dass das Abkommen die Verpflichtungen der Vertragsparteien aus dem internationalen Recht unberührt lässt.

Zuständige Behörden (Art. XV) Diese Bestimmung bezeichnet die für die Anwendung des Abkommens zuständigen Ministerien.

Informationsaustausch (Art. XVI) Die Bestimmung definiert die Dokumente, die zwischen den Vertragsparteien im Hinblick auf die Umsetzung des Abkommens ausgetauscht werden müssen, insbesondere die Liste des diplomatischen und konsularischen Personals, das im Hoheitsgebiet der beiden Vertragsparteien präsent ist, sowie die Liste der Flughäfen, die für die Rückführung der Betroffenen benutzt werden können.

Schutz von Personendaten (Art. XVII) Nach Artikel 25c des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) legt Artikel XVII fest, welche Personendaten zur Umsetzung des Abkommens an die Vertragspartei übermittelt werden dürfen. Zudem enthält dieser Artikel einen Katalog von Massnahmen, die den Schutz der übermittelten Personendaten gewährleisten. Eine weitere datenschutzrechtlich relevante Bestimmung enthält Artikel IV Absatz 5 (vgl. dazu die Erläuterungen in Ziffer 2.2).

Technische Unterstützung und Umsetzung des Abkommens (Art. XVIII und XIX) Das Beispiel Nigeria zeigt deutlich die Grenzen dessen, was bisher unter Zusammenarbeit im Bereich Migration, und insbesondere im Bereich Rückübernahme, verstanden wurde. Diese Fragen wurden bisher ohne grosse Schwierigkeiten geregelt, da es um die administrative Zusammenarbeit zwischen Staaten ging, die über ähnliche Rechtssysteme, administrative Strukturen und Mittel verfügen. Zudem betraf die Zusammenarbeit Staaten,
die eine vergleichbare Migrationspolitik verfolgen. Im Fall von Nigeria ist die Situation jedoch eine ganz andere. Hier geht es der Schweiz weniger darum, gleichartige Interessen in Einklang zu bringen als vielmehr darum, einen Ausgleich der verschiedenen Interessen zu ermitteln, um eine bessere Grundlage zur Zusammenarbeit bei der Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt im schweizerischen Hoheitsgebiet zu sichern. Dieser Interessen6448

ausgleich kann in anderen Bereichen der Aussenpolitik oder der bilateralen Beziehungen der Verhandlungspartner liegen. Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Interessenausgleich auf die Unterstützung im Migrationsbereich, sei es durch die Ausbildung von Bediensteten der nigerianischen Einwanderungsbehörden oder durch die Definition (Entwicklung) von Rückkehrhilfeprogrammen für nigerianische Staatsangehörige mit unbefugtem Aufenthalt in der Schweiz. Es ist vorgesehen, die einzelnen Möglichkeiten mit Nigeria zu diskutieren (Art. XVIII).

Artikel XIX hält fest, dass zur Umsetzung des Abkommens ein aus Fachleuten der beiden Vertragsparteien gebildeter Koordinierungsausschuss eingerichtet wird. Aufgabe dieses Koordinationsausschusses ist es insbesondere die konkreten Massnahmen der Zusammenarbeit im Rahmen der im Artikel XVIII dargelegten Bereiche zu entwickeln. Aus Artikel XVIII lassen sich keine Verpflichtungen ableiten. Im Gegenteil: Es geht darum, die praktische Unterstützung zu definieren, die eine Vertragspartei der anderen in Übereinstimmung mit deren inländischem Recht und der aktuellen Politik liefern könnte (vgl. die im vorangehenden Absatz erwähnten praktischen Beispiele). Diese praktische Unterstützung wird im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten des Bundesamtes für Flüchtlinge festgelegt und mit den betroffenen Departementen und Ämtern koordiniert.

Garantie der Menschenrechte (Art. XX) Diese Bestimmung unterstreicht die Rechte der Betroffenen und weist auf bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen der Vertragsparteien hin wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966.

Ausserdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Übereinstimmung mit Artikel 36 des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (SR 0.191.02) die Behörden der einen Vertragspartei jeden Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei, der verhaftet wird, über sein Recht, Kontakt zu seiner Botschaft aufzunehmen, informieren und, auf seinen Wunsch, die Botschaft unverzüglich über seine Verhaftung unterrichten müssen.

Beilegung von Streitigkeiten, Änderungen, Anwendungsbereich, Inkrafttreten, Suspendierung und Kündigung (Art. XXI bis XXVI) Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um allgemeine Schlussbestimmungen.

Nach Artikel XXIII wird der Anwendungsbereich des Abkommens auf das Fürstentum Liechtenstein, das zum schweizerischen Zollgebiet gehört, ausgedehnt.

2.2

Datenschutz

Neben den üblichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Artikel XVII, enthält das vorliegende Abkommen zusätzlich eine besondere Regelung: Artikel IV Absatz 5 des Abkommens sieht vor, dass derjenigen Vertragspartei, die eine Person gemäss dem Abkommen zurückzunehmen hat, mitgeteilt wird, welche Behörde zu welchem Zeitpunkt den Aus- oder Wegweisungsentscheid getroffen hat. Diese Bestimmung entspricht einer Forderung der nigerianischen Behörden: Aus Sicherheitsgründen möchten sie wissen, aus welchen Gründen eine rückzuführende Person die Schweiz verlassen muss. Es geht konkret darum, ob eine Weg- oder Ausweisung auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung verfügt wurde (vgl. Art. 55 StGB 6449

[SR 311.0] und Art. 10 Abs. 1 Bst. a ANAG) oder ob es sich um einen rein ausländerrechtlich motivierten Entscheid handelt (rechtskräftiger Asylentscheid, Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung oder illegaler Aufenthalt). Die nigerianischen Behörden forderten daher, eine Kopie des entsprechenden Entscheids zu erhalten. Diese Forderung stellte die Schweiz vor zwei Probleme: Die Übermittlung derartiger Informationen verlangt eine gesetzliche Grundlage, da es sich bei diesen Informationen um besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) handelt. Zweitens stellte sich die Frage, ob es ­ unabhängig vom Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage ­ unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit zulässig ist, zum Zwecke einer Rückübernahme derartig umfassende und besonders schützenswerte Personendaten bekannt zu geben. Die schweizerischen Behörden verneinten diese Frage klar. Im Verlaufe der Verhandlungen konnte man sich schliesslich auf den folgenden Kompromiss einigen: es wird nicht der Inhalt des Entscheides selbst bekannt gegeben, sondern lediglich mitgeteilt, welche Behörde (Justiz- oder Verwaltungsbehörde) den Aus- oder Wegweisungsentscheid getroffen hat. Zudem wird noch das Datum des Entscheids bekannt gegeben. Die Schweiz gibt den nigerianischen Behörden also nicht bekannt, ob die rückzuführende Person ein Asylgesuch gestellt hat. In den Fällen, in denen der Entscheid zwar von Verwaltungsbehörde gefällt wurde, dies aber aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung erfolgte (z.B. eine Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 Bst. a ANAG), muss die Schweiz die nigerianischen Behörden aber über diesen Umstand informieren. Würde sie dies unterlassen, würde sie Artikel IV Absatz 5 des Abkommens zuwiderhandeln. Da eine solche Datenübermittlung nach geltendem Recht nicht vorgesehen ist, eine gesetzliche Grundlage aber notwendig ist, muss diese durch die Ratifizierung des Abkommens durch die eidgenössischen Räte geschaffen werden (vgl. dazu Ziffer 6.1.2).

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich unter Berücksichtigung des inländischen Rechts Spaniens und Irlands ergibt, dass diese Staaten akzeptiert haben, den Inhalt der von ihren Justiz- und Verwaltungsbehörden getroffenen Entscheide mitzuteilen, ja
sogar Kopien dieser Entscheide zu übermitteln. Dies ist sowohl aus Sicht des schweizerischen Rechts als auch des entsprechenden europäischen Rechts, an das diese Staaten gebunden sind, inakzeptabel.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen für den Bund und für die Kantone

Sowohl unter dem finanziellen als auch unter dem personellen Gesichtspunkt ist das Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten mit Nigeria gerechtfertigt. Die im Bereich des Wegweisungsvollzugs zusätzlich entstehenden Kosten führen zu deutlichen Einsparungen im Bereich der Sozialhilfe und können durch einen internen Kostentransfer ausgeglichen werden. Die Durchführung der in den Artikeln XVIII und XIX des Abkommens vorgesehenen technischen Unterstützung werden durch das Budget des Bundesamtes für Flüchtlinge gedeckt. Die damit verbundenen Kosten werden durch Einsparungen bei der Sozialhilfe ausgeglichen. Wenn durch die Umsetzung des Abkommens 100 von der Sozialhilfe abhängige Personen identifiziert und weggewiesen würden, könnte eine Einsparung in Höhe von 1,44 Millionen Franken gemacht werden. Die Umsetzung des Abkommens führt zunächst für 6450

die Bundesbehörden zu einem zusätzlichen finanziellen und personellen Aufwand (Organisation der Identifizierung, Reservierung von Flügen usw.). Für die Kantone dürfte es gleichzeitig zu einer Verschiebung der Kosten von den für die Sozialhilfe zu den für den Wegweisungsvollzug zuständigen Behörden kommen. Dennoch dürften auf lange Sicht erhebliche Einsparungen erzielt werden. Das Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) regelt in Artikel 92 Absatz 2 die Übernahme der Kosten für die Rückführung von Personen, die die Schweiz verlassen müssen.

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Legislaturplanung

Der Abschluss des Abkommens über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria entspricht den in der Legislaturplanung 1999­2003 des Bundesrats festgelegten Zielen (vgl. Bericht vom 1. März 2000 über die Legislaturplanung 1999­2003: Ziel 11, R24, Abs. 3; BBl 2000 III 2276).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das vorliegende Abkommen zeigt zahlreiche Ähnlichkeiten mit den analogen Abkommen, die Nigeria mit Italien, Spanien und Irland abgeschlossen hat. Diese basieren im Wesentlichen auf der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 30. November 1994 betreffend den Musterentwurf eines bilateralen Rückübernahmeabkommens zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat (ABI.C 274 vom 19.9.1996, S. 20).

6

Verfassungsmässigkeit

6.1

Zuständigkeit des Bundes

6.1.1

Allgemeine Zuständigkeit

Die allgemeine Zuständigkeit des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten resultiert aus den Artikeln 54 und 184 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101). Der Bund kann Verträge in allen Angelegenheiten schliessen, unabhängig davon ob diese Angelegenheit in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes oder der Kantone fällt (vgl.

Bericht vom 7. März 1994 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik; BBI 1994 II 620).

6.1.2

Zuständigkeit für Rückübernahmeabkommen

Gemäss Artikel 25b ANAG kann der Bundesrat mit ausländischen Staaten Abkommen über die Rückübernahme und den Transit von Personen, die sich unbefugt in der Schweiz aufhalten, abschliessen.

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Im Hinblick darauf, dass Artikel IV Absatz 5 die Mitteilung der Behörde und des Datums des Wegweisungsentscheids vorsieht, und dass eine solche Mitteilung besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c DSG beinhaltet, gilt die Kompetenz des Bundesrates für diese Bestimmung nicht. Eine solche Mitteilung kann daher nur vorgesehen werden, wenn ein formelles Gesetz dies zulässt (Art. 17 Abs. 2 und Art. 19 DSG). Vom Parlament genehmigte völkerrechtliche Verträge mit rechtssetzendem Inhalt gelten als formelle Gesetze (Art. 3 Bst. k Ziff. 2 DSG). Infolgedessen muss das Abkommen gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV dem Parlament unterbreitet werden.

Deshalb wurde der Abkommensentwurf gestützt auf Artikel 25b ANAG dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Artikel IV Absatz 5 des Abkommens mit Nigeria erfordert jedoch die parlamentarische Zustimmung.

6.2

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziffer 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziffer 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziffer 3). Das Abkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und ist jederzeit kündbar (Artikel XXVI). In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht in Analogie zu Artikel 164 Absatz 2 BV auf formell-gesetzlicher Stufe normiert werden müsste.

Das Abkommen enthält verschiedene rechtsetzende Bestimmungen, die aber insgesamt nicht als wichtig einzustufen sind. Einzig bezüglich Artikel IV Absatz 5 könnte man sich die Frage stellen, ob diese Bestimmung nach den genannten Kriterien nicht als wichtig erachtet werden müsste. Immerhin bildet sie doch Anlass dazu, dass das Abkommen dem Parlament unterbreitet wird, um eine nach dem Datenschutzrecht notwendige Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Daten zu schaffen. Das Datenschutzrecht verlangt, dass für die Bearbeitung der fraglichen Daten eine Grundlage in einem formellen Gesetz oder in einem vom Parlament genehmigten Staatsvertrag gegeben sein muss. Betrachtet man das Vertragswerk insgesamt, ist jedoch die Bestimmung nicht von einer derart substanziellen Bedeutung, dass es sich rechtfertigen würde, das Abkommen allein deswegen dem fakultativen Referendum zu unterbreiten. Bei dieser Beurteilung tragen wir auch den Umstand Rechnung, dass der Wortlaut von Artikel IV Absatz 5 das nationale Recht ausdrücklich vorbehält. Der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens untersteht demnach nicht dem Staatsvertragsreferendum.

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Schlussfolgerung

Das Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria erlaubt es, die Rechtsgrundlagen für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der illegalen Migration zu schaffen. Die in diesem Abkommen vorgesehenen Lösungen basieren auf der Praxis und fördern eine rasche und unbürokratische Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien. Die Anwendung dieses Abkommens hängtvon der guten Zusammenarbeit im Koordinierungsausschuss sowie von der Realisierung der in Artikel XVIII des Abkommens vorgesehenen Unterstützungsmassnahmen ab. Im Übrigen ist der Standard dieses Abkommen nicht mit demjenigen anderer Staaten, mit denen wir entsprechende Abkommen abgeschlossen haben, insbesondere mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, zu vergleichen. Für einen Staat des Südens, von dem zudem illegale Migration ausgeht, hat die Rückübernahme der eigenen Staatsangehörigen nicht oberste Priorität. Dies hat, abgesehen von der Schwierigkeit, überhaupt einen Dialog zu einem Thema wie der Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt aufzunehmen, zur Folge, dass die Verhandlungen sich auf den Interessenausgleich konzentrieren. Dazu kommt, dass dieser Bereich traditionellerweise zur Innenpolitik gehört und damit eng mit der Ausübung der Staatshoheit verbunden ist. Dies erschwert bilaterale Verhandlungen im Rahmen der Aussenpolitik. Das vorliegende Abkommen stellt eine Premiere für die Schweiz dar. In Anbetracht der Erfahrungen, die Italien, Spanien und Irland mit ihren entsprechenden Abkommen mit Nigeria gemacht haben, ist zu erwarten, dass auch die Schweiz ähnliche Ergebnisse im Rahmen ihrer Rückkehrpolitik erzielen kann. Das Abkommen stellt einen notwendigen Schritt dar, um die Rückkehrpolitik der Schweiz zu deblockieren. Umgekehrt würde das Fehlen eines solchen Instruments die Glaubwürdigkeit unserer Asylpolitik aufs Spiel setzen. Die durch das vorliegende Abkommen erhofften Ergebnisse können aber die Vorteile einer mit der Europäischen Union abgestimmten Politik nicht ersetzen, sei es durch den Beitritt zum Dubliner Abkommen oder ­ in Bezug auf die Beziehungen der Europäischen Union zu den Südstaaten ­ durch die Anwendung des Abkommens von Cotonou zwischen Staaten in Afrika, im Karibischen Raum
und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, welches Migrations-, Entwicklungs- und Handelsfragen regelt.

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