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Schweizerisches Bundesblatt.

48. Jahrgang. IV.

Nr. 52.

23. Dezember 1896.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & Oie. in Bern.

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Bericht

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das schweizerische Konsulat in Montevideo.

(Vom 17. Dezember 1896.)

Tit.

Unterm 9. dies hat der Nationalrat uns eine von 336 Schweizerbürgern in Uruguay unterzeichnete Eingabe, worin verlaugt wird, es sei unser Ministerresident in Buenos Ayres, Herr Kode, abzuberufen und Herr Grimm, schweizerischer Konsul in Montevideo, durch Herrn Rappaz zu ersetzen, zu vorgängiger Berichterstattung überwiesen.

Diese Eingabe ist die Frucht der von einer Anzahl Anhänger des Herrn Rappaz im Schöße der Schweizerkolonie in Montevideo hervorgerufenen und geförderten Agitation. Diese Herren schreiben den Rücktritt des Herrn Rappaz dem Grolle zu, den Herr Rodé gegen ihn hegen soll, und können es dem Herrn Grimm, gegen dessen Rechtschaffenheit und Tüchtigkeit sie nichts einzuwenden haben, nicht verzeihen, daß er sich zum Nachfolger des Herrn Rappaz hat wählen lassen.

Die Wahrheit ist, daß Herr Rodé in dieser Angelegenheit nichts anderes gethan hat, als die ihm obliegende amtliche Pflicht zu erfüllen und die von Bern erhaltenen Weisungen zu befolgen, und daß der Bundesrat sich zu seinem Bedauern in die Notwendigkeit versetzt gesehen hat, Herrn Rappaz zur Demission zu veranlassen, nachdem er vergebens erwartet hatte, Herr Rappaz werde so viel Takt und Patriotismus besitzen, freiwillig zurückzutreten, um MißBundesblatt. 48. Jahrg. Bd. IV.

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1174 deutungeu und Lärm zu vermeu ja. Herr Rappaz hat es jedoch vorgezogen, einen geräuschvollen Rücktritt zu veranstalten, und wir haben gute Gründe dafür, anzuoehmen, daß er, statt, die entstandene Erregung nach Kräften zu beschwichtigen, derselben vielmehr Vorschub geleistet und seine Mitbürger dazu aufgereizt hat, die Entscheide des Bundesrates zu mißachten. Die zahlreichen Aktenstücke, die wir Ihnen vorzulegen uns beehren, geben hierüber überzeugende Aufschlüsse. Wir verweisen mit Bezug auf alle Einzelheiten auf die Akten und beschränken uns hier darauf, unsere Entscheide kurz aufzuführen und die Gründe dafür anzugeben.

Mit Schreiben vom 25. September 1895 machte uns unser Ministerresident in Buenos Ayres, Herr Rodé, auf die Lage aufmerksam, in der sich unser Konsul in Montevideo, Herr Dr. Rappaz, befand. Er hatte schon wiederholt konstatieren müssen, daß Herr Rappaz in der Ausübung seiner Funktionen sich nachlässig zeigte.

Da schriftliche Vorstellungen ihren Zweck nicht erreichten, so benutzte Herr Rodé seinen Aufenthalt in Montevideo dazu, um sich Auskunft zu verschaffen, und erlangte bald die Gewißheit, daß die finanzielle Lage des Herrn Rappaz, die schon lange schlimm gewesen, im höchsten Grade bedenklich geworden war. Bei diesem Anlaß stellte Herr Rodé außerdem fest, daß die Konsulatsarchive sich in traurigem Zustand befanden. Von den in Art. 48 des Konsularreglements vorgeschriebenen Büchern besaß Herr Rappaz nur das Protokoll und da» Immatrikulationsregister; w e d e r Paßregister, noch Kopie r buch, noch Kassabuch, noch C o n t o - C o r r e n t - B u c h w a r e n v o r h a n d e n . Unser Konsul bewahrte auch weder Minuten noch Abschriften der abgesandten Briefe und Aktenstücke auf. Sein Protokoll befand sich in einem bedauerliehen Zustand ; aus den Jahren 1892 und 1893 war darin keinerlei amtliche Ausfertigung erwähnt, und die hierauf bezüglichen Seiten waren ganz leer.

Diese von Herrn Rodé am 7. Juni 1895 gemachten Wahrnehmungen werden in allen Punkten bestätigt durch den von Herrn Fluri, Kanzler der schweizerischen Gesandtschaft in Buenos Ayres, unterm 30. Mai 1896 bei Übergabe des Konsulats an den neuen Konsul abgefaßten Bericht über den Zustand der Archive des schweizerischen Konsulats in Montevideo. Wir legen diesen Bericht hier bei, damit Sie sich ein Bild machen können
von der Unordnung, die stets auf dem Konsulat zu Montevideo herrschte, so lange Herr Rappaz diese Stelle inue hatte.

Herr Rodé schloß seinen Bericht damit, daß er um die Ermächtigung nachsuchte, Herrn Rappaz daran zu erinnern, daß er versprochen habe, seinen Rücktritt zu erklären; Herr Rodé wünschte,

1175 nötigenfalls noch weiter gehen und Herrn Rappaz zur Demission anhalten zu dürfen.

Am 4. November 1895 richteten wir an Herrn Rodé folgendes Telegramm: ,,Rappaz mettra ordre dans ses affaires ou démissionnera.

Faites au mieux."

Herr Rodé begab sich am 30. Dezember nochmals nach Montevideo, und nachdem er von verschiedenen Seiten weitere Erkundigungen eingezogen hatte, erstattete er uns unterm 21. Januar 1896 einen Bericht, der denjenigen vom 25. September 1895 in allen Teilen bestätigte. Bei einer Unterredung mit Herrn Rappaz gab dieser zu, daß er sich finanziell in sehr bedrängter Lage befinde; er entschuldigte sich damit, das könne bei jedermann vorkommen, er sei nicht daran schuld, und sein Ruf leide nicht darunter, namentlich in Uruguay nicht. Als Herr Rodé ihm zu verstehen gab, der Bundesrat wünsche seinen Rücktritt, nahm Herr Rappaz seine Zuflucht zu allerlei Ausreden, versicherte, seine Lage sei zwar schwierig, aber doch nicht unmittelbar gefahrdrohend, und er zweifle nicht daran, daß sie sich wieder bessern werde. Er versprach, seine Demission einzureichen, falls nicht die erwartete Besserung eintrete.

Unter diesen Umständen stellte uns Herr Rodé folgende Anträge : 1. den Status quo einstweilen fortbestehen zu lassen, unter dem Vorbehalt, im Bedürfnisfalle telegraphisch weitere Anträge zu stellen; 2. angesichts der zwingenden Notwendigkeit, das Konsulat in Montevideo anderen Händen zu übergeben, den Herrn Konsul Rappaz entweder direkt oder durch Vermittlung der Gesandtschaft davon zu benachrichtigen, daß der Bundesrat auf einen zu bestimmenden Zeitpunkt hin, auf den 30. Juni oder den 31. Dezember 1896, seinen Rücktritt erwarte.

Der Bundesrat glaubte jedoch diesem Antrag nicht beipflichten zu aollen. Da die Konsolidierung der Finanzlage des Herrn'Rappaz nach Ansicht des Herrn Rodé als ein Ding der Unmögliehke t erschien, konnten wir nicht die Verantwortlichkeit dafür übernehmen, daß ein die Würde und das Ansehen unserer Vertretung im Auslande gefährdender und den Interessen unserer Mitbürger in Uruguay nachteiliger Zustand noch länger fortdauere. Herr Rappaz mag an seiner mißlichen ökonomischen Lage nicht schuld sein, seine persönliche Ehre mag dabei nicht gelitten haben, Unrecht hat er aber darin gehabt, daß er nicht einsah, wie sehr diese seine Lage mit der ferneren Ausübung des Amtes eines schweizerischen Konsuls unvereinbar war.

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Angesichts übrigens der in der Verwaltung des Konsulats zu Tage getretenen Unordnung durften wir nicht länger anstehen, diesem Zustand ein Ende zu machen und Herrn Rappaz durch einen für dieses Amt geeigneteren Mann zu ersetzen.

Wir haben deshalb unterm 10. März 1896 beschlossen : 1. Herrn Rappaz neuerdings einzuladen, seinen Rücktritt zu erklären und ihm dabei zu bemerken, daß, wenn er dies nicht gutwillig thue, der Bundesrat genötigt wäre, ihn seines Amtes zu entheben; 2. ihm bis Ende Juni 1896 seine Konsularentschädigung von Fr. 3000 jährlich auszurichten, unter der Bedingung jedoch, daß er sich vorher darüber ausweise, daß er alle ihm etwa anvertrauten Depositen zurückerstattet habe; 3. das politische Departement mit den nötigen Schritten behufs Ernennung seines Nachfolgers zu betrauen.

Herr Rappaz fügte sich schließlich, nicht ohne Protest zu erheben; seine Demission kam dem Herrn Rodé am 16. April zu.

Unter dem gleichen Datum richtete Herr Rappaz an das politische Departement folgendes Schreiben : Herr Bundesrat !

,,Ich beehre mich, Ihnen mit Gegenwärtigem mein Begehren um Entlassung von dem Posten eines Konsuls in Montevideo zu bestätigen. Ich habe dieses Begehren schon unterm 16. April unserm Ministerresidenten in Buenos Ayres eingereicht. Nachdem ich dieses Amt beinahe fünfzehn Jahre bekleidet, v e r s u c h e i c h d i e s e n Schritt zum zweiten Mal, nachdem mein R ü c k t r i t t s b e g e h r e n im J a h r e 1889 a b g e l e h n t w o r d e n war. Ich h ä t t e es d a m a l s n i c h t z u r ü c k g e z o g e n , w e n n n i c h t das eidgenössische Departement des Auswärtigen mich lebhaft darum ersucht, ja g e r a d e z u gebeten hätte."

Da Herr Rappaz geglaubt hat, diesen Punkt berühren zu sollen, so möge uns gestattet sein, seine mit der Wirklichkeit wenig übereinstimmenden Behauptungen zu berichtigen.

Durch Dekret des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten der Republik Uruguay vom 1. März 1889 (der spanische Text dieses Dekrets ist dem Berichte des Herrn Rodé vom 8. August 1896 beigefügt) war Herr Dr. V. Rappaz, Konsul der schweizerischen Eidgenossenschaft in Montevideo, zum Propaganda- und Einwanderungskommissär für die Schweiz, Piémont, Savoyen und Elsaß-Lothringen ernannt worden. Er erhielt die Aufgabe, diese

1177 Länder zu besuchen und für die Auswanderung nach Uruguay Propaganda zu machen. Herr Rappaz nahm diese Mission an, ohne zunächst die in Art. 22 des Konsularreglements vorgesehene Ermächtigung des Bundesrates einzuholen. Dieser Artikel schreibt vor, daß die schweizerischen Konsularbeamten ohne diese Ermächtigung keine amtlichen Geschäfte für ausländische Regierungen führen dürfen. Er behauptet, damals dem Bundesrate seine Demission eingereicht zu haben ; allein diese Angabe ist nicht richtig, und als Beweis führen wir hier den Brief an, den er unterm 28. Februar 1889, gerade als er im Begriffe war, als Agent der Regierung von Uruguay nach Europa zu reisen, an das Departement des Auswärtigen richtete.

Dieser Brief lautet in deutscher Übersetzung: ,,Herr Bundesrat!

,,Ich beehre mich, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß ich am 28. Februar 1889 gemäß Art. 7 des schweizerischen Konsularreglements Herrn Emil Guyer zu meinem Konsulatskanzler ernannt und ihm nach Formular Nr. l des erwähnten Reglements das Brevet dafür erteilt habe. Da ich m i c h n a c h E u r o p a b e g e b e n m u ß , so habe ich, nach Maßgabe von Art. 60 und 61 des erwähnten Reglements, die Führung des Konsulats unter meiner Verantwortlichkeit dem Kanzler anvertraut, dessen Unterschrift Sie am Fuße dieses Schreibens finden."

Nach einigen Bemerkungen über die Person des Herrn Guyer schloß Herr Rappaz seinen Brief wie folgt: ,,Ich gedenke, in wenigen Tagen nach Bern abzureisen, und hoffe dann der Ehre einer persönlichen Audienz, die ich hiermit nachsuche, teilhaftig zu werden. Inzwischen benutze ich den Anlaß etc.

(gez.) Dr. Rappaz, Konsul.11 Es steht, wie Sie sehen, kein Wort von einer Demission in diesem Briefe. Allerdings hatte Herr Rappaz nach seiner Ankunft in Bern eine Unterredung mit dem Vorsteher des Departements des Auswärtigen, wobei auch sein eventueller Rücktritt zur Sprache k a m ; aber es ist zu bemerken, daß Herr Rappaz sich nicht als ein mit einer amtlichen und besoldeten Mission von Seiten der uruguayschen Regierung Beauftragter vorstellte, sondern angab, er komme in die Schweiz, um sich zu orientiren und zu vergewissern, ob er den ihm angebotenen Auftrag annehmen könne. Man erwiderte ihm daher, einstweilen sei sein Rücktritt nicht notwendig. Herr Rappaz konnte keinen Augenblick im Zweifel darüber sein, daß seine Eigenschaft als besoldeter Agent einer auswärtigen Regierung mit der Stellung eines

1178 schweizerischen Konsuls sich nicht vertrug (siehe auch Art. 12 der Bundesverfassung), und der allerelementarste Takt hätte ihm eingeben müssen, entweder den ihm von der uruguayschen Regierung anerbotenen Auftrag abzulehnen oder dem Bundesrat den Rücktritt von seinem Konsulatsposten zu erklären. Inzwischen brach über die La Plata-Staaten eine verhängnisvolle Krisis herein ; Herr Rappaz mußte eiligst nach Montevideo zurückkehren und übernahm dort im Dezember 1889 sein Konsulat wieder. Es geht aus den Büchern der Contaduria hervor, daß Herr Rappaz von der uruguayscheu Regierung unterm 11. März 1889 5000 Piaster in Gold bar bezogen hat (etwas mehr als Fr. 25,000) und 5000 Piaster in Gold oder Wechseln auf Europa; er empfing gleichfalls für das Jahr 188U seine Entschädigung von Fr. 3000 als schweizerischer Konsul in Uruguay.

Unterm 20. Februar 1882 schrieb uns Herr Rappaz folgendes: ,,Obgleich ich der d e u t s c h e n und der italienischen Sprache mächtig bin, bitte ich Sie, mir alle Mitteilungen in französischer Sprache zukommen zu lassen.tl Folgende Thatsache beweist aber, daß unser ehemaliger Konsul nicht deutsch verstand. Unterm 18. Februar 1892 snndte die ,,Maschinenfabrik und Eisengießerei" in Schaffhausen an Herrn Rappaz den Frachtbrief und die Faktura für Maschinen, die für einen Kolonisten in Nueva Helvecia bestimmt waren, ,,mit der ausdrücklichen Bemerkung, die Waro nur gegen Erlegung des Fakturabetrages von Fr. 886. 50 zu liefern".

Trotz dieser ausdrücklichen Weisung lieferte Herr Rappaz den Frachtbrief und die Faktura dem Adressaten aus, ohue dio Bezahlung der Faktura zu verlangen, und noch jetzt wartet die Maschinenfabrik Schaffhausen auf den Ersatz des Schadens, den sie durch des Herrn Rappaz' Schuld erlitten hat (Fr. 886. 50 nebst /ins seit 1892; siehe Telegramm des genannten Geschäftshauses vom 14. dies).

Hieraus erklärt sich die Gewohnheit des Herrn Rappaz, auf deutsch geschriebene Briefe nicht zu antworten, worüber sich unsere deutschsprechenden Miteidgenossen öffentlich beklagt haben.

Am 19. Mai 1896 nahm der Bundesrat die Entlassung des Herrn Rappaz an, und zwar, mit Rücksicht auf seine 14jährige Amtstätigkeit, unter Verdankung der geleisteten Dienste. An seine Stelle wurde Herr Albert Grimm von Basel, Vertreter der bedeutenden Firma Shaw, gewählt, ein Mann, der allgemeine Achtung genießt, auch von Seiten derjenigen, die den Bundesrat schriftlich um seine Absetzung ersucht haben. ,,Herr Grimm" -- heißt es in

1179 einem der hiev mitfolgenden Berichte -- ,,ist unzweifelhaft der geachtetste Schweizerbürger in unserer Republik; in unserer ganzen Kolonie haben wir keinen achtungswertern und tüchtigem Mann."

Seit seiner Wahl sind wir in unseren Erwartungen nicht getäuscht worden ; Herr Grimm hat bereits gezeigt, daß er ein gewissenhafter Konsul ist, der unserem Lande sehr gute Dienste leisten kann. Wir hegen deshalb die Hoffnung, daß, wenn die Gemüter sich einmal beruhigt haben, seine heutigen Gegner ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen werden.

Mit Schreiben vom 3. Mai (eingelangt nach der Ernennung des Herrn Grimm) übermittelte uns Herr Paul Lebet in Montevideo eine von 172 Schweizerbürgern in Uruguay unterzeichnete Petition, worin die Beibehaltung des Herrn Rappaz als Konsul nachgesucht wurde.

Gleichzeitig erhielten wir ein vom 2. Mai datiertes Schreiben des Herrn Dr. Rappaz, dessen Anfang folgendermaßen lautete: ,,Ich habe vernommen, daß entgegen meinen Bemühungen und meiner Absicht eine Petition von hier abgeht, um Sie zu bitten, meinen Rücktritt vom Konsulatsposten nicht anzunehmen und mich in meiner Stellung zu belassen.

,,Ich h a b e die Ehre, Sie zu e r s u c h e n , diese Pet i t i o n n u r als einen Beweis der Sympathie, Zuneigung und D a n k b a r k e i t meiner L a n d s l e u te mir gegenü b e r b e t r a c h t e n z u w o l l e n u n d i h r k e i n e F o l g e zu g e ben."

Am 8. Juni antworteten wir Herrn Lebet, der Bundesrat habe die Kundgebung der Unterzeichner der Petition in diesem Sinne, gedeutet, und sprachen die Hoffnung und den Wunsch aus, daß die guten Beziehungen, welche stets zwischen der Schweizerkolonie in Montevideo und Herrn Rappaz geherrscht hatten, sich bald auch zwischen ihr und dem neuen Konsul, Herrn G r i m m , einstellen mochten.

Angesichts des von Herrn Rappaz selbst gestellten Ansuchens, der Petition vom 3. Mai keine Folge zu geben, hätten die Herren Brignoni, Lebet und Konsorten wohl ihren Feldzug einstellen und sich dein bundesrätlichen Entscheide fügen können. Aber es kam anders; der folgende Brief, den sie unterm 15. Juli an uns richteten, und die in der Eingabe an den Nationalrat vom gleichen Tage geführte Sprache beweisen zur Genüge, daß wir es mit Leuten zu thun haben, die so sehr überreizt sind, daß sie nicht einmal den offenbaren Widerspruch einsehen, der zwischen den Schlußanträgen ihrer Petition und dem Schreiben des Herrn Rappaz an den Bundes« rat vom 2. Mai besteht.

1180 ,,Wir danken* -- schreibt, die Zwölferkommission unterm 15. Juli -- ,,dem Bundesrat dafür, daß er sich mit unserer Eingabe beschäftigt hat; aber die Lage, in die wir nun trotz unserm ersten Gesuche und unserm Telegramm versetzt worden sind, legt uns die harte Notwendigkeit auf, uns an den schweizerischen Nationalrat zu wenden, ihm unsere Beschwerden in einer Denkschrift vorzulegen und seine verständnisvolle Vermittlung anzurufen."

Wir wollen diese Denkschrift nicht in ihren Einzelheiten prüfen; aber wir gestalten uns, einen Satz daraus hervorzuheben, der eine ebenso schwere als ungerechte Beschuldigung unseres Ministerresidenten in Buenos Ayres in sich schließt. Auf Seite 19 steht : ^Der schweizerische Minister hat, wie es scheint, mit seinem politischen Takt, der auf einer bürgerlichen Erziehung beruhen soll, die uns fremd ist, den Zwiespalt in der zahlreichen Schweizerkolonie in Buenos Ayres begünstigt, statt vielmehr mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Gemüter zu beruhigen.tt Wahr ist vielmehr, daß, als Herr Rodé im Jahr 1891 in Buenos Ayres anlangte, die dortigen Schweizer unter sich uneinig waren, und daß er, weit entfernt davon, diese Uneinigkeit zu schüren, die lobenswertesten Anstrengungen machte, unsere Mitbürger wieder zusammenzuführen. Wenn der Erfolg seinen Erwartungen noch nicht völlig entsprochen hat, so ist dies gewiß nicht seine Schuld ; denn diejenigen, welche die Schwierigkeiten kennen, mit denen er in einer so zahlreichen, aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzten Kolonie beständig zu kämpfen hat, werden ihm sicherlich keinen Vorwurf daraus machen, daß er noch keine Wunder verrichten konnte. Wir hatten bis jetzt immer nur Ursache, den Eifer zu loben, mit dem Herr Rodé seine Aufgabe erfüllt; er hat, ohne Mühen und Gefahren zu scheuen, alle Provinzen Argentiniens, wo sich schweizerische Kolonien befinden, bereist, hat sich angelegentlich über ihre materiellen und geistigen Bedürfnisse erkundigt, hat sich bei der argentinischen Regierung energisch dafür verwendet, daß Verbrechen, die an Schweizerbürgern begangen wurden, ihre Bestrafung fanden, und es ist ihm oft gelungen, für die Familien der Opfer ansehnliche Entschädigungssummen erhältlich zu machen. Es wäre daher wünschenswert, daß ihm gewisse Kritiken, zu denen vielleicht sein etwas lebhaftes Temperament
früher Anlaß geboten hat, erspart blieben ; denn wenn solche Kritiken über den Océan hinüberdringen, so können sie nur dazu beitragen, sein Ansehen zu vermindern und die Ausübung seines sonst schon heikein Amtes zu erschweren.

Im vorliegenden Falle verdient er viel eher Anerkennung Alidie gewissenhafte Art und Weise, wie er seine Pflicht erfüllte, indem

1181 er den Bundesrat auf die Zustände beim Konsulat in Montevideo aufmerksam machte, damit dort Abhülfe getroffen werden könne.

Obwohl der Gegenstand der Petition ausschließlich zu unseren Befugnissen gehört, so kann dies unserer Ansicht nach Sie nicht verhindern, mit uns anzuerkennen, daß die gegen unsern Ministerresidenten in Buenos Ayres und unsern Konsul in Montevideo, Herrn Grimm, vorgebrachten Beschwerden unbegründet sind und daß die Urheber der Petition sicherlich besser daran gethan hätten, die Beschlüsse des Bundesrates zu achten, dem nach der Verfassung die Aufgabe zukommt, die Interessen unseres Landes nach außen wahrzunehmen.

Da die Petenten versprochen haben, sich Ihrem Entscheide unterziehen zu wollen, so hoffen wir, daß bei der schweizerischen Kolonie in Montevideo, für deren Gedeihen wir die besten Wünsche hegen, bald wieder Frieden und Eintracht einkehren werden.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 17. Dezember 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

1182 Beilage.

Bericht ü beiden Stand der Archive des schweizerischen Konsulats in Montevideo.

(Sammlung der eidgenössischen Gesetze und Verordnungen.)

Herr Rappaz hat die Bände I--V 1874--1880 zurückerstattet.

Sämtliche folgenden Bände fehlen. K e i n e S p u r von B u n d e s b l a t t , ebensowenig vom schweizerischen Handelsamtsblatt.

I m m a t r i k u l a t i o n s r e g i s t e r . Wenige Eintragungen. Zwei im Jahre 1894, sechs 1895 und 1896. Kein Inhaltsverzeichnis.

Die Ordnungsnummern folgen nicht aufeinander.

P a ß r e g i s t e r . Ebenfalls schlecht geführt. Vier Bände P r o t o k o 11 schlecht geführt. Herr Rappaz muß die Weisungen und Formulare des Konsularreglements nicht richtig verstanden haben.

Zuerst hat er Ein- und Ausgänge getrennt numeriert, so daß zwei Nummern l, 2, 3 etc. vorhanden sind. Später numerierte er die Eingänge und die Ausgänge abwechslungsweise, so daß Ein- und Ausgänge des gleichen Geschäftes verschiedene Nummern tragen. Er notierte die Eingänge hintereinander, ohne zwischen den verschiedenen Geschäften Raum offen zu lassen ; in gleicher Weise verfuhr er bei den Ausgängen. Da die Zahl der letzteren größer gewesen zu sein scheint, bleiben für die Eingänge, d. h. auf der Rückseite der Blätter, leere Seiten. Abgesehen hiervon ist vom M o n a t A u g u s t 1890 b i s M a i 1892 k e i n E i n g a n g r e g i s t r i e r t w o r d e n ; sämtliche hierfür bestimmten Seiten sind unbes c h r i e b e n ; dagegen sind die Ausgänge registriert. Endlich springen die Nummern von 878 auf 3039, von 2699 auf 3000, von 3261 auf 3662, von 3665 auf 3867, von 3876 auf 3948 über und wiederholen sich häufig. Es sind zahlreiche Ausradierungen vorhanden.

118IÎ Eine Hinterlegung von 1060 Piaster seitens eines gewissen Isidor Diethelm, vom 22. Mai 1893, figuriert unter den Ausgängen statt unter den Eingängen. Die Rückerstattung dieser Hinterlage erfolgte am 22. Mai 1894.

Auch im Protokoll figurieren mehrere Empfangsseheine für Geldsummen, unterzeichnet durch die Brüder Premoli.

Fünf Bände Briefkopien.

Von denselben datieren nur zwei aus der Zeit des Herrn Rappaz, welche Kopien der durch diesen vom Februar 1882 bis 31. Juli 1886 geschriebeneu Briefe, enthalten. Von letzterem Datum hinweg sind die Briefe nicht mehr kopiert. Bei der Inventaraufnahme erklärte Herr Rappaz: ,,Während eines gewissen Zeitraumes habe ich meine Briefe kopiert, nachher habe ich damit aufgehört, weil es mir zu langweilig wurde." Die Minuten seiner Briefe hat er ebenfalls nicht aufbewahrt oder vielmehr er scheint deren überhaupt keine gemacht zu haben. Die beiden vorhandenen Kopierbücher enthalten keine Register.

D o s s i e r s und D o k u m e n t e . Dossiers sind keine vorhanden.

Die bei den Vorgängern des Herrn Rappaz eingegangenen Briefe sind nach Handelsgebrauch etikettiert und geordnet. Jeder Jahrgang steckt in einem Umschlag, welcher die Jahrzahl trägt. Herr Rappaz begnügte sich damit, die ihm während des Jahres zugegangenen Briefe obne irgend welches System an einen Haufen zu legen und daraus mit Bindfaden Pakete zu machen. Übrigens muß er diese Arbeit erst in letzter Zeit vorgenommen und dnhci von links und rechts die Briefe, welche er noch besaß, zusammengetragen haben, denn er sagte mir, diese Klassifizierung habe ihm drei Monate Arbeit gekostet. Ob die Korrespondenz vollständig vorhanden sei, läßt sieh nicht sagen, da der Zustand des Protokolls eine Kontrolle nicht gestattete.

Herr Rappaz besitzt kein Kassen- und kein Kontokorrentbuch, so daß ich mit Ausnahme dessen, was ich irn Protokoll vorfand, auch nicht mit einiger Sicherheit eruieren konnte, ob er Hinterlagen, in Empfang genommen und solche noch in Verwahrung habe. Kr selbst verneinte es, und Herr Grimm scheint der Ansieht zu sein, daß er deren nicht mehr besitze. Ich wüßte kein anderes Mittel, hierüber ins klare zu kommen, als durch Zeitungsanzeigen diejenigen Personen, welche beim Konsulate Hinterlagen zu fordern haben mögen, einzuladen, innert einem bestimmten Termine dort vorzusprechen.

Das beste wäre,
glaube ich, für den Augenblick sich bei der Versicherung unseres Exkonsuls zu beruhigen.

Kurz gesagt, ich habe das Konsulararchiv in einem t r a u r i g e n Zustande und in einer solchen Unordnung vorgefunden, daß das-

1184 selbe für den neuen Konsul sozusagen unverwendbar sein wird.

Ich habe denn auch Herrn Grimm den Rat erteilt, eine vollständig neue Buchführung einzurichten und neue Register anzufangen.

Mit Ausnahme obiger Aufstellungen war es mir, trotz langen Stunden der Arbeit, materiell unmöglich, einen Etat der unerledigten Geschäfte oder der Summen und Werttitel aufzustellen, welche das Konsulat noch in Verwahrung haben mag. Ich glaube übrigens, daß auch Herr Rappaz selbst hierzu außer stände wäre.

Buenos A y r e s , deo 30. Mai 1896.

F. Flury, Kanzler der Gesandtschaft.

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Bericht Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das schweizerische Konsulat in Montevideo. (Vom 17. Dezember 1896.)

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1896

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52

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23.12.1896

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1173-1184

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