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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Petition betreffend Schutz der schweizerischen landwirtschaftliche» Erzeugnisse und des Getreidebaues im besondern.

(Vom 12. März 1896.)

Tit.

Ungefähr 8900 stimmberechtigte Schweizerbürger aus 260 Gemeinden der Kantone Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf verlangen in einer an die Bundesversammlung gerichteten Bittschrift, es möchten die wirksamsten Maßregeln getroffen werden, um die schweizerischen landwirtschaftlichen Produkte im allgemeinen und ganz besonders das Getreide zu schützen, und die Petenten sprechen den Wunsch aus, daß das durch diese Maßregeln erzielte Erträgnis zur Hälfte an den Bund und zur Hälfte an die Kantone verteilt werde.

Von der handelspolitischen Seite betrachtet, scheint uns der erste Teil dieses Postulates in seiner allgemeinen Fassung -- schutzzöllnerische Maßnahmen zu gunsten der schweizerischen Landwirtschaft zu treffen -- auf Außerachtlassung der Thatsache zu beruhen, daß gerade das gegenwärtige Tarifgesetz den Forderungen der Landwirtschaft in erheblichem Maße Rechnung trägt, und daß es nicht zum mindesten die landwirtschaftlichen Zölle gewesen sind, welche die Opposition gegen dieses Gesetz hervorgerufen haben. Dem Gesetzgeber wurde überhaupt der Vorwurf gemacht, daß die Landwirtschaft zum Nachteile der übrigen Bevölkerungs-

297 klassen bevorzugt worden sei, wobei freilich zu bemerken js.t, daß die Handelsverträge, wie für andere Erzeugnisse, so auch für diejenigen der Landwirtschaft, eine Ermäßigung der Ansätze des Generaltarifs zur Folge gehabt haben.

Eine Ausnahme macht das Getreide, dessen Zollansatz seit dem Bestehen einer eidgenössischen Zollgesetzgebung sich mit 30 Rappen per 100 kg. gleich geblieben ist.

Bundesrat und Bimdesversammlung haben eine Erhöhung des Getreidezolles wiederholt in Erdauerung gezogen, zu einer solchen sich aber bisher nicht entschließen können, weil die Annahme eines Tarifgesetzes mit erhöhtem Getreidezoll von vornherein aussichtslos erschien, und es darf heute wohl ausgesprochen werden,, daß ein erhöhter Getreidezoll das Tarifgesetz von 1891 zweifellos, zu Falle gebracht hätte.

Die großen Schichten der industriellen und der Arbeiterbevölkerung und wohl auch ein Teil der landwirtschaftlichen erblicken in der Zollerhöhung auf Getreide eine Verteuerung desnotwendigsten Lebensmittels, des Brotes, und diese Meinung wird in jenen Bevölkerungsklassen wohl so lange fortbestehen, als unser Land auf den Getreideimport angewiesen ist. Daß aber letzteres, selbst unter den günstigsten Auspizien für den Körnerbau, auch fernerhin der Fall sein wird, dürfte in Anbetracht der Thatsache, daß wir jährlich über 31 /'s Millionen Metercentner Weizen und über l Million Metercentner andere Getreidearten importieren, keinem Zweifel unterliegen.

Eine Gesetzesnovelle mit einer Getreidezollerhöhung, und namentlich in dem Maße, wie sie von den Petenten anbegehrt wird, würde unseres Erachtens weder im jetzigen Momente, noch in nächster Zukunft Aussicht haben, vom Volke angenommen zu werden.

Würde eine solche Novelle aber auch die Klippen des Referendums glücklich passieren, so wäre mit derselben im gegenwärtigen Momente für die Landwirtschaft wenig gewonnen, 'da der Getreidezoll durch die Handelsverträge mit Deutschland, ÖsterreichUngarn und Italien gebunden ist, wovon die beiden erstem vorerst bis zum 31. Dezember 1903 und, wenn auf diesen Termin nicht gekündet, noch weiterhin in Kraft bleiben.

Ob auf dem Wege der Unterhandlungen mit den genannten Staaten die Einstellung eines höhern Zolles als des gebundenen von 30 Rappen per 100 kg. in den Vertragstarif zu erlangen wäre, ist eine Frage, die wir heute nicht beantworten können.

*298 ·Nächst Rußland, dem vertraglich die Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation zugesichert ist, ist Österreich-Ungarn unser bedeutendster Getreidelieferant, und es darf mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß, falls die Vertragsstaaten zu -derartigen Unterhandlungen überhaupt Hand bieten, ein Erfolg ohne bedeutende Opfer, d. h. ohne schwerwiegende Konzessionen auf ändern Hauptimportartikeln, sei es industriellen oder landwirtschaftlichen -- wir erinnern in letzterer Hinsicht bloß an die Viehzölle -- kaum erreichbar wäre.

Im günstigsten Falle würde daher die Zustimmung der betreffenden Vertragskontrahenten mit einer schweren Schädigunganderer industriellen oder landwirtschaftlichen Interessen erkauft werden müssen. Aber selbst wenn es möglich werden sollte, durch neue Verhandlungen mit den Vertragsstaaten sich über eine Erhöhung des bisherigen Getreidezolles zu verständigen, so würden wir uns nochmals vor die Klippe des Referendums gestellt sehen ; ·denn es können zwar auf dem Wege von Staatsverträgen Zollansätze h e r a b g e s e t z t , niemals aber solche e r h ö h t werden.

Das Resultat einer allfälligen Referendumsbewegung wäre denn auch nach unserer Überzeugung ein durchaus negatives.

Eine Zollerhöhung auf Getreide allein wäre ferner undenkbar ohne gleichzeitige entsprechende Erhöhung des Mehlzolles, ansonst sich erstere als rein illusorisch herausstellen würde. Die Erhöhung
Überhaupt aber halten wir den gegenwärtigen Zeitpunkt für eine Änderung des Tarifgesetzes sowohl, wie auch des Gebrauchs.tarifs für übel gewählt.

Die gedeihliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Landes läßt sich nur dann erwarten, wenn für Handel und Wandel eine sichere Grundlage gegeben ist, und diese besteht im internationalen Verkehr auf geordneten, möglichst stabilen Zollver.hältnissen.

Für uns unterliegt es aber keinem Zweifel, daß die Änderung
Um dem Wunsche der Potenten zu willfahren, gäbe es freilich noch ein anderes Mittel, nämlich die Monopolisierung des Ge-

299 treidehandels, welche uns auch der weitern Verhandlungen mit den Veiiragsstaaten entheben würde, da die Staatsmonopole in den.

Verträgen ausdrücklich vorbehalten sind.

Wir müssen aber sehr bezweifeln, ob dieses Vorgehen den Ideen der Potenten entsprechen und die Zustimmung der Volksmehrheit erhalten würde ; denn wenn auch eine solche Vorlage gewissen Kreisen als Verwirklichung eines Stückes Staatssocialismus dienen könnte, so darf anderseits mit Sicherheit angenommen werden, daß diese Bestrebungen bei der Mehrzahl unserer Bevölkerung -- und vorab in den betreffenden landwirtschaftlichen Kreisen -- kaum würden Unterstützung finden.

Die Klagen über die andauernde Entwertung des Brotgetreides sind übrigens allgemeine. Sie kommen aus dein freihändlerischen England, dessen Landwirtschaftsbetrieb ein Jahrhundert lang als Muster bewundert wurde und wo jetzt zahlreiche Farmen verlassen dem Jagdwild zu Gebote stehen, und aus unsern Nachbarstaaten, die, wie z. B. Frankreich, Zölle bis zur Hälfte des Einfuhrwertes des Weizens erheben.

Diese Klagen sind um so bitterer, weil die Landwirte das Gefühl, um nicht zu sagen die Überzeugung, haben, daß dieser andauernde Preisniedergang nicht allein auf die Wirkung des vermehrten Angebotes und des erleichterten Verkehres, sondern zu einem vielleicht größern Teil auf die verschiedene Währung in den exportierenden und den importierenden Ländern und auf das Börsenspiel, das sich des Getreidehandels bemächtigt hat und das mit enormen fiktiven Warenmengen betrieben wird, zurückzuführen sei, und weil sie sehen müssen, daß die Brotpreise nicht parallel mit den Getreidepreisen sinken, der Sturz dieser letztern somit ihnen schadet, ohne dem Konsumenten zu nützen.

In der That hatten die meisten Getreide ausführenden Länder bis jetzt entweder Silber- oder Papierwährung, während die importierenden die Gold- oder doch Doppelwährung besitzen. Daß das Börsenspiel nicht ohne Einfluß auf die Gestaltung der Preise ist, wird daraus geschlossen, daß sich der Rückgang derselben hauptsächlich seit den achtziger Jahren, dem Anfang vorherrschender Baissespekulationen, andauernd geltend macht, und daß andere Getreidearten, die dem Börsenspiel weniger unterworfen sind, wie die Gerste und der Hafer, von diesem Preissturz weniger oder nicht betroffen werden.

Es hätte keinen Zweck und würde zu weit führen, wenn wir uns hier mit diesen Fragen beschäftigen wollten.

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Unsere Getreidebauern beklagen sich nicht sowohl über die niedern Preise, als vielmehr darüber, daß sie ihr Getreide nicht mehr absetzen können. Die frühem Bauernmühlen sind größtenteils, in einigen Kantonen vollständig, eingegangen. Die modernen Kunstmühlen verarbeiten fast ausschließlich fremden Weizen, und auch der Konsument zieht das Brot aus importiertem Getreide dem einheimischen Erzeugnis vor.

Dennoch spielt der Getreidebau auch bei uns eine größere Rolle, als man nach oberflächlichem Urteil glauben könnte. Nach den Berechnungen kompetenter Fachmänner muß die dem Getreidebau gewidmete Fläche auf ungefähr 1/7 des landwirtschaftlich benützten Bodens, d. h. auf etwa 300,000 Hektaren mit einem Ertrag von etwa B1/a Millionen Kilocentnern Körner geschätzt werden.

Eine wesentliche Einschränkung dieses Betriebszweiges, namentlich auf unserer Hochebene, sei kaum mehr möglich, schon des notwendigen Fruchtwechsels, aber auch des Strohes wegen.

Aus Mangel an Absatz werde sowohl Weizen als Spelz zu einem großen Teil an das Vieh verfüttert, eine Verwendung, die in normalen Futterjahren deswegen nicht wirtschaftlich genannt werden könne, weil das Verhältnis zwischen den eiweißhaltigen zu den stickstofffreien Nährstoffen im Getreide ein so weites sei, daß es schwer halte, mit demselben und dem gewöhnlichen Dürr- und Wurzelfutter eine zweckmäßige Futtermischung herzustellen. Jedenfalls bedürfe es hierfür so großer Mengen, daß selbst bei dem gegenwärtigen niedrigen Marktpreis die Kosten durch die Erträge nicht gedeckt werden ; mit ändern Worten : das Getreide könne bei der Viehfütterung die Konkurrenz mit den eigentlichen Kraftfuttermitteln des Handels in der Regel nicht aushalten.

Ganz anders liegt die Sache in Jahren des Futtermangels, der bei uns nur durch ungewöhnliche Trockenheit herbeigeführt wird.

Die Erfahrung lehrt, daß gerade die getreidebauende Gegend, die Hochebene unseres Landes, in erster Linie jeweilen von der Trockenheit zu leiden hat.

In solchen Jahren liefern die Wiesen nur spärliche Erträge von allerdings außerordentlich guter Beschaffenheit, und es lassen sich mit dem in der Regel vortrefflich geratenen Getreide, den Wurzelfrüchten und dem Stroh leicht zweckmäßige Futtermischungen herstellen, die den Viehstand unter Zuhülfenahme streuesparender Stalleinrichtüngen und von Streueersatzmitteln
mit Erfolg durch die schwere Zeit zu bringen vermögen.

Wenn aber das Getreide schon in gewöhnlichen Jahren verfüttert und der ·- Viehstand deswegen vergrößert wird, so mangeln

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in Zeiten der Not die Erhaltungsmittel für denselben; eine Panik ergreift die Landwirte ; das Vieh wird verschleudert, der Viehstand des g a n z e n L a n d e s entwertet ; die Leistungsfähigkeit der g e s a m t e n L a n d w i r t s c h a f t für mehrere Jahre geschwächt und für ebensolang dem V o l k e die Fleischnahrung verteuert.

Nicht nur die getreidebauenden, sondern a l l e Landwirte und Viehzüchter, sowie die gesamte Bevölkerung haben folglich ein großes Interesse daran, daß der Anbau des Getreides nicht weiter zurückgehe, daß dessen Ertrag in gewöhnlichen Zeiten zur menschlichen Ernährung und nicht als Viehfutter verwendet werde und dadurch die Konkurrenz auf milchwirtschaftlichem Gebiete unnötig verschärfe. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend haben wir uns, schon bevor von der Einreichung der vorliegenden Bittschrift die Rede war, mit der Angelegenheit beschäftigt, und unsere Departemente des Militärs und der Landwirtschaft haben zu Anfang vorigen Jahres gemeinsam eine Expertenkommission beauftragt, die Anregung zu prüfen, ob dem inländischen Getreide nicht einigermaßen dadurch Absatz verschafft werden könnte, daß die Kriegsvorräte des Bundes mit einheimischem Erzeugnis geäufnet würden.

Wie dem Protokoll dieser Kommission zu entnehmen ist, wurde diese Frage einstimmig verneint mit folgender Begründung : 1. Werden die Kriegsbereitschaftsvorräte ganz oder zum Teil in inländischem Getreide angelegt, so erfüllen diese Vorräte den Zweck der Kriegsbereitschaft nicht, indem dadurch die vorhandenen Vorräte im Lande nicht vermehrt werden.

2. Kauft der Bund zum Zwecke der Kriegsbereitschaft inländisches Getreide auf und bringt es nach ein oder zwei Jahren wieder auf den Markt zum Verkauf oder Austausch, so ist damit dem Getreidebau nicht geholfen; nur wenn das Getreide e f f e k t i v k o n s u m i e r t w ü r d e , wäre der Landwirtschaft ein Dienst geleistet.

3. In der Schweiz besteht kein eigentlicher Kornmarkt mehr.

Wer diese Ware will, muß also direkt vom Produzenten kaufen; schon der Ankauf wäre daher mit Schwierigkeiten und großen Umständlichkeiten verbunden; noch schwieriger gestaltet sich die Sache, wenn die Vorräte umgesehlagen und durch frische Ware ersetzt werden sollen. Hat der Bauer keinen Markt für sein Korn, so giebt es ebensowenig einen solchen für den Bund, d. h. der Bund könnte wohl kaufen, nicht aber verkaufen.

Wer Getreide zur Aufbewahrung haben muß, der kauft nur trockene Sorten Weizen.

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4. Da es keine Großproduzenten giebt, könnte die Militärverwaltung nur kleine Posten einkaufen, das Lager würde somit ein buntes Gemisch von Qualitäten und Provenienzen sein, in welchen die geringen, wenig lagerfesten Sorten aus möglicherweise infizierten Privatspeichern selbst den guten Sorten gefährlich werden.

5. Auf alle Fälle würden die Transaktionen mit inländischem Korn dem Bunde große außergewöhnliche Opfer auferlegen, und dies für eine Ware, welche nach verschiedener Richtung bedeutend minderwertig ist als die ausländische.

6. Die Ausbeutung des Kornes ist nicht so vorteilhaft, wie diejenige des Weizens. Das Korn gilt in jüngster Zeit Fr. 13 per 100 kg., so daß der aus ihm gewonnene ,,Kern'1 wenigstens auf Fr. 18. 20 zu stehen kommt. Die Arbeit wird ausgeglichen durch den Abfall, während der Weizen zu gleicher Zeit Fr. 16. 25 kostet.

7. Die inländische Brotfrucht mag für die civilen Verhältnisse immer noch gute Dienste leisten, für Militärzwecke aber ist sie infolge ihrer inferioren Qualität und der s e h r b e s c h r ä n k t e n H a l t b a r k e i t - , sowie der Umständlichkeit der Lagerung nicht geeignet.

8. Das Korn müßte in der Spreu aufbewahrt werden, was für die Raumverhältnisse sehr ungünstig ist; denn es würden 150 kg. Korn den gleichen Raum einnehmen wie 250 kg. Weizen; 150--140 kg. Korn aber geben nur 100 kg. ,,Kernen", womit für die Lagerung eines bestimmten Gewichtes ,,Kernen"' 21/amal so viel Raum nötig wäre, als für die Lagerung des gleichen Gewichtes Weizen. Die ganze Magazinanlage würde demnach bei Verwendung von Korn eine 2'/amai so große Ausdehnung annehmen müssen, als für Weizen.

9. Auch bei Anwendung k ü n s t l i c h e r , b i s h e r a b e r n o c h w e n i g e r p r o b t e r M i t t e l oder bei S i l o s - Lagerung mit maschinellen Einrichtungen für das Lüften und Putzen des Getreides etc. würde die Haltbarkeit des inländischen Kornes n i c h t wesentlich erhöht werden können. Letztere Einrichtungen sind selbstverständlich sehr kostspielig und kann das dafür benötigte Geld leicht zweckmäßigere Verwendung finden.

Dagegen wird der Militärverwaltung empfohlen, Versuche vorzunehmen, ob es unbeschadet den Interessen des Bundes möglich wäre, in Friedenszeiten für Verpflegung der Truppen mit Brot inländisches Getreide zu verwenden.

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Die Schwierigkeiten, die sich solchen Versuchen entgegenstellen, sind indes derart, daß sie -- selbst unter Aufwendung bedeutend größerer finanzieller Mittel -- nur anläßlich der Corpsmanöver, wo das aus inländischem, direkt vom Produzenten zu kaufende Getreide gewonnene Mehl von der Verwaltungscompagnie verarbeitet würde, zu überwinden wären. Die dabei in Frage kommenden Mengen, d. h. ungefähr 22 Wagen Weizen oder 17 bis 18 Wagen Mehl, bilden aber einen so geringen Teil des inländischen Erzeugnisses, daß ein günstiger Einfluß auf den Getreidebau deswegen nicht zu erwarten ist.

Die erwähnte Kommission besprach auch noch eine andere Anregung, dahingehend, der Bund solle das inländische Brotgetreide zu einem bestimmten, ungefähr den Erzeugungskosten entsprechenden Preise aufkaufen, einmagazinieren und den Getreideimporteuren, vorschreiben, bei jeder Einfuhr von -ausländischem Getreide denselben Prozentsatz dieser Einfuhr inländisches Korn vom Bunde zu.

den Selbstkostenpreisen zu beziehen, den die inländische Produktion von der Gesamtkonsumation ausmacht. Beträgt beispielsweise dieinländische Produktion 25 °/o der Gesamtkonsumation, so wäre der Importeur gezwungen, zu je 100 Wagen ausländischen Getreides, das er einführt, 25 Wagen inländisches Korn vom Bunde zu dessen.

Selbstkostenpreisen zu beziehen.

Diese Form des Monopoles oder des Schutzzolles wurde schon; aus dem Grunde als unausführbar bezeichnet, weil in den Magazinen des Bundes Ware von allzu verschiedener Qualität lagern würde, als daß man selbe ohne weiteres und zu einem einheitlichen Preise den Importeuren aufbürden könnte. Die Ausscheidung der Inlandware nach der Qualität und die Abstufung der Ankaufsund Abgabepreise wäre eine schwer zu lösende Aufgabe für die Organe des Bundes. Wir fügen dem bei, daß eine derartige Maßnahme weder mit den Handelsverträgen noch mit der Bundesverfassung vereinbar wäre.

Ohne künstliche Verteuerung des notwendigsten Lebensmittels dürfte es dem Staate überhaupt nicht möglich sein, den inländischen Getreidebau wesentlich zu fördern. Einer solchen Verteuerung würde sich das Volk jedenfalls widersetzen. Die Lage des Getreidebaues in allen Ländern ist zwar derart, daß eine nahe Preissteigerung mit ziemlicher Sicherheit vorausgesagt werden kann ; sie wird aber unserem Getreidebau wenig Nutzen bringen, weil er gegenwärtig eine so geringe Qualität liefert, daß zur Bereitung des Brotes stets das fremde Erzeugnis vorgezogen wird.

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Gesundere Verhältnisse müssen zum Teil aus der Landwirtschaft selbst herausgeschafften werden. Bessere Bearbeitung und geeignetere Düngung des Bodens, sorgfältigere Auswahl des Saatgutes, namentlich aber größere Sorgfalt bei der Ernte und der Aufbewahrung könnten vorerst eine Verbesserung des Kornes herbeiführen, die es haltbarer, für den Konsum beliebter macht. Auch dürfte einläßlich untersucht werden, ob ein besserer Ertrag des Getreidebaues nicht durch Zucht und Export von Samenkorn herbeigeführt werden könnte. Namentlich die höhern Lagen scheinen hierfür ganz besonders geeignet zu sein.

Da Gerste und Hafer auf dem Weltmarkt weniger Preisschwankungen unterworfen sind, fragt es sich ferner, ob diesen Kulturen nicht größere Flächen eingeräumt werden sollten. Aus ·dem Kanton Schaffhausen werde Gerste, trotz des Zolles, zu Brauzwecken nach Deutschland ausgeführt ; es ist somit nicht zu .zweifeln, daß es gelinge, auf unsern Weizenböden gute Braugerste zu erzielen und selbe in Verbindung mit den Brauereien, die ausschließlich ausländische Gerste und ausländisches Malz verwenden, im Inlande zu vermalzen.

Auf diesen Gebieten liegt für landwirtschaftliche Genossenschaften noch ein großes Wirkungsfeld offen. Die Petition, in der Fassung, wie sie vorliegt, können wir nicht empfehlen, sondern müssen deren Ablehnung beantragen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 12. März 1896.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

A. Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-fr» «K»

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Petition betreffend Schutz der schweizerischen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und des Getreidebaues im besondern. (Vom 12. März 1896.)

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18.03.1896

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