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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des in Moskau geschlossenen Abkommens über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser (Vom 18. September 1963)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen eine Botschaft über die Genehmigung des in Moskau am S.August 1963 geschlossenen Abkommens über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser zu unterbreiten: I

Nach jahrelangen erfolglosen Bemühungen auf dem Gebiet der Abrüstung haben die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika nach kurzen Verhandlungen in Moskau am 25. Juli 1963 ein, als ersten Schritt bezeichnetes, Abkommen über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser paraphiert.

Am 29. Juli 1963 haben der britische Botschafter und der amerikanische Geschäftsträger a.i. in Bern beim Politischen Departement eine gemeinsame Demarche unternommen und dabei den Wunsch geàussert, auch die Schweiz möchte dem Abkommen, das allen Staaten offenstehe, beitreten und möglichst bald eine diesbezügliche Erklärung abgeben. Am 2. August sprach der sowjetische Geschäftsträger a.i. in ähnlichem Sinne vor. Inzwischen ist offensichtlich geworden, dass die drei ursprünglichen Signatarmächte auf die Unterschriften möglichst vieler Staaten Wert legen.

Am 5. August 1963 erfolgte, ebenfalls in Moskau, die feierliche Unterzeichnung des Abkommens durch die drei Aussenminister. Bereits am 8. August begann in London, Moskau und Washington die Unterzeichnung durch weitere Vertragspartner (vgl. Liste im Anhang): am 11. September betrug deren Zahl

616 insgesamt 89. Es kann damit gerechnet werden, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Staaten der Welt das Abkommen unterzeichnen oder ihm beitreten werden.

Dagegen haben sich bisher nur die Volksrepubliken Albanien, China, Korea und Vietnam ausgesprochen. Frankreich bleibt seinerseits dem Abkommen fern, hat aber dessen Abschluss als an sich befriedigend begrüsst. Ferner hat Kambodscha erklärt, nicht unterschreiben zu wollen.

Die nächste, bald zu erwartende Etappe wird die Eatifikation seitens der drei ursprünglichen Signatarmächte und damit das Inkrafttreten sein.

II Das Abkommen besteht aus einer Präambel und fünf Artikeln.

Die Präambel proklamiert als wichtigstes Ziel der drei ursprünglichen Vertragspartner den raschestmöglichen Abschluss einer Vereinbarung über eine allgemeine und vollständige Abrüstung unter strenger internationaler Kontrolle, um dem Anreiz, Waffen aller Art - einschliesslich Atomwaffen - auszuprobieren und herzustellen, ein Ende zu setzen; überdies soll ein Verbot sämtlicher Kernwaffen-Versuchsexplosionen für alle Zeiten angestrebt werden, um die radioaktive Verseuchung der Menschheit zu verhindern.

Artikel I enthält die Verpflichtung, keine weiteren Kern(waffen)versuche in der Luft, im Weltraum und unter Wasser zu unternehmen, zu ermöglichen oder zu ermutigen ; insbesondere darf fremdes Hoheitsgebiet nicht durch radioaktive Abfälle gefährdet werden. Darüber hinaus bestimmt dieser Artikel, dass das bereits vereinbarte Teilverbot einem totalen Versuchsstopp nicht im Wege stehen soll.

Artikel II sieht vor, dass jeder Vertragsstaat eine Eevision des Abkommens beantragen kann. Sofern mindestens ein Drittel der Parteien es wünscht, ist ein solcher Vorschlag einer Staatenkonferenz zu unterbreiten, die darüber im Mehrheitsverfahren entscheidet. Derart beschlossene Änderungen sind also auch für die Minderheit verbindlich. Die drei Gründerstaaten behalten sich aber ein Vetorecht vor.

Artikel III öffnet das Abkommen sämtlichen Staaten zur Unterzeichnung oder, nach dem Inkrafttreten (d.h. nach Hinterlegung der Batifikationsurkunden der ursprünglichen Parteien), zum Beitritt. Ein Novum bedeutet die aus politischen Gründen geschaffene Möglichkeit, an einem, zwei oder drei Orten zu unterzeichnen, bzw. Urkunden zu hinterlegen. Für die Eechtsverbindlichkeit genügt indessen die Unterschrift
bei einer Depositarmacht. Artikel III regelt im übrigen, in Verbindung mit Artikel V, die üblichen Modalitäten für das Inkrafttreten sowie die Pflichten der drei Depositarstaaten.

Artikel IV erklärt in Absatz l, das Abkommen sei von unbeschränkter Dauer. Absatz 2 gibt aber jedem Mitgliedstaat, «in Ausübung seiner nationalen Souveränität», das Eecht zurückzutreten, falls ausserordentliche Ereignisse im Zusammenhang mit der Vertragsmaterie seine höchsten Landesinteressen ge-

617 fährden. Der Entscheid über das Bestehen dieser Voraussetzung ist dem Ermessen jedes Partners überlassen.

III Das Abkommen ist bedeutungsvoll, "\veil es der weiteren radioaktiven Verseuchung der für die Menschheit lebenswichtigen Elemente, Luft und Wasser.

ein Ende zu setzen trachtet. Es sind Fälle bekannt geworden, bei denen in der Umgebung der Versuchsexplosionen durch den radioaktiven Fallout oder bei Unterwasserexplosionen durch Verseuchung des Meeres die menschliche Gesundheit unmittelbar gefährdet mir de. Es sei an die japanischen Fischer erinnert, welche im März 1954 in 150 km Entfernung vom Testort in den Fallout einer Wasserstoffbombe gerieten. Zudem kann die Pflanzen- und Tierwelt der Versuchsgebiete schwer geschädigt werden.

Die weltweite, d.h. auch die in Europa als Folge der rund 400 bisherigen oberirdischen Atomexplosionen aufgetretene Eadioaktivität bedeutete zwar noch keine direkte Gefahr für den Menschen. Es zeigte sich aber auch in unserem Lande im Gefolge der Explosionsserien regelniässig ein deutlicher Anstieg der Eadioaktivität in Luft, Niederschlägen, Boden. Gras, Milch und anderen Nahrungsmitteln. Auch in jedem menschlichen Skelett lässt sich heute, wenn auch erst in äusserst geringer Konzentration, das langlebige und gefährliche Strontium-90 nachweisen, das ausschliesslich von Atomexplosionen stammt. Bei einer unbeschränkten Weiterführung der Versuchsexplosionen mit grosskalibrigen Atombomben, wie sie in den Jahren 1961 und 1962 mehr und mehr durchgeführt wurden und deren Spaltprodukte noch für längere Zeit aus der Stratosphäre absinken werden, können in nicht allzu ferner Zeit einzelne Nahrungsmittel so kontaminiert sein, dass die Toleranzkonzentration überschritten würde. In.

diesem Moment müssten komplizierte und kostspielige Massnahmen zur Verringerung der Aktivität getroffen werden.

Wegen der möglichen genetischen Schädigungen ist jede Reduktion der Strahlenexposition des Menschen zu begrussen. Selbst wenn der Vertrag eines Tages hinfällig würde, hätte er doch, durch den zeitweiligen Unterbruch der Testserien, eine Verminderung der Gefährdung unserer und der kommenden Generationen bedeutet.

Der gesundheitliche, biologische und allgemein humanitäre Aspekt darf also nicht unterschätzt werden; er vermag schon für sich allein genommen die Unterstützung des Abkommens
zu rechtfertigen, sofern seine Unterzeichnung aus Gründen, die im nachfolgenden untersucht werden, unsere Politik der immerwährenden, bewaffneten Neutralität nicht beeinträchtigt.

Entscheidend für die Wirksamkeit und die Dauer des Moskauer Abkommens wird das Verhalten jener Staaten sein, die effektiv oder potentiell über Atomwaffen verfügen können, um Versuche in der Luft, im Weltraum oder unter Wasser durchzuführen. Dazu gehören die drei ursprünglichen Signatarstaaten sowie Frankreich (für Experimente in der Luft und unter Wasser).

618 Pur alle Länder, die nicht zu den Atommächten gerechnet werden können, bringt dag Abkommen auf längere Zeit hinaus keine effektive Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit mit sich, und damit nur eine formale Verpflichtung.

Immerhin bewirkt die grosse Zahl beitretender Staaten eine politische Belastung des allfälligen Ausbrechers.

IV Offensichtlich ist das Bestreben der drei unterzeichnenden Atommächte, eine Ausweitung des Kernwaffenbesitzes auf andere Staaten möglichst zu verhindern. Ebenso liegt auf der Hand, dass noch andere, ausserhalb des eigentlichen Vertragszieles liegende Motive zur Unterzeichnung geführt haben.

Dazu kommen die dem Abkommen selbst innewohnenden Mängel, vor allem die Tatsache, dass keine schiedsgerichtliche Instanz vorgesehen ist, welche die Gültigkeit der Kündigungsgründe objektiv und bindend beurteilt und damit allenfalls die Wiederaufnahme von Versuchen verhindern oder zum mindesten erschweren könnte. Es ist unbestreitbar, dass das Moskauer Abkommen nicht dazu angetan ist, die völkerrechtlichen Ansprüche, die an ein Vertragsinstrument geknüpft werden müssen, vollauf zu befriedigen; die Verpflichtungen, die es in sich schliesst, erweisen sich bei näherer Prüfung als unvollständig und ungewiss.

Schliesslich besteht für die meisten Mitunterzeichner, worunter auch die Schweiz, keine eigene wissenschaftliche Kontrollmöglichkeit über die Einhaltung des Versuchsverbotes.

Es bleibt nun unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten zu prüfen, wie sich die Schweiz gegenüber der an sie gerichteten Einladung verhalten soll.

Sprechen spezifische Gründe gegen ein Mitmachen? Vorweg gilt es jedoch, sich bewusst zu sein, dass nicht nur ein zustimmender, sondern ebenso sehr, wenn nicht noch mehr, ein ablehnender Entscheid - ob wir es wollen oder nicht - im vorliegenden Falle eine Stellungnahme bedeutet und als solche ausgelegt wird.

a. Neutralitätsrechtlich steht einem Beitritt der Schweiz zum Moskauer Abkommen in seiner gegenwärtigen Form nichts entgegen. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass die dauernde Neutralität eine angemessene Verteidigungsfähigkeit verlangt und sich hier das Problem einer allfälligen eigenen Atombewaffnung stellt (vgl. unten Buchstabe c.).

~b. Neutralitätspolitisch bedeutet der Beitritt keine Begünstigung einer der beiden heutigen Welt atommächte. Auch mindert er nicht die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Neutralitätsmaxime. Bedenken hätten sich ergeben müssen, falls das Abkommen entweder nur von Moskau und seinen Anhängern oder nur von Washington und seinen Partnern unterschrieben worden wäre. Die aller Voraussicht nach kleine Front der Abseitsstehenden und Opponenten geht indessen quer durch das westliche und östliche Lager. Die grosse Mehrzahl der Unterzeichnerstaaten sind solche, die, ohne potentielle Atommächte zu sein,

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das Versuchsverbot aus allgemeinen Erwägungen unterstützen. Somit handelt es sich nicht nur um eine Konfrontation zwischen den das Monopol besitzenden Atommächten und solchen, die es werden möchten.

c. Es ist die Politik des Bundesrates und der eidgenössischen Eäte. denen das Volk in zwei Abstimmungen gefolgt ist. sich die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit in bezug auf die Ausrüstung der Armee mit Kernwaffen zu wahren.

Diese Freiheit wird durch das Moskauer Abkommen nicht beeinträchtigt, da es nur solche Versuche (Luft, Weltraum und Wasser) ausschliesst, die für uns ohnehin nicht in Frage kommen. Wir sind deshalb auch nach der Unterzeichnung in der Lage, das Problem der eigenen Atombewaffrrung weiter zu verfolgen. Allein die politische, wissenschaftliche und technische Entwicklung wird unsere weiteren Beschlüsse auf diesem Gebiet beeinflussen.

Es ist allerdings daran zu erinnern, dass die drei ursprünglichen Vertragsparteien anstreben, alle Atomexplosionen, also auch die unterirdischen, zu verbieten. Es liegt auf der Hand, dass wir eine solche Erweiterung des Verbotes nur begrüssen könnten, falls es gelänge, ein Kontrollsystem zu errichten, das alle Möglichkeiten unserer Landesverteidigung unter den dannzumaligen politischen Verhältnissen unbeeinträchtigt liesse.

Es ist ferner denkbar, dass im Rahmen allfälliger späterer Verhandlungen auch die Schaffung regionaler atomwaffenfreier Zonen in Erwägung gezogen würde. Sollten sie zu konkreten Anträgen führen, so würde die Stellungnahme der Schweiz von der Art der vorgesehenen Kontrollen und der allgemeinen politischen Lage im Lichte unserer Verteidigungsbereitschaft abhangen.

Sollten nicht nur die Versuchsexplosionen, sondern auch die Herstellung.

Lagerung und Verwendung von Kernwaffen in wirksamer Weise weltweit verboten werden, so wäre ein neutraler Staat jedenfalls nicht mehr verpflichtet, als einziger zu seiner Verteidigung auch Kernwaffen zu besitzen.

d. Für die Schweiz von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass der Vertrag gemäss Artikel II, Absatz 2 im Mehrheitsverfahren revidiert werden kann, d.h. dass ihr auch ungewollt neue Verpflichtungen auferlegt werden könnten, und zwar in einer Materie, die einen ausgesprochen politischen Aspekt hat.

Es besteht indessen die Möglichkeit, sich solchen Bindungen zu entziehen durch Kündigung
gemäss Artikel IV des Abkommens, gegebenenfalls allerdings unter politisch-psychologisch erschwerten Bedingungen. Immerhin bietet das Vetorecht der drei ursprünglichen Signatarmächte Gewähr vor einseitigen Aktionen.

Ferner ist davon auszugehen, dass neue Verpflichtungen neue Verhältnisse schaffen, welche zu einer Überprüfung der Mitgliedschaft führen müssten.

VI

Betrachten wir nun die Gründe, die eine positive schweizerische Stellungnahme rechtfertigen. Angesichts der starken, und bisher immer wieder enttäuschten Erwartungen der Völker auf Entspannung und ein echtes friedliches Zusammenleben steht es der Schweiz mit ihrer humanitären Tradition wohl an,

620 jeden konkreten Schritt zur Herabminderung einer totalen Kriegsgefahr zu begrüssen und mit ihren bescheidenen Mitteln zu unterstützen. Aber auch angesichts des immer universeller werdenden Charakters des Abkommens sowie der begründeten Hoffnung, der Luft- und Wasserverseuchung ein Ende zu bereiten, würde ein Abseitsstehen der Schweiz, vor allem im Ausland, nicht verstanden. Es tiesse, die Sonderstellung der Schweiz strapazieren, wollten wir uns unter Berufung auf rechtliche und formelle Mängel enthalten. Auch haben wir ein eigenes Interesse, eine weitere radioaktive Verseuchung verhindern zu helfen.

Die schweizerische Unterschrift hat in erster Linie ein symbolisches Gewicht, da wir selbst ohnehin keine verbotenen Versuche unternehmen. Daraus schliessen zu wollen, ein Beitritt sei schon deswegen gegenstandslos, ginge aber sicher zu weit. Die Schweiz hat auch nicht gezögert, dem Vertrag über den Verzicht auf den Krieg vom 27. August 1928 (Kellogg-Pakt) beizutreten, der bekanntlich nur den Angriffskrieg ächtete, sodass angesichts der dauernden Neutralität unsere Unterschrift ebenso überflüssig hätte erscheinen müssen.

Im Lichte unserer traditionellen Friedenspolitik sind wir der Ansicht, dass die positiven Aspekte gegenüber den Unzulänglichkeiten des Abkommens überwiegen.

VII

Die Bundesrepublik Deutschland hat öffentlich und auf diplomatischem Wege Befürchtungen geäussert bezüglich der Auswirkungen, die das Moskauer Abkommen auf den Status der Deutschen Demokratischen Eepublik haben könnte.

' Nach dem allgemeinen Völkerrecht erlangt ein nicht anerkannter Staat durch die Teilnahme an einer internationalen Konferenz oder die Unterzeichnung eines multilateralen Vertrages (bzw. den Beitritt dazu) noch keine Anerkennung, weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende. Dafür gibt es zahlreiche Präzedenzfälle. Die Schweiz hat ihrerseits an diesem Grundsatz stets konsequent festgehalten, denn nur seine Beachtung ermöglicht es, Verträge von universalem Interesse zu schliessen unter Ausserachtlassung 'politischer Streitfragen. Zu einer besonderen Erklärung liegt daher schweizerischerseits kein Anlass vor.

VIII Im Sinne der obenstehenden Erwägungen schien es dem Bundesrat angezeigt, den Willensakt in Form der Unterzeichnung zu vollziehen und nicht die erst nach dem Inkrafttreten sich bietende Beitrittsmöglichkeit abzuwarten'.

Die Kompetenz für die Unterzeichnung steht, unter Vorbehalt der Genehmigung durch die eidgenössischen Bäte, dem Bundesrat zu; er hat von ihr am 23. August 1963 Gebrauch gemacht. In Ausführung seines Beschlusses haben am 26. August 1963 der schweizerische Botschafter in London sowie die schweizerischen Geschäftsträger a.i. in Moskau und Washington das Abkommen im Namen des Bundesrates und unter Batifikationsvor behalt gleichzeitig unterzeichnet. Nun-

621 mehr beantragen wir, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung, den eidgenössischen Bäten die Genehmigung des Abkommens und damit die Ermächtigung zur Ratifikation.

Das fakultative Keferendum gemäss Artikel 89, Absatz 3 der Bundesverfassung findet keine Anwendung, weil der Vertrag nach Artikel IV, Absatz 2 jederzeit mit dreimonatiger Frist gekündigt werden kann. Zwar ist dieses Kündigungsrecht an eine materielle Bedingung geknüpft, nämlich das Vorliegen ausserordentlicher, mit der Materie des Vertrages zusammenhängender Ereignisse, welche die höchsten Landesinteressen gefährden. Doch entscheidet ausdrücklich jeder Staat selbst in Ausübung seiner nationalen Souveränität über das Vorliegen eines solchen-Ereignisses. Da es sich hier um eine Erage des Ermessens und der politischen Beurteilung handelt, ist die Handlungsfreiheit der Staaten praktisch nicht eingeschränkt.

Die Verfassungsmässigkeit des vorliegenden Beschlusssesentwurfes ergibt sich aus der Bundesverfassung Artikel 8, der dem Bund das Hecht zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland einräumt.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen, den beiliegenden Beschlussesentwurf anzunehmen.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 13. September 1963.

Im Xamen des Schweizerischen Bundesrates, Der Vizepräsident: L. von Moos Der Bundeskanzler : Ch. Oser

622 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Abkommens über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestutzt auf Artikel 85, Absatz 5 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 13. September 1963, beschliesst : Einziger Artikel Das am 5. August 1963 in Moskau abgeschlossene Abkommen über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.

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Übersetzung

Abkommen über

das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser

Die Eegierungen der Lnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika, die im folgenden >als die «Ursprünglichen Parteien» bezeichnet werden, haben mit dem Hauptziel, raschestrnoglich ein Abkommen über die allgemeine und vollständige Abrüstung unter strikter internationaler Kontrolle in Übereinstimmung mit den Zielen der Vereinten Nationen zu erreichen, das dem Wettrüsten ein Ende bereitet und den Anreiz zur Herstellung und Erprobung aller Arten von Waffen, einschliesslich der Kernwaffen, beseitigt, in dem Bestreben, die Einstellung aller Versuchsexplosionen von Kernwaffen für alle Zeiten zu erreichen, entschlossen, die Verhandlungen mit diesem Endziel fortzusetzen, und in dem Wunsch, der Verseuchung der Unrwelt des Menschen durch radioaktive Substanzen ein Ende zu bereiten, folgendes vereinbart : AETIKEL I 1) Jede der Parteien dieses Abkommens verpflichtet sich, jede AtomwaffenVersuchsexplosion oder jede andere nukleare Explosion an jedem Ort unter ihrer Jurisdiktion oder Kontrolle zu verbieten, zu verhindern und nicht durchzuführen a. in der Atmosphäre, jenseits ihrer Begrenzung mit Einschluss des Weltraumes, oder unter Wasser einschliesslich der Territorialgewässer oder der hohen See; oder &. in jeder anderen Umgebung, wenn eine solche Explosion radioaktive Ausfälle verursacht ausserhalb des territorialen Bereiches des Staates, unter dessen Jurisdiktion oder Kontrolle die Explosion erfolgt. Es versteht sich in diesem Zusammenhang, dass die Bestimmungen dieses Unterabsatzes b.

den Abschluss eines Abkommens über das dauernde Verbot aller Atomversuchsexplosionen, einschliesslich aller solchen unterirdischen Versuche, nicht präjudiziern sollen, eines Abkommens, dessen Abschluss die Parteien in der Präambel dieses Abkommens erklärt haben, erreichen zu wollen.

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2) Jede der Parteien dieses Abkommens verpflichtet sich ausserdem, Abstand zu nehmen von einem Verursachen, einer Ermutigung oder einer Teilnahme in irgendeiner Form an der Ausführung von Kernwaffen-Versuchsexplosionen oder irgendwelchen anderen atomaren Explosionen, die an einem der oben erwähnten Orte stattfinden oder die eine in Absatz l dieses Artikels erwähnte Wirkung haben könnten.

ABTIKEL II 1) Jede Partei kann- Zusätze zu diesem Abkommen vorschlagen. Der Text jedes vorgeschlagenen Zusatzes soll den Depositarregierungen unterbreitet werden, die sie allen Parteien dieses Abkommens zustellen sollen. Sofern es von einem Drittel oder mehr der Parteien verlangt wird, sollen die Depositarregierungen eine Konferenz einberufen, zu der sie alle Parteien einladen sollen, um einen solchen Zusatz zu prüfen.

2) Jeder Zusatz muss mit einer Mehrheit der Stimmen aller Parteien dieses Abkommens einschliesslich derjenigen aller ursprünglichen Parteien gebilligt werden. Der Zusatz soll für alle Parteien mit der Hinterlegung der Batifizierungsurkunden seitens einer Mehrheit aller Parteien einschliesslich der Batiîizierungsurkunden aller ursprünglichen Parteien in Kraft treten.

ABTIKEL III 1) Dieses Abkommen soll allen Staaten zur Unterzeichnung offenstehen.

Jeder Staat, der dieses Abkommen nicht vor dessen Inkrafttreten gemäss Absatz 3 dieses Artikels unterzeichnet, kann ihm jederzeit beitreten.

2) Dieses Abkommen bedarf der Batifikation durch die Signatarstaaten.

Die Batifikations- und Beitrittsurkunden sollen bei den Begierungen der ursprünglichen Parteien - der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika - hinterlegt werden, die hiermit als Depositarregierungen bestimmt werden.

3) Dieses Abkommen soll nach seiner Batifizierung durch die ursprünglichen Vertragsparteien und der Hinterlegung ihrer Batifikationsurkunden in Kraft treten.

4) Für die Staaten, deren Batifikations- und Beitrittsurkunden nach Inkrafttreten dieses Abkommens hinterlegt werden, soll es am Tage der Hinterlegung der Batifikations- und Beitrittsurkunden in Kraft treten.

5) Die Depositarregierungen sollen alle Unterzeichner- und Mitgliedstaaten sofort über das Datum jeder Unterzeichnung, der Hinterlegung jeder Batifikations-
und Beitrittsurkunde dieses Abkommens, den Tag seines Inkrafttretens, das Eingangsdatum von etwaigen Begehren betreffend Konferenzen oder andere Mitteilungen unterrichten.

6) Dieses Abkommen soll gemäss Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen von den Depositarregierungen registriert werden.

625 ARTIKEL IV Die Dauer dieses Abkommens ist unbegrenzt.

Jede Partei soll in Ausübung ihrer nationalen Souveränität das Recht haben, vom Abkommen zurückzutreten, wenn sie entscheidet, dass aussergewöhnliche Ereignisse im Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Abkommens die höchsten Interessen ihres Landes gefährden. Sie soll einen solchen Rücktritt allen anderen Parteien des Abkommens drei Monate im voraus ankündigen.

ARTIKEL V Dieses Abkommen, dessen englische und russische Fassung gleichermassen authentisch sind, soll in den Archiven der Depositarregierungeii hinterlegt werden. Gehörig beglaubigte Abschriften dieses Abkommens sollen den Regierungen der Signatar- und Mitgliedstaaten durch die Depositarregierungen übermittelt werden.

Zu Urkund dessen haben die gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Abkommens unterzeichnet.

Geschehen in Moskau, in drei Exemplaren, am fünften August iieunzehnhundertdreiundsechzig.

Für die Regierung der Für die Regierung des Union der SozialistiVereinigten Königreiches sehen Sowjetrepubliken von Grossbritannien und Kordirland (gez.) A. Gromyko (gez.) Home

Für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (gez.) Dean Eusk

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Liste der Parteien des Abkommens über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Vereinigtes Königreich von Grossbritannien und Irland Vereinigte Staaten von Amerika Aethiopien Afghanistan Algerien Argentinien Australien Belgien Bolivien Brasilien Bulgarien Bundesrepublik Deutschland Burma Ceylon Chile China (Formosa) Costa Bica Dänemark Dahomey Deutsche Demokratische Eepublik Finnland Ghana Griechenland Honduras Indien Indonesien Irak Iran Irland Island Israel Italien

Jamaika Japan Jemen Jordanien Jugoslawien Kamerun Kanada Kolumbien Kongo (Leopoldville) Korea (Süd) Kuwait Laos Libanon Liberia Libyen Luxemburg Malaiische Föderation Mali Marokko Mexiko Mongolei Nepal Neuseeland Nicaragua Niederlande Nigeria Norwegen Ober-Volta Österreich Pakistan

627 Paraguay Peru Philippinen Polen Rumänien Salvador Schweden Schweiz Sierra Leone Somalia Spanien Sudan Syrien Thailand 7163

Trinidad und Tobago Tschad Tschechoslowakei Tuiiesien Türkei Uganda Ungarn Uruguay Venezuela Vereinigte Arabische Republik West-Samoa Zypern Stand am 11. September 1963

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des in Moskau geschlossenen Abkommens über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser (Vom 18. September 1963)

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1963

Année Anno Band

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39

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8831

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.10.1963

Date Data Seite

615-627

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