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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Barbezat-Frey in Brugg.

(Vom 9. Februar 1904.)

Tit.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1903 rekurriert Herr Barbezat-Frey in Brugg an die schweizerische Bundesversammlung gegen den Entscheid des Bundesrates vom 28. November 1903, durch welchen ihm für die Verpflegungskosten seines am 8. Juni 1903 verstorbenen Sohnes eine Entschädigung von Fr. 170 zugesprochen wurde. Er macht in dieser Rekursschrift Anspruch auf Entschädigung für den Tod seines Sohnes, während er in seinem an den Bundesrat gerichteten Entschädigungsgesuch vom 8. November 1903 erklärt hatte, er habe nur Rückerstattung von Pflegekosten verlangt, ohne aus dem Tode seines Sohnes eine Geldfrage machen zu wollen.

Die Vorgeschichte des Falles ist folgende. Der Sohn des Rekurrenten, ßarbezat, Henri, geb. 1882, wurde im Herbst 1901 von der Untersuchungskommission zum Militärdienst tauglich erklärt. Nicht lange nachher traten bei ihm Zeichen einer Lungenkrankheit ein, die seine Verbringung in das Sanatorium von Heiligensehwendi nötig machten. Barbezat blieb dort vom 23. Oktober 1901 bis zum 21. Januar 1902; der Anstaltsarzt hatte bei ihm eine Lungentuberkulose II. Grades konstatiert und fand, als der Patient die Anstalt verließ, bei demselben immer noch einige Zeichen der genannten Krankheit. Es scheint, daß der Zustand des Sohnes Barbezat sich zu Hause noch weiter gebessert hat,

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denn als er 3 Monate nach seinem Austritt aus dem Sanatorium, am 23. April 1902, in die Feldartillerierekrutenschule in Thun einrücken sollte und sich beim Platzarzt in Aarau zur Dispensation vom Dienst meldete, konnte dieser keine bedeutenderen Symptome eines Lungenleidens bei ihm finden und erklärte ihn, bedauerlicherweise, obwohl eine ärztliche Bescheinigung über den Kuraufenthalt in Heiligenschwendi vorlag, für diensttauglich. Er hat dafür eine ernste Rüge erhalten. Barbezat absolvierte seine Rekrutenschule, ohne während derselben ernstlich zu erkranken; er meldete sich nur zweimal beim Schularzt wegen geringfügiger Beschwerden und kehrte jeweilen rasch geheilt zum Korps zurück.

Am 20. J u n i 1902 ging die Rekrutenschule zu Ende und wurde Barbezat nach Hause entlassen.

Von diesem Tage an vergingen 7Va Monate, bis Henri Barbezat sich wieder veranlaßt sah, den Arzt aufzusuchen. In dieser langen Zeit ist derselbe, selbst nach den Angaben des Vaters Barbezat, Wochen lang wohl gewesen -- wir dürfen wohl annehmen, daß dies Monate lang der Fall war, denn als letzterer am 9. Februar 1903 sich von Dr. Siegrist untersuchen ließ, konnte dieser auf den Lungen des Patienten nur wenig Krankhaftes finden, mußte aber das Vorhandensein einer tuberkulösen Larynxerkrankung konstatieren. Die Krankheit des Henri Barbezat war nun offenbar in ein schlimmeres Stadium getreten ; sein Zustand verschlechterte sich, wie es scheint, rapid, denn zwei Monate nach dieser erstmaligen Untersuchung mußte er in das Sanatorium Malvilliers (Kanton Neuenburg) sich aufnehmen lassen und weitere zwei Monate später, am 8. Juni 1903, erlag er seinem Lungenleiden.

Henri Barbezat selbst hat niemals Entschädigungsansprüche an die Militärversicherung gestellt, dagegen verlangte sein Vater am 9. April 1903 ,,une indemnité convenablea für die Verpflegungskosten seines kranken Sohnes und gelangte zuletzt am 8. November 1903, nachdem der Oberfeldarzt und hierauf das Militärdepartement sein Begehren wiederholt als unbegründet abgewiesen hatten, mit dem Gesuch an den Bundesrat, es seien ihm Fr. 1800 als Entschädigung für die Kosten auszubezahlen, welche die Pflege seines verstorbenen Sohnes ihm verursacht habe.

Es ist leicht nachzuweisen, daß die Entschädigungsansprüche des Rekurrenten materiell nicht die mindeste Berechtigung haben und daß
ihm durch den Bundesratsbeschluß vom 7. Dezember 1903 so weit entgegengekommen wurde, als es im Rahmen des Militärversicherungsgesetzes überhaupt möglich war. Dazu kommt, daß der Rekurs auch formell unzulässig ist.

365 Was die materielle Seite der Frage anbelangt, so geht aus den oben angeführten Tatsachen vor allem aus mit Sicherheit hervor, daß Henri Barbezat s c h o n v o r s e i n e m E i n r ü c k e n in die R e k r u t e n s c h u l e an der L u n g e n t u b e r k u l o s e l i t t , der sein Leben späterz nm Opfer fiel, und daß er somit nach Art. 8 des Militärversicherungsgesetzes selbst für den Fall, daß die Rekrutenschule seinen Zustand wieder verschlimmert hätte, nur Anspruch auf kostenfreie Verpflegung und Behandlung oder Spitalersatz erheben konnte, und zwar nach Art. 20, Alinea 2, des Militärversicherungsgesetzes nur für die Zeit seines Aufenthaltes in Malvilliers, also für 68 Tage, was à Fr. 2. 50 pro Tag die Summe von Fr. 170 ergibt. Eine weitere Entschädigung als diese, die auch dem Vater Barbezat vom Bundesrate zugesprochen wurde, kam dem verstorbenen Henri Barbezat nach dem klaren Wortlaut des Art. 8 des Militärversicherungsgesetzes unter keinen Umständen zu, und von einem Entschädigungsanspruch des Vaters Barbezat, der auf den Tod seines Sohnes sich gründen würde, kann überhaupt nicht die Rede sein, weil der Lebensunterhalt des Vaters Barbezat in k e i n e r W e i s e vom Verdienste des verstorbenen Sohnes Henri abhängig war. (Art. 37 des Militärversicherungsgesetzes.)

Wenn der Bundesrat dem Herrn Barbezat schließlich eine Entschädigung von Fr. 170 gemäß Art. 8 des Militärversicherungsgesetzes zugebilligt hat, so geschah dies lediglich aus dem Grunde, weil nach seinem Dafürhalten der Platzarzt von Aarau einen Fehler begangen hat, als er den Sohn Barbezat nicht von der Rekrutenschule dispensierte. Denn daß die Rekrutenschule eine Verschlimmerung des Leidens des Sohnes Barbezat bewirkt hätte, ist durchaus unwahrscheinlich. Wenn diese ungünstige Beeinflussung seiner latenten Tuberkulose durch den Militärdienst wirklich stattgefunden hätte, so würde der Sohn Henri nicht erst 7 J /2 Monate nach seiner Entlassung aus dem Dienst sich veranlaßt gesehen haben, einen Arzt aufzusuchen, sondern er wäre früher dazu gelangt. Die größte Wahrscheinlichkeit spricht für die An nähme, daß eben die Einflüsse der kalten Witterung 1902/1903 es waren, die in diesem Falle, wie in so manchem ändern, die latente Tuberkulose wieder zum Aufflackern brachten, und so das Ende des Sohnes Barbezat herbeiführten.
Hieraus ergibt sieh, daß dem Vater Barbezat vom Bundese rate schon mehr geleistet wurde, als er mit Rücksicht auf diäußerst schwache Grundlage seiner Entschädigungsansprüche verlangen durfte, und daß der Rekurs materiell der Begründung vollständig entbehrt.

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Formell ist er unzulässig, weil über Ansprüche betreffend Leistungen für vorübergehenden Nachteil nach Art. 26, letzter Absatz, des Miljtärversicherungsgesetzes der Bundesrat endgültig entscheidet und über solche betreffend Leistungen für dauernden Nachteil nach Art. 39, letzter Absatz, jede Weiterziehung gegen die Entscheidungen des Bundesrates ausgeschlossen ist.

Die Bundesversammlung hat durch Nichteintreten auf die Entschädigungsbegehren Gfeller und Pranzi deutlich erklärt, daß ein Rekursrecht über die bundesrätliche Instanz hinaus in Militärversicherungsangelegenheiten nicht besteht, und auch bei Anlaß der Beratungen über das Militär Versicherungsgesetz in Kommissionen und Räten ist stets betont worden, daß die Bundesversammlung mit solchen Rekursen nicht mehr behelligt werden dürfe.

Gestutzt auf vorstehende Erwägungen beantragen wir Nichteintreten auf das Begehren des Herrn Barbezat-Frey in Brugg, eventuell Abweisung desselben, und benutzen gleichzeitig den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. Februar 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Barbezat-Frey in Brugg. (Vom 9. Februar 1904.)

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