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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Anstellung zweier weiterer Sekretäre beim Bundesgericht.

(Vom 18. Juni 1904.)

Tit.

In seiner Sitzung vom 9. Mai 1904 hat das Bundesgericht beschlossen, gemäß Art. 6, Absatz 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 bei der Bundesversammlung um die Genehmigung zur Anstellung zweier weiterer Sekretäre einzukommen.

Mit Schreiben vom 13. Mai hat es dem Bundesrate von diesem Beschlüsse Kenntnis gegeben und ihn ersucht, die dafür erforderlichen Schritte zu tun.

In einem Berichte vom 3. Juni begründet das Bundesgericht seinen Beschluß, unter Hinweisung auf die im Geschäftsberichte pro 1903 auseinandergesetzten Verhältnisse, wie folgt: ,,Der gegenwärtige Kanzleibestand, der sich auf das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, Art. 6, und das Bundesgesetz betreffend Übertragung der Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen an das Bundesgericht vom 28. Juni 1895, Art. 3, stützt, setzt sich, soweit er das juristisch gebildete Personal umfaßt, und für die Frage der Urteilsredaktionen in Betracht kommt, zusammen aus 3 Gerichtsschreibern und 4 Sekretären.

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Hiervon gehören an: Gerichtsschreiber

Sekretäre

der deutschen Sprache 2 2 der französischen Sprache l l der italienischen Sprache -- l Die Verteilung der Geschäfte regelt sich gestützt auf § 3 des Réglementes für das Bundesgericht vom 17. Oktober 1893 und des Art. 4 des Réglementes vom 13. Januar 1896, übungsgemäß in folgender Weise : Von den deutschen Gerichtsschreibern pflegt der eine regelmäßig den Sitzungen der I. Abteilung, der andere denjenigen der II. Abteilung beizuwohnen; der eine der deutschen Sekretäre ist seit längerer Zeit ausschließlich bei der III. Abteilung (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) beschäftigt, bei der er zeitweise auch französische Entscheide zu redigieren hatte; der andere Sekretär soll den beiden Gerichtsschreibern in den Abteilungen, beim Plenum, dessen Sitzungen die Beamten abwechselnd zu übernehmen pflegen, und bei den Strafgerichtsbehörden, bei denen in der Regel der an der I. Abteilung wirkende Gerichtsschreiber das Protokoll zu führen pflegt, aushelfen.

In die französischen Geschäfte haben sich der französische Gerichtsschreiber und Sekretär zu teilen, wobei jedoch, wie bemerkt, früher Entscheide der III. Abteilung auch, sogar für längere Zeit, von einem der deutschen Sekretäre redigiert wurden (namentlich in den Jahren 1898, 1899 und 1901/1902).

Der italienische Sekretär hat -neben der Redaktion der italienischen Urteile und der Bearbeitung der dazu notwendigen Übersetzungen das Bibliothek- und Kassawesen unter sich.

Bei dieser Greschäftsverteilung würden sich nun, bei der Anwesenheit sämtlicher Kanzleibeamten und durchaus gleichmäßiger Verteilung der Geschäfte auf sie, für die d e u t s e h e n Beamten folgende Zahlen ergeben : 1900

1901

1902

19031)

Anhängige Geschäfte 843 820 844 885 Auf l Beamten . . . . . . 210,7 205 211 221,26 In Tat und Wahrheit stellen sich natürlich die Zahlen für die einzelnen Beamten verschieden, wie ja überhaupt das Maß und die Art der Arbeit nicht rein zahlenmäßig zum Ausdruck gebracht werden kann; diese Zahlen sollen nur ein u n g e f ä h r e s Bild der Geschäftslast bieten.

') Vergleiche die betreuenden Geschäftsberichte.

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Für die f r a n z ö s i s c h e n Beamten stellt sich das Verhältnis wie folgt: Anhängige Geschäfte Auf l Beamten

1900

1901

1902

1903

320 160

306 153

303 151,6

339 169,5

Diese Zahlen dürften schon an sich zur Genüge dartun, daß die auf jeden der Beamten entfallende Geschäftslast, beim vollen Bestände des Personals, eine sehr große ist. Die Verhältnisse werden aber -- die Erfahrung hat dies gezeigt -- geradezu unerträglich, wenn infolge Erkrankung oder sonstiger Abwesenheit auch nur eines der Beamten oder wegen vorübergehender Nichtbesetzung einer Stelle der (effektive) Personalbestand nicht mehr vollständig ist. Diese Umstände haben nun aber seit 1900 fortwährend vorgelegen.

Das Gericht hat sich daher seit Ende 1901 genötigt gesehen zunächst einen Aushülfssekretär für die d e u t s c h e n Geschäfte anzustellen -- vorübergehend im Jahre 1901/1902, während der Erkrankung zweier Beamten, waren sogar zwei deutsche Aushülfssekretäre beschäftigt -- was jeweilen in den Geschäftsberichten des Bundesgerichtes bemerkt worden ist. Es hat sich aber gezeigt, daß die Beibehaltung des bisherigen deutschen Aushülfesekretärs auch bei effektiver Besetzung der bisherigen vier Stellen nicht nur wünschbar, sodern im Interesse der rascheren Geschaftserledigung und der Verhütung der Überarbeitung einzelner Beamter notwendig ist. Der bisherige Kanzleibestand würde vielleicht dann zur Not genügen, wenn jeder der Kanzleibeamten jahraus jahrein unter Anspannung, der äußersten Kräfte auf seinem Posten stünde; das ist aber, wie die Erfahrung gelehrt hat, ein Ding der Unmöglichkeit. Der Bestand des Kanzleipersonals sollte nun aber ein derartiger sein, daß nicht nur die absolut erforderliche Zahl von Beamten, die gerade genügt, unter der Voraussetzung, daß alle Beamten fortwährend arbeitsfähig sind und keine Abhaltungen durch Krankheit, private Verhältnisse, Militärdienst etc. -- alles Dinge, die sehr wohl bald da, bald dort eintreten können -- vorkommen, vorhanden ist, sondern daß auch für derartige Fälle vorgesorgt ist. Die Arbeit wird auch dann noch für einen jeden groß genug sein; andernfalls tritt sofort Überbürdung ein. Folgende Tabelle möge einen Überblick geben, wie die Geschäftslast der deutschen Beamten unter der Voraussetzung, daß fünf Beamte betätigt gewesen wären, sich von 1900 bis 1903 gestaltet hätte:

573 Anhängige Geschäfte Auf l Beamten . .

. . . . .

1900

1901

1902

843 168,6

820 164

844 885 168,8 177

1903

Dazu muß noch folgendes bemerkt werden: Der gegenwärtige deutsche Aushülfssekretär übt seine Funktionen mit geringem Unterbruch seit 15. Januar 1902 aus. Es war durchaus Zufall, daß sich in der Zeit der schwierigsten Lage der Kanzlei infolge Erkrankung zweier Beamter eine für diese Aushilfsarbeit geeignete und dazu geneigte Persönlichkeit fand. Die definitive Anstellung eines weitern deutschen Sekretärs wandelt daher lediglich ein bisher nur tatsächliches Verhältnis in ein gesetzliches um, gibt dem bisherigen tatsächlichen Verhältnis eine gesetzliche Grundlage.

Sodann wird bei Zuziehung eines weitern deutschen Sekretärs auch eine weit rationellere Geschäftsverteilung stattfinden können, als das bei bloß vier deutschen Kanzleibeamten der Fall ist, wie namentlich seit Neujahr 1904 die Erfahrungen gezeigt haben.

Unter fünf Kanzleibeamte kann nämlich die Geschäftslast so verteilt werden, daß je ein Gerichtsschreiber und ein Sekretär die Geschäfte der I. -Abteilung, der andere Gerichtsschreiber und ein weiterer Sekretär diejenigen der II. Abteilung übernehmen, was auf jeden Beamten regelmäßig eine Sitzung per Woche trifft; Plenum- -- inklusive die zahlreichen Urteilsanträge in Expropriationssachen -- und Strafgerichtsbehörden können nach Belieben unter diese vier Beamten verteilt werden. Für den dritten Sekretär bleibt dann die III. Abteilung, sowie die Besorgung von Sekretariatsgeschäften, die in Verbindung mit den Präsidialgeschäften stehen (Korrespondenzen, Kontrolle etc.)- Es ist nämlich hervorzuheben, daß auch die Anstellung eines besondern P r ä s i d i a l s e k r e t ä r s , beziehungsweise die Übertragung einer Anzahl formeller, mit der Leitung im Zusammenhang stehender Geschäfte an einen Sekretär sich als sehr wünschbar erwiesen hat.

Was die f r a n z ö s i s c h e n Geschäfte betrifft, so haben die ordentlichen zwei Beamten für die Bewältigung der Geschäfte seit längerer Zeit nicht mehr genügt, weshalb denn auch, wie bemerkt, für die III. Abteilung bis zum letzten Jahre einer der deutschen Sekretäre häufig die französischen Entscheide redigieren mußte. Seit dem letzten Jahre hat sich aber auch die Zuziehung eines französischen Aushülfssekretärs als notwendig erwiesen. Das Bundesgericht erachtet nun die Anstellung eines weitern Sekretärs für die r o m a n i s c h e n Sprachen (französisch und italienisch)

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als notwendig, der wo möglich beider romanischen Sprachen mächtig wäre. Es ist zu bemerken, daß die großen Verzögerungen in den Urteilsausfertigungen, über die häufig geklagt wird, hauptsächlich französische und italienische Urteile betreffen und daß nur die dauernde Anstellung eines weitern Sekretärs hier Abhülfe zu schaffen verspricht.11 Wir haben diesen Ausführungen des Bundesgerichtes nichts beizufügen und beehren uns, bei Ihnen, Tit., zu beantragen: Die Bundesversammlung wolle, gestützt auf Art. 6, Absatz 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, die Anstellung zweier weiterer Sekretäre der Bundesgerichtskanzlei durch das Bundesgericht, gemäß Beschluß des Gerichtes vom 9. Mai 1904, genehmigen.

B e V n , den 18. Juni 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundes'präsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-·SS«

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Anstellung zweier weiterer Sekretäre beim Bundesgericht. (Vom 18. Juni 1904.)

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22.06.1904

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