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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Führung der Zentralstrafenregister.

(Vom 19. Dezember 1904.)

Getreue, Hebe Eidgenossen !

Nachdem am 9. Februar dieses Jahres der Bundesbeschluß vom 26. Oktober 1903 betreffend die Errichtung eines schweizerischen Zentralpolizeibureaus in Kraft erklärt worden war, hat unser Justiz- und Polizeidepartement den obersten Polizeibehörden der Kantone mit Kreisschreiben vom 1. März abhin u. a.

auch verschiedene Fragen betreffend die Einrichtung des von dem genannten Bureau zu führenden Zentralstrafenregisters vorgelegt.

Eine dieser Fragen lautete : ,,Sind nach Ihrer Ansicht alle Urteile im Auszug dem Zentralpolizeibureau mitzuteilen oder sind gewisse Kategorien derselben, und wenn ja, welche, von vornherein als zur Mitteilung nicht geeignet auszuschließen ?"

Da die Antworten der kantonalen Polizeidirektionen sehr auseinandergingen, sah sich das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement veranlaßt, den Bundesanwalt zu beauftragen, eine kleine Kommission von Fachleuten aus verschiedenen Landesteilen einzuberufen behufs Gewinnung einer einheitlichen, den Bedürfnissen entsprechenden Grundlage für die Geschäftsführung des in Rede stehenden Dienstes.

665 Diese Kommission kam zu folgenden Schlüssen : I. In das Zentralstrafenregister des schweizerischen Zentralpolizeibureaus sind aufzunehmen alle rechtskräftigen Strafurteile eidgenössischer und kantonaler Behörden, durch welche auf Grund eidgenössischer oder kantonaler Strafgesetze Freiheitsstrafen von mindestens fünf Tagen oder Bußen von mindestens Fr. 20 ausgefällt wurden.

Dabei sind Inbegriffen sowohl die von richterlichen Behörden gefällten Urteile als auch die Strafverfügungen administrativer Behörden wegen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen polizeilicher und fiskalischer Gesetze. Desgleichen sollen dem Zentralpolizeibureau mitgeteilt werden die Entscheidungen von Kassationsoder Revisionsinstanzen, durch welche frühere Urteile abgeändert werden.

II. Die Mitteilung dieser Strafurteile an das schweizerische Zentralpolizeibureau erfolgt in je einem Exemplar nach dem bereits im Jahre 1881 festgestellten Formular.

Dieses Formular wird ergänzt durch eine Rubrik über bedingte Verurteilung, resp. Aufschub des Strafvollzuges.

III. Die Mitteilungen von im Ausland über Schweizerbürger ergangenen Strafurteilen an die Kantone werden in Zukunft nicht mehr durch die Bundeskanzlei besorgt, sondern durch das schweizerische Zentralpolizeibureau, ebenso diejenigen von Urteilen, die in der Schweiz über Ausländer ausgefällt wurden.

IV. Die sämtlichen Mitteilungen kantonaler und eidgenössischer Behörden, die auf das Zentralstrafenregister Bezug haben, sollen sofort nach erwachsener Rechtskraft des betreffenden Urteils, jedenfalls spätestens auf das Ende eines jeden Monats dem schweizerischen Zentralpolizeibureau übermittelt werden.

V. Das Zentralpolizeibureau sammelt und registriert alle ihm zukommenden Urteilsmitteilungen und versendet, soweit die Urteile nicht im Heimatkanton der Bestraften ergangen sind, unverzüglich Abschriften an die Heimatbehörden.

VI. Das Zentralpolizeibureau stellt den eidgenössischen und kantonalen Instanzen die Formulare für die Urteilsauszüge in den drei Landessprachen unentgeltlich zur Verfügung, und zwar in zwei Kategorien, von denen die eine für Urteile über Schweizerbürger, die andere für solche über Ausländer bestimmt ist.

VII. Das Zentralstrafenregister wird vom 1. Januar 1905 an geführt, und es sind alle Urteile der vorbezeichneten Art, welche

666 von diesem Zeitpunkte an gefällt werden, dem Zentralpolizeibureau mitzuteilen.

Ziffer III dieser Schlüsse bedingt eine A b ä n d e r u n g der bundesrätlichen Kreisschreiben vom 1. 17. Mai 1869 (Bundesbl. 1869, II, 68); 2. 11. September 1874 (Bundesbl. 1874, II, 851); 3. 31. Oktober 1879 (Bundesbl. 1879, III, 641); 4. 12. September 1880 (Bundesbl. 1880, III, 685); 5. 17. Oktober 1880 (Bundesbl. 1880, IV, 750), in denen bestimmt wird, daß die Auszüge der in der Schweiz gegen Italiener, Deutsche, Belgier und Franzosen ausgefällten Strafurteile dem Bundesrat, beziehungsweise der Bundeskanzlei behufs Übermittlung an den Heimatstaat einzusenden seien.

A u f g e h o b e n werden dadurch die bundesrätlichen Kreisschreiben vom 29. Dezember 1880 (Bundesbl. 1881, I, 37) und vom 22. Juli 1881 (Bundesbl. 1881, III, 649), durch welche der bisherige Austausch der Strafurteilsauszüge zwischen den Kantonen geregelt worden ist.

Wenn wir uns erlauben, Ihnen die Befolgung der in diesem Kreisschreiben niedergelegten Wegleitung für die Führung des zentralen Strafenregisters zu empfehlen, so sind wir uns trotzdem wohl bewußt, daß diese Regelung der Angelegenheit keine endgültige ist. Eine solche wird uns erst das einheitliche Strafrecht bringen.

Sollten die Erfahrungen des nächsten Jahres Abänderungen an dem vorgeschlagenen Modus als wünschenswert erscheinen lassen, so werden wir nicht ermangeln, dieselben mit Ihnen zu vereinbaren.

Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 19. Dezember 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesratcs, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Führung der Zentralstrafenregister. (Vom 19. Dezember 1904.)

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1904

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21.12.1904

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