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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der ,,Société Suisse du bouchage par le bois", Aktiengesellschaft in Lausanne, wegen verweigerter Eintragung in das Handelsregister.

(Vom 20. Februar 1900.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat

o

über den Rekurs der ,,Société Suisse du bouchage par le bois", Aktiengesellschaft in Lausanne, wegen verweigerter Eintragung in das Handelsregister, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

1. Unter der Firma ,,Société Suisse du bouchage par le bois" gründete sich am 24. Oktober 1899 eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Lausanne.

Über deren Grundkapital bestimmen die Statuten : a. in Art. 4 : ,,Das Grundkapital wird auf Fr. 300,000 festgesetzt, eingeteilt in 1200 auf den Inhaber lautende Aktien im Betrage von Fr. 250 jede."

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o. in Art. 44 : ,,Das Griindungssyndikat überläßt der Gesellschaft die mit Herrn Ingenieur Lefranc, dem Erfinder des ,,bouchon de boistt, abgeschlossene Konvention, sowie sämtliche Vorarbeiten, die in seinem Besitze sind und deren Kosten es getragen. Die ,,Société Suisse du bouchage par le bois1'' tritt an Stelle des Gründungssyndikats und übernimmt alle dessen Rechte und Verpflichtungen gegenüber Herrn Lefranc und auch diejenigen, welche sich aus ändern Konventionen ergeben, die mit Dritten in Vorbereitung des Unternehmens über Terrainankäufe und Bauten abgeschlossen wurden. Sie genehmigt alles, was das Gründungssyndikat zum voraus gethan hat und erteilt ihm vollständige Décharge.

,,Sie genehmigt und beschließt insbesondere, an Herrn Lefranc in seiner Eigenschaft als Verkäufer des Erfindungspatentes nach dem Wortlaut der mit ihm abgeschlossenen Konvention einen Betrag von Fr. 150,000 zu bezahlen, wovon Fr. 50,000 in 200 vollständig liberierteri Aktien und Fr. 100,000 in bar."2. Über die Zeichnung des Grundkapitals und die auf dasselbe zu machenden Einzahlungen, sowie über die Genehmigung der Apports des Herrn Lefrauc und die demselben hierfür auszuliefernden Aktien faßte die Gesellschaft am 24. Oktober 1899 folgende verurkundeten Beschlüsse (Art. 6J8 und 619 0. R.).

,,Anwesend oder vertreten sind 57 Aktionäre, Inhaber von 1086 Aktien, welche zusammen 852 Stimmrechte repräsentieren.

-- Der unterzeichnete Notar wird eingeladen, die Subskriptionsscheine zu verifizieren. Er konstatiert, daß es deren 119 sind und daß die 1200 Aktien im Betrage von je Fr. 250, welche das gesamte Gesellschaftskapital von Fr. 300,000 repräsentieren, alle gezeichnet worden sind.

Andererseits ergiebt sich aus einer Bescheinigung des Bankhauses ,,Ch. Masson & Compagnie"1 in Lausanne vom heutigen Tage, welche hier beigefügt wird, daß demselben Fr. 50,000 in bar auf das Gesellschaftskapital einbezahlt worden sind. Dem ist beizufügen, daß gemäß Konvention vom 22. Oktober abbin, von der hiernach die Rede sein wird, dem Herrn Ingenieur Lefranc, Zuckerfabrikant in Bosc-le-Hard (Seine Inférieure), als Teilzahlung an den Kaufpreis für sein schweizerisches Erfindungspatent Nr. 15,563, 200 vollständig liberierte Aktien der Société Suisse du bouchage par le bois, welche zusammen ein Kapital von Fr. 50,000 repräsentieren, auszuhändigen sind. Es ist somit den Vorschriften des Art. 618 des Obligationenrechts Rechnung ge-

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tragen, welcher die Einzahlung von wenigstens einem Fünftel dos Betrages jeder Aktie verlangt ,,Die Generalversammlung beschließt mit Einstimmigkeit die Gründung der ,,Société Suisse du bouchage par le bois11, Aktiengesellschaft mit einem Kapital von Fr. 300,000, eingeteilt in J200 Aktien auf den Inhaber im Betrage von Fr. 250 jede ,,Der Präsident unterbreitet der Versammlung den in Art. 44 der Statuten vorgesehenen Apport zur Genehmigung. Dieser Apport besteht in der Cession der Konvention, welche das Gründungssyndikat der Société Suisse du bouchage par le bois am 22. Oktober dieses Jahres mit Herrn Ingenieur Lefranc abgeschlossen hat. Gemäß dieser Konvention, von welcher jedem Aktienzeichrier ein Exemplar zugestellt worden ist, wurde das Syudikat Eigentümer des schweizerischen Erfindungspatentes Nr. 15,563 um den Preis von Fr. 150,000, wovon Fr. 50,000 in völlig liberierten Aktien der zu gründenden Gesellschaft zu leisten sind ,,Die Generalversammlung genehmigt diesen Apport, so daß die Société Suisse du bouchage par le bois in alle, sich aus der genannten Konvention ergebenden Rechte und Pflichten des Syndikats tritt. Es wird hierbei konstatiert, daß der Bevollmächtigte des Herrn Lefranc und die Blitglieder des Syndikates a,n der Beschlußfassung nicht Teil genommen, zu welcher dieser Apport Veranlassung gegeben hat."

II.

l. Das Handelsreg'isterbureau von Lausanne verweigerte die anbegehrte Vornahme der Eintragung der Gesellschaft unter folgender Begründung: ,,Die Bestimmungen der Art. 618, 619, Absatz 3, und 622, Absatz 2, des Obligationenrechts sind nicht beobachtet worden, nämlich: Effektiv wurden nur Fr. 50,000 auf das im ganzen Fr. 300,000 betragende Aktienkapital einbezahlt, also nur ein Sechstel.

,,Absatz 3 des Art. 619 des Obligationenrechts wurde außer acht gelassen, indem die 57 Aktionäre, welche in der Versammlung anwesend waren und 1086 Aktien vertraten, 852 Stimmen in sich vereinigten.c/Es legte die Angelegenheit gleichzeitig seiner kantonalen Aufsichtsbehörde, dem Kantonsgerichte, zum Entscheide vor.

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2. Letzteres erklärte dessen Weigerung durch Entscheid vom 26. Dezember 1899 als begründet mit folgender Motivierung: a. Der Nachweis der Erfüllung der Vorschriften des Art. 618 des Obligationenrechts betreffend die Einzahlung auf die Aktien ist nicht geleistet. In Wirklichkeit beträgt das Gesellschaftskapital Fr. 300,000 Fr. ; wenn bloß Fr. 50,000 einbezahlt sind, ist somit weniger als das vom Gesetz geforderte Fünftel erbracht; die Konvention betreffend die an Ingenieur Lefranc auszuliefernden liberierten Aktien vermag die, auf die zu machenden Einzahlungen, fehlende Summe nicht zu ersetzen.

b. Artikel 619, Absatz 3, des Obligationenrechts ist ebenfalls nicht beachtet worden, indem die 57 anwesenden Aktionäre als Vertreter von 1086 Aktien in der Generalversammlung 852 Stimmen abgegeben haben, während nach dem Gesetz jedem nur eine einzige Stimme zukam.tl

in.

Gegen diesen Entscheid rekurriert die Gesellschaft mit Eingabe vom 29. Dezember 1899 an den Bundesrat. Sie macht folgendes geltend: 1. Gemäß Art. 619 des Obligationenrechts seien die durch ,,Apports"1 zu machenden Einzahlungen in anderer Weise als durch Barzahlungen zu leisten. Die Fr. 50,000, welche Ingenieur Lefranc für die 200 Aktien zu bezahlen habe, seien daher durch die Übertragung des Eigentumsrechtes an dem in Frage stehenden Erh'ndungspatent vollständig beglichen.

2. Die konstituierende Generalversammlung hatte verschiedene Beschlüsse zu fassen. Was die Beschlußfassung über den Apport des Patentes Lefranc betraf, so hatte jeder anwesende oder vertretene Aktienzeichner nur eine einzige Stimme. Für jede der ändern Abstimmungen dagegen richtete sich seine Stimmenzahl nach der Zahl der gezeichneten Aktien.

Es rechtfertigte sich daher, die Anzahl der Stimrnrechte der anwesenden oder vertretenen Aktionäre auszumitteln und in der errichteten Urkunde anzugeben. Aber aus dieser Erwähnung dürfe keineswegs abgeleitet werden, daß der Beschluß betreffend den Apport Lefranc in Übertretung der Vorschrift des Art. 619, Absatz 3, des Obligationenrechts gefaßt worden sei. Reinerorts besage die aufgenommene Urkunde etwas derartiges. Andererseits gestehe Art. 619 des Obligationenrechts jedem Aktionär allerdings nur eine einzige Stimme zu, allein er verlange keineswegs, daß dieses

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Umstandes in der aufzunehmenden Urkunde ausdrücklich. Erwähnung gethan werde. Die einfache Erwähnung der Thatsache, daß eine Beschlußfassung über die Apports erfolgt sei, müsse daher den Nachweis der Ordnungsmäßigkeit des Vorganges in sich schließen. Übrigens sei die Genehmigung der bezüglichen Statutenbestimmungen thatsächlich mit Einstimmigkeit erfolgt.

IV.

In seiner Vernehmlassung vom 24. Januar 1900 trägt das waadtländische Kantonsgericht auf Abweisung des Rekurses an, indem es sich zur Begründung lediglich auf die Motivierung seines Entscheides vom 26. Dezember 1899 beruft.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht:

I.

Bezüglich der auf das A k t i e n k a p i t a l zu machenden Einzahlungen: Indem das Gesetz über auf das Grundkapital anzurechnende Einlagen (sogenannte ,,Apports") statuiert, welche ,,nicht in barem Geld" bestehen, anerkennt es, daß solche Einzahlungen thatsächlich auch auf andere Weise erfolgen können. Folgerichtig müssen diese Einlagen den Barzahlungen gleichgestellt werden. Es ist somit dem Gesetze (Art. 618) Genüge gethan, wenn 20 % des übrigen Aktienkapitals, beziehungsweise 20 % jeder der übrigen gezeichneten, nicht gegen Apports ausgegebenen Aktien einbezahlt sind. Dies ist in concreto geschehen.

Die Frage, ob in formell richtiger Weise festgestellt sei, daß nicht nur 20 °/o des nicht in Apports bestehenden Aktienkapitals überhaupt, sondern thatsächlich auf jede der bezüglichen Aktien einbezahlt seien, ist nicht aufgeworfen worden und daher auch nicht zu untersuchen.

Die Vorschrift des Art. 618 des Obligationenrechts muß daher als erfüllt betrachtet werden.

n.

Bezüglich der machten Apports:

Beschlußfassung

über

die ge-

408 1. Art. 610 des Obligationenrechts bestimmt diesfalls in Absatz 2, 3 und 4: ,,Derartige Bestimmungen der Statuten bedürfen der Genehmigung durch Mehrheitsbeschluß in einer nach der Zeichnung des Grundkapitals zu berufenden Generalversammlung.

,,Bei dieser Beschlußfassung hat jeder anwesende oder gehörig vertretene Aktienzeichner n m- eine Stimme.

,,Die Mehrheit muß mindestens einen Vierteil der sämtlichen Aktienzeichner begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens einen Vierteil des gesamten Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besondere Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlußfassung kein Slimmrecht.a Gemäß Art. 622, Absatz 4, des Obligationenrechts muß den Registerbehürderi nachgewiesen werden, daß diesen Bestimmungen nachgelebt worden ist. Wenn sich daher aus den eingereichten Akten nicht ergiebt, daß diese Vorschriften beobachtet worden sind, so muß die Eintragung in das Handelsregister verweigert werden.

2. Über die gefaßten diesbezüglichen (lesellschaftsbeschlüsse ist nun folgendes in Betracht zu ziehen : a. Daß sowohl Ingenieur Lel'ranc als die Mitglieder des Gründungssyndikates bei der Abstimmung über Genehmigung der Apports nicht mitgewirkt haben, ist konstatiert.

b. Aus dem Umstände, daß im Eingange der Urkunde über die bezüglichen Verhandlungen gesagt wird, die anwesenden oder vertretenen Aktionäre verfügen zusammen über 852 Stimmen, ist allerdings durchaus nicht abzuleiten, daß auch die Beschlußfassung über die Apports nicht im Verhältnis von einer einzigen Stimme pro Aktienzcichner. sondern im Verhältnis der gezeichneten oder vertretenen Aktien erfolgt sei.

Hingegen ergiebt sich aus der eingereichten Urkunde keineswegs, wie viel Aktionäre, mit ändern Worten, welcher Bruchteil der Aktienzeiclmer, für Genehmigung der dem Ingenieur Lef'ranc und dem Grüudurigssyndikat zugestandenen Vorteile gestimmt haben, wie viel Aktien jeder derselben gezeichnet halte oder vertrat. Die Urkunde redet nur von einem einfachen Mehrheitsbeschluß. Sie sagt nicht einmal, daß dieser Beschluß, wie nachträglich in der Rekursschrift behauptet wird, einstimmig erfolgt sei.

Es läßt sich somit nicht konstatieren, ob die annehmende Mehrheit ein Viertel sämtlicher Aktienzeichner umfaßt und ob die-

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selben mindestens ein Vierteil des gesamten Aktienkapitals vertraten. Auch wenn in der Urkunde festgestellt wäre, daß der Beschluß mit Einstimmigkeit der Stimmenden erfolgte, wäre übrigens noch nicht nachgewiesen, daß diese Stimmgeber sowohl ein Viertel der Aktienzeichner als auch ein Viertel des Aktienkapitals repräsentieren.

D e m n a c h wird er k a nn t: Der Rekurs wird für begründet erklärt, insoweit er die auf das Grundkapital gemachten Einzahlungen betrifft.

Dagegen wird er im Sinne der Erwägungen abgewiesen, soweit er die Beschlußfassung über die Apports zum Gegenstande hat.

B e r n , den 20. Februar 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D e r Bundespräsident:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluß über den Rekurs der ,,Société Suisse du bouchage par le bois", Aktiengesellschaft in Lausanne, wegen verweigerter Eintragung in das Handelsregister.

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28.02.1900

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