01.418 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer. Ausnahmen von der Steuerpflicht im Bildungsbereich (WAK-N) Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 26. März 2001

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt einstimmig (19 zu 0 Stimmen), dem beiliegenden Erlassentwurf zuzustimmen.

26. März 2001

Im Namen der Kommission

11476

Der Präsident: Rudolf Strahm

2001-0993

3171

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Nationalrat Tschäppät reichte am 6. Oktober 2000 in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes eine Parlamentarische Initiative zur Änderung von Artikel 18 Ziffer 11 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer (MWSTG) ein (00.452). Nebst den allgemeinen Umsätzen im Bildungsbereich sollten explizit auch die Umsätze, welche aus Prüfungen erzielt werden, von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden. Es muss dabei unerheblich sein, ob die Prüfung vom Bildungsleistungserbringer selbst, einem beigezogenen Dritten oder Unterbeauftragten vorgenommen wird. Daneben sollten auch organisatorische Dienstleistungen, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bildungsleistung stehen, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrates prüfte die Initiative am 22. Januar 2001. Da für Details zur geforderten neuen Bestimmung, insbesondere bei der Frage der Abgrenzung, zusätzliche Erläuterungen der Verwaltung nötig waren, arbeitete die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) einen Zusatzbericht mit einem Gesetzesentwurf im Sinne der Initiative aus. Dieser Entwurf des Gesetzestextes wurde in der Kommission am 26. März 2001 mit 19 zu 0 Stimmen gutgeheissen. Auf Grund dieser klaren Ausgangslage beschloss die Kommission, eine Initiative in eigenem Namen einzureichen, worauf der Initiant seine Parlamentarische Initiative zurückzog.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Handlungsbedarf

Im Bildungsbereich treffen eine Vielzahl von Organisationen (öffentliche Hand, Berufs- und Branchenverbände usw.) zusammen, die je nach Bedürfnis in unterschiedlicher Form für das Erbringen einer Bildungsleistung zusammenarbeiten. Dies trifft insbesondere für die Lehrlings- und Berufsschulbildung und in vermehrtem Mass noch für die berufliche Weiterbildung zu. Die Trägerschaft einer Ausbildung zieht gerade bei der Durchführung von Berufs- und Fachprüfungen oft Dritte bei oder organisiert diese gemeinsam für mehrere Verbände. Würde diese Form der Durchführung von Prüfungen als steuerpflichtige Dienstleistung betrachtet, würde dies die Ausbildungskosten erheblich verteuern und die Zusammenarbeit im Bildungsbereich erschweren. Gerade erwünschte Formen, die gemeinsame Ausschreibungen und Durchführungen ermöglichen, würden so unnötig behindert. Solche Formen der Zusammenarbeit bedingen auch, dass Leistungen wie Sekretariatsarbeiten, Abrechnungen usw. delegiert werden können und beispielsweise von einem Verband für die andern Beteiligten übernommen werden. Diese Leistungen stehen in klarem Zusammenhang mit der Prüfung und somit mit der Bildungsleistung selbst. Von einer Besteuerung soll deshalb nach Ansicht der WAK abgesehen werden.

Die ESTV dagegen legte Artikel 14 Ziffer 9 der Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV), die bis am 31. Dezember 2000 in Kraft war, betreffend die Steuerausnahmen im Bildungsbereich eng aus. Umsätze aus Prüfungs3172

gebühren, die nicht direkt im Entgelt der Bildungsleistung enthalten waren oder nicht als hoheitliche Leistung erbracht wurden, waren nach Auffassung der ESTV zu besteuern. Die ESTV verkannte nach Ansicht der Kommission die Praxis, welche davon ausgeht, dass Prüfungen Bestandteil der Ausbildung sind.

Seit 1. Januar 2001 gelten Umsätze aus Prüfungen generell als Umsätze im Bereich der Bildung und sind somit von der Steuer ausgenommen (Branchenbroschüre Nr.

19 «Bildung und Forschung» vom September 2000, Ziffer 3.8).

Im Weiteren sind nach Meinung der Kommission auch Formen der Zusammenarbeit privater Anbieter von Bildungsleistungen mit staatlichen Stellen der beruflichen Ausbildung betroffen. Solche Formen der Zusammenarbeit sollen ebenfalls von der Mehrwertsteuer ausgenommen sein. Es soll somit der Grundsatz gelten, dass die Steuerausnahme im Bildungsbereich alle Leistungen umfasst, die in direktem Zusammenhang mit der Aus- und Weiterbildung sowie der Umschulung stehen.

Es erscheint der WAK notwendig, sowohl Prüfungen als auch die für das Bereitstellen von Bildungsleistungen unmittelbar notwendigen organisatorischen Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer auszunehmen. Die Kommission ist der Meinung, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung eigentlich nur eine Präzisierung und Klarstellung des vom Gesetzgeber von Anfang an bekundeten Willens ist.

Die Kommission prüfte im Weiteren, inwiefern im Bildungsbereich, insbesondere bei der Berufsausbildung, Sachverhalte, die ebenfalls besondere Organisationsformen bedingen, der Mehrwertsteuer unterliegen. Die folgende Übersicht erläutert, weshalb diese Bereiche bereits unter der geltenden Regelung nicht von der Mehrwertsteuer erfasst werden, wie dies von der ESTV gegenüber der WAK bestätigt wurde.

2.1.1

Steuerliche Behandlung weiterer Zusammenarbeitsformen im Bildungsbereich

Berufsschau Damit das vielfältige Angebot von Lehrberufen den Auszubildenden vorgestellt werden kann, werden Berufsschauen durchgeführt. Vielfach betraut der durchführende Kanton dabei eine Institution mit der Gestaltung, Planung und Umsetzung. Unter der Regie dieser Institution treten die als Träger der Berufsbildung aktiven Berufs- und Branchenorganisationen und Firmen auf. Die beauftragte Institution stellt die organisatorische und technische Infrastruktur sowie personelle Ressourcen und erhält dafür vom auftraggebenden Kanton finanzielle Mittel.

Diese Beiträge des Kantons an die durchführende Organisation unterliegen nicht der Mehrwertsteuer, da es sich im Sinne von Artikel 33 Absatz 6 Buchstabe b MWSTG um eine Subvention handelt. Die Institution erbringt keine bestimmte Dienstleistung für die ihr zufliessenden Mittel, sondern sie erhält vom Kanton einen Leistungsauftrag, wonach sie eine Berufsschau durchführt und dafür vom betreffenden Kanton mit bestimmten Mitteln unterstützt wird.

3173

Lehrstellenförderung Zur Lehrstellenförderung schliessen die Kantone zuweilen mit einer in der Berufsbildung tätigen Institution eine Vereinbarung ab, wonach eine Person sich speziell um Lehrstellenförderung kümmert (z.B. Gewinnung neuer Lehrbetriebe, Unterstützung und Beratung neuer Lehrmeister und Lehrmeisterinnen, Förderung von neuen Ausbildungsformen wie Ausbildungsverbünden). Der Kanton entrichtet dazu Beiträge an die gewählte Institution.

Wie im Falle der Berufsschau entspricht auch dieser Beitrag einer Subvention, verbunden mit dem Leistungsauftrag, in der umschriebenen Richtung tätig zu werden.

Subventionen gehören nicht zum Entgelt und unterliegen somit nicht der Steuer.

Ausbildungsverbund Kleinere Unternehmen, namentlich KMU, schliessen sich vermehrt in Ausbildungsverbünden zusammen, um Lehrlinge umfassend auszubilden. Eine bestimmte Institution tritt an Stelle der beteiligten Firmen als Lehrmeister auf und übernimmt für den Ausbildungsverbund die Geschäftsführung. Die Lehrlinge werden nach einem Rotationsprinzip in verschiedenen Unternehmen ausgebildet. Die geschäftsführende Institution verrechnet diesen Firmen anteilsmässig die Kosten des Ausbildungsverbundes. Darunter fallen Personal- und auch Organisationskosten.

Die Leistungen, welche die Institution des Ausbildungsverbundes den einzelnen Unternehmen gegen anteilsmässige Verrechnung der Kosten erbringt, stellen von der Steuer ausgenommene Bildungsleistungen im Sinne von Artikel 18 Ziffer 11 MWSTG dar. Mithin werden derartige Leistungen auf Grund der Praxis zu dieser Gesetzesbestimmung nicht als steuerbares Zurverfügungstellen von Personal (Lehrlingen) betrachtet.

Einführungskurse Nach Artikel 16 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) führen die Berufsverbände im Rahmen der Berufslehre Einführungskurse zur Aneignung von grundlegenden Fähigkeiten durch. Dies geschieht nach Artikel 4 BBG in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Träger dieser Kurse stellen den Lehrmeistern für ihre Beiträge Kurskosten in Rechnung.

Die Einführungskurse fallen unter die ausgenommenen Leistungen des Artikels 18 Ziffer 11 MWSTG. Es handelt sich dabei um ein Schulungspaket im Sinne der Ausführungen der Branchenbroschüre der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 19 «Bildung und Forschung». Dieses Schulungspaket schliesst das Stellen des Instruktors und der Referenten sowie die nötige Administration mit ein.

2.2

Vorschlag der Kommission

Die Kommission beantragt, die Ziffer 11 von Artikel 18 des MWSTG, der die Liste der Steuerausnahmen enthält, neu zu gestalten und zu ergänzen.

Auf Bildungsleistungen soll keine Mehrwertsteuer erhoben werden. Dies schliesst den Unterricht für jegliche Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung von staatlichen wie auch von privaten Schulen ein. Auch die Referententätigkeit für Kurse, Vorträge und Veranstaltungen wissenschaftlicher oder bildender Art sind von der 3174

Steuer auszunehmen. Es soll dabei keine Rolle spielen, ob das Honorar dem Unterrichtenden oder seinem Arbeitgeber entrichtet wird.

Das Bildungswesen, vor allem die berufliche Aus- und Weiterbildung, basiert in der Schweiz auf der Zusammenarbeit von privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern von Bildungsleistungen. Dies hat sich bewährt. Zur Durchführung von Bildungsangeboten können aus verschiedenen Verbänden einfache Gesellschaften gebildet werden, welche auch Prüfungen durchführen. Im Einzelnen kann es nun sinnvoll sein, dass nur einer der angeschlossenen Verbände mit der Durchführung der Prüfung beauftragt wird. Die Kommission verlangt nun, dass Prüfungen als Bestandteil der Bildungsleistung betrachtet werden und somit von der Mehrwertsteuer auszunehmen sind, und zwar unabhängig von der Organisationsform, welche mit der Durchführung der Prüfung beauftragt ist. Diese Betrachtungsweise hat die ESTV anerkannt und ihre Praxis seit dem 1. Januar 2001 dahingehend geändert, dass auf Prüfungsgebühren, auch wenn sie separat in Rechnung gestellt werden, keine Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Die Kommission besteht darauf, diese Steuerausnahme explizit auf Gesetzesebene zu verankern.

Die Steuerausnahme im Bildungsbereich soll umfassend sein. Eingeschlossen werden sollen deshalb auch Dienstleistungen, wie Sekretariatsarbeiten, Ausschreibungen, Inkasso von Gebühren, wenn sie in engem Zusammenhang mit Bildungsleistungen oder Prüfungen stehen und von einzelnen Verbänden zu Gunsten von Trägerschaften erbracht werden, welche Bildungsangebote erbringen.

Speziell zu erwähnen sind organisatorische Dienstleistungen im Bildungsbereich, die in der Zusammenarbeit von privaten Anbietern mit staatlichen Stellen wie Bund, Kantonen und Gemeinden erfolgen. Bei diesen Zusammenarbeitsformen können keine einfachen Gesellschaften gebildet werden. Ob diese Leistungen gegen Entgelt oder unentgeltlich erbracht werden, soll für die Befreiung von der Mehrwertsteuer unerheblich sein.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Mehrwertsteuer ist eine allgemeine Konsumsteuer und muss deshalb umfassend sein und alle Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen im Inland gleichmässig erfassen. Damit der Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung, der auch ein Privilegierungsverbot beinhaltet und eine Konkretisierung des Gebotes der rechtsgleichen Behandlung darstellt, nicht gefährdet wird, sollen Ausnahmen von der Steuer möglichst restriktiv zugelassen werden. Dies hat auch das Bundesgericht in mehreren Urteilen festgehalten (vgl. BGE 124 II 193 ff. und 372 ff.). Diesem Grundsatz entsprechend sieht das seit dem 1. Januar 2001 geltende MWSTG vor, dass grundsätzlich sämtliche Leistungen unabhängig von der Person des Leistungserbringers steuerbar sind. Ausnahmen von der Steuer müssen gemäss Artikel 5 des MWSTG im Gesetz ausdrücklich genannt werden. In Artikel 18 des MWSTG werden die Steuerausnahmen denn auch abschliessend aufgezählt. Der Gesetzgeber hat sich bei den Beratungen des MWSTG verschiedentlich dafür ausgesprochen, Ausnahmen von der Steuer gemäss Artikel 18 MWSTG restriktiv zu handhaben, weil

3175

solche Ausnahmen dem System der Mehrwertsteuer widersprechen und Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben können.

3.2

Erläuterungen zur vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung

Gemäss dem vorgeschlagenen neuen Wortlaut von Ziffer 11 von Artikel 18 des MWSTG sollen wie bisher die Umsätze im Bereich der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Unterrichts, der Ausbildung, Fortbildung und der beruflichen Umschulung einschliesslich des von Privatlehrern oder Privatschulen erteilten Unterrichts, die Umsätze aus Kursen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder bildender Art sowie die Referententätigkeit, unabhängig davon, ob das Honorar dem Unterrichtenden oder seinem Arbeitgeber ausgerichtet wird, von der Steuer ausgenommen sein. Andererseits soll die Ausnahme gemäss Artikel 18 Ziffer 11 MWSTG neu gewisse Umsätze aus im Bildungsbereich durchgeführten Prüfungen umfassen.

Da der Inhalt von Ziffer 11 von Artikel 18 MWSTG in der bisherigen Fassung bereits einen beträchtlichen Umfang aufweist und zusammen mit den zur Diskussion stehenden Neuerungen kaum mehr lesbar gewesen wäre, wird der Text der Übersichtlichkeit halber ausserdem neu strukturiert und in einzelne mit Buchstaben bezeichnete Abschnitte gegliedert. Die Buchstaben a und b des neuen Wortlauts entsprechen dem bisherigen Inhalt von Ziffer 11.

Nach dem in Ziffer 3.1 beschriebenen Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung müssen Ausnahmen von der Steuer eng begrenzt sein. Deshalb ist die Tragweite der neu vorgeschlagenen Ausnahme in objektiver und subjektiver Hinsicht gemäss den folgenden Ausführungen einzuschränken.

3.2.1

Objektive Begrenzung

In objektiver Hinsicht soll die Ausnahme gemäss dem vorgeschlagenen neuen Wortlaut der Ziffer 11 von Artikel 18 des MWSTG nur im Bereich der Prüfungen und im Bildungsbereich ausgeweitet werden (neuer Buchstabe c von Ziff. 11). Im Bereich der Prüfungen entspricht diese Ausweitung der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Praxis der ESTV, wonach nicht mehr darauf abgestellt wird, ob Prüfungsgebühren im Entgelt der Bildungsleistungen enthalten sind oder separat in Rechnung gestellt werden. Die vorgeschlagene Ausweitung der Steuerausnahme schliesst aber gemäss dem neuen Wortlaut von Ziffer 11 auch so genannte Vorumsätze ein, insoweit diese mit dem Unterricht, einem Kurs oder einer Prüfung einen unmittelbaren Zusammenhang haben, wie z.B. die Organisation der Prüfung oder die Durchführung der von der Prüfung herrührenden Sekretariatsarbeiten durch Dritte (neue Buchstaben d und e von Ziff. 11).

3176

3.2.2

Subjektive Begrenzung

In subjektiver Hinsicht umfasst die neue Ziffer 11 gemäss dem vorgeschlagenen Buchstaben d nebst den Leistungen der Einrichtung auf dem Gebiet der Bildung oder Prüfung selbst auch allfällige Leistungen an diese Einrichtung, und zwar so weit, als sie durch diejenigen juristischen oder natürlichen Personen erbracht werden, die diese Einrichtung (z.B. eine einfache Gesellschaft) bilden. Wenn beispielsweise ein aus mehreren Wirtschaftsverbänden in der Rechtsform einer einfachen Gesellschaft zusammengesetztes Gremium Fachprüfungen durchführt, sind gemäss dem Buchstaben c nicht bloss die Prüfungsgebühren von der Steuer ausgenommen, sondern nach dem Buchstaben d darüber hinaus auch Umsätze, wie namentlich Ausschreibungen, Sekretariatsarbeiten und Inkassoleistungen, welche ein einzelner Verband als Mitglied des Prüfungsgremiums diesem gegenüber erbringt.

Buchstabe e des vorgeschlagenen neuen Wortlauts von Ziffer 11 erfasst ähnliche Fälle wie Buchstabe d. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass Organisationsdienstleistungen der vorhin genannten Art auch dann von der Steuer ausgenommen sein sollen, wenn Dienststellen von Bund, Kantonen und Gemeinden, die zusammen mit privatrechtlich organisierten Anbietern entgeltlich oder unentgeltlich Bildungsleistungen erbringen und/oder Prüfungen durchführen, sich aus rechtlichen Gründen nicht an einer Einrichtung wie z.B. einer einfachen Gesellschaft des Privatrechts beteiligen können. Solche Fälle können nicht unter dem neuen Buchstaben d subsumiert werden und sind also im Gesetz speziell zu erwähnen.

4

Finanzielle Auswirkungen

Schätzungen der ESTV haben ergeben, dass der vorgeschlagene neue Wortlaut von Artikel 18 Ziffer 11 des MWSTG zu jährlich wiederkehrenden Steuerausfällen von 2­3 Millionen Franken führen wird. Davon entfallen etwa 4/5 auf die Bestimmung gemäss Buchstabe d und etwa 1/5 auf die Regelung gemäss Buchstabe e. Die Verankerung auf Gesetzesebene der Befreiung der Prüfungen von der Mehrwertsteuer (siehe Bst. c) hat insofern keine finanziellen Auswirkungen, als dass die auf den 1. Januar 2001 geänderte Praxis der ESTV diese Befreiung bereits vorsieht.

Es handelt sich also um verhältnismässig geringe Beträge, die der steuerlichen Entlastung und damit der Verbilligung sowie der Attraktivitätssteigerung der Bildung insgesamt dienen und darum hinzunehmen sind.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Grundsätzlich sind nach der 6. EG-Richtlinie vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG 1977 Nr. L 145, S. 1 ff.) alle Umsätze steuerbar. Bezüglich Steuerbefreiungen sieht diese Richtlinie in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe i unter anderem vor, dass der Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen

3177

Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Steuer befreit sind.

Für die Steuerbefreiung wird also eine enge Verbindung zum Schul- oder Hochschulunterricht, zur Ausbildung, zur Fortbildung oder zur beruflichen Umschulung verlangt, und die Dienstleistungen bzw. die Lieferung von Gegenständen müssen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit vom betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung geschehen. Der vorgeschlagene Text von Ziffer 11 von Artikel 18 des MWSTG erfüllt also die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe i der 6. EG-Richtlinie genannten Erfordernisse insoweit nicht, als auch Vorumsätze von der Steuer ausgenommen werden, die an bestimmte Einrichtungen erbracht werden, welche auf dem Gebiet der Bildung tätig sind (z.B. Organisation der Prüfung oder die Durchführung der von der Prüfung herrührenden Sekretariatsarbeiten).

Die Prüfungen selbst sind gemäss Artikel 4 Absatz 5 der 6. EG-Richtlinie von der Steuer befreit, insoweit es sich um Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt. Diesem Grundsatz entsprach schon die Praxis zur bis am 31. Dezember 2000 geltenden Verordnung über die Mehrwertsteuer (MWSTV) vom 22. Juni 1994, da gemäss Artikel 17 Absatz 4 MWSTV in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Leistungen nicht steuerpflichtig sind.

6

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Revision des MWSTG stützt sich auf Artikel 130 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Erhebung der Mehrwertsteuer gibt.

3178