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Schweizerisches Bundesblatt.

38. Jahrgang. II.

Nr. 29.

10. Juli 1886.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bundesgesetz betreffend

Maßnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien.

(Vom 2. Juli 1886.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft und eines bezüglichen Gesetzentwurfes des Bundesrathes vom 1. Juni 1886; in Vollziehung von Art. 69 der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. Die ,,gemeingefährlichen Epidemien" (Art. 69 der Bundesverfassung), gegen welche das Gesetz zur Anwendung kommt, sind : Pocken, asiatische Cholera, Fleckfieber (Kriegs-, Hunger-Typhus etc.), Pest.

Art. 2. Beim Herannahen einer gemeingefährlichen Epidemie haben die Kantone für die Kontrole des Trinkwassers, der Lebensmittel und der Wohnungen, für Bereithaltung von angemessenen Absonderungslokal und Transportmitteln, sowie für die nöthigen Aufnahmslokale für Gesunde zu sorgen.

Art. 3. Von jedem in Art. l genannten Krankheitsfalle hat der Inhaber der Wohnung, in welcher sich der Kranke befindet, der Ortsbehörde unverzüglich Anzeige zu Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

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machen. Ist, der Inhaber der Wohnung selber betroffen, so liegt die Pflicht, jedem volljährigen Hausgenossen ob.

Diese Anzeigepflicht liegt überdies auch dem behandelnden Arzte ob, welcher neben der Ortsbehörde auch die Gesundheitsbehörde zu benachrichtigen hat.

Die Orts-, beziehungsweise die Gesundheitsbehörde übermittelt die Anzeige nach ärztlicher Feststellung des Falles unverweilt der Kantonsregierung.

Art. 4. Der Kranke ist mit den zu seiner Pflege bestimmten Personen in seiner Wohnung möglichst zu isoliren. Die übrigen Bewohner des Hauses, sowie solche Personen, die mit dem Kranken in Berührung gekommen sind, können, sofern die Umstände dies nöthig erscheinen, lassen, zeitweise ärztlicher Ueberwachung unterstellt werden.

Der Kranke kann in seiner Wohnung verbleiben, insofern die Anordnungen betreffend die Isolirung gehörig durchführbar sind und auch durchgeführt werden.

Wo die Durchführung dieser Maßregeln ohne Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht möglich ist oder nicht befolgt wird, soll von den kompetenten Behörden für die Unterbringung der Kranken in einem passenden Krankenasyl oder für Auslogirung der Gesunden in zweckentsprechende Lokale gesorgt werden.

Art. 5. Kranke, sowie Gesunde, welche ohne eigenes Verschulden den im vorigen Artikel in Aussicht genommenen Maßnahmen unterworfen werden, haben im Bedürfnißfalle Anspruch auf unentgeltliche Verpflegung und ärztliche Behandlung, ohne deßwegen armengenössig oder rückerstattungspflichtig zu werden. Gesunde, welche auslogirt oder iuternirt werden, haben außerdem, wenn sie bedürftig sind, für den in Ausführung des Gesetzes in ihrem Erwerbe erlittenen Verlust eine den Verhältnissen entsprechende billige Entschädigung zu beanspruchen, worüber die zuständigen kantonalen Verwaltungsbehörden entscheiden.

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Eine nach Art. 4, Absatz l, allfällig angeordnete ärztliche Ueberwachung hat auf öffentliche Kosten zu geschehen.

Art. 6. Bezüglich der Desinfektion trifft der Bundesrath je nach den für die betreffende Epidemie geltenden Regeln die erforderlichen Anordnungen.

Art. 7. Derselbe erläßt auch die nöthigen Vorschriften bezüglich des Kranken- und Leichentransportes, sowie des Verkehrs mit ansteckenden Waaren.

Er setzt diejenigen Maßregeln fest, welche die öffentlichen Verkehrsanstalten zum Schutze gegen die Epidemie zu treffen haben.

Er kann in Beziehung auf den internationalen Grenzverkehr und dessen sanitarische Ueberwachung besondere Maßregeln anordnen.

Absperrungen einzelner Ortschaften und Landestheile gegen einander sind unzuläßig.

Art. 8. Der Bund ersetzt den Kantonen bei den in Art. l genannten Krankheiten die Hälfte der Auslagen, die sie und die Gemeinden nachweisbar für die Durchführung der in den Artikeln 5, 6 und 7, Alinea 3, vorgeschriebenen Maßregeln, einschließlich der wegen Erwerbsverlustes entrichteten Entschädigungen, gemacht haben.

Die in diesem Artikel vorgesehenen Vergütungen stellt der Bundesrath nach den Bestimmungen eines von ihm zu erlassenden Réglementes fest.

Die Frage, ob und in welchem Maße die Kosten, welche den Kantonen aus der Vollziehung des gegenwärtigen Gesetzes erwachsen, von den Gemeinden getragen werden sollen, bleibt der kantonalen Gesetzgebung vorbehalten.

Art. 9. Nichtbeachtung oder Umgehung der in dem Gesetze oder durch spezielle Anordnungen der zuständigen Behörden vorgeschriebenen Maßregeln wird mit einer Buße von 10--500 Franken bestraft.

942 In schweren Fällen, insbesondere bei absichtlicher Umgehung sanitätspolizeilicher Anordnungen, kann die Geldbuße bis auf 1000 Franken erhöht werden, sofern nicht die kantonalen Strafgesetze zur Anwendung kommen.

Allfällige Entschädigungsansprüche bleiben vorbehalten.

Die Untersuchung und Beurtheilun der in diesem Artikel vorgesehenen Vergehen ist Sache der kantonalen Amtsund Gerichtsstellen.

Die ausgefällten Geldstrafen fallen den Kantonen zu.

Unerhältliche Geldbußen werden nach dem Maßstabe von 5 Franken per Tag in Gefängnissstrafe umgewandelt.

Art. 10. Die Kantone haben für den Vollzug dieses Gesetzes zu sorgen und die bezüglichen Erlasse dem Bundesrathe zur Genehmigung einzureichen.

Der Bundesrath überwacht die Vollziehung des Gesetzes und trifft die hiefür erforderlichen Maßregeln.

g Art. 11. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Bundesgesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 2. Juli 1886.

Der Präsident: Alph. Bory.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Also beschlossen vom Nationalrathe, Bern, den 2. Juli 1886.

Der Präsident: Morel.

Der Protokollführer: Rillgier.

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Der schweizerische Bundesrath beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 6. Juli 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

N o t e . Datum der Publikation: 10. Juli 1886.

Ablauf der Einspruchsfrist : 8. Oktober 1886.

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Bundesgesetz betreffend Maßnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien. (Vom 2. Juli 1886.)

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10.07.1886

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939-943

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