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Schweizerisches Bundesblatt.

38. Jahrgang. II.

Nr. 23.

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29. Mai 1886.

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Organisation des Landsturms.

( Vom 21. Mai 1886.)

Tit.

Unterm 23. März 1885 wurde im Ständerathe folgende Motion erheblich erklärt : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, der Bundesversammlung eine Vorlage zu machen, in welcher Weise der nationalen Vertheidigung, resp. dem Landsturm, der Charakter und die Rechte von Kriegführenden gesichert werden sollen."

Wir kommen diesem Auftrag nach, indem wir den Landsturm, ähnlich wie unsere Nachbarstaaten, in unsere Wehrkraft einfügen und als integrirenden Bestandteil der letztern betrachten, und erlauben uns, Ihnen einen bezüglichen Gesetzesentwurf vorzulegen und denselben mit folgenden Bemerkungen zu begleiten.

Deutschland besitzt seit 12. Februar 1875 ein den jetzigen Verhältnissen angepaßtes Gesetz über den Landsturm, während eine eigentliche Organisation desselben unseres Wissens noch nicht vorhanden ist.

Der Begründung dieser Gesetzesvorlage entheben wir folgende Stelle: Durch die Bestimmung des § l der Vorlage erhält der Landsturm einen wesentlich andern Charakter, als er bei seinem Aufgebot in Preußen zur Zeit der Freiheitskriege hatte. An Stelle des ungeregelten Massenaufgebotes soll eintretenden Falls die militärische Organisation des Landsturms und die Unterordnung desBundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

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354 selben unter dio Militärgesetze treten. Dadurch wird die Grundlage gewonnen, um dem Landsturm, welcher nach dem Gesetze vom 9. November 1867 einen Theil der bewaffneten Macht dos Reiches bildet, völkerrechtlichen Schutz zu sichern. Das Aufgebot des Landsturms auf einer soleheu Grundlage kann dem Gegner nicht das Recht oder auch nur einen Vorwand zu Maßregeln geben, welche den Grundsätzen des Völkerrechts nicht entsprechen.

Der Landsturm selbst wird gebildet aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahre, welche weder dem Heere noch der Marine angehören. Wenn der Landsturm nicht aufgeboten ist, dürfen die Landsturmpflichtigen keinerlei militärischer Kontrole oder Uebungen unterworfen werden. Bei Verwendung gegen den Feind erhält der Landsturm militärische, auf Schußweite erkennbare Abzeichen. Er soll in der Regel in besondere Abtheilungen formirt werden, doch kann in Fällen außerordentlichen Bedarfs die Landwehr aus den Mannschaften des aufgebotenen Landsturms ergänzt werden, wobei die Einstellung nach Jahresklassen, mit den Jüngsten beginnend, erfolgt. Die aufgebotenen Landsturmpflichtigen stehen unter den Militärstrafgesetzten und linden auf sie die für die Landwehr geltenden Vorschriften Anwendung, Oesterreich besaß bis zum Jahr 1886 Landsturmgesetze für die Länder der ungarischen Krone, und für Tirol und Vorarlberg.

In den erstem wird der Landsturm gebildet aus soleheu Freiwilligen, welche dem Heere, der Kriegsmarine und der Landwehr nicht angehören. Dazu treten noch die Finanzwache und alle bewaffneten Sicherheitsorgane.

Offiziere und Mannschaft des ungarischen Landsturms behalten ihre gewöhnliche Kleidung und tragen als Abzeichen eine aus den Landesfarben bestehende Armbinde. Wenn der Landsturm aus den eigenen Gemeinden ausmarschirt, so erhalten die Leute Besoldung und Verpflegung vom Staate.

Der ungarische Landsturm darf nur bei unmittelbarer Bedrohung des Landes aufgeboten werden und zerfällt in bewaffnete und Arbeiter-Abtheilungen, letztere zur Vorbereitung des Kriegsschauplatzes, Zerstörung und Herstellung von Kommunikationen etc.; sowie zu Boten- und sonstigen Diensten.

In Tirol wird der Landsturm gebildet aus allen Waffenfähigen, welche weder im stehenden Heere noch bei den Landesschützen dienen, und zwar vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 45.

Lebensjahre.

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Der Landsturm zerfällt in 2 Auszüge; der erste Auszug (18.

bis 39. Lebensjahr) leistet Dienst im eigenen und in den angrenzenden Distrikten; der zweite (40. bis 45. Lebensjahr) nur im heimatlichen Distrikt. Eine ununterbrochene Dienstzeit soll nicht mehr wie 14 Tage betragen.

Das Land ist in 9 Vertheidigungsdistrikte eingetheilt ; jede Gemeinde formirt einen Landsturmzug von wenigstens 50 und höchstens 100 Mann. Sind weniger als 50 Landsturmpflichtige in einer Gemeinde, so schließen sie sich einer Nachbargemeinde an.

Zwei bis sechs Züge bilden eine Kompagnie, 3 bis B Kompagnien ein Bataillon von 500 bis 1000 Mann. Auf je 15 Mann kommt l Unteroffizier. Jeder Zug wählt seinen Zugskommandanten, Lieutenant, diese den Hauptmann und letztere den Bataillonskommandanten, dessen Wahl aber durch die Landesvertheidigungsbehörde bestätigt werden muß.

Jede Gemeinde führt ihre sogen. Sturmrollen. Die Kleidung ist die gewöhnliche, als Abzeichen tragen die Mannschaften ein grün und weißes Band mit der Bataillonsnummer. Bewaffnung, Ausrüstung und Munition werden vom Staate geliefert und in den Zeughäusern der Landsturmdistrikte aufbewahrt.

Die Landsturmpflichtigen stehen im Kriege und im Frieden unter den bürgerlichen Gesetzen und Behörden, doch geloben die Leute vor dem Ausmarsch in die Hand des Hauptmanns Treue gegen Kaiser und Vaterland, Gehorsam gegen die Vorgesetzten und Tapferkeit vor dem Feinde. Bei erfolgtem Aufgebote erhalten die Sturmleute Besoldung und Verpflegung. Im Dienste erkrankte oder verwundete Sturmmänuer, welche nach Hause beurlaubt werden, beziehen den Sold bis zu ihrer Wiederherstellung.

Von Zeit zu Zeit können für die weniger Geübten Schießübungen angeordnet werden.

Zum Zwecke der Organisation, Leitung und Verwendung des Landsturms werden von (1er Landesvertheidigungs-Oberbehörde für jeden Distrikt ein Distriktskommandant und ein Distriktskommissär und für jeden Gerichtsbezirk ein Landesvertheidigungs-Bezirkskommissär ernannt.

In der jüngsten Zeit ist nun ein neues einheitliches Gesetz über den Landsturm für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, welche ihre SpezialOrganisation beibehalten, erlassen worden, das gegenüber der bestehenden Organisation eine unerhebliche Verminderung der Altersklassen der beiden Aufgebote einführt, dagegen das Recht auf

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völkerrechtlichen Schutz in bestimmter, unzweideutiger Weise für den Landsturm des ganzen Reiches in Anspruch nimmt.

Italien hat außer dem stehenden Heere eine sog. Mobilmiliz, welche mit der Landwehr Deutschlands oder Oesterreichs verglichen werden kann, ferner eine Territorialmiliz und eine Komrnunaliniiiz, welch' letztere mehr nur zur Aufrechthaltung der Ordnung irn Innern und zur Unterstützung der Gendarmerie verwendet worden soll. Sie ist nicht fest organisirt und wird gebildet aus allen nicht zum stehenden Heere, zur Mobil- oder Territorialmiliz Einberufenen, und darf von den Kommunalbehörden in wechselndem Turnus von nicht mehr als acht Tagen verwendet werden.

ll.gV.

Die Territorialmiliz, in der Stärke von 300 Bataillonen und 100 Festungsartillerie-Kompagnien, wird gebildet aus den vom Dienste im stehenden Heere und der Mobilmiliz Befreiten und dient hauptsächlich zur Verstärkung der Besatzungstruppen und soll nur ausnahmsweise im freien Felde verwendet werden. Die Dienstzeit dauert bis zum vollendeten 39. Lebensjahre. Während derselben kann die Mannschaft einmal auf die Dauer von 30 Tagen einberufen werden.

Frankreich besitzt in der Reserve der Territorialarmee eine Art Landsturm. Dieselbe wird gebildet aus den sechs ältesten Jahrgängen der Wehrpflichtigen, ferner aus allen denjenigen, welche nicht dem stehenden Heere oder der Territorialarmee angehören, und aus Freiwilligen. Die Dienstpflicht hört rnit dem zurückgelegten 40. Lebensjahre auf.

Bis jetzt ist die Reserve der Territorialarmee nicht organisirt.

Sie ist zur Unterstützung und Ergänzung der Territorialarmee bestimmt und wird im Frieden nicht einberufen. Ende 1880 zählte diese Heeresabtheilung circa 150,000 Längergediente, 430,000 Kurzgediente und 180,000 Nichtgediente, Total circa 760,000 Mann.

Wenn nun auch, mit Ausnahme von Tirol, diese Landsturmformationen wohl aus finanziellen Gründen nicht fest orgaoisirt sind, so sind sie doch in den bestehenden Gesetzen vorgesehen und daher im Kriegsfalle unter völkerrechtlichen Schutz gestellt, wie dieses in den bezüglichen Landsturmsgesetzen von Deutschland und Oesterreich noch ganz besonders hervorgehoben worden ist.

357 Unsere Militärorganisation erwähnt des Landsturmes nicht ausdrücklich, doch enthält der Art. 19 der Bundesverfassung folgende Bestimmung: ,,In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschließliche und unmittelbare Verfügungsrecht auch über die nicht in das Bundesheer eiagetheilte Mannschaft und alle übrigen Streitmittel der Kantone."

Wäre es nöthig, den festen Willen unseres Volkes, den heimatlichen Boden mit allen verfügbaren Mitteln zu vertheidigen, noch besonders zu dokumentären, so hätte er gewiß in der angeführten Verfassuna'sbestimmuna; -- die von keiner Seite beanstandet worden ö o ist -- einen unverkennbaren Ausdruck gefunden.

Die bloße Verfassungsbestimmung genügt jedoch nicht, um in Zeiten der Gefahr das ganze Volk mit einiger Aussicht auf Erfolg unter die Waffen und zur Landesvertheidigung zu rufen; es müssen vielmehr sorgfältige, organisatorische Maßregeln vorangehen, wozu der vorgelegte Gesetzesentwurf die nöthige Grundlage bilden soll.

Es wird aber auch der Landsturm durch eine gesetzliche und militärische Organisation und durch dessen Unterstellung unter das Militärstrafrecht des Bundes den Charakter eines integrirenden Theils unserer Streitkräfte erhalten, was ihm als solcher Anspruch auf den völkerrechtlichen Schutz geben wird.

Im Besondern haben wir zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes folgende nähere Ausführungen anzubringen : Ad Art. \. Mit der Vorschrift, daß der Landsturm als ein Theil der Wehrkraft neben der Feldarmee bezeichnet wird, beabsichtigen wir vorerst, demselben auf unzweideutige Weise den völkerrechtlichen Schutz zu sichern, ohne daß dies durch internationales Uebereinkommen noch besonders dokumentirt zu werden braucht.

Sodann bezeichnen wir in diesem Artikel die Mannschaft, aus welcher der Landsturm gebildet werden soll. Nach unsern Wehreinrichtungen ist über alle im wehrpflichtigen Alter stehenden militärtauglichen Männer bereits für den Auszug und die.Landwehr verfügt. Es kann sich daher nur noch um diejenigen Leute handeln, welche unter und über dein wehrpflichtigen Alter stehen oder die mit irgend einem Gebrechen behaftet sind, das sie vom Dienste in der operirenden Feldarmee ausschließt. In Betreff der erstem Kategorie, so ist nach abwärts die Grenze so gezogen, daß diejenigen Jünglinge, welche im militärischen Vorunterricht zu Schießübungen herangezogen werden können, noch mit Inbegriffen sind,

und nach aufwärts HO, daß nur ganz kräftige Männer einbezogen werden. Diese Grenze wird übrigens im Ernstfälle kaum sehr strenge einzuhalten sein, da auch ältere Männer noch gute Dienste werden leisten können und solche freiwillig anbieten worden.

Was nun die im dienstpflichtigen Alter Stehenden betrifft, so sind viele der Militärpflicht enthoben, die zur Landesverteidigung in hohem Grade brauchbar sind. Die Ausscheidung der wirklich Untauglichen wird im Falle eines Aufgebotes sich sehr rasch machen, namentlich wenn die Korpskontrolen sorgfältig erstellt worden sind.

Ausgenommen sind selbstverständlich auch für den Dienst im Landsturm die dienstfreien Beamten und Angestellten der Posten, Eisenbahnen, die Polizeibediensteten u. s. w., kurz, die im Art. 2 der Miliiärorganisation aufgeführten Beamten und Augestellten, s o f e r n d i e Dienstrücksich ten i h r e s A n s t e l l u n g s v e r h äl t n i s s e s es e r f o r d e r n .

Die für die ehemaligen Offiziere des Auszuges und der Landwehr gemachte Ausdehnung des landsturmpflichtigen Alters findet ihre Begründung darin, daß von diesen Offizieren anzunehmen ist, daß sie auch noch in einem höhern Alter gute Dienste leisten können, und sodann ist gerade der Mangel an Cadres die schwache Seite jeder Landsturmorganisation.

Ad Art. 2. Nichts würde die Organisation des Landsturmes bei uns mehr in Mißkredit bringen, als wenn derselbe in Friedenszeiten einberufen würde. Durch das nur für Zeiten der Gefahr vorgesehene Aufgebot wollen wir ausdrücklich betonen, daß eine Einberufung außer dem Ernstfall, sei es auch nur zu Kontrolbereinigungen u. s. w., unstatthaft ist, was indessen nicht verhindert, daß höhere Kommandirende, die Chefs von Einheiten und Detaschementen, zu Besprechungs- und Unterrichtszwecken besammelt werden können.

Im Fall ein Aufgebot wirklich erfolgt, soll dasselbe von derjenigen Behörde ausgehen, welche auch das Aufgebot des Auszuges und der Landwehr verfügt, nämlich vorn Bundesrathe, wobei auch die Mitwirkung der Kantono in gleicher Weise wie heim Aufgebot der Feldarmee einzutreten hat.

Da jedoch Verhältnisse zutreffen können, wo der Landsturm plötzlich aufgerufen werden muß, soll der Buudesrath befugt sein, sein Einberufungsrecht an einzelne Grenzkantone, an ein höheres Territorialkommando oder auch an den Kommandirenden einer isolirten Division.7 Brigade etc. übertrafen zu können.

g O

359 Den Vorbehalt des Art. 245 der Militärorganisation, wonach im Bereiche einer eidgenössischen Truppenaufstellung ohne Be·willigung des Kommandirenden keine Besammlung oder Bewegung k a n t o n a l e r Truppen stattfinden darf, nehmen wir deshalb auf, weil der Landsturm bisher nicht als zu den Truppen gehörig betrachtet wurde und die Unterstellung unter einheitliches Oberkommando nun auch für den Landsturm zu gelten hat.

Ad Art. 3. Um das im Eingang des Gesetzesentwurfes angedeutete Recht des Landsturmes auf völkerrechtlichen Schutz noch in erhöhtem Maße zu bekunden, um zugleich den Ernst der Aufgabe desselben hervorzuheben, sowie auch auf sein disziplinarisches Verhalten zu wirken und dadurch allen völkerrechtlichen Ansprüchen gerecht zu werden, glaubten wir in diesem Artikel dem aufgebotenen Landsturm die Leistung des Kriegseides und seine Unterstellung unter das eidgenössische Militärstrafgesetz vorschreiben zu sollen. Mit dem Schlußsatz des Artikels behalten wir die Möglichkeit vor, einerseits überzählige und zur Verfügung stehende Offiziere der Armee dem Landsturm, sowie die Mannschaft der jüngsten Altersklassen des letztern dem Auszuge zutheilen zu können und anderseits die aus der Landwehr übergetretenen Leute, die zu dem besser ausgebildeten Theil des Landsturmes gehören dürften, unter Umständen, z. B. bei längerem Verharren, in einer Vertheidigungsstellung wieder der Landwehr einverleiben und diese verstärken, beziehungsweise kompletiren zu können.

Ad Art. 4. Zur Beurtheilung des Umfanges der Organisation des Landsturmes, welche auf Grundlage des Gesetzesentwurfes nöthig wird, ist vorerst erforderlich, sich ein Bild von der zukünftigen Verwendungsart dieser Truppengattung zu machen.

Der Landsturm hat den Zweck, einer feindlichen Invasion das ganze Volk in Waffen entgegenzustellen und daher als Ergänzung unserer Streitkräfte zu dienen. Er wird demnach überall da, wo die operirende Feldarmee nicht kämpft, dem Feinde jede Spanne des heimatlichen Bodens streitig machen. Sodann erfüllt er seinen Zweck dadurch, daß er alle diejenigen Aufgaben übernimmt, welche das Heer -- würde es allein kämpfen -- zu Detaschirungen zwingen würden, wie die Bergung aller Hülfsmittel, deren sich der Feind bedienen könnte, die Bewachung von Transporten, von Gefangenen, die Ueberwachung ungeschützter Grenzgebiete,
die Sicherung und Vertheidigung bestimmter Terrainabschnitte durch Schutzvorkehren und in gleicher Weise durch Verstärkungen von einzelnen Ortschaften, Plätzen und Positionen, die Sicherung der Eisenbahnlinien oder wichtiger Objekte derselben vor Zerstörung, die Vernichtung von Kommunikationen und die stete Bedrohung der feindlichen Rückzugsmid Etappenlinien u. s. w.

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Die Verschiedenheit der Aufgaben des Landsturmes, aus welchen sich ergibt, daß er kaum auf einmal in seiner Gesammtheit einberufen werden wird, bringt mit sich, daß es Sache der Organsation desselben sein muß. vorerst seine Gliederung, die je nach den Gegenden variren dürfte, zu bestimmen, wobei wir von der Ansieht ausgehen, daß in der Regel keine größeren als Kompagnieeinheiten mit verschiedener Stärke formirt werden sollten, wenn die Leitung des Landsturmes, sein rasches Auftreten und Verschwinden, sein ganzes Wirken überhaupt nicht schwerfallig gemacht werden will.

In Betreff der Bekleidung des Landsturms, so muß eine auf völkerrechtlichen Schute Anspruch machende Truppe erkennbare Abzeichen tragen, und es wird daher unsern Landsturmpflichtigen mindestens ein einheitliches, schützendes Oberkleid, vielleicht auch eine einheitliche Kopfbedeckung zu verabfolgen sein, da bei Abgang einer Nationaltracht, wie sie z. B. in den österreichischen Ländern vorhanden, das Tragen einer Feldbinde allein nicht ausreichen dürfte. Diese Angelegenheit, sowie die nicht minder wichtige der Bewaffnung, Ausrüstung und Munitionirun des Landsturmes, bedarf aber einer genauen Prüfung und hat der Aufstellung der sachbezüglichen Vorschriften voranzugehen.

Was die Bewaffnung speziell anbelangt, so gedenken wir hiezu in erster Linie die vorräthigen kleinkalibrigen Einlader zu verwenden, deren Zahl auch durch die im Lande vorhandenen Privatwaffen, vorausgesetzt daß mit diesen Ordonnanzmunition geschossen werden kann, sich unschwer vermehren läßt. Diese Waffen dürften zur Ausrüstung des gesammten Landsturmes ausreichen, nachdem die Mannschaftszahl ermittelt und die Eintheilung derselben in gewehr- und schanzzeugtragende Leute durchgeführt sein wird. Mangeludenfalls dürfte auch ein Theil der ältesten Repetirgewehre an denselben übergehen, da die für die Feldarmee bestimmte Reserve zur Zeit angemessen stark ist und alljährlich einen Zuwachs von nahezu 10,000 Gewehren erhält.

Die Stärke, des Landsturmes läßt sich einstweilen noch nicht genau ermitteln. Approximativ wird die Zahl der wehrpflichtigen Leute der Jahrgänge 1836 his und mit 1868, welche für don Landsturm in Betracht kommen, an der Hand der Volkszählung vom Jahre 1880 sich beziffern a u f .

.

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. 629,689 Mann Hievon stehen im Auszug . 117,179 Mann in der Landwehr .

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. 84,046 ,, 201,225 Es verbleiben somit

,,

408,464 Manu

36Î

üebertrag

408,464 Mane

im landsturmpflichtigen Alter, welche, soweit sie nicht den Jahrgängen 1836/41 und 1867/68 angehören , zum größten Theil als zur Dienstleistung in der Feldarmee untauglich erklärt worden sind.

Wir werden der Wahrheit jedoch ziemlich nahe kommen, wenn wir von dieser Zahl wenigstens 208,464 L ,, weil inzwischen gestorben, ausgewandert, nach Art. 2 der Militärorganisation dienstfrei oder wegen ihrer Gebrechen zu gar keiner Verrichtung fähig sind, ganz abschreiben, wodurch immerhin noch .

. 200,000 Mann als landsturmtüchtig verbleiben, wovon wenigstens der eine Dritttheil mit einer Schußwaffe bewaffnet werden dürfte, die übrigen zwei Dritttheile dagegen mehr zu manuellen Dienstleistungen und daheriger Einreihung in mit Schanzwerkzeug ausgerüstete ArbeiterKompagnien oder zu anderm unbewaffneten Dienst als geeignet zu betrachten wären.

Eine derartige Repartition schlösse die Möglichkeit in sich, unserer Feldarmee einen wesentlichen passend bewaffneten Zuwachs zu sichern. Am meisten Schwierigkeiten würde wohl deren weitere, in Vorstehendem angedeutete Ausrüstung begegnen, selbst in dem Falle, als die dort erwähnten Zuthaten nur dem gewehrtragenden Landsturm abgegeben würden. Nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre reichen unsere Bekleidungsreserven in den Kantonen bloß aus, um dem dringendsten Ersatz in der Feldarmee selbst im Friedensdienst zu genügen ; ein nur mäßig langer Aktivdienst würde unbedingt zu ausnahmsweisen Ausrttstungsabgaben führen, so daß nicht daran zu denken ist, den Bedarf für den Landsturm auch aus diesen Vorräthen zu decken. Es wird daher nicht zu umgehen sein, von Bundes wegen eine mäßig starke Kriegs-Reserve rechtzeitig mit nicht unerheblichen Kosten anzulegen, damit der Feldarmee und dem bewaffneten Landsturm im Ernstfalle diejenige Ausrüstung nachgeliefert oder zugewiesen werden kann, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben unerläßlich ist.

Die Form der Einberufung des Landsturms behalten wir ebenfalls der Verordnung vor, weil dieses durch die Militär-Organisation auch für das Aufgebot der Feldarmee der Fall ist, und weil sie für den Landsturm eine ganz besondere sein kann, z. B. Sturmläuten, optische Signale, Hochfeuer u. s. w.

Ad Art. 5. und 6. Bevor diese Organisationsvorschriften zur Ausführung gebracht werden können, ist wie erwähnt vorerst die

362 Stärke des Landsturmes festzustellen und dessen Gliederung und Eticadrirung auszuarbeiten. Als Grundlage haben hiefür die in den Rekrutirungskreisen von den bestellten Kommandanten geführten Stammkontrolen zu dienen, welche nach unten um zwei Jahrgänge zu ergänzen sind.

An der Hand dieser Stammkontrolen wird vorerst eine Ausseheidung der Landsturrntauglichen und der Untauglichen stattzufinden haben, insbesondere werden aber diejenigen Männer herauszufinden sein, welche als Kommandirende von großem und kleinem Abtheilungen, Kompagnien und Detnschementen, als Offiziere und Unteroffiziere sich eignen. Auch werden diejenigen Leute zu bezeichnen sein, die vermöge ihres Berufes zu gewissen Spezialitäten besonders verwendbar sind, es ist die bewaffnete Mannschaft von der unbewaffneten zu trennen und die Art, der Ausrüstung der letztern mit Werkzeug festzustellen ; endlich muß die Bildung der Einheiten selbst an die Hand genommen, deren Sammelplätze bestimmt und diejenigen Vorarbeiten eingeleitet werden, die speziell dem Landsturm zur Ausführung zufallen. Fällt auch ein Theil dieser Vorarbeiten in den Ressort des Generalstabsbüreau's, so erfordert doch die Lösung aller Fragen organisatorischer Natur und besonders die Etablirung und Nachführung der Korpskontrolen auch nur im Kadresbestande, für jede Division ein besonderes Organ in einem hiefür geeigneten Offizier, welcher nicht der Feldarmee angehören darf, der aber mit den lokalen Verhältnissen ganz, sowie auch mit der moderneu Kriegführung vertraut sein muß. Diese Vorarbeiten, auch nur successive ausgeführt, sind von bedeutendem Umfange, und es ist nicht gedenkbar, daß dieselben sich auf freiwillige Weise durchführen lassen, weßhalb wir die bezüglichen Jahresausgabeu gleich wie die durch die Ausführung des Art. 4 nicht zu umgehenden Kosten im Budget jeweilen einzustellen gedenken, weil wir davon absehen, ständige Territorialkommando's mit fixen Besoldungen aufzustellen. Ob und wie weit die Leitung der Arbeiten solchen Offizieren sich übertragen lasse, welche, wie die hohem Instruktoren, vermöge ihres Amtes in ständigem Kontakt mit den kantonalen und selbst lokalen Behörden sind, weitgehende örtliche Kenntnisse besitzen und vom Dienst im Auszug und der Landwehr her alle Offiziere und viele Unteroffiziere persönlich kennen und nach ihren Eigenschaften
zu verwenden wüßten, oder aber andere geeignete uneingetheilte Offiziere sich gnnz oder theilweise mit dieser Aufgabe betrauen lassen, muß einer spätem Prüfung vorbehalten bleiben. Selbstverständlich werden dagegen die bestehenden Kreiskommandanten, sowie die Sektionschefs sich an den Vorarbeiten zu betheiligen haben und überhaupt dem Leitenden in der Erfüllung seiner Aufgabe an die Hand gehen müssen.

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Mit diesen Ausführungen glauben wir die Grundzüge unserer Vorlage in genügender Weise erörtert zu haben. Sie wollen daraus entnehmen, daß es sich noch keineswegs urn eine abgeschlossene Organisation des Landsturmes handelt, sondern um die Anbahnung einer solchen, und empfehlen Ihnen die Annahme des nachstehenden Gesetzentwurfes als ein Mittel, um mit verhältnißmäßig unbedeutenden Kosten einer wichtigen Ergänzung unserer Wehreinrichtungen Eingang zu verschaffen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 21. Mai 1886.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers : Schatzmann.

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(Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

den Landsturm der Schweiz. Eidgenossenschaft.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 19 der Bundesverfassung und nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes, vom 21. Mai 1886, beschließt: Art. 1. Der Landsturm bildet neben dem Auszug und der Landwehr (Art. 6 der Militärorganisation) einen Theil der schweizerischen Wehrkraft.

Jeder wehrfähige Schweizerbürger vom zurückgelegten 17. bis zum vollendeten 50. Altersjahr, der nicht im Auszug oder in der Landwehr eingetheilt oder nach Art. 2 der Militärorganisation dienstfrei ist, hat die Pflicht, in Zeiten der Gefahr im Landsturm zu dienen.

Im Landsturm finden auch Freiwillige Aufnahme, welche das 50. Altersjahr überschritten haben, jedoch zum Waffendienste tauglich sind.

Aus dem Auszuge oder der Landwehr getretene Offiziere können bis zum vollendeten 55. Altersjahr zum Dienste im Landsturm angehalten werden.

Art. 2. In Friedenszeiten sind die Landsturmpflichtigen von jedem Dienste befreit.

Der Landsturm wird nur aufgeboten, wenn das Land durch einen feindlichen Einfall bedroht ist oder wenn der Feind die Landesgrenzen bereits überschritten hat.

Das Aufgebot wird vom Bundesrathe verfügt und durch die kantonalen Militärbehörden vollzogen. Die Ermächtigung, einzelne Theile des Landsturmes aufzubieten, kann vom

365 Bundesrathe an diese Behörden und an höhere Truppenkommando's übertragen werden, unter Vorbehalt der Bestimmungen des Art. 245 der Militärorganisation.

Art. 3. Der aufgebotene Landsturm steht unter dem eidgenössischen Militärstrafgesetz, leistet den Kriegseid, hat die gleichen Rechte und Pflichten der übrigen Truppen des Bundesheeres .und ist in Allem demjenigen Armeekommando unterstellt, in dessen Bereich sein Aufgebot erfolgt.

Auf Verfügung des Bundesrathes können in Fällen des Bedarfes einzelne Jahrgänge des Landsturmes zur Ergänzung des Auszuges und der Landwehr verwendet und Offiziere dieser Abtheilungen zu demselben vorübergehend versetzt werden.

Art. 4. Ueber die nähere Organisation des Landsturmes, im Besondern über seine territoriale Eintheilung, seine Abzeichen, Ausrüstung und Bewaffnung, sowie über seine Einberufung, wird der Bundesrath die erforderlichen Vorschriften erlassen.

Art. 5. Die Kontrollen über den Landsturm werden in jedem Divisionskreise durch einen von dem Bundesrathe bezeichneten Offizier geführt, welchem die Kreiskommandanten die nöthigen Mittheilungen aus den Stamtnkontrollen zu machen haben.

Art. 6. Die zur Vollziehung dieses Gesetzes (Art. 4 und 5) erforderlichen Geldmittel sind alljährlich durch die Bundesversammlung zu bewilligen.

Art. 7. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Besinn seiner Wirksamkeit festzusetzen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Kredite für Kriegsmaterialanschaffungen für das Jahr 1887.

(Vom 2l. Mai 1886.)

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen das Materialbüdget des Militärdepartementes für das Jahr 1887 zur Genehmigung vorzulegen. Den Betrag desselben werden wir; wie üblich, im Gesammtbüdget seiner Zeit einschalten.

D. II. D. a. Bekleidung.

1) Gradabzeichen 2") Schuhvorräthe Ad 1.

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Fr. 11,000 --

Gleicher Ansatz wie im Vorjahre.

Ad 2. Wir haben im letzten Jahre einen Kredit von Fr. 21,000 für Schuhvorräthe verlaugt. Die vorbereitenden Arbeiten zum Zwecke einer nutzbaren Verwendung dieses Kredites haben sich durch weitgehende Erhebungen bei Kantonen, Experten etc. in die Länge gezogen und sind zur Zeit noch nicht so weit beendet, um Schlüsse über die finanzielle Tragweite für die Folge ziehen zu können. Unser Militärdepartement hofft jedoch in nächster Zeit uns die abschließenden Vorlagen machen au können und behalten wir uns vor, im Gesammtbüdget für das Jahr 1887 die erforderlichen Kredite an geeigneter Stelle aufzunehmen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Organisation des Landsturms. ( Vom 21. Mai 1886.)

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1886

Année Anno Band

2

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23

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.05.1886

Date Data Seite

353-366

Page Pagina Ref. No

10 013 109

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