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Schreiben des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Petition der Eheleute Hauser-Benner, von Böttstein (Aargau), in Hurden-Freienbach (Schwyz), betreffend Ausweisung aus dem Kanton Schwyz.

(Vom 21. Mai 1886.)

Tit.

Gegen unsern Beschluß vom 16. März 1886, durch welchen wir den Rekurs der aargauischen Eheleute H a u s e r in Hürden, Gemeinde Freienbach, Kantons Schwyz, betreffend Entzug der Niederlassung, ais unbegründet abgewiesen haben, wenden sich die Rekurrenten mit schriftlicher Eingabe vom 26. April 1886 an die Bundesversammlung, indem sie das Begehren stellen: Sie,Tit., möchten in theilweiser Abänderung des bundesräthlichen Beschlusses und einer Schlußnahme der Regierung des Kantons Schwyz vom 24./29. März 1886 verfügen, es sei ihnen (den Patenten) behufs Liquidation ihrer Liegenschaft in Hürden ein Termin von sechs Monaten a dato (26. April) einzuräumen und bis dahin, d. h. bis 26. Oktober 1886, die Ausweisung zu sistiren.

Die Petenten führen zur Begründung dieses Begehrens an, daß sie in Hürden Grundeigentum besitzen, das nicht von heute auf morgen veräußert werden könne; es bedürfe unter den gegenwärtigen Verhältnissen hiezu geraumer Zeit, wenn ihnen nicht ein bedeutender Schaden zugefügt werden solle.

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E v e n t u e l l bitten die Eheleute Hauser um Auskunft darüber, wie die Ausweisung zu verstehen sei, ob damit auch eiu zeitweiliger Aufenthalt in ihrem Hause (in Hürden) und die Bearbeitung und Instandhaltung der Liegenschaft ihnen untersagt sei.

Wir sind der Ansicht, daß die Vollziehung einer Ausweisung ganz Sache der Kantons-, beziehungsweise der Gemeindebehörden sei, sobald die daherige Schlußnahme, wegen Nichteinlegung eines Rekurses an die Bundesbehörden oder in Folge Abweisung eines solchen durch die Bundesbehörden, vollziehbar geworden ist.

Die Eheleute Hauser rekurriren nicht gegen den ihren Rekurs abweisenden Beschluß des Bundesrathes, sondern sie verlangen, daß die Bundesversammlung den Eintritt der Vollziehbarkeit desselben bis zum 26. Oktober 1886 hinausschiebe, eventuell ihnen den zeitweiligen Aufenthalt in ihrem Hause in Hürden zur Bewirthschaftung ihres Grundstückes auch nach vollzogener Ausweisung gestatte.

Wir glauben, die Bundesversammlung solle auf diese Begehreu, da die Hauptsache -- die Ausweisung selbst -- gar nicht in Frage steht, nicht eintreten, w a s w i r I h n e n h i e r m i t b e a n t r a g e n .

Die Regierung des Kantons Schwyz hat sich übrigens diesfalls in einer Vernehmlassung vom 5./8. Mai 188*i uns gegenüber wie folgt ausgesprochen: ,,1. Eine weitere Erstreckuüg der Frist bis zum 26. Oktober laufenden Jahres, bis wohin die Ausweisung nicht in1 s Werk gesetzt werden soll, erscheint uns absolut unthunlich. Die Eheleute Hauser wurden anfänglich verhalten, bis zum 1. Februar 18S6 den Kanton Schwyz zu verlassen ; durch die Interposition des Rekurses an Ihre Behörde wurde dieser Termin an und für sich schon überschritten, und nachdem Sie am 16. März laufenden Jahres unsere Schlußnahme im ganzen Umfange bestätigten, hatten wir auf direktes Ansuchen des J. Hauser vom 22. März abhin um Sistirung der Ausweisung für vier Monate eine neue und letzte Vergünstigung gewährt, nämlich bis zum 31. Mai 1886. Es war somit den Petenten schon seit unserem Beschlüsse vom 10. November 1885 bekannt, daß ihres Verbleibens im Kanton Schwyz nur noch eine beschränkte Zeit übrig blieb, die successive die Dauer von mehr als einem halben Jahre erreicht. Wir halten es für das äußerste Ziel, wenn diese Familie Hauser bis 31. Mai im Kanton Schwyz geduldet wird.

,,2. Nach unserer Ansicht
involvirt der Aüsweisungsbeschluß auch die Folgerung, daß nach Ablauf der Frist bis 31. Mai michstliin den Eheleuten Hauser ein weiterer, wenn auch nur vorübergehender

421 Verbleib in unserm Kantone nicht mehr zugestanden werden kann.

Wir können daher auch nicht gestatten, daß Hausei- oder seine Ehefrau nach diesem Termine zeitwillig zu Hürden sich aufhalten."1 Ohne uns zu weitern Bemerkungen über die Petition der Eheleute Hauser veranlaßt zu sehen, wollen wir nur noch beifügen, daß wir der Regierung des Kantons Sehwyz anempfohlen haben, die Ausweisung vor Ihrer Schlußnahme nicht zu vollziehen, da die Petition direkt an die Bundesversammlung gerichtet ist und jedenfalls der von der Regierung gesetzte Termin (31. Mai) durch Ihre Verhandlung nur um ganz kurze Zeit überschritten werden dürfte.

· Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 21. Mai 1886.

'Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der ß u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kauzlers: Schatzmann.

Anhang.

Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs der Eheleute Hauser-Benner, von Böttstein (Aargau), betreffend deren Ausweisung aus dem Kanton Schwyz.

(Vom 16. März 1886.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Sachen von Jakob H ä u s e r und dessen Ehefrau Barbara H a u s er geb. B en n er, von B ö 11 s t e i n (Aargau), dato wohnhaft

422 in H ü r d e n , Gemeinde Freienbach (Schwyz), gegen dea Beschluß der Regierung des Kantons Schwyz vom 10. November und 10. Dezember 1885, betreffend Ausweisung aus diesem Kantone; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: A. Dem Rekurrenten Jakob Hauser, zum alten Engel in Hurdon, war am 9. Oktober 1885 ein Beschluß des Gemeinderathes Freienbach vom 26. September 1885 zugestellt worden, wonach sein Haus unter spezielle polizeiliche Aufsicht gestellt, ihm aber 10 Tage Frist gewährt wurden, um gegen diese Verfügung an den Regierungsrath des Kantons Schwyz zu rekurriren. Auf erfolgte ïîeschwerde hob die Regierung von Schwyz mit Beschluß vom 10. November/10. Dezember 1885 die obgenannte Verfügung des Gemeinderathes Freienbach auf, beschloß abeç ihrerseits die Ausweisung von Jakob Hauser und dessen Ehefrau Barbara aus dem Kanton Schwyz. Der Regierungsrath begründet diese Maßregel damit, daß Jakob Hauser und dessen Ehefrau bereits drei Mal gerichtlich wegen Kuppelei und Vorschubleistung zur Unzucht bestraft worden seien und überdies sich Beide nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren befänden (Art. 45 der Bundesverfassung und § 3 der schwyzerischen Verordnung über Niederlassung und Aufenthalt, vorn 1. Dezember 1881).

B. Gegen diesen Ausweisungsbeschluß reichte Jakob Hauser für sich und seine Ehefrau Barbara unter dem 8. Januar 1886 beim Bundesrathe Beschwerde ein, wobei er Folgendes behauptet: Der Beschluß der Regierung von Sehwyz sei formell und materiell unbegründet.

Er sei formell unrichtig, weil der Regierungsrath nur über den Rekurs betreffend die Stellung des Hauses des Rekurrenten unter polizeiliche Aufsicht zu entscheiden gehabt habe und nicht über mehr. Der Entzug der Niederlassung sei Sache der Ortspolizeibehörde und es hübe der Regierungsrath hierüber nur dann zu entscheiden, wenn an ihn als zweite Instanz rekurrirt werde.

Materiell unbegründet sei der Beschluß, weil seit dem letzten gegen ihn (den Rekurrenten) erlassenen Urtheile des Kantonsgerichtes Schwyz vom 17. September 1881, durch welches er und seine Frau allerdings wegen Kuppelei zu Geldstrafen, sowie zu drei- und fünfjähriger Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit verurtheilt worden seien, absolut nichts Nachtheiliges gegen ihn vorgelegen habe. Wenn der Getneinderath ihm die Nieder-

423 lassung hätte entziehen wollen, so hätte er es damals (1881) thun sollen, heute könne derselbe nicht ohne irgend welche Veranlaßung auf längst erledigte Verhältnisse zurückgreifen und solche zur causa einer Ausweisung machen. Die Ausweisung dürfte auf Konkurrenzneid beruhen, da sämmtliche Gemeinderathsmitglieder Wirthe seien.

Auf keinen Fall dürfe auf den Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte abgestellt werden, da, was ihn betreffe, die drei Jahre, auf welche er laut obgenanntem Urtheil des Kantonsgerichtes Schwyz in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt worden sei, längst verflossen seien.

Hauser schließt mit dem Hinweis darauf, daß eine eventuelle Ausweisung ihn finanziell schwer schädigen würde, und bittet um Grutheißung des Rekurses, eventuell um Sistirung der Ausweisung, bis ihm die Liquidation seiner Liegenschaften ermöglicht sein werde, C. Auf diese Beschwerde antwortete die Regierung von Schwyz in ihrer Vernehmlassuüg vom 2. März d. J. im Wesentlichen wie folgt: Der Ausweisungsbeschluß gegen die Rekurrenten stütze sich darauf, daß dieselben wegen schwerer Vergehen wiederholt gerichtlich bestraft worden seien und infolge strafgerichtlicher Urtheile sieh überdies nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren befinden, was gemäß Art. 45, Abs. 2 und 3, der Bundesverfassung die Ausweisung rechtfertige.

Zur Begründung dieser Behauptung schließt die Regierung ihrer Vernehrnlassung zwei Urtheile des Kantonsgerichtes und des Kriminalgerichtes von Schwyz, sowie ein Urtheil des Bezirksgerichtes Höfe bei, aus welchen ersichtlich i$t, daß Barbara Hauser schon vier Mal und Jakob Haueer schon drei Mal wegen Vorschubleistung zur Unzucht, wegen Kuppelei und Gehülfenschaft dazu gerichtlich bestraft worden sind. Die Regierung macht ferner darauf aufmerksam , daß gemäß den beiliegenden Urtheilen des Kriminalgerichtes von Schwyz vom 14. Januar 1881 und des Kantonsgerichtes dieses Kantons vom 17. September 1881 Barbara Hauser auf zusammen 10 Jahre und Jakob Hauser auf zusammen 8 Jahre in ihren bürgerlichen Ehren uud Rechten eingestellt seien.

Was die formelle Begründung ihres Beschlusses anbetreffe, so stütze sich derselbe darauf, daß der Regierungsrath als oberste Polizeibehörde des Kantons in dieser Eigenschaft die Aufsicht über die Niederlassung«- und Aufenthaltspolizei ausübe und von daher auch die Befugniß besitze, Ausweisungen von sich aus zu beschließen. Im vorliegenden Falle sei diese Maßregel, mit Rücksicht

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auf das mehr als zehnjährige unsittliche Treiben und die zahlreichen diesbezüglichen Verurtheilungen der Rekurrenten, vollständiggerechtfertigt gewesen.

Die Regierung schließt mit dem Gesuche um Abweisung des Rekurses ; in E r w ä g u n g : 1) Es ist durch die Akten festgestellt, daß die Eheleute Hauser zu wiederholten Malen wegen Kuppelei und Vorschubleistung zur Unzucht gerichtlich bestraft worden sind.

Das Vergehen der Kuppelei muß nach konsequenter^bundesrechtlicher Praxis zu den schweren Vergehen, im Sinne des Art. 45, Abs. 3, der Bundesverfassung, gezählt werden, wegen welchen die Niederlassung entzogen werden kann.

2) Es steht ebenfalls aktenmäßig fest, daß die Rekurrenten sich dermalen nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren befinden, weßhalb ihre Ausweisung auch gemäß Abs. 2 des Art. 45 der Bundesverfassung gerechtfertigt erscheint.

3) Endlich kann nicht bezweifelt werden, daß der Regierungsrath von Schwyz, als oberste kantonale Polizeibehörde, auch formell zu der Maßregel der Kantonsverweisung vollständig berechtigt war.

Eine Beschwerde gegen den Regierungsrath wegen formell unrichtiger Anwendung oder Ueberschreitung der Amtsgewalt wäre übrigens nicht an den Bundesrath, sondern an den Kantonsrath von Schwyz und eventuell an das Bundesgericht zu richten ; beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Schriftliche Mittheilung dieses Beschlusses an die, Regierung des Kantons Schwyz, sowie an die Rekurrenten, unter Aktenrückschluß an beide Theile.

B e r n , den 16. März 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Schreiben des Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Petition der Eheleute Hauser-Benner, von Böttstein (Aargau), in Hurden-Freienbach (Schwyz), betreffend Ausweisung aus dem Kanton Schwyz. (Vom 21. Mai 1886.)

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29.05.1886

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