518

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Erneuerungswahl des Nationalrates.

(Vom 23. August 1919.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die dreijährige Amtsdauer des Nationalrates (XXIV. Amtsdauer), welche am 3. Dezember 1917 begonnen hat, wate ordentlicherweise erst im Dezember 1920 zu Ende gegangen. Nachdem aber der Bundesbeschluss vom 14. Februar 1919 betreffend die Aufnahme von Übergangsbestimmungen zu Art. 73 der Bundesverfassung in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 10. August 1919 angenommen worden ist, hat nun am Sonntag, den 26. Oktober 1919, bzw. am Vorabend, den 25. Oktober, eine Gesamterneuerung des Nationalrates für die XXV. Amtsdauer (1. Dezember 1919 bis 3. Dezember 1922) stattzufinden, wobei erstmals der Grundsatz der Proportionalität zur Anwendung gelangt.

Wir laden Sie ein, die nötigen Verfügungen zu treffen, damit diese Wahlen in Ihrem Kanton gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 betreffend die Wahl des Nationalrates (A. S. n. F. XXXV, 359) und der Vollziehungsverordnung des Bundesrates vom 8. Juli 1919 (A. S. n. F. XXXV, 543) vorgenommen werden. Neben dem erwähnten Bundesgesetz und der dazu gehörenden Vollziehungsverordnung sind die noch in Kraft bestehenden Artikel des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (A. S. a. F. X, 915) mit den seitherigen Ergänzungen durch die Bundesgesetze vom 20. Dezember 1888 betreffend erleichterte Stimmabgabe für Militärs etc. (A. S. n. F. XI, 60) und vom 30. März 1900 betreffend Erleichterung in der Ausübung des Stimmrechts und Vereinfachung des Wahlverfahrens (A. S. n. F.

XVIII, 119) zu beachten.

519 Nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 bildet jeder Kanton und jeder Halbkanton einen Wahlkreis.

Unter Zugrundelegung der Wohnbevölkerung vom l, Dezember 1910, wie sie durch den Bundesbeschluss vom 23. Juni 1911 festgestellt wurde (A. S. n. F. XXVII, 265) entfallen auf die einzelnen Wahlkreise folgende Vertreterzahlen : 1. Zürich 25 2. Bern 32 3. Luzern 8 4. Uri l 5. Schwyz 3 6. Obwalden l 7. Nidwaiden l 8. Glarus 2 9. Zug l 10. Freiburg 7 11. Solothurn 6 12. Baselstadt 7 13. Baselland 4 14. Schaffhausen 2 15. Appenzell A.-Rh 3 16. Appenzell I.-Rh l 17. St. Gallen 15 18. Graubünden

6

19. Aargau 12 20. Thurgau '.

7 21. Tessin 8 22. Waadt 16 23. Wallis 6 24. Neuenburg 7 25. Genf 8 In Wahlkreisen, die nur einen Vertreter zu wählen haben, findet die Wahl nach relativem Mehr statt, d. h. es gilt derjenige Kandidat als gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat.

Die Art. 3--21, 22, Abs. l und 2, und Art. 24--26 des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 finden in diesen Wahlkreisen keine Anwendung.

In denjenigen Wahlkreisen, in denen die Wahl nach dem Grundsatz der Proportionalität stattfindet, haben die Kantonsregierungen hauptsächlich folgende Massnahmen zu treffen : 1. Sie bezeichnen diejenige Amtsstelle, der die Leitung de& Wahlgeschäfts, insbesondere die Entgegennahme und Bereinigung

520

der Wahlvorschläge und die Zusammenstellung der Wahlergebnisse obliegt (kantonales Wahlbureau).

2. Die Regierungen erlassen rechtzeitig an die Stimmberechtigten die Aufforderung zur Einreichung der Wahlvorschläge, wobei die Stimmberechtigten namentlich auf folgende Vorschriften aufmerksam zu machen sind : a. Die Wahl v erschlage dürfen höchstens soviele Namen wählbarer Personen enthalten, als Vertreter im Wahlkreis zu wählen sind, und keinen Namen mehr als zweimal.

b. Kein Kandidat soll auf mehr als einem Wahlvorschlag des Wahlkreises stehen.

c. Jeder Wahl Vorschlag muss von mindestens 15 im Wahlkreis wohnhaften Stimmberechtigten eigenhändig unterzeichnet sein und am Kopfe zu seiner Unterscheidung von ändern Wahlvorschlägen eine Bezeichnung tragen. Ein Stimmberechtigter darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen. Er kann nach Einreichung des Wahl Vorschlags seine Unterschrift nicht zurückziehen.

d. Die Unterzeichner des Wahlvorschlags haben für den Verkehr mit den Behörden einen Vertreter und einen Stellvertreter zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt derjenige, dessen Name in der Reihenfolge der Unterzeichner an erster Stelle steht, als Vertreter, und derjenige, dessen Name an zweiter Stelle steht, als Stellvertreter.

Der Vertreter (bzw. im Verhinderungsfall dessen Stellvertreter) ist berechtigt und verpflichtet, im Namen der Unterzeichner die zur Beseitigung von Anständen erforderlichen Erklärungen rechtsverbindlich abzugeben.

e. Der Wahlvorschlag hat sowohl die Kandidaten als die Unterzeichner der Listen durch Angabe von Vor- und Familiennamen, Beruf und Wohnort (in grössern Ortschaften Strasse und Hausnummer) zu bezeichnen.

f. Zwei oder mehreren Wahlvorschlägen kann bis spätestens -am 13. Oktober 1919 die übereinstimmende Erklärung der Unterzeichner oder ihrer Vertreter beigefügt werden, dass die Wahlvorschläge miteinander verbunden seien (verbundene Listen).

Eine Gruppe miteinander verbundener Listen gilt gegenüber ändern Listen als eine einzige Liste.

Die Regierungen werden ausdrücklich auf das ihnen in Art. 26 des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 eingeräumte

521 Recht aufmerksam gemacht, mit Genehmigung des Bundesrates die in Art. 3, 6, 7, 8 und 9, letzter Absatz, des Bundesgesetzes festgesetzten Fristen zu verkürzen oder zu verlängern.

3. Die Regierungen erlassen die notwendigen Vorschriften über die Stimmabgabe, wobei zu bestimmen ist: a. ob nichtamtliche gedruckte, mit einer der amtlich veröffentlichten Listen übereinstimmende Wahlzettel gestattet oder ob sämtliche Listen von Amtes wegen den Wählern zur Benutzung als Wahlzettel gedruckt zugestellt werden sollen (Art. 11, Abs. l, des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919); b. welche Wahlzettel, als den kantonalen Vorschriften über Gültigkeit der Stimmabgabe nicht entsprechend, ungültig zu erklären sind (Art. 6, Ziff. 5, der Vollziehungsverordnung vom 8. Juli 1919).

Insbesondere soll dafür gesorgt werden, dass von keinem Stimmberechtigten mehr als ein Wahlzettel in die Urne gelegt werden kann.

Es wird daran erinnert, dass die Kantone in allen Fällen den Stimmberechtigten einen leeren Wahlzettel, enthaltend den nötigen Raum für eine Listenbezeiehnung und für die Namen der Kandidaten, entweder amtlich zu übersenden oder im Wahllokal zur Verfügung zu stellen haben (Art. 11, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919).

Nachdem eine Kantonsregierung sich veranlasst gesehen hat, über die Auslegung einzelner Punkte der Vollziehungsverordnung Erläuterungsfragen an uns zu richten, halten wir nachstehende Feststellung für geboten: Die Zuzählung der fehlenden Stimmen als Zusatzstimmen einer Liste im Sinne von Art. 10, Absatz l, der Vollziehungsverordnung hat auch dann einzutreten: a. wenn ein geschriebener Wahlzettel eine Listenbezeichnung trägt, die, obgleich nicht wörtlich übereinstimmend, dennoch keinen Zweifel darüber zulässt, dass sie ihrem Inhalte nach mit einer der amtlich veröffentlichten Listenbezeichnungen identisch ist; b. wenn ein Wahlzettel zwar keine oder eine ungültige Listenbezeichnung trägt, wohl aber eine Ordnungsnummer einer amtlich veröffentlichten Liste enthält.

Die Kantonsregierungen werden ersucht, mit allen ihnen gutscheinenden Mitteln auf eine möglichst rasche und fehlerfreie Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IV.

37

522

Ermittlung der Wahlergebnisse zu dringen und uns diese Ergebnisse sofort nach ihrer Ermittlung und ohne den Ablauf der Rekursfrist abzuwarten, vorläufig mitzuteilen. Zu diesem Behufe wollen Sie die in Ihrem Kanton mit der Feststellung der Wahlergebnisse betrauten Amtsstellen anweisen, diese Ergebnisse durch Vermittlung des nächstgelegenen Telegraphenbureaus an Ihre Staatskanzlei oder an eine andere hierfür bezeichnete Zentralstelle zu melden. Diese Telegramme sind taxfrei.

Für alle übrigen, den Kantonen obliegenden Aufgaben verweisen wir auf die Bestimmungen der einschlägigen Gesetze und der Vollziehungsverordnung vom 8. Juli 1919.

Schliesslich ersuchen wir Sie, jeden Gewählten bei Zustellung der Wahlanzeige darauf aufmerksam zu machen, dass er sich ohne weiteres Montag, den 1. Dezember 1919, vormittags 10 Uhr, zur Eröffnungssitzung in der Bundesstadt einzufinden habe.

Den Kantonsregierungen wird es überlassen, die Stimmberech tagten in geeigneter Weise über das vom Bundesgesetz adoptierte Proportionalwahlverfahren aufzuklären. Der Bundesrat sieht davon ab, eine solche Orientierung einheitlich von Bundes wegen eintreten zu lassen, indem er von der Erwägung ausgeht, dass die Aufklärung der Stimmberechtigten sich darnach zu richten hat, ob in den einzelnen Kantonen die Wahlen bisher ausschliesslich nach Majoritätssystem erfolgten oder die Proportional wähl dort bereits "Eingang gefunden hat und, wenn letzteres der Fall, ob und inwieweit das Wahlsystem des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 von dem kantonalen Verfahren abweicht.

Bezugnehmend auf den dritten Absatz von Art. 4 der Vollziehungsverordnung vom 8. Juli 1919, bitten wir Sie, die gewünschten Formulare beim Drucksachenbureau der Bundeskanzlei möglichst bald bestellen und sich hierzu des beiliegenden Bestellscheins bedienen zu wollen. Sobald der Selbstkostenpreis ermittelt sein wird, wird Ihnen dann das Drucksachenbnreau Rechnung stellen.

Wir machen bei diesem Anlasse darauf aufmerksam, dass in dem Zählbogen, Formular 3, die äusserste Kolonne links keinen Vordruck der Listen enthalten wird; diese Kolonne ist von den Gemeindewahlbureaux entsprechend der Vorlage, wie sie Formular 3 im Anhang der VoÜziehungsverordnung darbietet, handschriftlich oder auf mechanischem Wege auszufüllen.

523 Inzwischen benutzen wir diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 23. August 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Steiger.

Seilagen: Bundesgesetz vom 14. Februar 1919 betreffend die Wahl des Nationalrates.

Vollziehungsverordnung vom 8. Juli 1919.

Je ein Exemplar der Formulare l--6.

Bestellschein für die Formulare.

-S*0*f-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Erneuerungswahl des Nationalrates. (Vom 23. August 1919.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1919

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

34

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.08.1919

Date Data Seite

518-523

Page Pagina Ref. No

10 027 230

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.