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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Herbstsession 1919).

(Vom 9. August 1919.)

1. Elise Berglas, geb. 1889, Milchverkäuferin, Feuerthalen (Zch.).

2. Heinrich Pfaffhauser, geb. 1896, Landwirt, Wangen (Zürich).

(Lebensmittelpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vorn 8. Dezember 1905 wurden verurteilt: a. Elise Berglas in Anwendung des Art. 37. Absatz 3, wegen fahrlässigen Inverkehrbringens von verfälschter Milch am 15. März 1919 vom Bezirksgericht Andelfingen zu Fr. 100 Busse ; G . Heinrich Pfaffhauser in Anwendung des Art. 37, Absatz 2, wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von im Werte verringerter Milch am 26. Februar 1919 vom Bezirksgericht Uster zu zwei Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse.

Zu a. Elise Berglas verkaufte in ihrem Milchverkaufslokal in Feuerthalen Milch, die annähernd 25 °/o Wasser enthielt.

In dem Gesuch um Erlass der Busse schreibt der Bruder der Verurteilten, er habe die Milch nicht direkt vom Stall, sondern nur auf dem Umweg über Verband und Milchhändler beziehen können. Dia Milch sei in der Tat öfters nicht rein gewesen, was er selbst beanstandet habe. Er halte es jedoch für ungerecht, hierfür den Kleinverkäufer zu büssen, ohne zu berücksichtigen, dass vorher die verschiedensten Einwirkungen auf die Milch möglich gewesen seien. Um der steten Gefahr, bestraft zu werden, nicht länger ausgesetzt zu sein, habe die Familie Berglas den Mildwerkauf seit dem 1. Dezember 1918 aufgegeben. Die Strafe sei gegenüber den bestehenden Verhältnissen sehr hart.

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In den Akten befindet sich ferner ein Abweisungsantrag der Justizdirektion des Kantons Zürich begleitet von einer Vernehmlassung über die Familie Berglas.

Das schweizerische Gesundheitsamt schreibt: ,,Die Verfälschungen der Milch durch Wasserzusatz haben während der letzten Jahre allgemein stark zugenommen. Angesichts des ausserordentlich hohen Milchpreises ist es Pflicht der Lebensmittelpolizei, gegen solche Verfälschungen mit möglichster Strenge vorzugehen. Aus den zu unserer Kenntnis gelangten Straf urteilen geht denn auch mit aller Deutlichkeit hervor, dass gegenwärtig vorsätzliche wie fahrlässige Milchfälschungen durchschnittlich bedeutend strenger geahndet werden, als vor dem Kriege. Verglichen mit ändern ähnlichen Straffällen kann das in Frage stehende Urteil des Bezirksgerichts Andelfingen durchaus nicht etwa als ungewöhnlich hart, sondern es muss eher als milde bezeichnet werden."

Der Verfasser des Gesuches ist aus einer Begnadigungssache wegen Ausfuhrschmuggels bekannt (zu vergleichen Bundesbl. 1919, III, 449/451, Antrag 126 für die Sommersession 1919). In Zustimmung zum bundesrätlichen Autrag wurde Berglas damals mit Rücksicht auf die ganz besondern Verumständungen begnadigt, obschon er au und für sich einen schlechten Eindruck machte.

Die Anbringen des für die Schwester eingereichten Gesuches sind, wie aus den Akten geschlossen werden kaum bereits im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden. Sie können überdies im Begnadigungsverfahren auf ihre Richtigkeit nicht überprüft werden.

Im Anschluss an die Ausführungen der Justizdirektion des Kantons Zürich und des schweizerischen Gesundheitsamtes beantragen wir Abweisung.

Zu b. Heinrich Pfaffhauser hat am 3. Dezember 1918 der Abendmilch von seinen beiden Kühen in fahrlässiger Weise ein kleineres Quantum Spülwasser beigemischt. Diese gewässerte Milch hat er in voller Kenntnis des Wasserzusatz in die Sennerei Wangen abgeliefert. Gemäss Befund dos Kantonschemikers enthielt, sie einen Wasserzusatz von 12 %.

Heinrich Pfaffhauser ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe Man möge in Betracht ziehen, dass bereits die Anklage der Bezirksanwaltschaft Uster davon ausgegangen sei, die Beimischung von Spülwasser sei aus Fahrlässigkeit erfolgt. Die Ablieferung dieser Milch in die Sennhütte beruhe nicht auf Eigennutz, was sich schon daraus ergebe,
dass Pfaffhauser lediglich einen unerlaubten Gewinn von 33 bis 34 Rappen erzielt hätte. Er bereue, damals der Versuchung erlegen zu sein, die Milch doch zu liefern. Die

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Gefängnissstrafe sei bei den vorhandenen Vevuinstandnngen ungerechtfertigt. Man solle es an der Schande genügen lassen, die an sich in der Verurteilung liege.

Die neue Strafprozessordnung des Kantons Zürich, wie der Entwurf eines schweizerischen Strafgesetzbuches sähen für derartige Fälle die bedingte Verurteilung vor. Aus Gnade möge man zu einem Ergebnis gelangen, das jenen Reehtsinstituten entspreche.

Mit de:: Staatsanwaltschaft, der Justizdirektion des Kantons Zürich und dem schweizerischen Gesundheitsamt, auf deren Vernehmlassungen wir für Einzelheiten verweisen, beantragen wir Abweisung. Die Erwägungen des urteilenden Gerichtes sind überzeugend, die genannten Vernehmlassungen fordern für derartige Verfehlungen übereinstimmend scharfe Ahndung und verurteilen sie mit Rücksicht auf die in Betracht kommenden Interessen berechtigtenveise mit bitteren Worten.

Besondare Gründe für eine Begnadigung liegen nicht vor.

A n t r ä g e : Abweisung in beiden Fällen.

3.

4.

5.

6.

Fritz Nyffeler, geb. 1867, Martin Tschümperlin, geb. 1873, beide in Ottenbach (Zürich), Andreas Bracher, geb. 1867, Kappe! (Solothurn), Ernst Uetz., Langenbruek (Basel-Landschaft), alles Landwirte.

(Jagd und Vogelschutz.)

Gestützt auf das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juai 1904 und Ausführuugserlasse sind verurteilt worden: a. Fritz Nyffeler und Martin Tschümperlin am 16. Dezember 1918 vom Bezirksgericht Muri, Nyffeler zu Fr. 300, Tschümperlin zu Fr. 350 Busse ; 1). Andreas Bracher und Ernst Uetz am 17. Februar 1919 vom Amtsgericht Olten-Gösgen je zu Fr. 40 Busse.

Zu a. Fritz Nyffeler legte an einem Novombersamstag letzten Jahres auf einem ihm gehörigen Stück Streuland nahe der Reuss eine Drahtsehlinge. Am folgenden Sonutagmorgen begab er sich mit dem hiervon verständigten Martin Tschümperlin, ebenfalls Besitzer eines Landstückes in jener Gegend, auf die Nachschau, wobei sie dann in der Schlinge ein Rebhuhn vorfanden. In der Folge schoss Tschümperlin, der zu dem Gang eine Flobertpistole mitgenommen hatte, überdies auf einen Fischreiher, allerdings ohne zu treffen.

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In dem gemeinsamen Gesuch um ganzen oder doch teilweisea Erlass der Bussen werden die beiden Gesuchsteller als Kleinlandwirte in bescheidenen Verhältnissen bezeichnet. Die ausgesprochenen Bussen seien deshalb überaus hart. Es müsse in Betracht gezogen werden, dass seit Jahren die Fasanen in jenen Landstücken eine wahre Plage darstellten und namentlich den Ertrag an Riedstreue erheblich schmälerten. Schliesslich wird gesagt, die Gesuchsteller seien nicht vorbestraft.

In den Akten befindet sich ferner eine Vernehmlassung der Polizeidirektion des Kantons Zürich über die Verhältnisse der Gesuchsteller, die ergibt, dass Tschümperlin im Jahre 1910 wegen Jagdvergehens zu einer Busse von Fr. 50 verurteilt, ferner gemeinsam mit .Nyffeler am 24. Dezember 1918 wegen nicht Anmeldens geschossener Rehböcke mit Fr. 20 gebüsst wurde.

Die schweizerische Inspecktion für Forstwesen, Jagd und Fischerei empfiehlt Abweisung der Gesuchsteller. Mit Nachdruck wird das Grausame in der Anwendung von Schlingen und Drahlschnüren hervorgehoben, gesagt, der Richter habe, trotz mehrfacher Verfehlungen, bei Nyffeler die Mindestbusse gesprochen, Tschümperlin gegenüber auf die vorhandenen Vorstrafen Bezug genommen und betont, dass die Verhältnisse der Gesuchsteller keineswegs derart ärmlich seien, wie behauptet wird.

Anschliessend beantragen wir Abweisung in beiden Fällen.

Zu b. Andreas Bracher und Ernst Uetz jagten in der geschlossenen Zeit nach einem Wildschwein, ohne hierzu die Bewilligung der kantonalen Behörde zu haben und ohne der kantonalrechtlichen Verpflichtung, sich von einem Kantonspolizistea begleiten zu lassen, nachgekommen zu sein.

In dem für die beiden eingereichten Gesuch um Erlass der Bussen werden die damaligen Verumständungen geschildert, um darzutun, dass wohl kein Jäger anders gehandelt hätte. Der Tatbestand wird nicht bestritten, dagegen wie im gerichtlichen Verfahren erneut die Meinung vertreten, die Gesuchsteller hätten sich ernstlich bemüht, die erforderliche Bewilligung zu erhalten. Es sei den beiden insbesondere in ihrer Eigenschaft als patentierte Jäger nicht gleichgültig, wegen Übertretung des Jagdgesetzes bestraft zu sein.

Die schweizerische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält dafür, die vorhandenen Umstände seien durch die Aussprechung der Mindestbusse genügend berücksichtigt worden.
Mit Recht wird ferner auf eine gewisse Verschiedenheit in den Aussagen der Beteiligten anlässlich der Voruntersuchung vorwiesen.

Es handelt sich um verhältnismässig geringe Bussen, auch reichen die Gcsuchsteller nicht ein Gesuch ein mit Rücksicht auf

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das Strafmaus, sondern um auf dem Begnadigungswcge der Bestrafung los zu werden. Hierzu ist aber zu sagen, dass eine Verfehlung vorliegt und von Jägern die Beachtung der eidgenössischen und kantonalen Jagdbestimmungen verlangt werden muss. Bei einiger Voraussicht wäre die Erlangung der ausserordentlicheu Bewilligung wohl auch hier möglich gewesen, da sich laut Akten das in Betracht kommende ,,schädliche oder reissende Tier" seit einiger Zeit in der Gegend befand.

Überdies würde durch den Ausspruch der Begnadigung keineswegs das Strafverfahren und der die Busse, verhängende Urteilsspruch in dem Sinne aufgehoben, wie es die Gesuchsteller offenbar wünschen möchten. Es konnte sich richtigerweise lediglich um den teilsveiseii oder ganzen Erlass der rechtskräftig erkannten Strafen handeln, dagegen bliebe das Strafverfahren in anderer Beziehung, wie für die Frage des Rückfalls, trotzdem von Bedeutung.

Wir beantragen, die Gesuchsteller abzuweisen.

A n t r ä g e : Abweisung in allen Fällen.

7. Jules Rössel, geb. 1869, Reisender, Genf.

(Schleichhandel mit Milchprodukten.)

Jules Rosset wurde mit andern vom Polizeigerioht des Kautons Genf verurteilt: a. am 3. Februar 1919 zu 14 Tagen Gefängnis und Fr. 400 Busse ; b. am 31. März 1919 zu weiteren Fr. 200 Busse, beidemal gestützt auf den Bundesratsbeschluss gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen in der Fassung vom 18. April 1916 (A. S. n. F.

XXXII, 165) in Verbindung mit den Bundesratsbeschlüssen betreffend die Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten (Bundesratsbeschluss vom 18. April und 17. August 1917, A. S. n. F.

XXXIII, 218 und 625), betreffend die Verteilung von Milch und Milcheraeugiiissen vom 19. April 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 448) und den zudienenden Verfügungen.

Zu a. Durch Vermittlung war ein Händler mit Käse veranlasst worden, zehn Käse kartenfrei über dem Höchstpreis zu liefern.

Gemäss den, Weisungen der Vermittler fand er sich am 10. Oktober 1918 mit der Ware an bestimmter Stelle ein. Der Käufer und heutige Gesuchsteller Rosset riickte seinerseits in Besleituua:

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von zwei andern in einem Automobil an. Der Käse wurde gemeinsam aufgeladen, worauf sieh der Wagen unvermittelt in Bewegung setzte und Rosset mit seinen Genossen das Weite suchte.

Der Käse wurde vorerst in dem Keller eines Beteiligten versorgt und andern Tags, verkauft.

Es erfolgte dann Anzeige, dei1 Käse wurde beschlagnahmt, und in der Folge gegen alle ein Strafverfahren durchgeführt.

Zu b. Die zweite Busse von Fr. 200 betrifft einen weiteren ähnlichen Schleichhandel, begangen am 8. Oktober 1918.

In den beiden für Rosset eingereichten Gesuchen wird gesagt, er sei Vater einer grössern Familie und habe eine kranke Frau.

Rosset sei ein Mann von guter Aufführung, und namentlich die Angelegenheit, die zu der Gefängnisstrafe geführt habe, verdiene; besondere Behandlung, da Rosset nicht der einzig Strafbare sei.

Von den Gesuchen bezweckt das eine den Erlass oder die Umwandlung der Gefängnisslrafe von 14 Tagen in Busse, das andere Herabsetzung der Busse von Fr. 200 oder doch Entgegenkommen im Strafvollzug.

In den Akten befinden sich ferner ein Polizeibericht über Rosset und eine Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf.

Rosset ist denkbar schlecht beleumdet und mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls und Polizeiübertretungen. Zu den für die B^guadigungsbehörde in Betracht kommenden Urteilen wird bemerk!, die Strafen müssten schon deshalb als mässig erscheinen, weil Rosset nicht wegen Betrug habe verfolgt werden können, da er vermochte, den Strafantrag hierin rückgängig zu machen. Es wird Abweisung beantragt.

Wir begoügoii uns, beizufügen, dass uuseres Erachtens dk> Anrufung der Beguadigungshehörde nach den Verumständuugen der beiden Vorfälle ein starkes Stück ist und stellen ohne weitere« den Antrag auf Abweisung in beiden Fällen.

A n t r a g : Abweisung in beiden Fällen.

8. Eduard Beck, geb. 1862, Landwirt, Schupfart (Aargau).

(Brotversorgung des Landes.)

Ein Begnadigungsgesuch Eduard Becks ist in der Sommer» session 1919 abgewiesen worden (zu vergleichen Antrag 82 im IH. Bericht vom 6. Mai 1919, Bundesbl. 1919, II, 185).

Das damalige Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe betraf ein Urteil des Bezirksgerichtes Rheinfelden vom 9. Januar 1919, lautend auf vierzehn Tage Gefangenschaft und Fr. 300 Busse wegen Ver-

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heiinlichung von Korn und Vortäuschung von Minderertrag der Ernte 1918.

Wir bemerkten schon in jenem Bericht, Beek sei überdies am 13. Älära 1919 von demselben Gerichte zu weiteren 14 Tagen Gefängnis und Fr. 300 Busse verurteilt worden.

Es zeigte sich nämlich, abgesehen von den bereits beurteilten Verfehlungen, dass Beck im Juni 1918 anlässlich der Erhebung zur Feststellung der Getreidemengen zwei Säcke Weizen aus dem Jahre 1917 verheimlicht und in der Folge wiederholt Getreide der Ernte 1918 gebrochen und dem Vieh verfüttert hatte.

Die Verurteilung erging gestützt auf die Art. 24, 41 u. 75 des Bundesratsbeschlusses vom 24. Mai 1918 über die Brotversorguug des Landes und die Getreideernte des Jahres 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 556 ff.).

Auf eine von Beck gegen das Urteil vom 13. März veranlasste Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Aargau aus formellen Gründen nicht ein, immerhin mit dem Beifügen, für den Fall des Eintretens ,.müsste grundsätzlich den Ausführungen der Vorinstanz hinsichtlich der Schuldfrage beigepflichtet werden, da die Akten keinen Zweifel übrig lassen, dass sich der Beklagte gegen die Art. 24 und. 41 der vorerwähnten Verordnung vergangen hat".

Das nunmehrige Gesuch um Erlass dieser weitern vierzehn Tage Gefängnis bezieht sich auf eine beigegebene Zuschrift vom 1. April 1919 an das Bezirksgericht Rheinfelden, in der sich Beck gegenüber den Urteilserwägungen verteidigt, hierzu jedoch in der Hauptsache schon geltend gemachte Behauptungen wiederholt. Wie im früheren Begnadigungsgesuch wird neuerdings ein ärztliches Zeugnis beigebracht, in der Meinung, die Gefängnisstrafe sei mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Verurteilten zu erlassen.

Man könnte sich fragen, ob die zum Teil gleichzeitig durchgeführten Verfahren nicht zu einer einzigen Beurteilung hätten führen sollen und ob in Anbetracht der getrennten Verurteilungen Beck nicht zu schwer bestraft worden sei (zu vergleichen Vorentwurf Art. 65, Ziffer 2).

Es kann aber hierin auf die Erwägungen im Urteil vom 13. März 1919 verwiesen werden, wo mehrheitlich gesagt wird: ,,Wäre das Gericht bei Fällung des ersten Urteils im Besitze der heutigen Akten gewesen, so wäre die Strafe bedeutend schärfer ausgefallen. Es rechtfertigt sich daher auch aus diesem Grunde, die Strafe f'\r das heute zu beurteilende Vergehen nicht niedriger auszumesser...a Das Gerichtspräsidium Rheinfolden bemerkt zu dem Beguadigmiajsgesucl', das Benehmen Beck s habe in seiner \Yohu!>-t:meii:dd

412 die allgemeine Drohung gezeitigt, es künftig ebenso zu halten, wenn Beck nicht das Handwerk gelegt werde.

Wir können auch dieser zweiten Verurteilung gegenüber weder die ganze noch eine teilweise Begnadigung beantragen und überiassen die Berücksichtigung der geltend gemachten Krankheit wie im früheren Fallo den kantonalen Strafvollzugsbehörden.

A n t r a g : Abweisung.

9. Joseph Beuchat, geb. 1850, gewesener Müller, Sonice (Bern).

(Mahl Vorschriften.)

Joseph Beuchat wurde am 24. Juli 1918 vom Gerichtspräsidenten von Delsberg in Anwendung der Art. 2 und 14 des Bundesratsbescblusses über die Verwendung und Vermahlung von Brotgetreide usw. vom 29. Mai 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 317) verurteilt zu Fr. 25 Busse und Fr. 48. 50 Kosten.

Eine am 23. Januar 1918 in der Mühle Beuchats erhobene Mehlprobe ergab, dass sie gegenüber dem Vollmehltyp vom Dezember 1917 wesentlich abwich.

Joseph Beuchat ersucht um weitgehende Ermässigung. Er sei neunundsechzig Jahre alt und betreibe die Mühle nicht mehr selbst.

Die Übertretung der Mahlvorschriften sei der veralteten, wenig leistungsfähigen Mühlceinrichtung zuzuschreiben. Angesichts des wenigen Getreides, das er verarbeitet habe, erscheine der gegen ihn erkannte Gesamtbetrag von Fr. 73. 50 als übertrieben.

Der Gemeindcrat von Sonice befürwortet das Gesuch, schliesst sich den Ausführungen Beuchats an und stellt diesem ein sehr gutes Zeugnis aus.

Das Lebensmittelamt des Kantons Bern hält dafür, ein wesentlicher Erlass der Busse oder der Kosten könne kaum in Betracht fallen. Die Busse müsse als niedrig bezeichnet werden, der Urteilsspruch werde lediglieli einschliesslich des Kostenspruches fühlbar, und eine Appellation sei seinerzeit einzig deshalb unterblieben.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern schliesst sich dieser Auffassung an.

Die Busse ist in der Tat gegenüber anderen Entscheiden in derartigen Strafsachen gering. Die Frage des ganzen oder teilweisen Kostenerlasses untersteht nicht der Zuständigkeit der Bundesbehörden. Es muss hierin Beuchat überlassen werden, sich an die bernischen Behörden zu wenden. In Anbetracht der noch immer vorhandenen Unsicherheit in der ßrotversorgung und da nach den Akten die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers keine be-

413 sonderen Kommiserationsgründe zu ergeben scheinen, beantragen wir, wie in früheren Fällen. Abweisung.

A n t r a g : Abweisung.

10. Hermine Brandi, Witwe des Otto, Lenguau (Aargau).

(Handel mit Heu und Stroh.)

Der inzwischen verstorbene Olto Brandt war am 3J.Oktober 1917 vom Bezirksgericht Zurzach in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend den Handel mit Heu und Stroh vom 18. Juni 1917 zu Fr. 10 Busse und Fr. 17. 90 Gebühr und Kosten verurteilt worden, weil er einem Fuhrhalter 20 Kilozentner Heu verkauft und zugeführt hatte, obschon er wusste, dass das Heu vom Gemeinderat Lengnau zuhanden der Armee beschlagnahmt war.

Ein zu Lebzeiten Brandts eingereichtes Begnadigungsgesuch wurde iu der Sornmersession 1918 abgewiesen (xu vergleichen Antrag 19 im I. Berieht vom 1. Mai 1918, Bundesbl. 1918, II, 854).

Für die nunmehrige Witwe Brandt wird erneut das Gesuch gestellt, ihr die Entrichtung der Busse und der Kosten zu erlassen.

Frau B;:andt hat für fünf unerwachsene Kinder zu sorgen, wobei sie allerdings von drei Töchtern nach Möglichkeit unterstützt wird. Dennoch handelt es sieh um schwierige Familien Verhältnisse.

Wir beantragen Erlass der Busse, dagegen ist zur Frage des Kostenerlasses mangels Zuständigkeit nicht Stellung zu nehmen.

A n t r a g : Erlass der Busse.

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Karl Kunzelmann, geb. 1885, Schreinergeselle, Basel.

Arthur Spring, geb. 1896, Kaufmann, Basel.

François Chappuis, geb. 1893, Kaulmann, Basel.

Kar! Brendlin, geb. 1893, Trödler, Basel.

Heinrich Gloor, geb. 1885, Tapezierer, Basel.

(Vorschriften betreffend Motorfahrzeuge.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 30. September 1916 (A. S. n. F. XXXII, 391) betreffend Zählung der Motorfahrzeuge oder die Verordnung vom 23. Februar 1917 betreffend die Meldepflicht der Besitzer von Motorwagen und Motorrädern (A. S. n. F.

XXXIIJ, 90) wurden verurteilt:

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a. Karl Kuuzelmann am 21. März 1919, zu Fr. 205 Busse; b. Arthur Spring am 28. März 1919, zu Fr. 205 Busse; c. François Chappuis am 3. Dezember 1918, zu Fr. 200 Busse: d. Karf Brendlin am 4. April 1919, zu Fr. 200 Busse, und e. Heinrich Glor am 23. Mai 1919, zu Fr. 205 Busse; Chappuis vom Appellationsgericht, die ändern vom Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt.

Karl Kunzelmann, Arthur Spring, François Chappuis und Heinrich Gloor, alle schon im Jahr 1916 im Besitze eines Motorrades, haben ihr Rad weder zu der durch den Bundesratsbeschluss vom 30. September 1916 angeordneten Zählung der Motorfahrzeuge, noch später der Polizei gemeldet, als dies durch die Verordnung vom 23. Februar 1917 vorgeschrieben wurde. Kunzelmann und Gloor unterliessen überdies die später erfolgte Besitzesentäusserung entgegen derselben Verordnung der kantonalen Amtsstelle zu melden. Einzig, letztere Unterlassung liegt vor bei Karl Brendlin.

Der Behandlung der einzelnen Gesuche ist gemeinsam vorauszuschicken, dass nach den Urteilen der Basler Gerichte die Schutzbehauptung der Nichtkenntnis der betreffenden Erlasse, soweit sie überhaupt glaubhaft erschien, den einzelnen Angeschuldigten dahin beantwortet wurde, dass Unkenntnis der Kriegsverordnungen nach ständiger Rechtssprechung nur in ganz ausnahmsweisen, hier nicht vorliegenden Fällen die Strafbarkeit ausschliesse. Bei Chappuis wurde in Anbetracht seiner Stellung in der Automobilbranche dafür gehalten, die Missachtuug der regelrecht veröffentlichten Erlasse sei in keiner Weise entschuldbar. Die übrigen wurden mit Rücksicht auf die glaubhafte Unkenntnis gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1917 betreffend die Strafbarkeit der fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen die Kriegsverordnungen (A. S. n. F. XXXIII, 1122) wegen fahrlässiger Übertretung jener Erlasse strafbar erklärt.

Aus den einzelnen Gesuchen ergibt sich : Zu a, Karl Kunzelmanu schildert seine Lebensverhältnisse, um darzutun, dass ihm die Meldepflicht nicht bekannt war. Er könne den hohen Bussbetrag nicht aufbringen, sei lungenkrank, habe eine ebenfalls lungenkranke Frau und befinde sich in ärmlichen Umständen. Der Polizeigerichtspräsident von Basel befürwortet das Gesuch.

Zu b. Arthur Spring beteuert ebenfalls Unkenntnis der Anmeldepflicht. Laut Gerichtsakten verzichtete er 1916 auf eine Fahrbewilliguug, so dass er aus der Kontrolliste gestrichen wurde.

Anlässlich der Zahlung; im Jahre 1916 wurde ihm deshalb nicht

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·wie dea eingetragenen Radbesitzern die Erleichterung zuteil, dass man ihm die Zählkarte zuschickte und ihn so auf die Anmeldepflicht besoaders aufmerksam machte. Spring schreibt, er benutze das nunmehr wieder verwendbare Rad, für dessen Instandstellung er Fr. 300 habe auslegen müssen, ausschliesslich zu Erwerbszwecken, besitze kein Vermögen und sei einzig auf seinen Yerdienst angewiesen.

Zu c. Für Francois Chappuis wird auf die näheren Verumständungen der Übertretung hingewiesen : Laut Akten erhielt ·Chappuis im Sommer 1916 von einem Bekannten ein arg vernachlässigtes Rad, das er instand zu stellen versuchte. Dies misslang, wonach das Rad endgültig schenkungsweise an Chappuis überging. Im Sommer 1918 verkaufte er es um Fr. 100. Der Dritterwerber liess es in der Folge durch einen Bachmann wieder herstellen, kam der Meldepflicht nach, worauf man auf die Unterlassung Chappuis aufmerksam wurde. Wie vor Gericht wird Unkenntnis der Meldepflicht behauptet und abgesehen hiervon betont, der Gesuchsteller hätte auch bei Kenntnis der Vorschriften die Anmeldung unterlassen, im guten Glauben, ein derart nicht gebrauchsfähiges Rad sei nicht anmeldepflichtig. Ferner wird gesagt, ·die Staatsanwaltschaft habe lediglich die Verurteilung wegen fahrlässiger Verfehlung beantragt und auch die Gerichte hätten die vorgesehene Mindestbusse für den vorliegenden Fall als übermässig hoch bezeichnet.

In den Akten befinden sich Vernehmlassungen des Polizeiciepartementes des Kantons Basel-Stadt, das die gehörige Publikation der in Betracht kommenden Erlasse feststellt und findet, die Einwendungen Chappuis könnten nicht als strafmildernd in Betracht liommen.

Die Organe des eidgenössischen Motorwagendieustes und das schweizerische Militärdepartement weisen darauf hin, dass an der Anmeldepflicht für Motorfahrzeuge festgehalten werden müsse, immerhin wird von einer Seite die Herabsetzung der Busse bis Fr. 50 in Erwägung gezogen.

Zu d. Karl Breudlin wiederholt teilweise wie im gerichtlichen Verfahren, er habe das Rad im Trödlerhandel von einem ·ihm anfänglich verdächtigen "Dritten erst nach der Erklärung eines Angestellten der Polizei erworben, wonach dem Kauf nichts entgegenstehe. Damals hätte man ihn auf die Anmeldepflicht* auf·merksam machen können. Seine Unkenntnis erkläre sich auchdaher, dass er erst kurze Zeit in Basel niedergelassen sei. Sein Geschäft bringe kärglichen Verdienst und man möge ihm, mit .Rücksicht aaf Frau und Kind entgegenkommen.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IV.

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Zu e. Für Heinrich Gloor wird gesagt, er habe das 191$ erstandene Rad während der Kriegsjahve nicht verwendet und 1915 den Nummernschild der Polizeibehörde zurückgestellt. Anfangs Mai 1919 habe er das Rad dann verkauft, wobei seine Unterlassungen an den Tag gekommen seien. Er beruft sich ebenfalls auf Unkenntnis der Vorschriften und findet, die Behörde,, dio von dem Rade durch Abgabe des Nummernschildes Kenntnis gehabt habe, hätte ihn immerhin durch Zirkular auf seine Pflichten aufmerksam machen können. Es handelt sich um ähnliche Anbringen wie im Falle Arthur Spring.

Ferner betont Gloor, er sei seit längerer Zeit nervenkrank, müsse die Arbeit öfters aussetzen, besitze kein Vermögen, und sei neben seinem Verdienst auf die elterliche Hülfe angewiesen.

Es würde ihm äusserst schwer fallen, die sehr hohe Busse zu entrichten.

Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt hält iu einem Mitbericht dafür, es wäre in Anbetracht der grossen Zahl derartig.

Bestrafter ungerecht, dem Gesuchsteller zu entsprechen, da nicht der geringste Umstand vorliege, der eine glimpflichere Behandlung, rechtfertige.

Nach Überprüfung der in Betracht kommenden Fälle, da grobe Verfehlungen, wie böswilliges Herbeiführen der Gebrauchsunfähigkeit zwecks Umgehung der Stellungspflicht und dergleichen, nicht vorliegen, da die gegenwärtige Fassung der Strafbestimmungen in erster Linie den Anforderungen -der Mobilisation entsprechen wollte, können wir nach Anhörung der beteiligten Organe des Militärdepartementes weitgehende Herabsetzung befürworten.

Dagegen sollte von der gänzlichen Begnadigung schon deshalb abgesehen werden, weil auch in Zukunft grundsäztlich an der Anmeldepflicht festgehalten werden musa.

In Berücksichtigung der Gesuchsànbringen und der vorhandenen Verumständungen beantragen wir in allen Fällen, ausgenommen bei Chappuis, Herabsetzung bis Fr. 30. · Im Falle Chappuis erscheint in Anbetracht seiner Betätigung im Automobilwesen eine Herabsetzung bis Fr. 60 als genügend.

A n t r ä g e : Herabsetzung bis Fr. 60 bei Chappuis, bis Fr. 30 bei den übrigen.

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Wilhelm Niss'el, geb. 1878, Kaufmann, Wien.

Emanuel Stoffel, geb. 1882, Schreiner, Widnau (St. Gallen).

August Heule, geb. 1882, Sticker, Widnau (St. Gallen).

Otto Hufener, geb. 1877, Schreiner, Heerbrugg-Au (St. Gallen).

20. Hermann Millier, geb. 1872, Wirt, 21. Julie Müller, geb. 1881, Hermanns Ehefrau, 22. Emilili Kohler-Meyer, geb. 1895, Gottfrieds Ehefrau, alle in Gottlieben (Thurgau).

23. Rosa Artz-Ruff, geb. 1880, Heimarbeiterin, Emmishofen (Thurgau).

24. Margreth Ammerstorfer, Ehefrau des Zollaufsehers in Schaan (Liecntenstein).

(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 30. Juni 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 459) oder 12. April 1918 (A. S. n. P. XXXIV, 467) wurden verurteilt: a. Wilhelm Nissel am 5./9. November 1918 vom Bezirksgericht Oberrheintal zu fünf Monaten Gefängnis und Fr. 4000 Busse, solidarisch mit einer. Reihe Mitverurteilten. Vom Kantonsgericht St. Gallen wurde diese Solidarhaft erweitert und Nisse, überdies solidarisch haftbar erklärt am 12. Februar 1919 für Fr. 20,160 Wertersatz; b. Emariuel Stoffel, August Heule und Otto Rufener am 7. Januar 1919 vom Bezirksgericht Unterrheintal Stoffel zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 500 Busse, Haule zu sechs Wochen Gefängnis und Fr. 300 Busse, Rufener zu einem Monat Gefängnis, Fr. 200 Busse, Stoffel und Heule überdies solidarisch mit ändern zu Fr. 2150, Rufener zu Fr. 1462. 50 Wertersatz; o. Hermann und Julie Müller am 1. März 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau je zu 14 Tagen Gefängnis und Fr. 500 Busse ; d. Emilie Kohler-Meyer in derselben Strafsache zu einem Monat Gefängnis und Fr. 300 Busse; e. Rosa Artz-Ruff am 13. Februar 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 500 Busse ; /. Margreth Ammerstorfer am 19. Februar/22. April 1919 von dem Zolldepartement zu Fr. 700 Busse und Fr. 464.80 Wertersatz.

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Zu a. Wilhelm Nissel war mit siebzehn ändern in der bedeutenden Schmuggelsache der Käthe von lieuss zu beurteilen.

Es handelt sich namentlich um grosse Posten Faden, unter anderem im Werte von Fr. 20,160 und Fr. 34,578, von denen der erste über die Grenze nach Österreich gebracht, während der zweite beschlagnahmt wurde. Leiter des grosszügigen Schmuggelkomplottes war ein Martin Flatz, währenddem die Ausländer Frau von Reuss und Nissel sowohl erst- und oberinstanzlich als die eigentlichen Urheber der ganzen Sache bezeichnet wurden.

Nissel hat den eingeklagten Tatbestand den Zollbehörden gegenüber in einem Protokoll anerkannt (Akten 82/83).

In dem für Nissel eingereichten Gesuch um ,,Umstimmuog von der obigen Verurteilung* wird dieses Geständnis widerrufen.

Nissel habe es damals lediglich abgelegt, um dem schwergeprüften Mitangeklagten Flatz die Untersuchungshaft zu verkürzen, in der Meinung, die Verhandlungen würden dann erbringen, dass Nissel selbst ohne Grund in die ganze Angelegenheit hineingezogen worden sei. Jede strafbare Tätigkeit wird bestritten und zwecks Rehabilitation anStelle des nicht mehr möglichen Rechtsmittel Verfahrens der Weg des Begnadigungsgesuches gewählt. Im übrigen verweisen wir für Einzelheiten auf Gesuch und Beilagen.

Nissel ist an den Hauptverhandlungen weder erschienen, noch hat er sich vertreten lassen. Dafür versucht er jetzt mit einem Begnadigungsgesuche durchzudringeu. Abgesehen hiervon kann es an sich nicht Sache der Begnadigungsbehörde sein, Anbringen, wie sie hier vorliegen, zu überprüfen. Schliesslich hat die Meinung, die Anrufung der Begnadigungsbehörde sei in Schmuggelsachen in der Regel verfehlt, in erster Linie gegenüber derartigen ausländischen Anstiftern und Verführern zu gelten. Wir beantragen Abweisung.

Zu b. Otto Rufener und August Heule wurden am 17. September 1918 von Grenzwächteru angehalten, wobei die Durchsuchung ihrer Rucksäcke und einer Schachtel namentlich Stickgarn auf Kreuzspulen im Werte von etwa Fr. 1100 ergab.

In der Folge wurde festgestellt, dass ein Vorarlberger Agent, Pümpel genannt, sich Faden und Stickgarn hatte liefern lassen.

Die Ware wurde durch einen Simon Mayer der Bahn ein Stück weit aufgegeben, von Anton Stoffel auf Veranlassung seines Bruders Emanuel Stößel in Empfang genommen und an einen dritten Ort weitergesandt. Dort wurde sie dann von Emanuel Stoffel und seinem Schwager August Heule abgeholt und über die Grenze gebracht.

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Bei einem zweiten und dem dritten Gang, auf dem man die Schmuggler ertappte, nahm auch Otto Rufen teil.

In einem gemeinsamen, von Emanuel Stoffel niedergeschriebenen Gesuch, bitten dieser Heule und Rufener um Erlass der Gefängnisstrafen.

Hierzu werden die Armut in den Familien und die misslichen Erwerbsverhältnisse geschildert, die dazu geführt hätten, dass Stoffel und Heule der Versuchung erlegen seien. Mit Rücksicht auf ihre Angehörigen möge man ihnen die Schande des Gefängnisses ersparen und dasselbe Entgegenkommen auch dem rechtschaffenen Rufener erweisen.

Beigelegt werden Ausweise über die bedrängte Lage und günstige Leumundszeugnisse.

Laut Berichten der Zollbehörden entsprechen die Gesuchanbringen über Erwerbs- und Familienverhältnisse den Tatsachen.

Die Oberzolldirektion hält aber aus grundsätzlichen Erwägungen dafür, es sollte von einer Begnadigung abgesehen werden. Andernfalls sei mit Sicherheit zu erwarten, dass ähnliche Gesuche in grosser Zahl nachfolgen würden.

Die hier in Betracht kommenden Fälle bilden das Gegenstück zu der Begnadigungssache Niss hiervor. Der ausländische Agent Pümpel, seinerseits verurteilt zu sechs Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse, beträchtlichem Wertersatz und Solidarhaft, hat es vermocht, die Leute zu verfuhren und ins Unglück zu bringen.

Von den uns vorgelegenen derartigen Gesuchen erregen die heutigen Gesuchsteller besonderes Bedauern. Trotzdem können wir uns aus den schon von der Oberzolldirektion geltend gemachten, überdies von der Begnadigungsbehörde durchaus geteilten Gesichtspunkten nicht entschliessen den ganzen oder teilweisen Erlass der Gefängnisstrafen zu beantragen.

Der Gedanke der Generalprävention, der ähnlich wie Milchfälschern gegenüber in diesen Strafsachen notwendigerweise stark betont wird., erlaubt auch uns keine andere Stellungnahme.

Zu c. Die in der Folge gerichtlich ausgewiesene Ausländerin Waldburga Höness hat im Januar bis April 1918 von dem Mitangeklagten Berther in Zürich etwa 7500 Stück Gummisauger im Gesamtwert von Fr. 5400 gekauft, um sie auszuschmuggeln 6840 Stück wurden über die Grenze gebracht, der Rest beschlagnahmt.

Die Gummisauger sind im Auftrage der Frau Höness durch mehrere Mitangeklagte, so Hermann Müller, der siebenmal, Frau Müller, die fünfmal nach Zürich reiste, bei Berther abgeholt worden. Dieselben Leute überbrachten jeweils auch die Zahlungen der Höness an Berther.

420 Die Eheleute Müller ersuchen gemeinsam um Erlass der Gefängnisstrafen, Herabsetzung der Bussen, ausserdem um die Gewähr monatlicher Abschlagszahlungen. Hermann Müller leide seit Jahren an Gelenkrheumatismus und einem Herzfehler, was 1915 seine Entlassung als Schiffssteuermann der schweizerischen Bundesbahnen veranlasst habe. Da auch die Frau nur beschränkt arbeitsfähig sei, hätten sie 1917 eine Wirtschaft übernommen, seien aber schlecht gefahren. Die Eigentümerin der Wirtschaft, Frau Höness, habe sie dann veranlasst, die bekannten Botendienste zu leisten.

Dem Anerbieten selbst seien sie nicht aus Gewinnsucht, sondern aus ihrer Not heraus gefolgt. Mit der geringen Entschädigung hätten sie Arztkosten bezahlt. Man möge mit ihren ärmlichen Verhältnissen Mitleid haben.

Vernehmlassungen der Zollbehörden bestätigen die Angaben über die Verhältnisse der Gesuchsteller. Der Mitverurteilte Berther soll sich allerdings den Eheleuten verpflichtet haben, die Hälfte der Bussen zu übernehmen. Aus den Berichten geht ferner hervor, dass Ratenzahlungen bereits bewilligt worden sind. Im Hinblick auf die Schwere der Verfehlung und das weitgehende Entgegenkommen des thurgauischen Obergerichtes wird Abweisung beantragt.

Es handelt sich um ähnliche Fälle wie unter lit. b. Die Gesuchsteller bringen nichts vor, was nicht schon von den Gerichtsbehörden, namentlich von dem thurgauischen Obergericht, gewürdigt worden wäre. Gleich wie in den Fällen Stoffel und Mitverurteilte beantragen wir Abweisung.

Zu d. Emilie Kohler - Meyer verbrachte in der unter c behandelten Schmuggelsache gegen ein Entgelt von je Fr. 20 eine grössere Anzahl der Gummisauger in den Reifen eines Fahrrades versteckt über die Grenze.

Ein für sie im Anschluss an die am 22. Mai angetretene Haft von ihrem Ehemann eingereichtes Begnadigungsgesuch ist gegenstandslos, da sich das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Polizeiabteilung) im Hinblick auf die ablehnenden Anträge ·der Zollbehörden und der thurgauischen Amtsstellen nicht veranlasst sah, die angetretene Strafe zu unterbrechen. Wir beantragen Nichteiu treten.

Zu e. Rosa Artz-Ruff kaufte insgesamt 600 Stück Gummisauger, Hess sie zum Teil durch ihre Schwester abholen und hierauf durch ihre Mutter über die Grenze bringen. Frau Artz hat den ganzen Schmuggel ins Werk gesetzt und geleitet.

Die Verurteilte, die am 3. März 1919 ihre Strafe angetreten hatte, ersuchte am 28. März vom Gefängnis aus mit Rücksicht

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auf ihre bevorstehende Niederkunft um Begnadigung. Am 10. April verfügte dis eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Polizeiabteilung) in Berücksichtigung ihres Zustandes die Haftentlassung, in der Meinung, die Gesuchstellerin sei bis zur Erledigung ihres Gesuches a,uf freiem Fusse zu belassen.

Laut den obergerichtlichen Erwägungen ist Frau Artz wegen ähnlichen Vergehen bereits viermal vorbestraft. Sie hat sich nicht davon abhalten lassen, ihre 69jährige Mutter zum Ausfuhrschmiiggel zu missbrauchen. Die gesprochenen Strafen sind durch·aus gerechtfertigt. Allfällig notwendig erscheinende Massnahmen hinsichtlich des Strafvollzuges können auch nach der Erledigung ·des Gesuchs® den hierfür zuständigen Behörden überlassen werden, weshalb w::r Abweisuüg beantragen.

Zu f. Margreth Ammerstorfer brachte vom Juli bis September 1918 etwa 600 von ihr gekaufte Spulen Nähfaden im Werte von ^annähernd Fr. 1200 in den Kleidern eingenäht über die Grenze.

Frau Ammerstorfer, der das eidgenössische Zolldepartement auf Gesuch hin die Busse von Fr. 1000 bis Fr. 700 ermässigte uud ferner eine Solidarhaft im Betrag von Fr. 400 erliess, ersucht im Begnadigungswege um abermalige Herabsetzung.

Sie köane die Beträge in Anbetracht des geringen Einkommens ihres Mannes als Zollaufseher unmöglich aufbringen.

Mit der Oberzolldirektion beantragen wir, von einer weitem Herabsetzung der gerechtfertigten Busse abzusehen.

A n t r ä g e : Nichteintreten im Falle Kohler-Meyer, Abweisung der übrigen.

25. Georj) Weckel, geb. 1878, Referendar, zurzeit Strassburg (Elsäss).

26. Emma Sauser-Streit, geb. 1882, Fabrikarbeiterin, La Chauxde-Fcmds (Neuenburg).

27. Katharina Bacher-Heimann, geb. 1883, zurzeit Grindelwald (Bern).

(Fremdenpolizei, Kontrolle in Gasthöfen.)

Gestützt auf die Verordnung betreffend die Grenzpolizei und die Kontrolle der Ausländer vom 21. November 1917 (A. S. n. F.

XXXIII, 959 f.) wurden verurteilt: a. Georg Weckel am 17. März 1919 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken zu Fr. 20 Busse; b. Emma Sauser-Streit am 15. Februar 1919 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu Fr. 50 Busse;

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c. Katharina Bachev-Heimnnn am 13. Januar 1919 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken zu Fr. 20 Busse.

Zu a. Dem Gesuche Weckels gegenüber beantragen wir wie io früheren Fällen Nichteintreten, da die Busse bereits vor Einreichung des Gesuches bezahlt wurde und ein Strafvollstreckungsanspruch demnach nicht mehr vorhanden ist.

Zu b. Die Witwe Emma Sauser-Streit machte bei ihrer Ankunft in einem Gasthof im Anmeldeschein falsche Angaben.

Im Gesuch um Erlass der Busse wird namentlich die Armut der Gesuchstellerin betont, die Mutter von sieben Kiadern sei und einen guten Leumund gemesse.

Diese Angaben werden amtlich bestätigt. In Zustimmung zu den Anträgen der kantonalen Behörden beantragen wir Herabsetzung bis Fr. 5.

Zu c. Katharina Bacher-Heimann konnte während längerer Zeit trotz mehrfacher Mahnungen nicht dazu gebracht werden, sich gemäss Art. 12 der Verordnung bei der Polizeibehörde ihres Aufenthaltsortes anzumelden.

Laut Gesuch hat Frau Bacher, deren Mann damals in Kriegsdiensten war, ihre im Ausland befindlichen Ausweisschriften nicht beziehen können. In Anbetracht dieser Verumständungen, ihrer Vermögenslosigkeit und da sie sich seit 1914 mit ihren Kindern ehrlich durch das Leben gebracht habe, möge man die Busse erlassen.

Der Gemeinderat befürwortet das Gesuch. Die Polizeidirektion des Kautons Born beantragt grundsätzlich Abweisung, da Frau Bacher sich der allgemeinen Anmeldepflicht entzogen habe.

Mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse und da die Gesuchstellerin nicht vorbestraft ist, beantragen wir auch hier Herabsetzung bis Fr. 5.

A n t r ä g e : Nichteintreten bei Wcckel, Herabsetzung bis Fr. 5 bei den andern.

28. Jonas Gottesmann, geb. 1876, Hausierer, 29. Anna Gottesmann, geb. 1883, Jonas Ehefrau, beide in Bern, 30. Helena Wyss-Kirchheimer, geb. 1875, Hausiereriu, Trimbach (.Solothurn).

(Handel mit Lumpen.)

Es wurden verurteilt: a. am 21. September 1918, in Bestätigung eines erstinstanzlicheu Urteiles, von der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons

423 Bern in Anwendung des Art. 5 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1916 betreffend den Handel mit Lumpen und neuen Stoffabfällen aller Art (A. S. n. F. XXXII, 429) und der Art. III, Ziff. l, VII der zudienenden Verfügung des Volkswirtschaftsdepartementes vom 3. Januar 1918 (A. S. n. F.

XXXIV, 13), Jonas Gottesmann zu Fr. 50, Anna Gottesmann zu Fr. 70 Busse; b. am 19. Dezember 1918 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern in Anwendung derselben Bestimmungen, kantonaler Vorschriften über das Hausierwesen und ferner des Art. 25 des Bundesgesetzes über Mass und Gewicht vom 24. Juni 1909, Anna Gottesmann zu Fr. 220 Busse ; c. am 22. Januar 1919 vom Amtsgericht Olten-Gösgen gestützt · auf denselben Bundesratsbeschluss Helena Wyss-Kirchheimer zu Fr. 50 Busse.

Zu a und b. Die Verurteilung der Eheleute Gottesmann vom 21. September 1918 erfolgte, weil sie seit längerer Zeit anlässlich ihrer Hausierfahrten Handel mit Lumpen betrieben hatten, ohne eine Bewilligung der Rohproduktenkontrolle zu besitzen.

Trotz der ersten Verurteilung wurde Anna Gottesmaun am 22. Dezember 1918 neuerdings beim Handel mit Lumpen betroffen, dazu benutzte sie überdies eine nicht geeichte Federwage.

IQ dem gemeinsamen Gesuch um Begnadigung wird gesagt, die Eheleute Gottesmann seien seit, neun Jahren in Beni und hätten den Handel mit Lumpen seit 1915 betrieben. Jonas Gottesmann, der keinen Beruf gelernt habe, sehe sich auf eine derartige Tätigkeit angewiesen. Sie müssten für vier schulpflichtige Kinder sorgen, seien bis dahin den Pflichten gegenüber Staat und Gemeinde nachgekommen, dagegen könnten sie eine derart hohe Summe für Bussen unmöglich aufbringen.

Die Berichte der Gemeindebehörde lauten ungünstig. Die Eheleute sind wegen Skandal, Ärgernis, Verleumdung, Widerhandlung gegen Armenpolizei- und Hausiergesetze vorbestraft und schlecht beleumdet. Dies gilt namentlich für die Ehefrau. Es wird betont, dass die beiden, die als Ausländer allen Grund hätten, sich unsern Gesetzen zu fügen, immer wieder Anlass zu polizeilichem Einschreiten geben. Trotz der wahrscheinlich etwas schwierigen Verhältnisse wird von Gemeinde- und Kantonsbehörden Abweisung, beantragt.

Die Zuständigkeit der eidgenössischen Begnadigungsbehörde ist gegeben, da es sich in der Hauptsache um Übertretungen, eidgenössischer Rechtsvorschriften handelt.

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Wie in der frühern Begnadigungssache Helena Wyss (zu vergleichen Antrag !)6 im III. Bericht für die Sommersession 1919, Bundesbl. 1919, II, 193) sprechen die Umstände gegen ein Ent.gegenkomrnen. Will die Begnadigungsbehörde jedoch 4er Erledigung früherer ähnlicher Gesuche Rechnung tragen, beantragen wir bei Jonas Gottesmann Herabsetzung von Fr. 50 bis Fr. 10, bei Anna Gottesmann der Einfachheit halber Erlass der ersten Busse und Herabsetzung der zweiten von Fr. 220 bis Fr. 80.

Zu c. Helena Wyss-Kirchheimer kaufte in den Monaten November und Dezember 1918 Lumpen ohne die erforderliche Bewilligung.

Die Heimatgemeinde, die für eines der beiden Kinder Wyss sorgt, stellt das Gesuch, Frau Wyss die Busse zu erlassen.

Wie die in den Akten befindlichen Polizeiberichte ergeben, handelt es sich um dieselben bemühenden Verhältnisse, wie in der frühern Begnadigungssache der gleichen Helena Wyss (zu vergleichen wie nach Verweisung hiervor).

Frau Wyss bleibt schlecht beleumdet und der Begnadigungwenig würdig.

Will die Begnadigungsbehörde, ausgehend von denselben Erwägungen wie in ändern derartigen Begnadigungssachen, die Busse herabsetzen, beantragen wir Erlass bis Fr. 10.

Anträge: Abweisung, allfällig Herabsetzung gemäss den Ausführungen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. August 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Für den Bundespräsidenten: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Herbstsession 1919). (Vom 9. August 1919.)

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