1054

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch des gewesenen Zollgehülfen Amede Rossi zur Zeit in Salta, Argentinien, um Verabfolgung eines Besoldungsnachgenusses (Vom 7. März 1902.)

Tit.

In einer Eingabe -vom 20. November 1901, welche dem ·Bundesrat am 5. Januar dieses Jahres zugegangen ist, gelangt der zur Zeit in Salta, Argentinien, sich aufhaltende, im Mai 1901 aus der Zollverwaltung ausgetretene frühere Zollgehülfe Amedeo Rossi, von Morcote, geb. 1860, an den Nationalrat mit dem Begehren, es sei ihm eine Entschädigung von Fr. 3000 als Besoldungsnachgenuß zu bewilligen, eventuell es möchte ihm der Wiedereintritt in seine frühere Stelle gestattet werden.

In dieser Eingabe wird vom Petenten zur Begründung folgendes angeführt: Nach zwanzigjähriger Dienstzeit in der Zollverwaltung habe er wegen eines chronischen Magenleidens, dessen Vorhandensein von mehreren Ärzten konstatiert worden sei, seine Entlassung aus der Zollverwaltung genommen, in der Erwartung, daß ihm, gestützt auf Art. 10 des Besoldungsgesetzes der bei Erledigung von Stellen durch Krankheitsfälle vorgesehene Besoldungsnachgenuß bewilligt werde. Zu diesem Schritte habe er sich entschlossen,

1055 nachdem der Zolldirektor in Lugano ihm, sowie seiner Frau die Zusicherung erteilt habe, daß wenn dieser Besoldungsnachgenuß nicht bewilligt werde, er berechtigt sei, die Demission zurück-, zuziehen. Die Entlassung sei alsdann unter Ablehnung eines Besoldungsnachgenusses erfolgt, und als er hierauf beim Bundesrat darum eingekommen sei, die Demission rückgängig zu machen, habe diese Behörde sich ablehnend verhalten. Da ihm die Gründe dieser Ablehnung nicht mitgeteilt worden seien und die Antwort des Bundesrates auf einen Bericht des Zolldepartements verweise, so stellt er in Zweifel, ob jene Behörde richtig informiert gewesen sei. Er beruft sich darauf, daß jedenfalls seine Leistungen zufriedenstellend gewesen seien, wie er durch ein ihm von der Zolldirektion in Lugano ausgestelltes Zeugnis nachweisen könne, von dem er eine Abschrift beifüge.

Er vermutet indes, daß seine üble finanzielle Lage die bundesrätliche Schlußnahme beeinflußt habe, obschon diese Situation von .ihm nicht selbst verschuldet sei, indem vielmehr besondere Verhältnisse dieselbe herbeigeführt hätten. Er erwähnt sodann, daß ein Anverwandter sich bereit erklärt habe, seine finanzielle Lage zu ordnen und daß er gestützt hierauf nochmals, jedoch wieder vergeblich, die Rückgängigmachung seiner Entlassung beim Bundesrat versucht habe.

; ., Rossi meint sodann, daß, wenn einzig die finanzielle Lage in Betracht gezogen werde, noch viele andere eidgenössische Angestellte entlassen werden müßten, daß aber in erster Linie die dienstliche Fähigkeit und das Betragen maßgebend seien, da einer in mißliche finanzielle Lage geraten könne, ohne es zu; wollen. Er kann es daher nicht glauben, daß ein Beamter mit zwanzig Dienstjahren mit seiner Familie ohne zwingende Gründe geopfert werden könne.

In der Eingabe wird ferner auf das Verhältnis einiger anderer Beamten und Angestellten hingewiesen, welchen bei der Entlassung ebenfalls Besoldungsnachgenuß bewilligt worden :sei, oder welche nach erfolgter Entlassung neuerdings Anstellung in der Zollverwaltung gefunden hätten, so daß, was er verlange^ im Hinblick auf diese Präcedenzl'älle nicht unbillig erscheine. : Über das Anstellungsverhältnis des Petenten ist zunächst zu bemerken, daß Rossi im Jahre 1881 als Grenzwächter in den Dienst der Zollverwaltung eingetreten ist und 1889 zum Gehülfen befördert wurde, in welcher Eigenschaft er zuerst dem Zollamt Lugano und dann bis zu seinem Austritt demjenigen in

1056 Luino zugeteilt war. Seine Beförderung in die Kategorie des Beamtenpersonals scheint ihm zu Kopf gestiegen zu sein, da er bald darauf durch leichtsinniges Schuldenmachen in finanzielle Bedrängnis geriet und auch in seiner Leistungsfähigkeit zurückkam, so daß er im Jahre 1891. anläßlich der Erneuerungswahlen des Zollpersonals nur provisorisch wiedergewählt wurde. Auch bei den periodischen Wahlen'von 1894,1897 und 1900 mußte Rossi in provisorischer Stellung belassen werden, da er, anstatt jene Maßnahme sich zur Warnung dienen zu lassen, bei seiner ungeregelten Lebensführung in immer größere finanzielle Schwierigkeit geriet, bis ihm schließlich bei der drohenden, unausbleiblichen Katastrophe der Boden unter den Füßen zu heiß wurde.

Aus dieser selbstverschuldeten Bedrängnis nun glaubte er sich herausziehen zu können, indem er Anfangs Januar 1901 um sofortige Entlassung aus dem Zolldienst nachsuchte, jedoch unter der Bedingung, daß ihm ein Besoldungsnachgenuß im Betrage einer Jahresbesoldung von Fr. 3000 bewilligt werde.

Letztere Bedingung wurde mit dem Hinweis auf einen angeblich bestehenden krankhaften Zustaod begründet, von dem indes die Behörde bisher keine Kenntnis hatte, wie ihr auch bis dahin keine nennenswerten Absenzen Rossis wegen Erkrankung gemeldet worden waren. Da Rossi gleichzeitig die Absicht aussprach, sich zu seinem in Argentinien lebenden Vater begeben zu wollen und sogar telegraphische Erledigung des Demissionsgesuches verlangte, um eine sich bietende Reisegelegenheit nicht zu verpassen, so war leicht ersichtlich, daß Rossi lediglich darauf spekulierte, es werde ihm der Bundesrat durch Gewährung eines Besoldungsnachgenusses die Mittel an die Hand geben, um sich seinen Gläubigern entziehen zu können.

Diese Eingabe Rossis wurde ihrer Form wegen an den Gesuchsteller zurückgewiesen, mit dem Bedeuten, daß ein unter Bedingungen gestelltes Entlassungsgesuch nicht angenommen und dem Petenten anfasim gegeben werde, wenn er auf der Demission bestehe, ein Gesuch um Gehaltsnachgenuß in besonderer Eingabe einzureichen, worauf der Bundesrat entscheiden werde, ob ein Krankheitsfall vorliege, der die Gewährung eines Besoldungsnachgenusses im Sinne von Art. 10 des Besoldungsgesetzes rechtfertige.

Trotzdem Rossi damit ausdrücklich aufmerksam gemacht war, daß der Bundesrat sich für die Behandlung der Frage betreffend den Gehaltsnachgenuß auf keinen ändern Standpunkt stellen werde, als den gesetzlich gegebenen, reichte Rossi unterm

1057 21. Januar 1901 sein Demissionsgesuch ein und verband damit in einer zweiten Eingabe das Gesuch um Gewährung eines Besoldungsnachgenusses für ein Jahr im Betrage von Fr. 3000. Der Eingabe waren zwei ärztliche Zeugnisse beigefügt, nach welchen Rossi an periodisch wiederkehrender Magenschwäche, beziehungsweise chronischem Magenkatarrh, Bronchial katarrh und Neuralgie, hervorgerufen durch Rheumatismus, leide. Auch wurde die sitzende Arbeitsthätigkeit für ihn als nicht zuträglich bezeichnet und ihm eine mehr physische und Muskelthätigkeit erfordernde Lebensweise empfohlen. Von ernsteren Krankheitssymptomen, die eine Beeinträchtigung seiner fernem Erwerbsfähigkeit hätten zur Folge haben können, war also keine Rede, so daß die Voraussetzung, unter welcher nach Art. 10 des Besoldungsgesetzes vom Bundesrat ein Gehaltsnachgenuß bewilligt werden kann, nicht vorlag.

Die Behörde sah sich vielmehr in ihrer Annahme, daß dem Gesuche die vermuteten Motive zu Grunde liegen, bestärkt, wozu noch das Bedenken kam, daß es von den Gläubigern Rossis sehr übel aufgenommen und die eidgenössische Verwaltung in ein bedenkliches Licht stellen würde, wenn diese ihm mittelst Bewilligung eines Besoldungsnachgenusses die Möglichkeit verschafft hätte, sich seinen finanziellen Verpflichtungen entziehen zu können.

Der Bundesrat hat daher unterm 1. Februar die nachgesuchte Entlassung bewilligt, das Gesuch um Gewährung eines Besoldungsnachgenusses aber abgelehnt.

Als Rossi seine Hoffnungen gescheitert sah, versuchte er, seine Demission rückgängig zu machen, sich auf angebliche Abmachungen mit dem Zolldirektor in Lugano berufend. Dieser letztere Beamte stellt aber in Abrede, eine solche Zusicherung erteilt zu haben, wie ja dem Petenten genau bekannt war, daß demselben eine solche Befugnis überhaupt nicht zustand.

Für die Verwaltung kam aber in Betracht, daß Rossi seinen gestörten Gesundheitszustand und die Unzuträglichkeit der Bureauarbeit im Hinblick auf denselben vorgeschützt hatte, um einen Besoldungsnachgenuß zu erwirken, und daß nun, nachdem der Erfolg ausgeblieben war, die gesundheitlichen Bedenken seiner ferneren Verwendung im Bureaudienst plötzlich nicht mehr im Wege stehen sollten. Er hatte damit offenkundig dargethan, daß seine angebliche Erkrankung nur simuliert war. Dieses widerspruchsvolle, intriguenhafte Auftreten
in Verbindung mit dem Umstand, daß eine Änderung seiner ungeregelten Lebensführung sich nicht erwarten ließ, nachdem er zehn Jahre lang als provisorischer Beamter war nachgeschleppt worden, konnte nicht zu

1Q58 seiner Empfehlung dienen. Auch die ihm angeblich in Aussicht gestellte Hülfe durch einen Verwandten schien zweifelhafter Natur schon deshalb, weil er sich dieselbe, wenn ernst gemeint, gewiß schon früher verschafft hätte, wo sie ihm noch nützlich sein konnte. Der Bundesrat hat daher unterm 22. April Rossis Wiederanstellung abgelehnt, worauf letzterer Ende April seine Stelle verließ. Zu weiterer Charakterisierung des Gesuchstellers mag der Hinweis dienen, daß das ihm beim Austritt von der Zolldirektion Lugano ausgestellte Zeugnis lautet, Betragen und Leistungen seien ,,soddisfacentia gewesen, während er in der seiner Eingabe beigefügten Abschrift hieraus ,,molto soddisfacenti'· gemacht hat.

Was die in der Eingabe angeführten Präcedenzfalle anbelangt, so lagen die Verhältnisse wesentlich anders als bei Rossi.

Wenn auch des letztern Ansicht, daß jedem aus dem Zolldienst austretenden Beamten oder Angestellten ein Besoldungsnachgenuß gebühre, noch bei einem weitern Teil des Personals bestehen mag, so hat sich die vollziehende Behörde einzig an den Wortlaut des Gesetzes zu halten, welches bestimmt, daß in K r a n k h e i t s - und Todesfällen ein Besoldungsnachgenuß bewilligt werden k a n n . Ein berechtigter Anspruch besteht also nicht, sondern es bedarf jeder einzelne Fall besonderer Prüfung unter Würdigung der Verhältnisse, und in diesem Sinne ist auch in den angeführten Fällen, wo Besoldungsnachgenuß durch Krankheit oder gestörte Gesundheit begründet erschien, verfahren worden.

Wir schließen damit unsern Berieht mit dem A n t r a g e:

es sei auf das vorliegende Gesuch nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unser vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 7. März 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Zerap.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch des gewesenen Zollgehülfen Amedeo Rossi zur Zeit in Salta, Argentinien, um Verabfolgung eines Besoldungsnachgenusses (Vom 7. März 1902.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1902

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.03.1902

Date Data Seite

1054-1058

Page Pagina Ref. No

10 019 981

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.