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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde von J. Jauchs Söhne, in Altdorf, gegen Zürich, betreffend Entschädigung für viehseuchenpolizeiliche Tötung von Pferden.

(Vom 17. März 1902.)

Der schweizerische B u n d e s rat hat über die Beschwerde von J. J a u c h s S ö h n e , in Altdorf, gegen Zürich, betreffend Entschädigung für viehseuchenpolizeiliche Tötung von Pferden, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: ·A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

a. Anfangs Mai 1901 trat im Stalle des Fuhrhalters Daniel in Winterthur die Rotzkrankheit auf; auf Grund von Art. 30 des Bundesgesetzes vom 8. Körnung 1872 betreffend polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen wurden infolgedessen auch zwei Pferde der Firma J. Jauchs Söhne, in Altdorf, im Werte von Fr. 800 und 550, zusammen Fr. 1350, welche sich zur Winterung bei Fuhrhalter Daniel befanden, geschlachtet.

449 b. Das Gesuch um Entschädigung für diesen Verlust wurde von der zürcherischen Kommission für die Landwirtschaft abschlägig beschieden ; J. Jauchs Söhne rekurrierten dagegen an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Die Direktion der Volkswirtschaft verneinte ebenfalls das Bestehen einer kantonalen Entschädigungspflicht, von den Erwägungen ausgehend: ,,Der Rekurrent stützt seinen Rekurs auf § 32 des zürche. rischen Viehversicherungsgesetzes. Es muß jedoch daran festgehalten werden, daß die in dem citierten § 32 statuierte erweiterte Entschädigungspflicht des Kantons Zürich gegenüber den Herren Jauchs Söhne nicht Platz greifen kann, da sie nicht im herwärtigen Kanton ihren Wohnsitz haben und somit an die durch die Erweiterung der Entschädigungspflicht entstehenden Mehrauslagen des Kantons nichts beitragen. Der in Frage stehende .Schadensfall beurteilt sich lediglich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes von 1872 über'polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen. Nach Art. 17 desselben hat aber der Besitzer eines zur Bekämpfung einer Seuche getöteten Tieres nur dann Anspruch .auf Entschädigung, wenn ihm dadurch ein nachweisbarer Schaden entstanden ist. Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu. Die Pferde der Rekurrenten sind zur Zeit der Tötung rotzig gewesen und wären dieser Krankheit unter allen Umständen erlegen.

Daraus folgt, daß ihnen durch das Abschlachten der Pferde ein Schaden überhaupt nicht entstanden sei. Mithin haben sie auch keinen Anspruch auf Entschädigung.

Der Kanton Uri hat keinerlei gesetzliche Bestimmungen, welche die Entschädigungspflicht desselben bei Viehverlust durch Seuchen regeln. Außer allem Zweifel würde daher ein zürcherischer Viehbesitzer, der auf einer urnerischen Alpweide einen Viehverlust durch Seuchen erleiden würde, von der Regierung des Kantons Uri mit einem Entschädigungsbegehren, das nicht gestützt auf Art. 17 des citierten Bundesgesetzes als begründet erklärt werden müßte, abgewiesen. Es sei daher nicht einzugehen, warum der Kanton Zürich gegenüber urnerischen Viehbesitzern über die durch Bundesgesetz statuierte Entschädigungspflicht hinaus gehen sollte.a c. Durch Schlußnahme vom 5. September 1901 wies der Regierungsrat diesen Rekurs als unbegründet ab, mit der Motivierung : ,,Den Erwägungen der Volkswirtschaftsdirektion ist grund.sätzlich zuzustimmen. Nach Art. 17 und 18 des Bundesgesetzes Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. II.

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450 über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen ruht die EntSchädigungspflicht auf den ,,betreffenden11 Kantonen. Nach der bisher im Kanton Zürich geübten Praxis (vgl. z. B. den Entscheid des Regierungsrates vom 4. November 1897 in Saches Albert Weber im Berg-Goßau) gilt als der ,,betreffende" Kanton der Heimatkanton des zu Schaden gekommenen Viehbesitzers, wo der letztere zugleich steuerpflichtig ist. In diesem Sinne wurden für die zürcherischen Viehbesitzer die Bestini munger» von Abschnitt lu des Viehversicherungsgesetzes erlassen. Dieso Bestimmungen nun aber auszudehnen auf nichtzürcherische Viehbesitzer, die, ohne selbst im Kanton zu wohnen, vorübergehend und zu irgend welchen Zwecken ihr Vieh in den Kanton Zürich bringen, würde nicht nur der bisherigen zürcherischen, sondern, der allgemeinen Praxis und den Grundsätzen einer geordneten Staatsverwaltung widersprechen. Die Herren Jauchs Söhne in.

Altdorf mögen also sich mit ihren Ansprüchen an den Kanton, Uri halten."

n.

Gegen diese ihnen am 25. September mitgeteilte Schlußnähme reichten J. Jauchs Söhne den 23./2S. November 1901 beim Bundesrate die staatsrechtliche Beschwerde ein; sie stellen den Antrag zu Aufhebung derselben und Einladung Zürichs, dea Beschwerdeführern Fr. 1080 als Entschädigung für die seuchenpolizeiliche Tötung der Pferde zu bezahlen.

Zur Begründung wird ausgeführt : ,,Das Entschädigungsbegehren der Rekurrenten wurde von der Direktion des Volkswirtschaftswesens als erster und vom Regierungsrat als zweiter Instanz abgewiesen, weil solche Ansprüche von nicht im Kanton wohnenden Tiereigentümern, deren, Kanton oder Staat kein Gegenrecht halte, nicht erhoben werden könnten. Von dieser Einschränkung steht im kantonalen Gesetze nichts. Es erklärt vielmehr vorbehaltlos, daß der Kanton Entschädigung leiste, wenn auf seinem Gebiete ein Tier der in § 32 erwähnten Arten zur Bekämpfung einer Seuche auf Befehl der Polizei getötet werde. Wenn der kantonale Gesetzgeber die von den zürcherischen Verwaltungsbehörden versuchte Einschränkung gewollt hätte, so wäre alle Veranlassung vorhanden gewesen, es zu erklären; denn mit dem Eintritt solcher Fälle mußte von vornherein gerechnet werden. Der Regierungsrat hat übrigens selber in dem von ihm citierten Entscheid in Sachen Weber an-

451 erkannt, daß im Fall seuchenpolizeilicher Tötung von Tieren die Entschädigungspflicht des 'Kantons n u r dadurch bedingt sei, daß der Tiereigentümer sich nicht gegen seuchenpolizeiliche Vorschriften vergangen habe. Die gemäß § 32 somit auch gegen Kantonsfremde übernommene Verpflichtung entspricht durchaus den Grundsätzen der Billigkeit : Wer befiehlt, bezahlt ! Daß solche Tiereigentümer an die bezüglichen Auslagen nichts beitragen, fällt von diesem Gesichtspunkt aus gar nicht in Betracht.

Indem der zürcherische Regierungsrat die verlangte Entschädigung verweigerte, hat er auch gegen die Art. 17 und 18 des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872 verstoßen. Die §§ 32 ff des kantonalen Gesetzes sind kantonale Ausführungsbestimimmgen zu jenen bundesrechtlichen Vorschriften ; insbesondere hat der Kanton dadurch erklärt, daß für sein Gebiet als ,,angemessener Beitrag an den Schaden11 80 % des amtlichen Schatzungswertes aller seuchenpolizeilich getöteten Tiere ausbezahlt werden. Und zwar enthält diese Bestimmung keineswegs bloß eine Erklärung über das Maß der zu leistenden Entschädigungen, sondern, wie oben ausgeführt, auch darüber, wem eine solche gebühre. Der kantonale Gesetzgeber hat gefunden, es sei angemessen, daß Entschädigung auch an Nichtkantonseinwohner bezahlt werde. An seine eigenen Ausführungsbestimmungen zum Bundesgesetz ist der Kanton gebunden und die Bundesbehörden sind berechtigt, ihn zum Vollzug dieser dem Bundesgesetz nicht widersprechenden Normen anzuhalten.

Aber auch abgesehen von der Existenz jener kantonalen Ausführungsbestimmungen ist das Bundesgesetz verletzt. Gemäß Art. 17 desselben hat der Tiereigentümer einen Anspruch auf einen Beitrag an den ihm durch die Tötung entstandenen Schaden.

Ein Schaden ist den Beschwerdeführern entstanden, denn der Rotz ist keine tötliche Krankheit. Rotzkranke Pferde können geheilt werden. Es wird hierfür auf die Mitteilungen Nocards im Bulletin de la Société centrale de médecine vétérinaire (Paris), 1899, Nr. 24, pag. 502, und auf den ,,Jahresbericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Veterinär-Medizin"-, von Ellenberger und Schütz, 1900, pag. 44, verwiesen.

Die Beschwerdeführer berufen sich dafür auch auf Expertise. Die entgegengesetzte Ansicht, welche einem Entscheid der Bundesbehörden in den Siebzigerjahren (Salis, Bundesrecht IV, Nr. 1446) zu Grunde lag, ist von der tierärztlichen Wissenschaft als unzutreffend erkannt.

452 Daß der ,,betreifende11 Kanton, welcher gemäß Art. 18 des Bundesgeset/es die Entschädigung zu leisten hat, stets derjenige ist, dessen Seuchenpolizei den Schaden zufügte, bedarf kaum einer Erörterung. Das ergiebt sich schon aus der Stellung des Artikels im Gesetz. Sodann ist klar, daß dieser Kanton, abgesehen von seiner Verpflichtung, vor allem in seinem eigenen Interesse handelt. Auch der zilrcherische Regierungsrat nahm übrigens in ·dem Entscheid in Sachen Weber an, daß derjenige Kanton welcher tötet, zu bezahlen hat. Von mangelnder Rcciprocität kann, soweit das Entschädigungsbegehren lediglich auf dem Bundesgesetz beruht, schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die Reciprocität im Verhältnis von Kanton zu Kanton durch das Bundesgesetz gewährleistet ist.a

m.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt in seiner Vernehmlassung vom 20. Dezember 1901 Abweisung der Beschwerde ; zur Begründung wird auf folgendes verwiesen : ,,Das Begehren um Entschädigung der auf polizeiliche Anordnung hin abgethanen zwei Pferde stützt sich einerseits auf das Bundesgesetz über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen vom 8. Körnung 1872, anderseits auf das zürcherische Kantonalgesetz betreffend die obligatorische Viehversicherung und die Entschädigung für Viehverlust durch Seuchen vom 17. Mai 1895.

Was nun den ersten Standpunkt anbelangt, so ist diesbezüglich zu sagen, daß das Bundesgesetz in Art. 17 lediglich die Kantone verpflichtet, einen angemessenen Beitrag an den Schaden zu bezahlen, welcher nachweisbar durch das Töten von Tieren zugefügt worden ist. Nun ist aber nach konstanter Bundespraxis das Töten eines an Rotz erkrankten Tieres keine Zufügung eines Sehadens, da das erkrankte Tier so wie so mit Tod hätte abgehen müssen. (Vgl. Salis, IV, Nr. 1446.)

Der Rekurrent behauptet nun zwar, es sei der neuern tierärztlichen Wissenschaft gelungen, Rotz zu heilen, und verweist hierfür auf die Littoratur. Dem gegenüber ist zu bemerken, daß die Heilbarkeit von Rotz nur nachgewiesen ist für rotzähnliche Erkrankungen, Erkrankungen welche sich auf die Lunge beschränken und sich erst im Anfangsstadium befinden. Die abgethanen zwei Pferde Jauchs dagegen zeigten ausgedehnte Verglasung der Lunge und vorgeschrittene Infektion der obern Respirationsorgane, Hals, Kehlkopf und Nasenhöhle, wie aus den beiden

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Sektionsberichten des Bezirkstierarztes vom 11. Mai und 22. Juni 1901, welche beiliegen, hervorgeht.

Professor Hirzel, Direktor des Tierspitals, erklärt unterm 19. Dezember, daß die Jauchschen Pferde als unheilbar angesehen werden müßten.

Der Rekurs ist somit, soweit er sich auf Bundesrecht stützt, abzuweisen. Aber auch das kantonale Gesetz bietet keine Anhaltspunkte zur Gutheißung der Beschwerde. Allerdings sagt das ziireherische Gesetz in §§ 32 und 33 nicht ausdrücklich, daß die Entschädigung für die Tötung kranker Tiere auf die Kantonseinwohner zu beschränken sei ; dagegen geht der Grundsatz aus der Tendenz des ganzen Gesetzes hervor. Dasselbe bezweckt in erster Linie die Einführung der obligatorischen Viehversicherung, wobei es sich selbstredend auf die im Kanton domizilierten Viehbesitzer einesteils und andernteils auf das im Kanton stehende Vieh beschränken mußte; denn der Vieh Versicherungsfonds wird von den Kantonseinwohnern und nicht von den Außerkantonalen geäuffnet; es kann also auch nur derjenige Anrecht auf denselben geltend machen, der Beiträge leistet; und andernteils muß sich die Kontrolle auf das Vieh beschränken, das im Kanton steht. (Vgl. § 19 des citierten Gesetzes.)

Die gegenteilige Ansicht würde übrigens auch zu ganz unhaltbaren Konsequenzen führen; denn wollte man annehmen, der Kanton Zürich habe ohne Rücksicht auf das Domizil Entschädigung für abgethane seuchenkranke Tiere zu leisten, so könnten, zumal bei Rotz, der eine sich sehr langsam entwickelnde Krankheit ist, Kantonsfremde ihre verdächtig erscheinenden Pferde hierorts einführen und der Kanton müßte Gefahr laufen, dieselben bezahlen zu müssen, wenn er sich nicht durch die Impfung und Überwachung aller in den Kanton eingeführten Pferde sichern wollte, eine Maßnahme, die bei dem heutigen gesteigerten Verkehr geradezu als unmöglich bezeichnet werden muß. Gerade der vorliegende Fall bildet eine Illustration zu dieser Ausführung.

Der Tierarzt des Bezirkes Winterthur glaubte anfänglich, der Rotz sei von einem dritten Pferde in den Stall des Fuhrhalters Daniel nach Winterthur eingeführt worden; nun erzeigt es sich aber, daß sowohl das Pferd Jauchs, das in Winterthur verblieb, als dasjenige, das sofort nach Seen bei Winterthur verbracht wurde und nachher mit den übrigen Pferden Daniels nicht mehr in Berührung kam, sehr stark infiziert war, so daß die Dauer der Krankheit bei beiden Pferden auf cirka 3 bis 4 Monate geschätzt wurde. Aus dieser Thatsache zieht Herr Professor Hirzel

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den Schluß, daß eines der Jauchschen Pferde der Träger der primären Infektion gewesen sei. Würde nim der Rekurs gutgeheißen und der Kanton angehalten, den Rekurrenten zu entschädigen, so würde es sich ereignen, daß derjenige Pferdebesitzer, der die Krankheit in den Kanton Zürich eingeschleppt hat und dadurch dem Kanton nicht unbedeutenden Schaden zufügte, dafür eine Entschädigung erhielte, wie sie ihm kein anderer Kanton angeboten hätte.

Diese Auffassung steht keineswegs im Widerspruche mit dem Entscheid des Regierungsrates vom 4. November 1897 in Sachen Weber. Dort handelte es sich um ein Stück Rindvieh, das zur Sommerung im Kanton Schwyz gestanden war und von dort infiziert in den Kanton Zürich zurückkam, wo es dann kurze Zeit nach seiner Rückkehr abgethan werden mußte. Der Entscheid, dahingehend, daß hier der Schaden zu vergüten sei, entspricht durchaus den Vorschriften des Gesetzes und auch der in Sachen Jauch festgestellten Interpretation; denn hier handelte es sich um einen Besitzer, der Beiträge an die Staatskasse lieferte und um ein Stück Vieh, das allerdings erst seit kurzer Zeit, aber doch bereits seit einigen Tagen sich wieder im Kanton befand.

Endlich steht dem Bundesrate die Kompetenz zur Beurteilung des Rekurses, insoweit sich derselbe auf das kantonale Gesetz stutzt, nicht zu. Die Beschwerde stützt sich auf Art. 189, Alinea 2, des Organisationsgesetzes der Bundesrechtspflege, wonach vom Bunde zu erledigen sind die Boschwerden betreffend Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze. Die Zuständigkeit beschränkt sieh somit auf das durch die Bundesgesetze normierte Rechtsgebiet. Die Auslegung der kantonalen Gesetze verbleibt den Kantonsbehörden ; daran ändert nichts, daß in concreto die §§ 32 und 33 des Viehversicherungsgesetzes auf Grund des eidgenössischen Seuchengesetzes erlassen worden sind. (Vgl. Reichet, Note 2 und 4 zu Art. 189.)

Wie bereits ausgeführt, kann sich der Rekurrent nicht wegen Ungleichheit vor dem Gesetze beschweren, da der Entscheid des Regierungsrates mit der konstanten Praxis übereinstimmt und durch die Tendenz des Gesetzes selbst begründet ist.''

IV.

a. Replicando macht die Rekurspartei noch geltend : ,,1. Daß der Ausschluß der kantonsfremden Tiereigentümer in der Tendenz des zürcherisehen Gesetzes liege, ist eine bloße

455 Behauptung, die durch nichts gestützt wird und mit dem Wortlaut des Gesetzes im Widerspruch steht. Die Bestimmungen betreffend die Viehversicherung können zweifellos nicht herangezogen werden ; denn es handelt sich hier nicht um Versicherung, sondern um die Folgen einer Art von Expropriation. Der Regierungsrat hat übrigens in Erwägung 2 des Entscheides in Sachen Weber seinen jetzigen Standpunkt selber widerlegt. Eine ^konstante Praxis" in solchen Fällen existiert, entgegen der durch nichts belegten Ausführung des Rekursgegners, nicht, da den Behörden bisher solche Fälle überhaupt nicht vorgelegen haben.

Die Betrachtung, daß eine andere Behandlung der Sache für den Kanton unangenehme finanzielle Folgen haben könnte, ist irrelevant. Daran hätte allenfalls vor Erlaß des Gesetzes gedacht werden sollen. Übrigens ist die Gefahr nicht groß, da Rotzfälle im Kanton Zürich erfahrungsgemäß überhaupt selten sind. Es wird protestiert gegen die Ausführung, daß die Pferde der Beschwerdeführer die Seuche eingeschleppt haben. Die kantonalen Behörden haben im bisherigen Verfahren selber erklärt, daß nicht die Jauchschen Pferde, sondern dasjenige eines Bloch, Träger der Infektion gewesen seien. Der Rekursgegner ist an seine bisherige thatsächliche Anerkennung, wie sie aus der eingelegten Beilage hervorgeht, gebunden. Daß die beiden Jauchsehen Pferde die Krankheit in den Kanton gebracht haben, ist völlig undenkbar, da die übrigen 4 Pferde desselben Eigentümers, welche zusammen mit den streitigen eingeführt wurden, gesund geblieben sind. Das in Seen getötete Pferd stand vorher auch im Stall des Daniel. Daß dieses Pferd im Juni 1901 seit 3 bis 4 Monaten krank war, spricht doch nicht dafür, daß es im H e r b s t 1900 krank eingeführt worden sei ! Auch Professor Hirzel zieht diesen sonderbaren Schluß in seiner Vernehmlassung vom 13. Juni 1901 nicht.

Der Bundesrat ist kompetent, vom Kanton Zürich die Vollziehung seiner Ausführungsbestimmungen zum Bundesgesetz betreffend die Viehseuchen zu verlangen ; denn gemäß Art. 2 des Bundesgesetzes steht ihm die Überwachung der richtigen und gleichmäßigen Vollziehung des Bundesgesetzes zu. Von einer gleichmäßigen Vollziehung könnte, nicht die Rede sein, wenn es in der Willkür der Kantone stände, die bezüglichen Vorschriften, auch wenn sie nur kantonal sind, anzuwenden oder nicht.
2. Die Beschwerdeführer acceptieren die Anerkennung, daß Rotz heilbar ist. Nachdem kein Versuch zur Heilung gemacht wurde, steht die Ausführung ex post, daß sie hier unmöglich

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gewesen wäre, in der Luft; denn ohne bezügliche Versuche an den streitigen Pferden ist diese Behauptung durchaus unbeweisbar. Die Erklärung des Professor Hirzel, welcher übrigens in diesem Fall als Beamter des Kantons gehandelt hatte, also nicht als unbefangen gelten kann, ändert hieran nichts, um s» weniger als er bei den Sektionen nicht zugegen gewesen ist.

Die Behauptung des Regierungsrates wird von den Beschwerdeführern entschieden bestritten. Es wäre zweifellos Sache des Regierungsrates gewesen, für den Nachweis jener Einrede zu sorgen ; denn billigerweise kann von den Tiereigentümern nicht verlangt werden, daß sie auch noch das Nichtvorhandensein besonderer Verhältnisse, welche einen sonst vorhandenen Schaden ausschließen würden, nachweisen."· b. Der Regierungsrat bemerkt in seiner Duplik vom 23. Januar 1902: ,,Die Herbeiziehung des Falles Weber zur Illustration der Praxis des Regierungsrates erscheint unthunlich, da, wie bereits ausgeführt, es sich in diesem Falle um ein Stück Rindvieh handelte, welches sich in der kantonalen Viehversicherung befand und somit einen ausgedehnteren Schutz genoß als die Pferde des Rekurrenten.

Die Frage, welches Pferd der Träger der Infektion gewesen sei, ist selbstredend heute schwer zu entscheiden ; dagegen ist es unrichtig, wenn gesagt wird, Professor Hirzel habe diese Frage in verschiedenem Sinne beantwortet. In seinem ersten Gutachton drückte er sich allerdings dahin aus, daß wahrscheinlich das Pferd eines gewissen Bloch von Randegg der Infektionsträger sei. Damals lag ihm aber das Sektionsprotokoll über das Pferd Jauchs, das in Seen abgethan worden war, nicht vor, und es ist daher begreiflich, daß er nach Einsicht dieses Protokolls seine Ansicht änderte. Dies ist aus dem von ihm eingereichten Gutachten klar ersichtlich.

Betreffend die Frage der Zuständigkeit beharren wir bei der Ansicht: Es wird festgehalten, daß es dem Bundcsrat nicht zusteht, über die Auslegung des zürcherischen Gesetzes betreffend die Viehversicherung und dessen Absatz III, §§ 32 und 33, zu entscheiden. Dieses Gesetz ist keine ,,Ausführungsbestimmung"' des Bundesgesetzes, sondern ein selbständiges kantonales Gesetz, das allerdings aus der Anregung des Art. 19, Alinea 2, des Bundesgesetzes vom 8. Hornung 1872 entsprungen ist, insofern es die Entschädigung für Viehverlust durch Seuchen regelt.

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Der Rekurrent geht offensichtlich zu weit, wenn er die Ausführung der Rekursbeantwortungsschrift dahin auslegt, es sei anerkannt worden, daß Rotz heilbar sei. Aus dem Gutachten des Herrn Professor Hirzel geht deutlich hervor, daß dieser die rotzähnlichen Erkrankungen der Atmungsorgane, die nach neueren Versuchen manchmal heilbar sind, nicht als den eigentlichen Rotz bezeichnet, bei dem nicht nur die Lunge, sondern Hals, Rachen, Nase u. s. w. infiziert sind. Im Krankheitsstadium, in dem sich die Pferde Jauchs befanden, konnte von einer Heilung gar keine Rede mehr sein und es muß als naiv bezeichnet werden, wenn der Rekurrent der Ansicht ist, es hätten in diesem Falle erst noch Heilversuche angestellt werden sollen. Die Insinuation, Professor Hirzel sei in diesem Falle befangen und könne daher auf seine Ausführung nicht abgestellt werden, wird zurückgewiesen. "

'v.

a. Das zürcherische Gesetz betreffend die obligatorische Viehversicherung und die Entschädigung für Viehverlust durch Seuchen, vom 19. Mai 1895, bestimmt in den §§ 32--33: § 32. Wird zur Bekämpfung einer Seuche (Art. l des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872) das Töten von Pferden, Rindvieh, Ziegen, Schafeu oder Schweinen polizeilich angeordnet, so leistet der Staat : ß. vollen Schadenersatz, wenn ein gesundes Tier getötet werden mußte ; b. einen Beitrag von 80 °/o des Schadens, Desinfektionskosten inbegriffen, wenn kranke Tiere, Futterstoffe, Stroh, Dünger oder Gerätschaften beseitigt wurden.

Der Anspruch auf vollen oder teilweisen Ersatz des Schadens fällt dahin, wenn der Geschädigte den Vorschriften der Bundesgesetze vom 8. Februar 1872 und vom 1. Juli 1886 über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen zuwider gehandelt hat.

§ 33. Der Betrag der Entschädigungen wird auf Grundlage amtlicher Berichte und Anträge von der Sanitätsdirektion festgestellt.

Diese Entschädigungen werden aus der Staatskasse be-^ stritten.

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è. Im Regulativ betreffend das Verfahren bei Ausmittlung dieser Entschädigungen, vom 22. Juli 1897, wird festgesetzt: § 1. Die gemäß §§ 32 und 33 des citierten Gesetzes auszurichtenden Entschädigungen werden auch dann verabfolgt, wenn Tiere an einer Seuche umgestanden sind.

§ 2. Die Entschädigungsforderungen können nur bei nachgenannten Seuchenkrankheiten geltend gemacht werden : I.Rinderpest, 2. Lungenseuche, 3. Rotz und Hautwurm, 4. Milzbrand, 5. Rauschbrand, 6. Stäbchenrotlauf und Schweineseuche.

§ 5. Das Maß der Entschädigungen wird auf Grundlage der Berichte und Anträge der Bezirkstierärzte von der Sanitätsdirektion festgesetzt.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Die Beschwerdeführer stellen beim Bundesrate das Begehren, es sei der Kanton Zürich einzuladen, ihnen als Ersatz ihrer beiden viehseuchenpolizeilich getöteten Pferde den Botrag von Fr. 1080, als 80°/o der amtlichen Schatzungssumme von Fr. 1350, auszuweisen.

Es ist vorab die Frage zu prüfen, ob und wie weit der Bundesrat zum Entscheide dieses Begehrens überhaupt kompetent sei.

a. In Art. 17 des Bundesgesetzes vom 8. Hornung 1872, über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen, ist bestimmt: ,,Wird zur Bekämpfung einer Seuche das Töten von Tieren, die Zerstörung oder das Vergraben von Futter, Stroh, Dünger, Gerätschaften von Gebäudeteilen oder anderem Eigentum polizeilich angeordnet, so haben die Besitzer Anspruch auf einen angemessenen Beitrag an den Schaden, welcher ihnen dadurch nachweisbar zugefügt wird."

Art. 18. ,,Diese Entschädigungen sind von den betreffenden Kantonen zu leisten."

Gemäß den A r t . 19 -- 21 leistet der Bund den Kantonen unter gewissen Voraussetzungen Beiträge an die ihnen durch Vollziehung des Viehseuchengesetzes erwachsenden Auslagen.

459 Nach A r t . ' 2 ist ,,die Ausführung der Bestimmungen des Gesetzes Sache der Kantone. Der Bundesrat überwacht deren richtige und gleichmäßige Vollziehung und trifft in den Fällen, wo sich die Sicherheitsmaßregeln über das Gebiet mehrerer Kantone zu erstrecken haben, die zur Sicherung des notwendigen Zusammenwirkens erforderlichen Anordnungen.a ,,Der Bundesrat ist behufs Durchführung seiner Aufgabe ermächtigt, Kommissäre aufzustellen und dieselben mit amtlichen Befugnissen auszurüsten."

Wenn demnach auch nach Anlage des Gesetzes dessen Ausführung Sache der Kantone ist, so ist doch dem Bundesrat die Oberaufsicht nicht nur über die richtige, sondern auch die gleichmäßige Durchführung desselben zugewiesen. Derselbe hat denn auch dieses Aufsichtsrecht von jeher in eingehendster Weise ausgeübt. (Siehe die in Salis, Bundesrecht, IV, Nr. 1439 bis 1460 abgedruckten Entscheidungen.)

ö. Eine Hauptvoraussetzung des gleichmäßigen wie des richtigen Gesetzesvollzuges bildet nun aber gewiß die strenge Durchführung des Grundsatzes von Art. 17, wonach den Eigentümern von Tieren durch die Kantone ein angemessener Beitrag an den Schaden ausgerichtet wird, der ihnen durch das amtliche Abschlachtenlassen verseuchter Tiere entsteht. Auch könnte ohne t h a t s ä c h l i c h e Anerkennung dieser rechtlichen Beitragspflicht das Gesetz, mit seinen strengen Bestimmungen namentlich bezüglich des Anzeigezwangs (Art. 12 ff.), kaum praktisch durchgeführt werden.

Weiterhin läßt sich ein Oberaufsichtsrecht des Bundes speciell über die Vollziehung des Art. 17 auch aus seiner Beitragspflicht nach Art. 19--21 des Bundesgesetzes begründen.

Es ist demnach ausdrücklich festzustellen, daß der Bundesrat grundsätzlich gum Entscheide von Rekursen kompetent ist, die sich auf die Nichtausrichtung der in Art. 17 des Bundesgesetzes vorgesehenen Schadensbeiträge beziehen. Diese, vom Bundesrat in seiner Entscheidung der in Salis Bundesrecht IV, Nr. 1446, aufgeführten Sache Schaffner ohne eingehendere Begründung zum Ausdrucke gebrachte Auffassung wird auch vom schweizerischen Bundesgericht im Entscheid derselben Rekursangelegenheit geteilt: Gesetzesverletzungen in diesem Gebiet können verhindert, oder aufgehoben werden, da ,,über den kantonalen Behörden noch als unparteiische Oberbehörde der Bundesrat steht, welcher die gehörige Vollziehung des mehrerwähnten Gesetzes zu über-

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wachen hat und an den Beschwerden wegen Nichthandhabung oder ungenügender Ausführung jenes Gesetzes gerichtet werden können.11 (E. B.'Ger. A. S. IVJ 2, 1878, Nr. 80, insbesondere S. 475/476, Erw. 7.)

Es ist also auf die Beschwerde einzutreten.

II.

Es erhebt nun aber die Regierung des Kantons Zürich die Einrede, daß der Bundesrat nur insoweit zur materiellen Beurteilung der vorliegenden Beschwerdesache kompetent sei, als durch die regierungsrätliche Verfügung das Bundesrecht verletzt worden sei, nicht aber insoweit kantonales Gesetzesrecht in Frage kommen könne.

Dem Regierungsrate ist darin beizustimmen, daß der Bundesrat sowohl nach Anlage des eidgenössischen Viehseuchenpolizeigesetzes, dessen Ausführung grundsätzlich den Kantonen zugewiesen ist, als nach Art. 189 des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege nur Rekursinstanz ist bezüglich der Anwendung des ,,auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetzes", nicht aber auch bezüglich der Auslegung und Anwendung kantonaler Bestimmungen über Viehseuchenpolizei, sofern nicht etwa gerade durch diese oder ihre Anwendung das Bundesgesetz verletzt oder mißachtet werden will.

m.

Der ganze Streit zwischen der Regierung 'des Kantons Zürich und den Beschwerdeführern dreht sich nun darum, ob der Kanton Zürich verpflichtet ist, seine eigenen kantonalen Vollziehungsbestimmungen über die Entschädigung betreffend seuchekranker Tiere, welche Bestimmungen allerdings keinen Teil des Bundesrechtes bilden, auch dann zur Anwendung zu bringen, wenn der Viehbesitzer nicht im Kanton wohn!.

Man könnte zunächst versucht sein, den Standpunkt der Zürcher Regierung gelten zu lassen, wenn man davon ausgeht, daß das kantonale Gesetz betreffend die obligatorische Viehversichcrung und die Entschädigung für Viehverlust durch Seuchen vom 19. Mai 1895 in seinem § 32, litt. &, der hier zur Anwendung gelangen wurde, einen höhern Schadenersatzbetrag (einen Beitrag von 80°/o des Schadens) gewährt, als der Kanton bundesrechtlica zu leisten verpflichtet wäre. Denn der Viehbesitzer erleide durch die Tötung eines rotzkranken Tieres über-

461 haupt keinen Schaden, indem das Tier in der Regel an der Krankheit doch zu Grunde gehe. Wenn also der Viehbesitzer, der in concreto nur die Möglichkeit der Heilung des Rotzes, überhaupt nicht des am Rotz erkrankten abgethanen Tieres behauptet und insbesondere nicht nachgewiesen habe, daß im gegebenen Falle Heilung möglich gewesen wäre, mit seinem auf Grundlage des einzig im kantonalen Rechte begründeten Privilegiums erhobenen Begehren abgewiesen worden sei, so könne hierin nur eine Verletzung des kantonalen, aber nicht des Bundesrechtes liegen.

Dieser Standpunkt erweist sich aber bei näherer Prüfung .als unhaltbar.

Zunächst ist abzulehnen, daß die Bestimmung des kantonalen Gesetzes schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen könne, weil sie in dem Gesetze über Viehversicherung stehe, welches eine der Natur der Sache nach nur für zürcherische Viehbesitzer 'bestehende Viehversicherung schaffe. Einmal bezieht sieh seinem Titel nach das kantonale Gesetz nicht nur auf die obligatorische Viehversicherung, sondern auch auf ,,die Entschädigung für Viehverlust durch Seuchen.tt Ferner leistet die Viehversicherungskasse nach § 25 keine Entschädigung, wenn ·der Besitzer nach § 32 dieses Gesetzes (also bei polizeilicher Tötung in Seuchenfällen) entschädigt wird.a Endlich stellt sich § 32 -selbst ausdrücklich als eine Vollziehungsbestimmung zu dem Bundesgesetz vom 8. Februar 1872 über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen dar, indem auf die zur Bekämpfung einer Seuche verfügten Maßregeln hingewiesen wird und die Leistungen des Staates bei polizeilicher Tötung kranker Tiere als ,,Beitrag" an den Schaden des Viehbesitzers, entsprechend Art. 17 des Bundesgesetzes bezeichnet werden. Zugegeben ist, daß der Kanton Zürich bundesrechtlich nicht verpflichtet war, einen so hohen Beitrag (80% des Schadens) für die in litt, b des § 32 des kantonalen Gesetzes angesehenen Fälle als staatliche Entschädigungsleistung zu bestimmen. Nachdem er dies aber einmal gethan hat, kann er in der Vollziehung keinen Unterschied machen zwischen eigenen und fremden Kantonsangehörigen. Das polizeiliche Verfahren zur Bekämpfung der Seuche muß naturgemäß da stattfinden, wo die Seuche um sich greift und deshalb fällt auch die Befriedigung .der dem Viehbesitzer zustehenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Beitragsleistung an den Schaden demjenigen Kanton zu, der diese polizeilichen, den Scha·den verursachenden Maßnahmen getroffen hat, gleichgültig, ob

462 der Viehbesitzer in diesem oder in einem ändern Kanton wohnt.

Weder dem Heimat- noch dem Wohnsitzkanton, des Viohbesitzers kann eine Verpflichtung zur Entschädigung auferlegt werden. Eine Verweisung des Rekurrenten an den Kanton Uri, um dort Entschädigungsansprüche geltend zu machen, ist deshalb ausgeschlossen.

Dies ist auch der Sinn des Art. 18 des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen, welcher bestimmt: ,,Diese Entschädigungen sind von den betreffenden Kantonen zu leisten.a Unter den ,,betreffenden Kantonen"1 können nur diejenigen gemeint sein, in denen die Viehseuche herrschte und welche die polizeilichen Verfügungen getroffen haben.

Der aus dem Bundesreeht sich .ergebende Rechtssatz ist allerdings nur dahin zu fassen, daß Beiträge an den durch gewisse polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Viehseuchen entstandenen Schaden von dem Kanton, der diese Maßnahmen getroffen hat, zu leisten sind, wobei die Bestimmung des Maßes der Entschädigung den Kantonen überlassen bleibt und die Bundesbehörden nur darüber zu wachen haben, daß dieser Beitrag ein ,,angemessener" ist (Art. 17 des ßundesgesetzcs).

Dieser Satz wird aber auch dadurch verletzt, wenn ein Kanton sich weigert auf Grundlage des von ihm selbst festgesetzten Maßstabes einem betroffenen Viehbesitzer überhaupt einen Beitrag zu leisten.

Bundesrechtlich wäre allerdings der Viehbesitzer verpflichtet, einen Nachweis dafür zu erbringen, daß er überhaupt einen Schaden erlitten hat; denn Art. 17 des Viehseuchenpolizeigesetzes spricht von einem Beitrag an den Schaden, welcher den Viehbesitzern ,,nachweisbar"- zugefügt wird. Diesen Nachweis hätte der Viehbesitzer zu erbringen, wenn er einen Anspruch erheben, will. Der Kanton Zürich hat aber die Vollziehung des Bundesgesetzes so eingerichtet, daß er auf den Nachweis des Schadens durch den Viehbesitzer verzichtet. Das mehrfach angeführte Zürcher Gesetz enthält diesen Verzicht in der Weise, daß es einen abstrakten Maßstab für den Beitrag an den Schaden festsetzt (80°/o). Das kantonale Gesetz geht also von der Voraussetzung aus, daß in jedem Falle ein Sehaden entstanden ist und befreit damit den Viehbesitzer von dem sonst durch ihn zu leistenden Schadensnachweise. So hat auch der Regierungsrat des Kantons Zürich das kantonale Gesetz in dem Präcedenzfalle Weber

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(Entscheid vom 4. November 1897) dahin ausgelegt, daß ,,die Entschädigung für auf polizeiliche Anordnung getötete Tiere nur an die einzige selbstverständliche Bedingung geknüpft ist, daß der Geschädigte den eidgenössischen Polizeivorschriften über Viehseuchen nicht zuwidergehandelt habe."

Bei diesem Verzicht auf den Schadensnachweis ist derKanton aber auch bundesrechtlich zu behaften ; er kann nicht für den einzelnen Fall durch bloßen Verwaltungsentscheid von den für die Vollziehung des Bundesgesetzes aufgestellten allgemeinen Normen abgehen.

Im vorliegenden Falle ist das Maß des vom Kanton zu leistenden Beitrages auch gar nicht bestritten, indem der Regierungsrat die thatsächlichen Behauptungen der Rekursschrift zugestanden hat. Bestritten ist einzig die Pflicht zur Entschädigungsleistung. Diese ergiebt sich aber nach den obigen Ausführungen direkt aus dem Bundesrechte. Sobald dies feststeht,, kann die Verpflichtung des Kantons aber nicht anders erfüllt werden, als auf Grund der von ihm selbst gesetzten Vollziehungsvorschriften.

Eine andere Lösung würde sich auch mit dem Prinzip der Gleichbehandlung vor dem Gesetze in Widerspruch befinden,, welches in Art. 60 der Bundesverfassung seinen Ausdruck nach der Richtung gefunden hat, daß die Kantone verpflichtet sind, alle Schweizerbürger in der Gesetzgebung den Bürgern des eigenen Kantones gleich zu halten. Dieses Grundprinzip schweizerischen Verfassungsrechtes muß aber auch gelten für die in Vollziehung von Bundesgesetzen von den Kantonen erlassenen Normen. Das erforderliche Gleichmaß in der Vollziehung bleibt nur dann gewahrt, wenn diese Normen auf jeden Schweizerbürger zur Anwendung gelangen.

Wenn auch bei der Kompetenzausscheidung zwischen Bundesgericht und Bundesrat durch das Organisationsgesetz vom 22. März 1893 die Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung der Art. 4 und 60 der Bundesverfassung dem Bundesgerichte zugewiesen ist, so handelt es sich im gegenwärtigen Rekursfalle doch wesentlich um eine Verletzung der bundesrechtlichen Bestimmungen über die Viehseuchenpolizeigesetzgebung, deren Überwachung dem Bundesrate zugewiesen ist. Es steht also in erster Linie nicht die Beurteilung und Entscheidung des.

dem Bundesgerichte zugeschriebenen Individualrechtes auf rechtsgleiche Behandlung in Frage, sondern die Vollziehung des Vieh-

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seuchenpolizeigesetzes. Wie bei seinen Entscheidungen aus dem Gebiete der Handels- und Gewerbefreiheit der Bundesrat sich die Kompetenz beimißt, auch die Frage der Rechtsgleichheit, soweit sie mit der Hauptfrage in untrennbarem Zusammenhange steht, mitzuprüfen, so läßt sich auch in der Viehseuchenpolizei die gleichmäßige Vollziehung des Gesetzes nicht von der Vollziehung des Gesetzes trennen (vergleiche Entscheid des Bundesrates in Sachen Luginbühl B. G. 1898, Band III, pag. 676 ff., Bericht des Bundesgerichts in gleicher Sache an den Bundesrat^ ib. Band V, pag. 120, und Korrespondenz zwischen dem Bundesrate und dem Bundesgerichte, Bundesbl. 1895, Band III, pag.

181 ff.) Der Bundesrat ist also auch zur Prüfung der Frage der Vollziehung des Viehseuchenpolizeigesetzes vom Gesichtspunkte der Art. 4 und 60 der Bundesverfassung zuständig.

Wenn nach diesen Ausführungen auch der Rekurs grundsätzlich begründet erklärt werden muß, so muß es doch den kantonalen Behörden überlassen bleiben, an der Hand der kantonalen Bestimmungen die Höhe des Entschädigungsbeitrages festzusetzen.

Demnach wird e r k a n n t : 1. Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen begründet erklärt.

2. Die Zürcher Regierung wird eingeladen, dafür zu sorgen, daß den Beschwerdeführern J. Jauohs Söhnen, in Altdorf für zwei im Mai und Juni 1901 infolge seuchenpolizeilicher Maßnahmen getötete Pferde ein Beitrag von 80°/o des Schadens, nach Maßgabe von § 32, litt. &, des Gesetzes des Kantons Zürich vom 19. Mai 1895, betreffend die obligatorische Viehversicherung und die Entschädigung für Viehverlust ausbezahlt wird.

B e r n , den 17. Mär/, 1902.

Im Namen des Schweiz. Bündesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von J. Jauchs Söhne, in Altdorf, gegen Zürich, betreffend Entschädigung für viehseuchenpolizeiliche Tötung von Pferden. (Vom 17. März 1902.)

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