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Bundesrats eschluß über

die Beschwerde des Christian Gerber in Trubschachen gegen die Regierung des Kantons Bern, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schlachthauszwang).

(Vom 17. Januar 1902.)

Der schweizerische Bundes rat hat

über die Beschwerde des C h r i s t i a n G e r b e r in Trubschachen gegen die Regierung des Kantons Bern, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schlachthauszwang) auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden B e s c h l u ß g e f a ß t :

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Unterm 2. November 1900 hat die Einwohnergemeinde Langnau einer Schlachthausverordnung vom 15. Oktober 1900 die Genehmigung erteilt, die unter anderm folgende Bestimmungen enthält : § 1. Alles Schlachten von Groß- und Kleinvieh, dessen Fleisch für den Verkauf bestimmt ist, darf nur in dem öffentlichen Schlachthause stattfinden.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. I.

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§ 17. Für die Benützung des Schlachthauses und für die Fleischschau sind folgende Gebühren zu bezahlen : l: Für Großvieh und Pferde per Stück . . . . Fr. 5. -- 2. Für Kälber ,, 1. 50 3. Für Schweine ,,2.-- 4. Für Schafe und Ziegen ,, 1. -- In § 20 werden Zuwiderhandlungen gegen die Verordnungsbestimmungen mit Bußen bis zu Fr. 200 bedroht, und es wird überdies Konfiskation von solchem Fleisch als zulässig erklärt, das von außerhalb des Schlachthauses geschlachteten Tieren stammt.

II.

Gegen diese Verordnung erhob Christian Gerber, Metzger in Trubschachen, beim Regierungsrat des Kantons Bern Beschwerde und stellte das Gesuch: es möchte derselben hinsichtlich der Bestimmung des § l die staatliche Sanktion nicht erteilt werden.

Mit Schlußnahme vom 23. Januar 1901 wies der Regierungsrat die Einsprache ab und erteilte der Verordnung die Genehmigung, weil dieselbe weder den gesetzlichen Vorschriften über diese Materie widerspreche, noch aus der Mitte der Einwohnergemeindeversammlung einer Opposition begegnet sei.

III.

Den 22. Februar/5. März 1901 reichte Christian Gerber gegen diesen Beschluß beim Bundesrate die staatsrechtliche Beschwerde ein, mit der Beifügung, daß derselbe Rekurs auch dem schweizerischen Bundesgerichte übermittelt worden sei. Er stellt das Begehren um Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsbeschlusses und der angefochtenen Verordnungsbestimmung. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt : A. Vom formellen Standpunkte aus wird vorerst die V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t des Regierungsbeschlusses bestritten.

I. Nach Art. 48 der Staatsverfassung des Kantons Bern vom 4. Juli 1893 sollen alle Entscheidungen in Verwaltungsstreitigkeiten und alle Beschlüsse von Regierungsbehörden, die sich auf einzelne Personen oder Korporationen beziehen, motiviert werden.

Christian Gerber bestreitet, daß der Entscheid des Regierungsrates vom 23./2S. Januar 1901 motiviert worden sei, denn der Umstand, daß an der Einwohnergemeindeversammlung niemand

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gegen die angefochtene Verordnung opponiert habe, kann doch kein Motiv dafür sein, daß durch dieselbe die verfassungsmäßige Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzt worden sei.

II. Allein auch abgesehen hiervon, liegt im fraglichen Genehmigungsbeschluß, beziehungsweise in der damit sanktionierten Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau, soweit es die hiervor erwähnten Bestimmungen in §§ l und 20 betrifft, eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger.

III. Die Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau stützt sich gemäß § l auf eine Verordnung des bernischen Regierungsrates über das Schlachten von Vieh und über den Fleischverkauf, vom 14. August 1889, welche ihrerseits angeblich in Ausführung von Art. 14 des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln u. s. w., vom 26. Februar 1888, erlassen worden ist. Es rechtfertigt sich, diese Erlasse einer genauem Prüfung zu unterziehen.

1. Das Gesetz vom 26. Februar 1888 enthält im wesentlichen nur Bestimmungen über die Aufsicht, über den Verkehr mit Nahrungsmitteln und eine Anzahl neuer Strafbestimmungen.

In § 14 desselben wird bestimmt: ,,Der Regierungsrat erläßt in Vollziehung dieses Gesetzes diejenigen Verordnungen, welche zur Handhabung der Aufsicht über den Verkehr mit den unter dieses Gesetz fallenden Nahrungsoder Genußmitteln oder Gebrauchsgegenständen erforderlich sind.a Unter Ziffer 3 dieser Bestimmung wird unter anderai auch auf eine Verordnung bezüglich des Schlachtens von Vieh und dessen Methode hingewiesen.

Es kann sich diese Verordnung also nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur auf Ausführungsbestimmungen betreffend die Handhabung der Aufsicht beziehen.

2. Über derartige Ausführungsbestimmungen geht es nun aber zweifelsohne weit hinaus, wenn in Art. 3 der Verodnung vom 14. August 1889 bestimmt wird, daß da, wo öffentliche Schlachthäuser bestehen, die Metzger, welche innerhalb eines vom Genieinderate zu bestimmenden Kreises wohnen, gezwungen seien, in demselben zu schlachten. Und noch viel weiter geht die Schlachthausverordnung von Langnau, welche nicht nur einen Kreis um die Ortschaft Langnau herum für die Benutzung des öffentlichen Schlachthauses bestimmt, sondern gleich die ganze große Gemeinde diesem Zwang unterstellt. Es maßen sich damit

276 der Regierungsrat sowohl, als die Gemeindebehörden von Langnau eine Kompetenz zu gesetzlichen Erlassen an, welche ihne'n naeh der Verfassung keineswegs zusteht.

3. Es wird das ohne weiteres klar aus dem fernem Umstände, daß durch die Sanktion der fraglichen Verordnung zu Kraft bestehende gesetzliche Vorschriften verletzt werden.

Wie die Bundesverfassung, so garantiert auch Art. 81 der Kantonsverfassung die Handels- und Gewerbefreiheit und fügt bei : ,,Beschränkungen kann das Gesetz innert den durch die Bundesverfassung gezogenen Schranken treffen."

Für diese Beschränkungen ist also einzig und allein die Gesetzgebung maßgebend. Nun enthält aber das bezügliche bernische Gesetz über das Gewerbewesen vom 7. November 1849 folgende zu Recht bestehende Bestimmungen: ,,§ 3. Den Kantons- und Schweizerbürgeru steht unter Beachtung der nachfolgenden Bestimmungen und der die einzelnen Gewerbe besonders betreffenden Gesetze das Recht der freien Ausübung eines jeden Gewerbes zu."

Nach § 14 bedarf es für die Errichtung gewerblicher Anlagen, darunter auch der Fleischerbänke und Schlachtlokale, einer Einrichtungsbewilligung, und nach § 15 darf die Ausstellung einer solchen Bewilligung nicht verweigert werden, sobald allen polizeilichen Vorschriften ein Genüge geleistet wird.

Daß diese gesetzliche Bestimmung noch zu Recht besteht, und durch das Lebensmittelpolizeigesetz von 26. Februar 1888 in keiner Weise alteriert worden ist, ergiebt sich wohl am besten aus der Thatsache, daß Christian Gerber, gestützt auf dieselben, unterm 14. Dezember 1894 eine Bau- und Einrichtungsbewilligung für sein Schlachtlokal und einen Gewerbeschein für das darin auszuübende Metzgereigewerbe erhalten hat. Er ist also auf Grund der Verfassung und des Gesetzes berechtigt, in diesem Schlachtlokal zu schlachten.

4. Die Handhabung der Aufsicht über das Schlachten steht denn auch in der That in keiner Beziehung zu dem Zwang für alle Metzger einer Gemeinde, in einem öffentlichen Schlachthaus schlachten zu müssen. Diese Aufsicht ist ja in der fraglichen Verordnung vom 14. August 1889 ganz genügend geordnet.

5. Wenn also ein förmlicher Zwang zum Schlachten in einem öffentlichen Schlachthause eingeführt werden wollte, so konnte das nur auf dem Wege des Gesetzes geschehen ; eine derartige, in die

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wohlerworbenen Rechte des Bürgers tief eingreifende Vorschrift kann nimmermehr, im Widerspruch zu dem bestehenden Gesetz, auf dem Wege einer einfachen Verordnung. des Regierungsrates oder einer Gemeinde vorgenommen werden. Sie kann daher nach Art. 6 der Verfassung des Kantons Bern nur durch den Großen Rat in Verbindung mit der Annahme durch das Volk eingeführt werden, und es wird somit durch diese Verordnungen ein verfassungsmäßiger Grundsatz verletzt.

B. Allem auch m a t e r i e l l enthält diese Verordnung eine V e r l e t z u n g verfassungsmäßiger Rechte.

I. Einmal ist darin eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit zu erblicken (Art. 31 der Bundesverfassung und Art. 81 der Kantonsverfassung). Es ergiebt sich das aus folgenden Thatsachen : 1. Die Gemeinde Langnau umfaßt ein Gebiet von weit über 100 Quadratkilometer. Außer dem eigentlichen Dürfe Langnau verteilt sich die Bevölkerung auf eine große Zahl vereinzelter Gehöfte und Häusergruppen im ganzen Gemeindegebiete herum.

Aus dem obern Teile des obern Frittenbaches beträgt die Wegentfernung nach dem Dorfe Langnau cirka 6 km., des Gohlgrabens cirka 10 km., des Wyttenbachgrabens cirka 6 km. und von Trubschachen, d. h. dem zur Gemeinde Langnau gehörenden Dorfteil westlich des Trabbaches, in welchem Christian Gerber sein Schlachtlokal hat und sein Metzgereigewerbe betreibt, 5,5 km.

2. Durch den Zwang, alles Vieh, d. h. nicht nur die großen Schlachttiere, sondern jedes Schwein, jedes Schaf, jede Ziege, jedes Zicklein, das geschlachtet werden soll, auf so große Entfernungen in das öffentliche Schlachthaus zu führen und das geschlachtete Fleisch auf dem gleichen Wege wieder nach Hause in das eigene Schlacht- und Verkaufslokal zu transportieren, wird die Ausübung des Metzgereigewerbes für alle auf so große Entfernungen domizilierten Metzger, namentlich auch für Christian Gerber, geradezu unmöglich gemacht. Er muß Roß und Wagen anschaffen und unterhalten, für jedes Schwein, das er schlachten will, einen halben Tag versäumen, große Schlachtgebühren bezahlen ; dies alles veranlaßt derartige Kosten und Zeitversäumnisse, daß es unmöglich ist, gegenüber den im Dorfe selbst oder in den benachbarten Gemeinden niedergelassenen Metzgern konkurrenzfähig zu bleiben. Für Christian Gerber ist das um so mehr der Fall, als er an der äußersten Peripherie der Gemeinde Langnau

278 domizüiert ist und, abgesehen von denjenigen Fleischlieferungen, welche er mit der Eisenbahn weiter spediert, seinen Fleischabsatz fast ausschließlich in der Gemeinde Trubschachen hat.

In letzterer sind aber noch andere Metzger etabliert, welche diese außerordentlichen Kosten und Umtriebe nicht haben. Es ist geradezu widersinnig, ihm zuzumuten, in Langnau zu schlachten, trotzdem er sein Fleisch ausschließlich in einer Nachbargemeinde und auswärts zum Verkaufe bringt.

3. Zudem hat das kantonale Lebensmittelgesetz einzig und allein aus Gründen der Gesundheitspolizei das Metzgereigewerbe gewissen Beschränkungen unterworfen. Mit der Gesundheitspolizei hängt nun das öffentliche Schlachthaus in Langnau in dem ihm gegebenen Benutzungsumfange in keiner Weise zusammen.

Gerber besitzt ein eigenes Schlachtlokal, das allen gesetzlichen und sanitarischen Vorschriften entspricht und für dessen Erstellung und Benutzung die staatliche Bewilligung ausdrücklich erteilt wurde. Er ist auch der polizeiliehen Fleischschau gemäß der Verodnung vom 14. August 1889 unterworfen, und es sind damit alle gesetzlichen Garantien gegeben, daß aus seinem Schlachtlokal nur gesundes Fleisch zum Verkaufe gelangt.

Wenn er gezwungen wird, sein Schlachtvieh fünf Viertelstunden weit nach Langnau zu treiben und das geschlachtete Fleisch wieder fünf Viertelstunden weit auf heißer, staubiger Landstraße zurück zu' transportieren, so ist es für jeden Laien verständlich, daß darunter namentlich im Sommer die Qualität des Fleisches außerordentlich leiden muß. Es greift also vom sanitarischen Standpunkt aus durch das Schlachten im Schlachthaus in Langnau für ihn und seine Abnehmer nicht nur keine Verbesserung, sondern eine ganz wesentliche Verschlechterung Platz.

4. Der fraglichen Bestimmung der Schlachthausverordnung von Langnau lagen vielmehr nur Bequemlichkeits-, Finanz- und lokale Konkurrenzinteressen zu Grunde. Damit für die ganze große Gemeinde nur ein Fleischschauer angestellt werden muß, damit die Kosten des Schlachthauses einigermaßen gedeckt werden können und damit vor allem nur die im Dorfe Langnau selbst angesessenen Metzger ihr Gewerbe ausüben können, die Auswärtswohnenden aber das ihrige einstellen müssen, dafür ist in Wahrheit diese Bestimmung erlassen worden.

II. Die Verordnung verletzt aber auch den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 72 der kantonalen und Art. 4 der Bundesverfassung).

279 1. Die angegriffene Bestimmung stipuliert für die im Dorfe Langnau niedergelassenen Metzger ein Vorrecht. Dadurch, daß alle auswärtigen Metzger gezwungen werden, stundenweit mit ihrem Schlachtvieh nach Langnau zu kommen und dort zu schlachten, erhalten die am Orte selbst angesessenen Metzger ein besonderes Privilegium, welches ihnen ermöglicht, die Konkurrenz der erstem zu verunmöglichen.

2. Eine Ungleichheit vor dem Gesetz liegt auch darin, daß alle nicht in der Gemeinde Langnau, aber unmittelbar jenseits der Grenze domizilierten Metzger dieser Beschränkung ihres Gewerbes nicht unterliegen, vielmehr zu Hause schlachten können und somit die hohe Schlachtgebühr, die großen Transportauslagen, Zeitversäumnisse u. s. w. nicht zu tragen haben, ihr Fleisch aber gleichwohl in der Gemeinde Langnau vertreiben und verkaufen können. Diese Ungleichheit ist gerade im vorliegenden Fall in die Augen springend. Cirka 200 m. vom Schlachthause des Gerber entfernt, aber jenseits der Gemeindegrenze, befindet sich die Metzgerei eines Konkurrenten, der den Polizei- und Finanzverordnungen der Gemeinde Langnau nicht unterworfen ist. Es liegt auf der Hand, daß Gerber mit diesem Konkurrenten, der morgens früh sein ohne Kosten frisch geschlachtetes Fleisch verkauft, während er selbst den Weg nach Langnau zuerst doppelt zurücklegen, dort schlachten und die hohe Schlachtgebühr bezahlen muß, nicht mehr konkurrieren kann.

C. Was endlich die S t r a f b e s t i m m u n g e n anbetrifft, so ist auch für sie das hiervor sub A Gesagte maßgebend. Ist der Regierungsrat nicht kompetent, im Widerspruch mit Verfassung und Gesetz eine derartige Verordnung zu erlassen oder zu sanktionieren, so ist er natürlich noch viel weniger befugt, für Widerhandlungen gegen dieselbe Strafbestimmungen aufzustellen. Es ist dies einzig und allein Sache des Gesetzgebers. Soweit daher diese Strafbestimmungen sich auf den Zwang des Schlachtens in dem öffentlichen Schlachthause beziehen, sind dieselben verfassungswidrig.

Und vollends verfassungswidrig ist die Bestimmung hinsichtlich der Zulässigkeit der Konfiskation des Fleisches von Tieren, welche außerhalb des Schlachthauses geschlachtet wurden. Das Gesetz vom 26. Februar 1888 zählt in § 12, Art. 332, c, genau die Fälle auf, in denen die Konfiskation verhängt werden darf.

Wenn daher die Gemeinde Langnau und der bernische Regierungsrat durch die vorbehaltlose Sanktion der bezüglichen Ver-

280 Ordnung diese Fälle der Konfiskation in gänzlich ungerechtfertigter Weise auch auf den Fall der Nichtbenutzung des öffentlichen Schlachthauses ausdehnen, so bildet das eine Abänderung des Gesetzes, zu der diese Behörden verfassungsmäßig nicht kompetent sind und die daher, weil verfassungswidrig, nicht Anspruch auf Gültigkeit hat.

Es ergiebt sich aus diesen Ausführungen, daß die angefochtenen Bestimmungen der Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau, beziehungsweise der Sanktionsbeschluß des Regierungsrates des Kantons Bern vom 23./28. Januar 1901, sowohl ihrer Form, als ihrem Inhalte nach eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger bilden und daß damit der staatsrechtliche Rekurs an die Bundesbehörden begründet ist.

Als Beweismittel werden beigelegt : 1. Die Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau, vom 15. Oktober, 2. und 20. November 1900 und 23. Januar 1901.

2. Entscheid des Regierungsrates, vom 23./2S. Januar 1901.

3. Bau-und Einrichtungsbewilligung, vom 14. Dezember 1894.

4. Gewerbescheine, vom 12. April 1884 und 25. Februar 1901.

Eventuell beruft sich Gerber auch auf Augenschein der Behörden und Expertise.

Dieser Rekurs wird, soweit es die Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit anbetrifft, an den Tit. hohen Bundesrat, soweit es die Verletzung der übrigen verfassungsmäßigen Rechte anbetrifft, an das Tit. hohe schweizerische Bundesgericht gerichtet.

Da gegen Christian Gerber unmittelbar nach der Eröffnung des regierungsrätlichen Entscheides eine Strafanzeige wegen Widerhandlung gegen § l der Schlachthausverordnung eingereicht worden ist, und somit rechtliche Interessen derselben als bedroht erscheinen, stellt er gleichzeitig an die zuständigen Behörden das Gesuch : ' Es sei durch eine vorsorgliche Verfügung die rechtliche Wirksamkeit der angefochtenen Verordnung bis zur rechtskräftigen Beurteilung des vorliegenden staatsrechtlichen Rekurses zu sistieren.

IV.

Den 6. März 1901 eröffnete der Bundesrat den in Art. 194 des Organisationsgesetzes vorgesehenen Meinungsaustausch bezüglich Kompetenz und Priorität der Behandlung mit dem schwei-

281 zerischen Bundesgerichte ; den 10. August übermittelte dasselbe sein in Sachen gefälltes Urteil vom 12. Juni 1901.

Auf den Rekurs wurde, soweit er sich auf die behauptete Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit bezieht, nicht eingetreten; im übrigen wurde er, unter Aufhebung der vom Präsidenten der II. Abteilung des Bundesgerichts am 11. März 1901 erlassenen provisorischen Verfügung, · gestützt auf folgende Erwägungen abgewiesen : 1. Soweit der Rekurrent Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit rügt, ist gemäß Art. 189, Ziffer 3, des Organisationsgesetzes nicht das Bundesgericht, sondern der Bundesrat zur Entscheidung zuständig; auf diesen Teil der Beschwerde ist daher nicht einzutreten.

2. Der Beschwerdegrund der Nichtmotivierung1 des angefochtenen Beschlusses ist hinfällig; da der Beschluß, wenn auch etwas summarisch, immerhin motiviert ist, auch die Gründe der Abweisung der Einsprache des Rekurrenten nicht etwa nur vorgeschoben sind, oder solche, die die Abweisung in keiner Weise begründen würden.

3. Der weitere Beschwerdegrund des Eingriffes in das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt ist ebenfalls unbegründet. Zunächst kann wohl von einer Anfechtbarkeit der regierungsrätlichen Verordnung vom 14. August 1889 heute keine Rede mehr sein, sondern nur von einer Anfechtbarkeit der darauf gestützten Bestimmungen der Schlachthausverordnung. Allein mit Recht führt der Regierungsrat aus, daß der dort vorgesehene Schlachthauszwang aus der dem Regierungsrate eingeräumten Polizeiaufsicht über das Metzgergewerbe hergeleitet werden kann, so daß er auf gesetzlicher Grundlage steht.

4. Endlich ist vom Regierungsrat auch zutreffend ausgeführt worden, daß nicht eine r e c h t l i c h ungleiche Behandlung des Rekurrenten stattfindet, sondern daß diese Ungleichheit in den thatsächlichen Verhältnissen begründet ist.

V.

Den 13. August zur Anbringung allfälliger Gegenbemerkungen auf die vom Bundesrate zu behandelnden Beschwerdepunkte eingeladen, beantragt der Regierungsrat des Kantons Bern in seiner Vernehmlassung vom 13. September Abweisung der Beschwerde.

Er führt aus:

282 In der Hauptsache geäugt es, darauf aufmerksam zu machen, daß die grundsätzliche Frage, um die es sich bei dem Rekurs an den Bundesrat handelt, durchaus die gleiche ist, welche derselbe in seinen Entscheiden vom 5. April 1882 und vom 1. Juni 1883 über den Rekurs Barmettler gegen die Regierung von Nidwaiden und über den Rekurs von Metzgern der Gemeinde Bern gegen die Regierung von Bern erörtert hat, und daß beide Entscheide feststellen, es sei der Schlachthauszwang mit dem bundesverfassungsmäßigen Prinzip der Gewerbefreiheit wohl vereinbar.

In betreff der Behauptung des Rekurrenten sodann, es werde ihm durch die Anwendung der Schlachthauszwangsvorschrift die Ausübung seines Gewerbes verunmöglicht, wird auf den viertletzten Absatz der Rekursantwort an das Bundesgericht verwiesen, und bloß noch hervorgehoben, daß Trubschachen eine gute Eisenbahnverbindung mit Langnau besitzt, vermöge deren Gerber jeweilen in wenigen Minuten das Gemeindeschlachthaus erreichen kann. Es ist daher durchaus nicht nötig, für Gerber gegenüber den ändern Metzgern der Gemeinde Langnau eine Ausnahme zu machen, was übrigens auch deshalb unstatthaft wäre, weil dann unvermeidlicherweise eine Menge Gesuche um Gestattung ähnlicher Ausnahmen einlaufen würden, und schließlich niemand mehr wüßte, wo die Grenze zu ziehen wäre.

In seiner Vernehmlassung an das schweizerische Bundesgericht, auf die im weitern verwiesen wird, hat der Regierungsrat mit Bezug auf die behauptete Verletzung der Art. 4 und 31 der Bundesverfassung geltend gemacht: Der Rekurs versteigt sich zu der Behauptung, die Gemeinde Langnau habe das öffentliche Schlachthaus nur deshalb errichtet, um an Fleischschaugebühren zu profitieren und sich ein paar Fleischschauerbesoldungen zu ersparen. Wenn man dies, liest, so möchte man beinahe vermuten, der Rekurrent stelle sich vor, es sei mit der Aufsicht über den Fleischverkehr desto besser bestellt, je mehr Aufsichtsstellen vorhanden sind. Davon ist aber gerade- das Gegenteil richtig. Die centralisierte und einheitliche Fleischschau im Gemeindeschlachthaus ist erfahrungsgemäß und aus leicht begreiflichen Gründen der Zersplitterung derselben nach einzelnen Privatschlachtlokalen bei weitem vorzuziehen, und wenn dabei die Gemeinde vielleicht auf der einen Seite eine gewisse Ersparnis an Fleisehschauerbesoldungen macht (was
übrigens noch gar nicht sicher ist}, so ist das nur recht und billig gegenüber den großen Ausgaben, welche die Kreierung des Gemeindeschlachthauses selbst ihr verursacht hat. Bau, Einrichtung und Betrieb

283 eines solchen Schlachthauses, die Besoldung der dafür nötigen Beamten und Angestellten u. s. w. kosten Geld, und zwar nicht wenig. Was aber die Fleischschaugebühren betrifft, so hat Gerber solche schon bis dahin, gemäß Art. 11 der Verordnung von 1889, bezahlt, und er wird im neuen Schlachthaus völlig gleich, jedenfalls aber nicht teurer behandelt werden, wozu noch kommt, daß er sich in Zukunft die Kosten für Reinhaltung seines Privatschlachtlokals ersparen kann.

Die Unhaltbarkeit der Behauptung einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Bürger wird sofort klar, wenn man sich die Frage vorlegt, auf welche Weise denn dem angeblichen Verstoße gegen diesen Grundsatz abgeholfen werden soll. Man müßte entweder zu gunsten des Gerber gegenüber den ändern Metzgern der Gemeinde Langnau eine Ausnahme machen ; allein dann wäre ja die Gleichberechtigung zu ungunsten dieser verletzt; oder man müßte den Schlachthauszwang für die ganze Gemeinde Langnau wieder aufheben und das öffentliche Schlachthaus, als unnütz, eingehen lassen. Dann könnten aber die Metzger im ganzen Land herum gestützt auf die Gleichberechtigung das nämliche verlangen, und so käme man schließlich dahin, wegen des vorliegenden Falls im ganzen Kanton und sogar in der ganzen Schweiz die öffentlichen Schlachthäuser wieder abzuschaffen und zu dem alten, längst überlebten und als schädlich anerkannten Systeme der Duldung von lauter Privatschlachtlokalen selbst in Städten und ändern dichtbevölkerten Ortschaften zurückzukehren. Das Unzulässige einer solche Konsequenzen mit sich führenden Auslegung des Gleichberechtigungsprinzips liegt auf der Hand. Der Rekurrent kann freilich nichts dafür, daß die Gemeinde Langnau ein weit ausgedehntes Gebiet hat, und daß er am äußersten Ende desselben, dicht an der Grenze der Gemeinde Trubschachen, wo kein Schlachthauszwang existiert, wohnt; allein ebensowenig können die Staats- und Gemeindebehörden dafür, und sie sind mithin keineswegs schuldig, zur Ausgleichung dieses Nachteils mit Ausnahmebestimmungen zu gunsten des Gerber einzugreifen. Es handelt sich hier nicht um ungleiche Rechts-, sondern um ungleiche Realverhältnisse, d. h.

um Dinge, die nun einmal von Natur so liegen, wie sie liegen, und die so bleiben müssen, wie sie sind, weil es nicht möglich ist, sie zu ändern. Für Gemeinden mit
großen, dichtbevölkerten Ortschaften, wie Langnau, ist ein öffentliches Schlachthaus Bedürfnis, für Gemeinden mit vorwiegend zerstreuter Bevölkerung hingegen weniger. Die Metzger der einen Gemeinden unterliegen

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also dem Schlachthauszwange, die der ändern aber nicht, und diese Ungleichheit ist nicht eine willkürlich bewirkte, sondern eine in der Natur der Sache liegende. Der Gemeinderat von Langnau hätte allerdings vielleicht für den Schlachthauszwang' einen engern Kreis ziehen können; allein dies wäre kaum ohne Schwierigkeiten möglich gewesen und hätte jedenfalls eher noch mehr Klagen über ungleiche Behandlung erzeugt, als es jetzt der Fall ist. Bin Gemeindeschlachthaus hat eben in der Regel der ganzen Gemeinde zu dienen, nicht nur einem Teil derselben. So dient z. B. das Schlachthaus der Gemeinde Bern nicht nur der Stadt, sondern auch dein sehr weit ausgedehnten, mehrere Stunden im Umkreis haltenden Stadtbezirk.

Es wird zugegeben, daß der Schlachthauszwang von Langnau für den Rekurrenten gegenüber den Metzgern der Ortschaft Langnau selbst seine Nachteile und Unbequemlichkeiten hat; allein er ist nicht einzig in diesem Falle, und übrigens scheint die Darstellung derselben im Rekurs übertrieben. Wenn Gerber im GemeindeSchlachthaus schlachten muß, so ist die nächste Folge davon bloß die, daß er seine Lieferanten anweisen wird, ihm das angekaufte Vieh nicht mehr nach Hause, sondern direkt ins Schlachthaus zu bringen. Es handelt sich also nur noch um den Transport des Schlachtfleisches vom Schlachthaus nach dem eine Stunde entfernten Trubschachen. Solche Distanzen zwischen Schlachthaus und Fleischverkaufslokal kommen aber noch mehrfach im Kanton vor; ja es werden solche Distanzen, und sogar noch größere, im Interesse des Fleischhandels freiwillig zurückgelegt. Man denke nur z. B. an die vielen Landmetzger, welche nicht nur eine Stunde, sondern zwei und noch mehr Stunden weit vom Lande nach der Hauptstadt fahren und da wöchentlich zweimal, im Sommer wie im Winter, ihr Fleisch auf den Markt bringen, das Nichtverkaufte aber wieder heimtransportieren müssen. Gegenüber den Metzgern der Stadt selbst sind sie freilich im Nachteile ; allein dies hat sie noch nie verhindert, denselben eine tüchtige Konkurrenz zu machen, ihr Fleisch zu jeder Jahreszeit in gutem, unverdorbenem Zustande feil zu bieten und dabei ihre Rechnung zu finden. Gerade so oder eher noch besser ist die Lage des Rekurrenten. Er wird vielleicht sein Geschäft etwas anders einrichten müssen als bis dahin; aber von Verunmöglichung seines Gewerbes,
von Unterdrückung seiner Gewerbefreiheit ist keine Rede. Laut Bericht des Kreistierarztes hat ja der Rekurrent noch im Jahre 1899 seine Schweine ausländischer Herkunft in Langnau geschlachtet und das Fleisch davon nach Trubschacheu

285 transportiert, ohne daß dessen Qualität infolge dieses Transportes je beanstandet worden wäre. Nicht zu vergessen ist auch, daß Trubschachen mit Langnau durch die Eisenbahn verbunden ist, welche die Distanz zwischen beiden Ortschaften in wenigen Minuten zurücklegt. Im schlimmsten Falle aber bliebe dem Rekurrenten immer noch der Ausweg, sein Gewerbe nach der Gemeinde Trubschachen zu verlegen, deren Grenze dicht an seinem Wohnort vorbeiführt.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Die Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau, vom 15. Oktober 1900, enthält die vom Beschwerdeführer angefochtenen Bestimmungen : alles Schlachten von Groß- und Kleinvieh, dessen Fleisch für den Verkauf bestimmt ist, darf nur im öffentlichen Schlachthaus stattfinden ; für die Benutzung des Schlachthauses und für die Fleischschau sind Gebühren von Fr. l--5 vom Stück Schlachtvieh zu bezahlen ; Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Verordnung werden mit Bußen bis zu Fr. 200 belegt und- es wird überdies Konfiskation von solchem Fleisch als zulässig erklärt, das von außerhalb des Schlachthauses geschlachteten Tieren stammt.

II.

Soweit es sich um die Bescbwerdebehauptungen einer Rechtsverweigerung (durch ungenügende Motivierung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheides), einer Verletzung der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze (Art. 4 Bundesverfassung) und eines Eingriffes der vollziehenden in das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt handelt, ist die Beschwerde vom Bundesrate als durch den Entscheid des Bundesgerichtes vom 12. Juni 1901 abgeurteilte Sache einer Nachprüfung nicht zu unterstellen ; es ist insbesondere auch die Beschwerdebehauptung einer rechtsungleichen Handhabung der Bestimmung des Art. 31 der Bundesverfassung (Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit) von der grundsätzlich zunächst zuständigen Bundesbehörde (Art. 175 und 189 des Organisationsgesetzes) endgültig als unbegründet erkannt worden.

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III.

Zu prüfen ist einzig noch die Frage, ob die Aufstellung und Durchführung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen mit dem Grundsatze der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit im Widerspruch stehen.

Diese Prüfung hat von zwei Gesichtspunkten aus zu geschehen : es ist einmal zu untersuchen, ob, da nach der bernischen Verfassung eine Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit nur durch Gesetz erfolgen kann, die in concreto eingeführte Beschränkung auf einer gesetzlichen Bestimmung beruht. Wenn diese Frage zu verneinen wäre, müßte der Rekurs gutgeheißen werden. Erst wenn diese Frage bejaht wird, muß festgestellt werden, ob der von der Gemeinde Langnau eingeführte Schlachthauszwang auch gegenüber dem Rekurrenten auf Grundlage des Art. 31 der Bundesverfassung aufrecht erhalten werden kann.

a. Die b e r n i s c h e V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g . Art. 81 der bernischen Verfassung schreibt vor: ,,Die Freiheit des Landbaues, des Handels und der Gewerbe ist gewährleistet. Beschränkungen kann das G e s e t z innert den durch die Bundesverfassung gezogenen Schranken treffen. a Es wird durch diesen Satz der schon durch die Bundesverfassung geschützten Handels- und Gewerbefreiheit eine weitere Gewähr dadurch geboten, daß eine Beschränkung der Freiheit nur durch einen gesetzgeberischen Erlaß herbeigeführt werden kann. Es können also, soweit es den Zeitraum seit der Kantonsverfassung vom 4. Juni 1893 betrifft, weder Dekrete des Großen Rates noch Vollziehungsverordnungen des Regierungsrates diese Wirkung haben. Unter der Verfassung von 1847 war der Große Rat die gesetzgebende Behörde, bis durch ein Gesetz von 1869 das Referendum eingeführt wurde. Für die frühere Periode von 1847--1869 kommen also auch Erlasse des Großen Rates in Betracht, welche Gesetzescharakter besitzen. Die durch die Kantonsverfassung der Handels- und Gewerbefreiheit erteilte Gewähr begründet für den Kanton Bern allgemein einen ähnlichen Zustand, wie er im Wirtschaftswesen speciell durch Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung bundesrechtlich geschaffen ist, indem die Kantone das Wirtschaftswesen nur auf dem Wege der Ges e t z g e b u n g den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen können.

Bezüglich der Kompetenz des Bundesrates in diesem Punkte ist zu sagen, daß auch die bernische Verfassungsbestimmung seiner

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Beurteilung unterlieg! ; denn Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege unterstellt der Beurteilung des Bundesrates: ,,die Beschwerden, welche sich auf die nachstehenden Bestimmungen der Bundesverfassung oder die e n t s p r e c h e n d e n B e s t i m m u n g e n d e r K a n t o n s v e r f a s s u n g e n beziehen . . .

l 2 3. Art. 31 der Bundesverfassung betreffend die Handelsund Gewerbefreiheit'''' (vgl. auch Entscheid in Sachen Honoré Roche, Bundesbl. 1900, III, 489).

Gegenüber dem oben angeführten Vorentscheid des ßundesgerichtes in der heutigen Beschwerdesache ist zu bemerken, daß der Bundesrat die Frage nach dem verfassungsmäßig garantierten Verhältnis der öffentlichen Gewalten nicht mehr zu untersuchen hat. Diese Frage ist durch den Entscheid des Bundesgerichtes vom 12. Juni 1901 definitiv erledigt in dem Sinne, daß der Regierungsrat des Kantons Bern sich durch Genehmigung der Schlachthausverordnung der Gemeinde Langnau eines Eingriffes in das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt nicht schuldig gemacht hat. Damit wollte aber das Bundesgericht die Frage, ob eine Verletzung der besondern durch die kantonale Verfassung gebotenen Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit vorliege, nicht entscheiden. Diese Frage ist also noch eine offene und durch den Bundesrat, in dessen Kompetenzkreis sie gehört, zu prüfen und zu entscheiden.

Der Regierungsrat beruft sich zur Rechtfertigung seines Beschlusses zunächst auf das Gewerbegesetz vom 7. November 1849, welches den Betrieb des Metzgereigewerbes für die Errichtung von Schlachthäusern und Fleischbänken unter besondere Aufsicht stellt und die zu diesem Gesetz erlassene Vollziehungsverordnung des Regierungsrates vom 27. Mai 1859 betreffend die Klassifikation der Gewerbe, für welche Bau und Einrichtungsbewilligungen erforderlich sind.

Im Gewerbegesetz ist aber eine Beschränkung betreffend den Ort der Ausübung nicht enthalten. Nur die Verordnung bestimmt, daß die Gewerbeanlagen der Metzger ,,hinsichtlich des Ortes der Ausübung keiner Beschränkung unterliegen11, jedoch .n vorbehaltlich der Bestimmungen besonderer, vom Regierungsrate sanktionierter Ortspolizeireglementea. Dieser Vorbehalt geht aber über den Inhalt des Gesetzes hinaus und die Verordnung des Regierungsrates ist kein gesetzlicher Erlaß. Die Regierung kann den Gesetzescharakter auch nicht aus dem Umstände herleiten,

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daß die Verordnung von 1889 einen Bestandteil der neuen offiziellen Gesetzessammlung bildet; denn das Promulgationsdekret vom 9. April 1862 zu derselben bestimmt in Ziffer 4, daß die Geltung der in die Sammlung aufgenommenen Quellenstücke, sowie das Maß derselben lediglich nach den in ihnen selbst liegenden Kriterien zu beurteilen ist.

Ferner beruft sich die Regierung auf das bernische Lebensmittelpolizeigesetz vom 26. Februar 1888 und die daraufgestützte regierungsrätliche Verordnung vom 14. August 1889 über das Schlachten von Vieh und über den Fleischverkauf.

§ l des Lebensmittelgesetzes unterstellt den Verkehr mit Lebensmitteln der Beaufsichtigung durch die zuständigen Behörden ,,nach Maßgabe dieses Gesetzes".

§ 14 erteilt dem Regierungsrate die Kompetenz, in Vollziehung des Gesetzes diejenigen Verordnungen zu erlassen, welche zur Handhabung der Aufsicht über den Verkehr mit den unter das Gesetz fallenden Nahrungs, oder Genußmitteln erforderlich sind.

,,Diese Verordnungen erstrecken sich insbesondere : l 2

3 4. auf das Schlackten von Vieh und dessen Methode, sowie den Fleischverkauf.a In Vollziehung dieser letzteren Bestimmung ist die Verordnung vom 14. August 1889 erlassen, welche in Art. 3 bestimmt: ,,Wo öffentliche Schlachthäuser bestehen, sind die Metzger, welche innerhalb eines vom Gemeinderate zu bestimmenden Kreises wohnen, gehalten, in denselben zu schlachten. Die Réglemente betreffend die Schlachthäuser unterliegen der Genehmigung des Regierungsrates.a Wenn nun das Gesetz in Art. l feststellt, daß das Nahrungsmittelgewerbe der Aufsicht der Behörden so unterliegt, wie es selbst bestimmt, d. h. nach Maßgabe des eigenen Inhaltes, und dann in Art. 14 gesagt wird, daß der Regierungsrat das Schlachten von Vieh auf dem Verordnungswege zu bestimmen hat, so ist damit allerdings der Wille des Gesetzgebers dahin ausgesprochen, daß das Schlachten von Vieh den erforderlichen polizeilichen Maßregeln unterstellt werden, daß aber der Inhalt dieser Maßregeln im einzelnen erst durch den Regierungsrat bestimmt werden soll. Es ist allerdings ein sehr allgemeiner Rechtssatz, der im Gesetz ausgesprochen ist, wenn nichts anderes bestimmt

289 wird als : das Schlachten von Vieh soll durch den Regierungsrat geordnet werden; aber es ist ein Rechtssatz, welcher hinreicht, um den verfassungsmäßigen Vorbehalt der nur durch Gesetz möglichen Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit zu erfüllen.

Es ist auch in der neueren Litteratur des Verwaltungsrechtes anerkannt, daß dem Vorbehalt des Gesetzes durch solche allgemeine Vorschriften genügt wird, welche der vollziehenden Gewalt die Ermächtigung geben, ,,daß sie ihrerseits für einen gewissen Gegenstand oder Geschäftszweig bestimme, was in einem ihr anbefohlenen öffentlichen Interesse erforderlich und angemessen erscheint" (vgl. Otto Mayer, deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, p. 85). Es kann nun nicht aufrecht erhalten werden, daß die Regierung, als sie den Schlachthauszwang unter die beim Schlachten von Fleisch möglichen polizeilichen Maßnahmen in der Verordnung vom 14. August 1889 aufnahm, über dasjenige hinausging, was in den Intentionen des Gesetzes gelegen ist. Der Inhalt des Gesetzes ist so allgemein, daß jede polizeiliche Maßregel, welche nicht von vorneherein als unvernünftig und dem allgemeinen Aufsichtszwecke des Gesetzes widersprechend erscheint, als berechtigt betrachtet werden muß.

Der aus dem bernischen Verfassungsrechte entnommene Einwand des Rekurrenten muß somit als unbegründet abgelehnt werden.

b. Art. 31, l i t t . 0, d e r B u n d e s v e r f a s s u n g .

Der Schlachthauszwang fällt unter die in Art. 31, litt, e, vorbehaltenen Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerbe, welche aber den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen. Die Schlachthäuser bezwecken einen sanitarisch bessern Betrieb des Metzgergewerbes, als er in den Fleischbänken der einzelnen Gewerbetreibenden möglich ist, und gehören somit unter die Kategorie der sanitätspolizeilichen Maßnahmen.

Der Bundesrat hat auch in einer Reihe von Entscheidungen den Schlachthauszwang (vgl. Salis, Bundesrecht II, Nr. 607 und 608) als bundesrechtlich zulässig erklärt. Die damals angenommenne Erwägungen treffen auch auf den Fall des Christian Gerber und das Schlachthausreglement der Gemeinde Langnau zu, so daß eine Verletzung der Handels- nnd Gewerbefreiheit nicht anzunehmen ist.

Die Frage, ob es zulässig war, das Schlachthausreglement und den darin aufgestellten Schlachthauszwang dem Rekurrenten Bimdesblatt. 54. Jahrg.

Bd. I.

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gegenüber, der sich für seine Privatschlächterei im Besitz einer Bau- und Einrichtungsbewilligung befand, ohne Schadloshaltung durchzuführen, ist eine Frage, die nicht in die Kompetenz des Bundesrates fällt.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs des Christian Gerber ist abgewiesen.

B e r n , den 17. Januar 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Christian Gerber in Trubschachen gegen die Regierung des Kantons Bern, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Schlachthauszwang). (Vom 17. Januar 1902.)

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