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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Erweiterung des Artikels 1 des Schemas für Eisenbahnkonzessionen.

(Vom 21. April 1902.)

Tit, Mit unserer Botschaft vom 21. Januar abbin haben wir Ihnen den Entwurf zu einer Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn von Alpnachstad nach Altdorf unterbreitet und gleichzeitig diejenigen Änderungen besprochen, welche wir an den bisher üblichen Konzessionsbestimmungen vorzunehmen wünschten.

Unter anderem wiesen wir darauf hin, daß sich in den letzten Jahren gezeigt habe, daß Artikel 11 in der bisherigen Fassung nicht genügt, um solche Bahnverwaltungen, welche einzelne Punktionen (z. B. die Erstellung der Jahresrechnungen) nicht eigentlichen Beamten, sondern gewöhnlichen Verwaltungsmitgliedern übertragen halten, zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden anzuhalten. Es sollte daher dem Bundesrat das Recht eingeräumt werden, die Abberufung solcher Verwaltungsmitglieder zu verlangen.

Durch Beschluß vom 15. dieses Monats hat aber der Ständerat, auf den Antrag seiner Eisenbahnkommission, die Worte ,,Mitglieder der Verwaltung und" im Artikel 11 des Konzessionsentwurfes für eine Schmalspurbahn von Alpnachstad nach Altdorf gestrichen, ,,in der Meinung, daß, wenn auf der Erweiterung des bisherigen Art. 11 der Normalkonzession bestanden wird, hierüber den Räten eine besondere Vorlage zu unterbreiten sei".

951 Wir sind nun allerdings in der Lage, an unserem Entwurfe festhalten zu müssen, da uns, wie schon erwähnt, die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, daß die bisherige Fassung des .Artikels 11 der Eisenbahnkonzession nicht in allen Fällen ausreicht. Danach kann der Bundesrat verlangen, daß B e a m t e oder A n g e s t e l l t e der Gesellschaft, welche ;in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden. Diese Bestimmung, die seiner Zeit gleichlautend auch in das Bundesgesetz betreffend das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften vom 28. Juni 1895 (Art. 10) aufgenommen wurde, rechnet nur mit den größeren Eisenbahnunternehmungen, an deren Spitze eine Direktion, ein einzelner Direktor oder ein Betriebsleiter steht, d. h. ein Beamtenkollegium oder ein einzelner Beamter, zu dessen Funktionen auch die Vertretung der Bahnunternehmung gegenüber den Aufsichtsbehörden und die Entgegennahme der Weisungen der letztern gehört. Nun kommt es aber namentlich bei kleineren Bahnunternehmungen oft vor, daß die Leitung in die Hand eines oder mehrerer Verwaltungsmitglieder, z. B. des Verwaltungsratspräsidenten gelegt wird, welche nicht ,,Beamte oder Angestellte der Gesellschaft11 sind. In den weitaus meisten Fällen entsteht hieraus keine Beeinträchtigung der guten Beziehungen zwischen Aufsichtsbehörden und Bahnunternehmung; wenn jedoch, wie es in letzter Zeit leider in mehr als einem Falle konstatiert werden mußte, der betreffende Verwaltungspräsident seiner Aufgabe nicht gewachsen ist oder sonstwie zu begründeten Klagen Anlaß giebt, so steht uns kein Mittel zu Gebot, unseren Anordnungen Nachachtung zu verschaffen, es wäre denn, daß man den Artikel 28 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 mit seiner auf die Versteigerung der Bahn hinauslaufenden, ziemlich langwierigen Prozedur in Anwendung bringen wollte. Dies empfiehlt sich aber nicht, weil es sich nicht um eine Renitenz der Bahngesellschaft, sondern nur eines ihrer Repräsentanten handelt, und weil in der Regel die Anordnungen der Aufsichtsbehörden der Art sind, daß nur die b e f ö r d e r l i c h e Befolgung Wert hat, so daß, auch wenn die Voraussetzungen des Artikels 28 cit. zuträfen, die Wirkung viel zu spät käme.

Würde dagegen dem Bundesrat das Recht
zustehen, von der Gesellschaft zu verlangen, daß ein solcher Verwaltungsratspräsident abberufen werde, so wäre. wohl diese Thatsache allein schon geeignet, den Anordnungen der Aufsichtsbehörden ausnahmslos Nachachtung zu verschaffen ; jedenfalls könnte aber da, wo trotz-

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dem ein solches Mitglied der Verwaltung Anlaß zu begründetet!

Klagen gäbe, innert nützlicher Frist Abhülfe getroffen werden.

Wir ersuchen Sie daher, sowohl in der Konzession für eine Schmalspurbahn von Alpuachstad nach Altdorf, als in den folgenden Konzessionen die von uns vorgeschlagene Fassung des Art. 11 zu acceptieren, beziehungsweise wieder herzustellen.

Von der Vorlage eines besonderen Beschlußentwurfes, z. B.

,,betreffend Änderung der Normalkonzession", sehen wir ab, weil eine Normalkonzession gar nicht besteht. Der Bundesrat hat zwar unterm 10. Juli 1873 (E. A. S. n. F., I, 38 ff.) der Bundesversammlung einen ,, E n t w u r f zu einer Normalkonzession" vorgelegt, jedoch, wie er ausdrücklich bemerkte, ,,nicht in der Meinung, über die Normalkonzession an und für sich eine Erörterung und Schlußfassung durch die hohe Bundesversammlung provozieren zu wollen11. Es ist dann auch eine förmliche Annahme und Sanktionierung jenes Entwurfes unterblieben ; man begnügte sich damit, die in demselben enthaltenen Bestimmungen in den Konzessionen anzuwenden, wobei man jeweilen den besonderen Verhältnissen Rechnung trug. Im Laufe der Jahre wurden die Abweichungen von jenem ursprünglichen Entwurfe immer zahlreicher, und es giebt heute nur noch wenige Artikel, welche in a l l e n Konzessionen gleich lauten. Wenn es sich um eine solche Änderung handelte, wurde jeweilen anläßlich der Vorlage desjenigen Konzessionsentwurfes, in welchem sie zum erstenmal angewendet werden sollte, ein entsprechender Hinweis in die Botschaft aufgenommen. So haben wir es auch mit den neuesten Änderungsvorschlägen gehalten, und wir gedenken, auch in Zukunft dieses Verfahren zu beobachten, da es uns das zutreffendste zu sein scheint.

Gerne benützen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 21. April

1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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