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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn (theilweise Straßenbahn) von Yverdon nach SteCroix.

(Vom 18. Juni 1888.)

Tit.

Mit Eingabe vom 28. Juni 1887 bewerben sich die Herren Ingenieure J. C h a p p u i s & Cie. in Nidau und V. de S a u s s u r e in Yverdon um die Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn von Y v e r d o n nach S t e - C r o i x .

Dem der Eingabe beigegebenen allgemeinen Berichte ist zu entnehmen, daß die Bahn ihren Anfang im Bahnhof Yverdon der SuisseOccidentale und Simplon auf Cote 437,75 nehmen, zunächst auf eine Länge von 1150 Meter den Bahnkörper der Linie YverdonNeuenburg der genannten Bahngesellschaft benützen wird, um alsdann nach links gegen die Ortschaft Montagny abzubiegen, bei welcher eine Station vorgesehen ist. Bis gegen Essert soll die Bahn auf der linken Seite der zu diesem Zwecke noch zu verbreiternden, gegenwärtig im Bau begriffenen Straße angelegt werden. Bei Essert ist für diese Ortschaft und Champ vent eine Haltestelle in Aussicht genommen. Nach Ueberschreitung der Brine folgt die Bahn noch auf 450 Meter der verbreiterten Straße, um hernach, dem Lauf der Brine folgend, sich gegen Peney zu entwickeln, das eine Station erhält, welche gleichzeitig auch Vuiteboeuf dienen wird. Von hier lehnt sich das Trace wieder theilweise an die Straße Peney-Baulmes an, biegt vor letzterer Ortschaft in scharfer Kurve nach rechts ab, um nach der Station Baulmes den, Fuß des

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Gebirges zu gewinnen ; die Bahn zieht sich dann mit der Maximalsteigung von 50 °/oo dem felsigen und steilen Abhang entlang gegen Vuiteboeuf und überschreitet oberhalb dieses Dorfes mittelst einer eisernen Brücke die Covatannaz-Schlucht. Darauf wird das Bahntraco wieder möglichst an bzw. auf die Straße verlegt, d. h, soweit letztere nicht über 50 °/oo Steigung aufweist. Wo dies auf eine längere Strecke der Fall ist, nämlich zwischen Vuiteboeuf und Château, erhält die Bahn eigenes Trace, um vermittelst einer Spitzkehre die Niveaudiflerenz zu überwinden und dann die Straße da, wo deren Längenprofil (50 °/oo) es erlaubt, wieder zu gewinnen und sie, abgesehen von der scharfen Kurve bei Château, bis Chez les Jaccard vor Ste-Croix zu benützen. Die Bndstation bei Ste-Croix ist südlich des Dorfes, auf Cote 1075, projektirt. Es ist somit die bedeutende Niveaudifferenz von 637,25 Meter zu überwinden.

Die Gesammtlänge der Bahn beträgt 21,27 Kilometer. Als Maximalsteigung ist eine solche von 50 °/oo vorgesehen, welche auf größere Strecken zur Anwendung kommen soll. Der kleinste Kurvenradius ist zu 100 Meter angenommen.

An Rollmaterial sind Lokomotiven zu vier Achsen, wovon drei gekuppelt, von ungefähr 30,000 Kilogramm Dienstgewieht, vierachsige Personenwagen nach amerikanischem System mit nur einer Klasse, aber mit Raucher- und Nichtraucherabtheilungen und für 40 Personen Raum bietend, vorgesehen. Die Gepäckwagen würden neben dem Gepäckraum eine Postabtheilung erhalten. Ferner sollen die nöthigen Güterwagen von 10 Tonnen Tragkraft beschafft werden. Sämmtliches Rollmaterial wird mit centraler Kupplung und centralen Buffern, sowie mit kontinuirliehen Bremsen versehen werden.

Was die Betriebsweise anbetrifft, so glauben Petenten im Hinblick auf die nur 70 Minuten betragende Fahrzeit den Betrieb nach beiden Richtungen mit einem einzigen Zuge, d. h. in der Weise durchführen zu können, daß der gleiche Zug je zuerst die Fahrt Ste-Croix-Yverdon und nach kurzem Aufenthalt wieder zurück ·(Yverdon-Ste-Croix) machen würde u. s. f., wobei mit fünf Zügen nach beiden Richtungen die Anschlüsse an die Züge der Suisse·Occidentale und Simplon immerhin genügend sollen gewahrt werden können. Die Gesuchsteller erachten den Verkehr für zu unbedeutend, um einen Betrieb mit je zwei gleichzeitig fahrenden Zügen und die damit verbundenen Mehrkosten (Kreuzungseinrichtungen, doppeltes Rollmaterial etc.) zu erlauben.

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Die Kosten werden veranschlagt wie folgt: Allgemeine und Verwaltungskosten .

. Fr.

44,000 Grunderwerb ete ,, 120,000 Unterbau und Kunstbauten ,, 955,000 Oberbau ,, 440,000 Hochbauten (inklusive Werkstätten, Wärterhäuser) ,, 110,000 6) Abschluß ,, 10,000 7) Feste Einrichtungen ,, 13,000 8) Kollmaterial und Zubehörden .

.

. ,, 240,000 9) Gerätschaften ,, 8,000 10) Mobiliar ,, 10,000 l) 2) 3) 4) 5)

Total Fr. 1,950,000 für die 21,27 Kilometer lange Linie oder Fr. 91,700 per Kilometer.

Eine allfällige Ersetzung der Spitzkehre durch einen Tunnel würde die Kosten um Fr. 50,000 vermehren, so daß sieh dann die GEsammtkostensumme auf 2 Millionen stellen würde.

Der dem Gesuche beigegebene Bericht enthält auch eine summarische Rentabilitätsberechnung, welche folgende Zahlen aufweist : Jährliche Einnahmen circa .

.

. Fr. 80,000 ,, Betriebskosten circa .

. ,, 50,000 so daß Fr. 30,000, hinreichend für 4 °/o Verzinsung eines Kapitals von Fr. 750,000 oder 3 % Verzinsung eines Kapitals von Fr. 1,000,000, verbleiben würden. Die Petenten glauben indessen mit Sicherheit auf Subventionen rechnen zu dürfen.

Da das Projekt in nicht unbedeutendem Umfange Benutzung öffentlicher Straßen für die Bahnanlage vorsieht, so wurden Petenten in üblicher Weise eingeladen, sich vor Allem über diesen Funkt mit den kompetenten kantonalen, beziehungsweise lokalen Behörden in abschließlicher Weise zu verständigen. Infolge dessen ist zwischen dem Departement der öffentlichen Arbeiten Namens des Staatsrathes des Kantons Waadt und den Konzessionsbewerbern in Betreff der Straßenbenutzung eine Uebereinkunft nebst zudienendem Pflichtenheft vereinbart worden, welchen Abmachungen der Große RAth des Kantons Waadt am 29. Mai 1888 die Genehmigung ertheilte. Schon unter'm 29. Juni 1887 hatte sich der Staatsrath, vorbehältlieh der Festsetzung der genauem Bedingungen für Ueberlassung der Straßen, in empfehlendem Sinne über das Konzessionsgesuch ausgesprochen.

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Nachdem nun auch diese Bedingungen endgültig festgesetzt sind, steht aus diesem Grunde dem Eintreten auf das Gesuch nichts mehr entgegen.

Wir beantragen Ihnen, dem Gesuche im Sinne des unteufolgenden Beschlußeutwurfes zu entsprechen, dem anläßlich der am 5. März 1888 abgehaltenen Konzessionskonfereuz sowohl der Regierungsvertreter als die Gesuchsteller im Allgemeinen beipflichteten. Einzelne besondere Begehren der letztem gelangen besser hienaeh bei den einzelnen Artikeln zur Erörterung.

In Art. 8 hatten Petenten zunächst gewünscht, daß neben der Spurweite von l Meter eventuell auch eine solche von 75 Ceiitimeter vorgesehen werde. Es erschien uns aber passender, dem Wunsche der Petenten durch eine etwas allgemeinere Fassung entgegenzukommen, welche erlaubt, eventuell bei Nachweis besonderer Verhältnisse die Einführung einer andern als der künftighin für die Schweiz. Schmalspurbahnen als Norm zu betrachtenden Spurweite von l Meter (s. Geschäftsbericht pro 1887) zu bewilligen, anstatt eine ausnahmsweise Spurweite in der Konzession selbst zu erwähnen.

Wie bei Spezialbahnen üblich, ist in Art. 12 die Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit dem Bundesrathe vorbehalten, welcher nach Erstellung der Bahn und vorangegangenen Versuchen etc.

besser in dei- Lage sein wird, darüber Regeln aufzustellen, als dies jetzt geschehen könnte.

Art. 14 sieht bloß eine Wagenklasse vor, was aueh in andern Fällen (z. B. für die Genfer Schmalspurbahnen) unbedenklich gestattet wurde und daher keinen Grund zur Beanstandung bietet.

Als Taxen sind in den Art. 15 und 18 nach den Anträgen der Petenten überall die doppelten normalen Ansätze aufgenommen, welche durch die sehr bedeutende, auf größere Strecken vorkommende Steigung von 5 %o, nach welcher der ganze Betrieb wird eingerichtet werden müsseu, hinlänglich gerechtfertigt erscheinen und auch von der kantonalen Regierung nicht beanstandet wurden.

Sie halten sich innerhalb der in die Botschaft vom 11. September 1873, betreffend die Taxerhöhung für Eisenlmhnstrecken mit grüßern Steigungen (Bundesblatt 1873, III, pag. 708 ff.) angegebenen Grenzen.

Das Departement hatte vorgeschlagen, die Normaltaxen einzuseifen und in einem Art. 18 a die Zuläßigkeit einer Erhöhung bis zu 100 °/o im Maximum vorzusehen. Da indessen die Peteuten besonderes Gewicht darauf legten, daß die erhöhten Taxen selbst in den einzelnen Artikeln aufgeführt werden und dies aueh in den meisten frühern Fällen geschehen ist, so widersetzten wir uns dem

574 Begehren nicht. Die Viehtransporttaxen in Art. 17 halten sich noch unter den doppelten normalen Sätzen und sind daher von uns um so weniger beanstandet worden, als für kleine Unternehmungen, wie die Petenten mit Recht betonten, der Thiertransport unverhältnißmäßige Kosten und Mühe verursacht. In der Konzessionskonferenz hatten die Gesuchsteller Anfangs die Vorschrift betreffend Aufstellung von Klassen im Tarif für den Waarentransport bemängelt, sich dann aber mit Art. 18 einverstanden erklärt. Wir hätl.en uns mit dem Wegfall der hei allen Bahnen mit Güterverkehr und direkter Abfertigung gültigen Vorschrift nieht befreunden können.

Dagegen erblicken wir kein Hinderniß, den sonst für den . Transport von Vieh und Waaren in Eilfracht vorgesehenen Taxzuschlag von 40, beziehungsweise 100 °/o, auf welchen Petenten keinen Werth legen, wie z. B. bei Interlaken-Lauterbrunnen-Grindelwald (E. A. S. IX, 273), fallen zu lassen, unter der von den Petenten getheilten Voraussetzung immerhin, daß a l l e Güter innert den sonst für Eilgut geltenden Fristen befördert werden..

Der Art. 27 unterwirft die Gesellschaft bezüglich der Benutzung öffentlicher Straßen und Plätze den von den kantonalen Behörden aufgestellten Vorschriften, soweit solche mit der Bundeskonzession nicht im Widerspruch stehen. Der Wortlaut der Bestimmung entspricht dem in letzter Zeit bei andern Straßenbahnen gewählten.

In Art. 28, litt, c, ist die Entschädigung für den Rückkauf, wie dies in letzter Zeit regelmäßig geschah, lediglich auf ein von 20 bis 25 variirendes Vielfaches des Reinertrages festgesetzt und die früher übliche Bestimmung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten. der bestehenden Einrichtungen betragen dürfe, weggelassen.

Im Uebrigen weisen die nachstehenden Konzessionsbedingungen von der üblichen Form keine Abweichungen auf.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 18. Juni

1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathea, Der Bundespräsident:

Hertenstein.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn (theilweise Straßenbahn) von Tverdon nach Ste-Croix.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe der Herren C h a p p u i s & Cie. in Nidau und V. de S a u s su re, Ingenieur in Yverdon, vom 28. Juni 1887; 2) einer Botschaft des Bundesrathes, vom 18. Juni 1888, beschließt: Den Herren J. C h a p p u i s & C i e . in Nidau und V. d e S a u s s u r e , Ingenieur in Yverdon, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer schmalspurigen Eisenbahn von Y v e r d o n nach S te - C r o i x unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Bisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von achtzig Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Y v e r d o n.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer.Frist von 12 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert sechs Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen zwei Jahren, vom Anfang mit den Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzeseionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird eingeleisig und schmalspurig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum des Kantons Waadt, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials yji gestatten, uud das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesralh kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens drei Mal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen, erfolgen.

Dem Bundesrath bleibt vorbehalten, die Geschwindigkeit der Züge zu bestimmen.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungeu nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

577 Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit einer Klasse und mit Raucherund Nichtraucher-Abtheilungen erstellen.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport Ton Personen eine Taxe von 10 Rappen per Kilometer der Bahnlange zu beziehen.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird , ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzuset/.en, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Anstauten mit der Eisenbahn zu spediren. Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

» Art. 17. Für den Transport von Vieh dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 27 Rappen; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 14 Rappen; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 5 Rappen.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. III.

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578 Art. 18. Im Tarif für den Transport -von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 4 Rappen, die niedrigste nicht über 2 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch aut Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine,.

Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrigtaxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchtens l Rappen zu bezahlen ist.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe einer einzelneu Sendung wird auf 40 Rappen festgesetzt.

Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet , für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen , dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruehtheile von Fr. 500 volle Fr. 500.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

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Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waareu ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

sind

Art. 23. Die sämmtlichen Tarife und Réglemente sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem ßundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmuug drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist dus nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Trans'porttaxen verhältuißmäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag dea Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der ßundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solehe Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organen freien Zutritt in den Bahnhöfen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeufinung eines genügenden Brneuerungs- und Reservefondes zu sorgen und eine Pensions- und Unterstützungskasse für das Personal zu errichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besoudern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

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Art. 27. Betreffend die Benutzung der öffentlichen Straßen und Plätze durch die Einrichtungen der Bahn, sei es nur während des Baues, sei es zum Bau und Betrieb, soweit es sich nicht um Expropriation handelt, wird die Gesellschaft den Bestimmungen der mit den kantonalen Behörden getroffenen Vereinharungen unterworfen, soweit dieselben den Vorschriften der gegenwärtigen Konzession nicht widersprechen. Das bezügliche Pflichtenheft ist dem Bundesrathe zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Waadt, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Ruckkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zagehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerungs- und Reservefonds da/Ai nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 221/2fachen Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20f'achen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch'

581 letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefond einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 29. Hat der Kanton Waadt den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Artikel 28 definirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern kompetent gewesen wäre.

Art. 30. Der Bundesrath ist mit dem Vollzug der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tag ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Protokoll über

die Verhandlungen der nationalräthlichen Kommission für Vorberathung des Gesetzentwurfes betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter.

Sitzungen vom 26. und 27. April 1888 in Zürich.

Anwesende Mitglieder der Kommission : die Herren Nationalräthe Forrer (Präsident), B u r c k h a r d t , G a i l l a r d , G r i e s h a b e r , J o l i s s a i n t , R a s c h e i n , S u t e r und Zemp.

Abwesend (mit Entschuldigung) : Herr Nationalrath P y t h o n .

Den Verhandlungen wohnen auf Einladung des Präsidiums mit berathender Stimme bei: Herr Bundesrath L. R u c h o n n e t , Chef des eidgenössischen Justizdepartements, und Herr Leo Weber, Sekretär für Gesetzgebung im genannten Departement.

Letzterer führt zugleich das Protokoll.

Das Präsidium stellt zuerst die Frage des Eintretens auf den vom Bundesrath mit Botschaft vom 28. Mai 1887 der Bundesversammlung vorgelegten Entwurf zur Diskussion.

583 Nach einigen, das Eintreten empfehlenden Worten des Herrn Bundesrath R u c h o n n e t erklären sich sämmtliche anwesende Kommissionsmitglieder für Eintreten.

Der bundesräthliche Entwurf lautet :

Bundesgesetz betreffend

die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung der Artikel 46 und 47 der Bundesverfassung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom

28. Mai 1887, beschließt:

A. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Die Anwendung der kantonalen Civilgesetzauf die Niedergelassenen und Aufenthalter aus andern Kantonen wird in Ansehung des Personen-, Familien- und Erbrechts durch gegenwärtiges Gesetz in nachfolgender Weise geordnet.

Art. 2. Die Niedergelassenen und Aufenthalter stehen in Bezug auf die erwähnten civilrechllicheu Vorhältnisse unter dein Rechte und der Gerichtsbarkeit des Wohnsitzes, sofern dieses Gesetz nicht etwas Anderes vorschreibt.

Art. 3. Der Wohnsitz -- das Domizil -- eines Bürgers befindet sich an dem Orte, wo derselbe mit der Absicht, daselbst dauernd zu verbleiben, wohnt.

Der einmal begründete Wohnsitz eines Bürgers dauert so lange fort, bis er seine Wohnung an einen andern Ort verlebt und daselbst einen neuen Wohnsitz erworben hat.

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Die Unterbringung eiiier Person in einer Erziehung»-, Pflege-, Versorgung«-, Irren- oder Strafanstalt begründet für dieselbe nicht den civilrechtlichen Wohnsitz im Sinne diese» Gesetzes.

Im Streitfalle wird der Wohnsitz nach der Gesammtheit der dabei in Frage kommenden tatsächlichen Verhältnisse bestimmt Art. 4. Als rechtlicher Wohnsitz der Ehefrauen und minderjährigen Kinder gilt der Wohnort des Inhabers der ehemännlichen oder elterlichen Gewalt.

Die übrigen rechtlich unselbständigen Personen (Verbeiständete, Bevormundete, Bevogtete) haben ihr Domizil im Sinne dieses Gesetzes am Sitze der Vormundschaftsbehörde5 es sind jedoch rechtliche Mittheilungen dem Beistande, Vormunde, Vogte an dessen persönlichem Wohnsitz zu machen.

Art. 5. Auf Grund gerichtlichen Urtheils bestehende Rechte und Verbindlichkeiten können durch einen Wohnsitewechsel nicht verändert werden.

Art. 6. Ist ein Schweizerbürger in mehreren Kantonen heimatberechtigt, so kommt bezüglich der civilrechtlichen Verhältnisse, für welche nach diesem Gesetze das Heimatrecht maßgebend sein soll, die Gesetzgebung desjenigen Heimatkantons zur Anwendung, in welchem der Bürger wohnt oder seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, und, falls ein solcher fehlt, die Gesetzgebung des neuern Ileimatkantona.

B. Personen- und familienrechtliche Terhältnisse.

1. Handlungsfähigkeit.

Art. 7. Die persönliche Handlungsfähigkeit, soweit sie nicht durch den Bund einheitlich geordnet ist, richtet sich nach dem Gesetze des Wohnortes.

2. Familienstand.

Art. 8. Die Beurtheilung des Familienstandes unterliegt, abgesehen von den durch das Bundesgesetz über Civilstand und Ehe geordneten Verhältnissen, dem Rechte und dem Gerichtsstand der Heimat. Insbesondere sind nach diesem Rechte zu beurtheilen die Frage der ehelichen oder unehelichen Geburt, die Wirkungen der freiwilligen Anerkennung

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und des behördlichen Zuspruchs Unehelicher, sowie die Adoption.

Das heimatliche Recht, welches in diesen Fällen zur Anwendung kommt, ist dasjenige des Ehemannes, des Vaters oder der Person, die adoptiren will.

3. Elternrecht.

Art. 9. Für das Elternrecht (Elterliche Gewalt, Unterstützungspflicht zwischen Eltern und Kindern u. s. w.) ist die Gesetzgebung und die Gerichtsbarkeit dea Wohnortes maßgebend.

4. Vormundschaft.

Art. 10. Jeder Kanton ist verpflichtet, innerhalb der Schranken des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit über die in seinem Gebiete wohnenden Schweizerbürger die Vormundschaft anzuordnen und auszuüben.

Art. 11. Die Vormundschaft begreift sowohl die Obsorge für die Person des Bevormundeten als diejenige für die Vermögensverwaltung in sich.

Art. 12. Dem Heimatkanton steht das Recht nicht zu, einen Bürger, der in einem andern Kanton wohnt, unter Vormundschaft zu stellen. Dagegen ist er berechtigt, bei den Behörden des Wohnortes die Bevormundung eines Bürgers zu beantragen, und die letzteren sind gehalten, die Bevormundung auszusprechen, sofern dieselbe im Hinblick auf die thatsächliehen Verhältnisse nach der Gesetzgebung des Wohnortkantons als begründet erscheint.

Art. 13. Bei einem Wohnsitzwechsel, welcher mit Zustimmung der bisherigen Vormundschaftsbehörde erfolgt, geht die Vormundschaft auf die Behörden des neuen Wohnsitzes Ober.

Art. 14. Die Wohnortsbehörde ist verpflichtet, der Heimatbehörde von dem Eintritt und der Aufhebung einer Vormundschaft Kenntniß zu geben und ihr außerdem auf Verlangen über alle die Vormundschaft betreffenden Fragen Aufschluß zu ertheilen.

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5. GUterrecht der Ehegatten.

Art. 15. Die ehelichen Güterrechtsverhältnisse unterliegen der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit des Wohnsitzes der Ehegatten.

Es steht jedoch bei Verlegung des Wohnsitzes in einen andern Kanton jedem Theile innerhalb dreier Monate das Recht zu, auf eine Befragung, welche von Amtswegeu durch die Behörde des neuen Wohnortes zu erfolgen hat, das durch rechtsgültigen Ehevertrag oder die Gesetzgebung des ersten ehelichen Domizils begründete Gütersystem aufrecht zu erhalten.

Wird eine solche Erklärung von den Eheleuten nicht beim ersten Wohnsitzwechsel abgegeben, so können dieselben bei einer spätem Aenderuug des Wohnortes von dieser Befugniß keinen Gebrauch machen.

Art. 16. Die nach Art. 15, Absatz 2, erfolgende Erklärung ist amtlich einzuschreiben und öffentlich bekannt zu machen. Infolge dessen hat sie sowohl unter den Ehegatten selbst als gegenüber Drittpersonen rechtliche Wirksamkeit.

Vorbehalten bleiben in jedem Falle die von Dritten vor dem Wohusitawechsel der Eheleute erworbenen Rechte.

C. Erbrecht und Schenkungen.

Art. 17. Die Erbsehaft eines in der Schweiz wohnhaften Schweizerbürgers wird für die Gesammtheit des Vermögens am Wohnorte des Erblassers eröffnet und unterliegt der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit dieses Ortes.

Vorbehalten bleiben die einem Ehegatten auf den Todesfall des andern durch Ehevertrag zugesicherten Vortheile.

Art. 18. Letztwillige Verfügungen, Erbverträge u. s. f.

sind rücksiehtlich ihrer Form gültig, wenn sie dem Gesetze des Errichtungsortes oder demjenigen des letzten Wohnortes des Erblassers entsprechen.

Art. 19. Schenkungen unter Lebenden oder auf den Todesfall sind der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit des Wohnortes des Schonkers unterworfen.

587 D. Verhältnisse »1er Schweizer im Anstände.

Art. 20. Wenn für die Rechtsverhältnisse der im Auslande wohnhaften Schweizerbürger gernäß der dortigen Gesetzgebung das Heimatrecht maßgebend sein soll, so kommt, vorbehaltlich der Bestimmungen von Art. 21 und 22 des gegenwärtigen Gesetzes, das Recht des Heimatkantous der betreffenden Bürger zur Anwendung.

Art. 21. Bevormundete Schweizerbürger, die sich außer Landes begeben, bleiben für die Dauer der Landesabwesenheit unter der bisherigen vormundschaftlichen Gewalt.

Wird dagegen die Bestellung einer Vormundschaft über eine auswandernde oder landesabwesende Person uüthig, so ist hiefür die Behörde des Heimatkantons zuständig und verpflichtet.

Art. 22. Die im Auslande wohnhaften schweizerischen Eheleute, deren Güterverhältniß nicht durch die ausländische Gesetzgebung bestimmt wird, stehen unter demjenigen Güterrechte, welches an ihrem letzten schweizerischen Wohnsitze für sie rechtliche. Geltung hatte.

E. Verhältnisse der Ausländer in der Schweiz.

Art. 23. Die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes finden, soweit nicht Staatsverträge entgegenstehen und vorbehaltlich der in Art. 24 und 25 angeführten Ausnahmen, auf die in der Schweiz wohnenden Ausländer entsprechende Anwendung.

Art. 24. In Bezug auf die persönliche Handlungsfähigkeit der Ausländer gilt Art. 10, Absatz 2 und 3, des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit.

Art. 25. Wenn gemäß der Gesetzgebung des Wohnsitzkantons die Bevormundung eines Ausländers geboten erscheint, so ist die zuständige Behörde gehalten, unter Anzeige an die Behörde des Heimatstaates die Vormundschaft einzuleiten. Es ist jedoch die Vormundschaft an die Behörden des Heimatstaates abzugeben, wenn dieses in der Folge von ihnen verlangt wird.

Durch vorstehende Bestimmung wird an dem Rechte der Kantone, aus armen- und sittenpolizeilichen Gründen Angehörige fremder Staaten aus ihrem Gebiete wegzuweisen, nichts geändert.

588

F. Uebergangs- und Schlussbestimmungen Art. 26. Dieses Gesetz tritt am in Kraft.

Art. 2 7 . Diejenigen Ehegatten, welche, a m . . . .

in einem Kantone ihren Wohnsitz haben, iu dein sie nicht heimatberechtigt sind und dessen Gesetzgebung das eheliche Güterverhältniß anders regelt, als dasselbe für sie, sei es durch das Gesetz des ersten ehelichen Domizils, sei es durch einen Ehevertrag, bestimmt ist und bisher wirksam war, können innerhalb dreier Monate von gedachtem Zeitpunkte an ihr bisheriges Güterrecht aufrecht erhalten.

Art. 28. Der Bundesrath wird das Verfahren zur Pesthaltung und Bekanntmachung der bereits begründeten ehelichen Güterrechtsverhältnisse durch eine Verordnung näher bestimmen und gleichzeitig Vorsorge treffen, daß die am im Auslande wohnhaften oder innerhalb der nächstfolgenden drei Monate auswandernden schweizerischen Eheleute in entsprechender Weise in den Stand gesetzt werden, ihr bisheriges eheliches Güterrecht durch eine rechtsgültige Erklärung festzustellen.

Art. 29. Der Bundesrath wird des Weitern dafür sorgen, daß der Uebergang der Vormundschaftsverwaltungen auf den Wohnsitzkanton nach Maßgabe dieses Gesetzes in angemessener Frist vollzogen werde.

Art. 30. Das Bundesgericht beurtheilt nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Verfahren die Streitigkeiten, zu denen die Anwendung dieses Gesetzes Anlaß geben kann.

Art. 31. Auf den Zeitpunkt, in welchem das vorliegende Gesetz in Kraft tritt, werden alle demselben widersprechenden Bestimmungen der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung aufgehoben; desgleichen treten auf gedachten Zeitpunkt außer Wirksamkeit: 1) das Konkordat über vormundschaftliche und Bevogtungsverhältnisse vom 15. Juli 1822; 2) das Konkordat über Testirungsfähigkeit und Erbrechtsverhältnisse vom 15. Juli 1822.

Art. 32. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlusse dieses Gesetz bekannt zu machen.

589 Aus den Berathungen geht der Entwurf in der im Anhange folgenden abgeänderten Fassung hervor.

Im Einzelnen sind folgende Momente der Diskussion und Motive der Beschlußfassung hervorzuheben : 1. Art. l und 2 werden in e i n e n Artikel verschmolzen, da einestheils in denselben Gleiches zweimal gesagt wird, anderntheils die beiden Artikel, soweit sie einen selbstständigen eigenen Inhalt haben, sich füglich zu einem Satze verbinden lassen. (Antrag S u t e r.)

2. Der Ausdruck ,,Bürger11 in Art. 3 ist durch ,,Jemand", ,,eine Person" oder einen ähnlichen allgemeinern Begriff zu ersetzen, damit der Bestimmung nicht ein unrichtiger, einschränkender Sinn beigelegt werde. (G r i es h a b e r.)

3. Der zweite Absatz von Art. 3 ist logischerweise als Absatz 4 an den Schluß dieses Artikels zu versetzen.

(S u t er.)

4. Die Kommission stimmt dem Absatz 3 in Art. 3 des Entwurfes bei, indem die Worte ,,die Unterbringung einer Person14 (französischer Text : ,,le fait qu'une personne est placée14) deutlich genug darauf hinweisen, daß es sich in den im Texte aufgezählten Fällen nicht um eine aus freier Selbstbestimmung hervorgehende Wohnsitznahme der Person handelt.

( F o r r e r.)

5. Man ist allseitig einverstanden, daß es in Ansehung der vom Gesetze geordneten Verhältnisse des Personen-, Familien- und Erbrechts für jede Person nur e i n e n Wohnsitz gibt; derselbe kann gewechselt werden, allein nicht so, daß er gleichzeitig oder in vorausbestimmter periodischer Aufeinanderfolge (z. B. bei Sommer- und Winterwohnung) an zwei Orten zu finden wäre; denn die Begründung eines neuen Wohnsitzes setzt stets das Aufgeben des bisherigen voraus, wer aber von seinem Wohnsitze mit der Absicht sich wegbegibt, dahin zurückzukehren, gibt denselben nicht auf.

Es handelt sich also in jedem konkreten Falle darum, zu erkennen, wo der Wohnsitz begründet ist. Aus den Elementen, welche die Wohnsitznahme begründen : Wille der Person und äußere Merkmale des Wohnens, wird sich dann auch ergeben, ob ein Wohnsitz aufgegeben und durch einen andern ersetzt sei.

Da der Art. 3 des Entwurfes diesen Gedanken der Einheit des Wohnsitzes unzweideutig zum Ausdruck bringt, so wird davon Umgang genommen, wie in den Entwürfen von 1876, 1877 und 1879

590

expressis verbis zu bestimmen, daß jeder Schweizerbürger nur e i n e n Wohnsitz habe.

(5. In Art. 4 werden einige redaktionelle Verbesserungen augebracht.

7. Art. 5 wird gestrichen.

Entweder sagt derselbe etwas Selbstverständliches und dann ist er überflüssig, oder er will als Prinzip aufstellen, daß der Inhalt eines Richterspruchs für die Parteien für immer bindend und ein Wohnsitzwechsel für das festgestellte Rechtsverhältniß bedeutungslos sei, und dann spricht er einen Satz aus, der in dieser Allgemeinheit nicht wahr ist. Man denke z. B. an die Unterstützungspflicht zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern u. A. m., die oft eine nach den Wohnortverhältnissen veränderliehe Leistung der Einen zu Gunsten der Andern bedingt.

Vielleicht sieht ein gerichtliches Urtheil die Veränderlichkeit der Verhältnisse je nach dem Wohnort der Betbeiligten gerade/u vor, oder es wird den Parteien aus allgemein rechtlichen Gründen zustehen, bei veränderten Verhältnissen vom Gerichte eine Abänderung des Spruches zu verlangen.

Es empfiehlt sich daher, den Art. 5 ganz fallen zu lassen.

8. Nach Art. 6 soll auf den Autrag des Herrn J o l i s s a i n t eine weitere allgemeine Bestimmung aufgenommen werden, welche das Gesetz auch auf Schweizerbürger anwendbar erklärt, die in ihrem Heimathkanton als Niedergelassene oder Aufenthalter wohnen, sofern in diesem Kantone einzelne Gebietsteile (Bezirke u. s. f.) eine besondere Zivilrechtsgesetzgebung besitzen, wie dies z. B. im Kanton Bern (alter Kantonstheil und Jura) für den Familienstand, das Elternrecht, das eheliche Güterrecht und das Erbrecht der Fall ist.

Es wird darauf hingewiesen, daß ohne diese Ausdehnung des Gesetzes z. B. die Bestimmungen des Entwurfes über das eheliehe Güterrecht für jurassische Ehegatten, die ihr Recht durch Ehevertrag festgestellt haben, bei einer Verlegung ihres Wohnsitzes in den alten Kantonstheil gau» wirkungslos wären, weßhalb eventuell dem Entwurfe (Art. 15) gegenüber die ständeräthliche Fassung im Beschlüsse vom 16. Juni 1877 (Art. 6, Absatz 2 und 3) vorgeschlagen würde, also lautend : ,,Das durch Gesetz oder Ehevertrag einmal begründete eheliehe Güterreeht behält unter den Ehegatten seine Wirkungen auch nach einem Wechsel des Wohnsitzes.

591 Dritten gegenüber gilt das eheliche Güterreeht des frühem Wohnsitzes, wenn es am neuen Wohnsitze auf Verlangen der Ehegatten oder eines derselben durch Einregislrirung bei der zuständigen Behörde bekannt gemacht wurde. Die Einregistrirung ist jedoch nur innert Jahresfrist zulässig und hat nur dann rückwirkende Kraft, wenn sie innert 3 Monaten nach erfolgtem Wohnsitzwechsel stattgefunden."

Trotzdem von anderer Seite (Bundesrath R u c h o n n e t ) entgegnet wird, daß Art. 46 der Bundesverfassung, wenn auch nicht nach seinem Wortlaute, so doch nach der Absicht des Gesetzgebers sich wohl nur auf interkantonale Verhältnisse beziehe, siegt in der Abstimmung der Antrag Jolissaint, mit der Begründung, daß es die verfassungsmäßige Aufgabe des Bundes sei, die Konflikte, die sich aus der Verschiedenheit der kantonalen Zivilrechtsgesetzgebungen in Hinsicht auf Niedergelassene und Aufenthalter ergeben, im allgemein schweizerischen Interesse der Rechtssicherheit zu beseitigen.

Der neue Artikel hat auch den Fall vorzusehen, daß ein Kantonsangehöriger in zwei Kantoristheilen, von denen ein jeder seine eigene Zivilgesetzgebung besitzt, verbürgert ist, in welchem Falle die Vorschriften des Art. 6 entsprechende Anwendung finden sollen.

Infolge der Annahme des Antrages Jolissaint sind in Absatz 2 des Art. 15 (die Verlegung des ehelichen Wohnsitzes betreffend) die Worte ,,in eine'n andern Kanton a zu streichen.

9. Art. 7. Bloße Redaktionsäuderung.

10. Art, 8. Mit Rücksicht darauf, daß die Verhältnisse des Familienstandes (z. B. Ehelichkeit oder Unehelichkeit) ihre unmittelbare und nächste Wirkung am W o h n o r t e der betheiligten Personen, sowohl im Verkehr derselben unter sich als mit dem Publikum, äußern, rechtfertigt es sich, dieselben dem Wohnortsrechte zu unterwerfen, um so mehr, als der Entwurf im Uebrigen die wichtigsten Verhältnisse des Personen-, Familien- und Erbrechts vom Rechte des Wohnorts beherrscht sein läßt.

Das Heimatrecht wird den anderswo Wohnenden mit der Zeit fremd und sie selbst stehen den heimatlichen Behörden wie Fremde gegenüber.

Es kommt auch nicht selten vor, daß die Heimatbehörden z. B. Fragen der Legitimation nicht mit der wünschbaren Unbefangenheit, sondern mehr vom engherzigen Standpunkte des ökonomischen Gemeindeinteresses aus behandeln, das in der Gewinnung eines neuen, vielleicht mit Glücksgütern nicht reichlich ausgestatteten Bürgers eher einen Nachtheil als einen Gewinn erblickt.

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Etwas anders stellt sich die Frage mit Bezug auf die Adoption dar. Dieses Institut kommt nur in wenigen Kantonen vor und ein öffentliches Interesse ist mit demselben nicht verknüpft.

Aus diesen namentlich von den Herren S u ter und Bundesrath R u c h o n n e t entwickelten Gründen wird Art. 8 dahin abgeändert, daß bloß die Adoption dem Rechte und Gerichtsstande der Heimat, alle übrigen Verhältnisse des Familienstandes dagegen den» Wohnortsrechte unterstellt werden.

11. Art. 9 wird mit Streichung der Worte ,,und die Gerichtsbarkeit"' angenommen ; man erachtet dieselben im Hinblick auf Art. l als überflüssig.

12. Art. 10--14, welche von der Vormundschaft handeln, werden mit folgenden Modifikationen genehmigt: a. Zu Art. 10 : Um nicht zu einem Mißverständnisse Anlaß zu geben, wird in einem Zwischensätze erklärt, daß die Vormundschaft vom Wohnsitzkanton über Bürger aus andern Kantonen anzuordnen und auszuüben sei, wie über eigene Kantonsbürger, d. h.

nur dann, wenn die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Einsetzung einer Vormundschaft vorhanden sind.

b. Zu Art. 11 :

Redaktionsverbesserung.

c. Zu Art. 12: Im Hinblick auf Art. 10 erseheint der Nachsäte: ,,und die letztem sind gehalten" u. s. f. als überflüssige Wiederholung eines bereits ausgesprochenen Grundsatzes; derselbe wird daher weggelassen.

d. Zu Art. 13: Um deutlich hervorzuheben, einerseits, daß die neuen Vormundschaftsbehörden über die Frage der Fortdauer der Vormundschaft selbstständig zu urtheilen haben, andererseits, daß nicht bloß die formellen Rechte und Pflichten der Vormundschaft, sondern auch die Innehabung des zu verwaltenden Vermögens von den bisherigen an die neuen Behörden übergehe, ist die Redaktion entsprechend geändert worden.

13. Es wird die Anregung gemacht, Streitigkeiten zwischen zwei Kantonen über den Wohnsitzwechsel eines Bevormundeten durch den Bundesrath entscheiden zu lassen (S u ter): dagegen wird (von F or r e r) vorgeschlagen, den Art. 10bis des aus der parlamentarischen Berathung von 1879 hervorgegangenen Entwurfs hier, jedoch mit Weglassung der Bürgerrechts Verhältnisse, aufzunehmen, mit folgendem Wortlaut:

593 ,,Im Streitfalle zwischen zwei Kantonen hat das Bundesgericht über alle die Einleitung der Vormundschaft und den Wechsel des Domizils betreffenden Fragen zu entscheiden."

Mau einigt sieh jedoch dahin, daß eine bezügliche Bestimmungeventuell in Art. 30, der bereits die Jurisdiktion des Bundesgerichts vorsieht, unterzubringen sei.

14. In Bezug auf das Güterrecht der Ehegatten (Art. 15 und 16) werden folgende Anträge gestellt :

1. Zu Art. 15: a. In Absatz l einzuschalten : ,,mit Inbegriff der Rechtsstellung der Ehefrau im Konkurse des Mannes."

(For r e r.)

b. In Absatz 2 die Worte: ,,auf eine Befragung, welche von Amtswegen durch die Behörde des neuen Wohnorts zu erfolgen hat", sowie die Worte : ,,oder die Gesetzgebung des ersten ehelichen Domizils" zu streichen.

(S u t er und Zem p.)

c. Eventueller Zusatz zu Lemma 2 : Während der ersten drei Monate nach einem Wohnsitzwechsel dauert das bisherige Güterrecht fort.

(2 e m p.)

d. Subeventuell: Für den Fall der Annahme des Antrages Zemp unter Litt, c: Statt drei Monate zu sagen: Einen Monat nach dem Wohnsitzwechsel.

(For r o r.)

e. In Absatz 3 zu sagen : ,,(beim ersten Wohnsitzwechsel) in der Schweiz".

(For r o r.)

2. Zu Art. 16: Streichung des zweiten Absatzes. (Suter.)

Der Antrag Forrer (Litt, a) wird angenommen, in der Meinung, daß Absatz 2 des Art. 15 der Frau gestatte, ihr bisheriges Güterrecht am neuen Wohnorte auch für den Konkursfall des Mannes sich zu sichern.

Zur Unterstützung der Anträge Suter und Zemp (Litt, b) wird angeführt : Die offizielle Befragung der Eheleute am neuen Wohnorte werde viele Uebelstände im Gefolge haben; sie sei nicht bloß unnöthig, da die Eheleute ihre Interessen selbst am besten zu wahren wissen, sondern auch unpraktisch, und mache die Verhältnisse unsicher, da die Frist, innerhalb welcher das bisherige Hecht festgehalten werden könne, offenbar erst von der Befragung an zu Jaufen beginne und daher, wenn diese letztere aus irgend einem Grunde unterlassen wird, gar nicht laufe. Infolge dessen treffe die Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. III.

39

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Behörde, der die Befragung obliegt, eine Verantwortlichkeit, die man ihr nicht ohne Noth aufbürden solle. (S u t er, Zemp, F o r r e r.)

Dagegen wird bemerkt, daß die ofizielle Befragung sowohl zur Wahrung der Rechte der Ehegatten selbst, als auch zur Rechtssicherheit des Publikums nöthig seiundd sich praktisch ganz leicht bei Einschreibung der Niedergelassenen in diePolizeikontrolenn bewerkstelligen lasse. Aus Säumigkeit oder Energielosigkeit, wenn nicht aus schlimmeren Gründen (Uneinigkeit zwischen Mann und Frau) würden ohne offizielle Befragung «ar oft die Eheleute nicht dazu kommen, ihren Willen zu erklären. (Raschein und Weber.)

Der Antrag, keinen Vorbehalt zu Gunsten der Gesetzgebung des ersten ehelichen Domizils zu machen, wird begründet, wie folgt: Die Anhänger des Territorialsystems machen eine Konzession zu Gunsten bestehender Eheverträge, da es sich mit dem Begriffe der Staatshoheit wohl vertrage, daß durch Vereinbarung der Parteien von dem gesetzlichen Rechte abweichende Bestimmungen getroffen werden ; mit der Staatshoheit nicht vereinbar aber sei es, daß eine fremde Gesetzgebung in das Staatsgebiet importirt werde.

(S u t e r, Z e m p . ) Dem gegenüber wird betont, daß das gesetzliche Güterrecht des ersten ehelichen Domizils, sofern dort nicht gestattet ist, Eheverträge zu schließen, das Vertragsrecht vertrete und deßhalb wie dieses den Eheleuten, die es seiner Zeit gewählt haben und beim Domizilwechsel beibehalten wollen, gewahrt bleiben müsse, wenn nicht eine stoßende Rechtsungleichheit durch das Bundesgesetz herbeigeführt werden wolle. ,,La loi c'est le contrat des pauvres."

Man wolle das durch V e r t r a g bestimmte Recht schützen, auch wenn die Gesetzgebung des neuen Wohnorts Eheverträge gar nicht zulasse; warum nicht auch ein abweichendes, durch fremdes Ges e t z begründetes Güterrecht?

(Ruchonnet, Burckhardt, F o r r e r, W e b e r . ) In der Abstimmung wird das System des Entwurfes in Betreff der offiziellen Befragung der Eheleute mit 5 gegen 3, in Betreff des Vorbehalts des durch das Gesetz des ersten ehelichen Wohnsitzes begründeten Güterrechts mit 6 gegen 2 Stimmen genehmigt.

Die HH. Suter und Zemp behalten sich vor, ihre Anträge im Nationalrath neuerdings zu stellen.

Der Antrag Zemp (Litt, c) wird damit begründet, daß sonst während der Ueberlegungsfrist (3 Monate lang) vollständige Unsicherheit herrsche, -welchem Güterrechte die an einem Orte neu eingebogenen Eheleute unterworfen seien.

595

Bekämpft wird derselbe mit dem Hinweis auf die rückwirkende Kraft, welche der innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgenden Erklärung der Eheleute zukomme, und im Weitern aus dem Grunde, weil dem Publikum das bisherige Güterrecht der Eheleute in der Regel, zumal jede amtliche Konstatirung über heimatliches oder bisheriges Domizilrecht oder konventionelles Recht fehle, nicht bekannt sein werde, während dagegen bei dem bundesräthlichen System Jedermann wisse, daß die Eheleute entweder unter dem Rechte des Wohnortes oder unter ihrem bisherigen Güterrechte stehen, worüber dieselben auf Veranlassung der mit ihnen in Verkehr tretenden Personen sich in zuverläßiger Weise auszusprechen haben.

Beim System Zemp kann es zudem vorkommen, daß Eheleute, die sich dem Wohnsitzrechte unterziehen wollen, an der Vornahme dringender Geschäfte am neuea Wohnorte verhindert werden, weil das Gesetz sie zwingt, noch während Monaten unter einem vom Wohnortsrechte abweichenden Gütersystem zu leben. Es besteht also für das Publikum sowohl als für die Eheleute selbst beim System des Bundesrathes die größere Sicherheit und Bequemlichkeit.

Die juristische Funktion dieses Systems ist eine ganz einfache : Erfolgt die Erklärung für Beibehaltung des bisherigen Rechts innerhalb nützlicher Frist, so wird es so angesehen, als haben die Eheleute vom Beginne des Wohnsitzes an unter diesem Rechte gelebt, und die in die Zwischenzeit fallenden Rechtshandlungen, deren Geltung bislang eine fragliche, bedingte gewesen, werden damit definitiv gültig oder aber hinfällig.

( R u c h on n e t, Weber.)

Eventuell wird in der Abstimmung in den Antrag Zemp statt 3 Monate l Monat aufgenommen, definitiv aber der Antrag mit 5 gegen 3 Stimmen verworfen.

Herr Zemp erklärt zu Protokoll, daß er sich die Geltendmacbung seines Standpunktes als Minderheitsansicht .vorbehalte.

Der Antrag Forrer (Litt, e) wird ohne weitere Diskussion gutgeheißen.

Der Antrag Suter (Ziff. 2) wird mit 5 gegen 3 Stimmen angenommen und infolge dessen Absatz 2 von Art. 16 gestrichen.

Die Majorität folgt dabei der Erwägung, daß, wenn auch die fragliche Bestimmung stehen bliebe, doch in jedem einzelnen konkreten Falle die Prüfung darüber ergehen müßte, ob ein wirkliches Privatrecht eines Dritten vorliege oder eine bloße Anwartschaft, Hoffnung, Vermuthung u. dgl. Es sei daher rathsam,
den Satz wegzulassen und die Anwendung des allgemeinen Rechtsprinzips, daß wohlerworbene Rechte (Jura queesita) zu schützen seien, auch auf diesem Gebiete der Praxis anheimzugeben.

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15. Zu Art. 17--19 (Erbrecht und Schenkungen) entspinnt sich eine längere Diskussion über folgende Punkte: 1) Solleu nur die erbrechtlichen Bestimmungen eines Ehev e r t r a g s und nicht a uch diejenigen des bisherigen gesetzlichen Güterrechts der Erbrechtsgesetzgebung des Wohnortes gegenüber Geltung haben?

Die Mehrheit will nach Antrag Z e m p den Vorbehalt auf die Eheverträge beschränken gegenüber dem Minderheitsantrage J o l i s s a i n t , auch die erbrechtliche Gesetzgebung des ersten eheliehen Domizils vorzubehalten.

2) Solleu erbrechtliche Festsetzungen in Eheverträgen nur nach Maßgabe der Gesetzgebung des Ortes, wo die Erbschaft eröffnet ist, zuläßig sein (S u t er), oder will mau sie wie der Entwurf des Bundesrathes auch in dem Falle zulassen, wo jene Gesetzgebung solche Ehe vertrage nicht kennt?

Es wird beschlossen, es sei deu Eheverträgen gegenüber bloß das Notherbrecht des Ortes der Erbschaftseröffnung vorzubehalten.

3) Die Schenkungen sollen, nach einstimmiger Ansicht, diesem Gesetze nur insoweit unterworfen sein, als sie auf den Todesfall lauten und daher, wie ein Testament, eineu erbrech fliehen Charakter haben.

Infolge dessen ist Art. 18 durch Aufnahme der Schenkungen auf den Todesfall zu ergänzen, Art. 19 aber, der nur noch von Schenkungen unter Lebenden handeln würde, als uieht in das Gesetz gehörend zu streichen.

Konsequenterweise sollen aus der Ueberschrift dieses Abschnittes die Worte ,,und Schenkungen" fortfallen.

16. Die Art. 20--22 (Verhältnisse der Schweizer im Auslande) werden mit wenigen Abänderungen genehmigt.

In Art. 21, Absatz l, will nicht gesagt werden, daß bevormundete auswandernde Bürger für die Dauer der Landesabwesenheit bevormundet bleiben müssen, wie es die gegenwärtige Fassung des Entwurfes zu bestimmen scheint; auch hat das Kundesgesetz bloß über die Z u s t ä n d i g k e i t der heimatlichen Vormundsehaftsbehörden sich auszusprechen ; es soll deßhalb in Absatz 2 dieses Artikels nicht von einer Verpflichtung derselben zur Einsetzung der Vormundschaft die Rede sein.

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In Art. 22 ist der Fall vorzusehen, daß im Auslande wohnhafte schweizerische Eheleute, deren Güterverhältniß von der inländischen (schweizerischen) Gesetzgebung geregelt werden soll, niemals in der Schweiz gewohnt haben, und für diesen Fall das Recht des Heimatkantons als maßgebend zu erklären.

17. Nachdem in Art. 8, Absatz l, für den Familienstand das Territorialrecht angenommen ist, kann dieser Artikel nicht auf Ausländer in der Schweiz Anwendung finden; es soll dies in Art. 23 angedeutet werden.

Im Uebrigen wird der Abschnitt ,,Verhältnisse der Ausländer in der Schweiz* genehmigt, jedoch mit Weglassung des zweiten Absatzes von Art. 25, der nicht in dieses Gesetz gehört und zudem überflüssig ist.

18. In Art. 27 der Uebergangsbestimmungen werden nach Antrag G r i e s h a b e r die Worte ,,sei estt bis und mit ,,bestimmt ist und tt gestrichen, um für die Uehergangszeit die Peststellung des Güterrechts des Heimatkantons in denjenigen Fällen zu ermöglichen, wo die Eheleute als Niedergelassene bis jetzt nach ihrem heimatlichen Rechte gelebt haben.

Folgerichtig ist in einem zweiten Satze aufzusprechen, daß bei einem späteren Wohnsitzwechsel dieses (heimatliche) Gütorrecht unter Beobachtuog des gesetzlichen Verfahrens aufrecht erhalten werden kann.

19. Art. 29 wird gestrichen.

Das Gesetz wird in Bezug auf den Uebergang der vormundschaftlichen Verwaltungen seine Vollziehung finden, ohne daß der Bundesrath mit einer besonderen Sorge hiefür belastet zu werden braucht.

20. Art. 30 wird durch Aufnahme einer Bestimmung erweitert, welche dem Bundesgerieht die Kompetenz überträgt, interkantonale Anstände über Einleitung einer Vormundschaft, Wohnsitzwechsel eines Bevormundeten und sonstige vormundschaftsrechtliche Fragen im staatsgerichtlichen Verfahren zu erledigen.

21. Art. 31 und 32 werden mit kleinen redaktionellen Abänderungen genehmigt.

598

Herr Grieshaber beantragt und es wird beschlossen, Montag den 4. Juni, Morgens 10 Uhr, in Bern zu einer zweiten Berathung zusamm enzutreten.

Inzwischen soll das Protokoll über die dermalige (erste) Berathung vervielfältigt und den Mitgliedern zugestellt werden.

Die Berichterstattung in deutscher Sprache für die Berathung im Nationalrath wird Hrn. F o r r er, diejenige in französischer Sprache Hrn. J o l i s s a i n t übertragen.

B e r n , den 11. Mai 1888.

Der Protokollführer:

Leo Weber.

.A- n h. a n. g.

Entwurf der nationalräthlichen Kommission.

(Nach den Beschlüssen vom 26. und 27. April 1888.)

Bundesgesetz betreffend

die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter.

A. Allgemeine Bestimmungen.

(NB. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Artikel des bundesräthlichen Entwurfs.)

Art. 1. (l und 2). Diejenigen Schweizerbürger, welche als Niedergelassene oder Aufenthalter in einem Kantone wohnen, in welchem sie nicht heimatberechtigt sind, stehen in Ansehung des Personen-, Familien- und Erbrechts unter dem Rechte und der Gerichtsbarkeit ihres Wohnsitzes, sofern dieses Gesetz nicht Ausnahmen feststellt.

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Art. 2. (3). Der Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes befindet sich an dem Orte, wo Jemand mit der Absicht, daselbst dauernd zu verbleiben, wohnt.

Die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-, Pflege-, Vevsorgungs-, Irren- oder Strafanstalt begründet für dieselbe nicht einen civilrechtlichen Wohnsitz.

Im Streitfalle wird der Wohnsitz nach der Gresammtheit der dabei in Frage kommenden thatsächlichen Verhältnisse bestimmt.

Der einmal begründete Wohnsitz einer Person dauert so lange fort, bis sie ihre Wohnung an einen andern Ort verlegt und daselbst einen neuen Wohnsitz erworben hat.

Art. 3. (4). Als Wohnsitz der Ehefrauen und der minderjährigen Kinder gilt der Wohnort des Ehemannes und des Inhabers der elterlichen Gewalt.

Die übrigen rechtlich unselbstständigen Personen haben ihren Wohnsitz am Sitze der Vormundschaftsbehörde; es sind jedoch rechtliche Mittheilungen dem Vormunde an dessen persönlichem Wohnorte zu machen.

(Art. 5 des B. R. wird gestrichen.)

Art. 4. (6). Ist eio Schweizerbürger in mehreren Kantonen heimatberechtigt, so kommt bezüglich der civilrechtlichen Verhältnisse, für welche nach diesem Gesetze das Heimatrecht maßgebend sein soll, die Gesetzgebung desjenigen Heimatkantons zur Anwendung, in welchem der Bürger wohnt oder seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, und, falls ein solcher fehlt, die Gesetzgebung des neuern Heimatkantons.

Art. 5. (neu). Wenn für einen Theil eines Kantons besondere civilreehtliehe Satzungen bestehen, so finden auf Kantonsangehörige, die in einem solchen Kantonstheile wohnen, aber in demselben nicht verbürgert sind, die Bestimmungen

600

dieses Gesetzes in gleicher Weise Anwendung wie auf Bürger anderer Kantone.

Ist ein Kantonsangehöriger in mehreren Kantonstheilen, die eine abweichende Civilreehtsgesetzgebung besitzen, verbürgert, so wird in entsprechender Anwendung des Art. 4 das Recht desjenigen Kantonstheils auf ihn angewendet, in welchem er wohnt oder seinen letzten Wohnsitz gehabt oder zuletzt sich eingebürgert hat.

O O

B. Personen- und familienrechtliche Verhältnisse.

1. Handlungsfähigkeit.

Art. 6. (7). Die persönliche Handlungsfähigkeit, soweit sie nicht durch die Bundesgesetzgebung einheitlich geordnet ist, richtet sieh nach dem Gesetze des Wohnortes.

2. Familienstand.

Art. 7. (8). Der Familienstand unterliegt, abgesehen von den durch das Bundesgesetz über Civilstand und Ehe geordneten Verhältnissen, der Gesetzgebung des Wohnsitzes Insbesondere sind nach diesem Rechte zu beurtheilen die Frage der ehelichen oder unehelichen Geburt und die Wirkungen der freiwilligen Anerkennung und des behördlichen Zuspruchs Unehelicher.

Dagegen gilt in Bezug auf die Adoption das Recht und der Gerichtsstand der Heimat der adoptirenden Person.

3. Elternrecht.

Art. 8. (9). Für das Elternrecht (Elterliche Gewalt, Unterstützungspflicht zwischen Eltern und Kindern u. s. w.)

ist die Gesetzgebung des Wohnortes maßgebend.

601 4. Vormundschaft.

Art. 9. (10). Jeder Kanton hat innerhalb der Schranken des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit über die in seinem Gebiete wohnenden Bürger aus andern Kantonen, wie über seine eigenen Angehörigen, die Vormundschaft anzuordnen und auszuühen.

Art. 10. (11). Die Vormundschaft begreift sowohl die Obsorge für die Person des Bevormundeten als die Vermögensverwaltung in sich.

Art. 11. (12). Dem Heimatkanton stebt das Recht nicht zu, einen Bürger, der in einem andern Kanton wohnt, unter Vormundschaft zu stellen. Dagegen ist e:' berechtigt, bei den Behörden des Wohnortes die Bevormundung desselben zu beantragen.

Art. 12. (13). Bei einem Wohnsitze echsel, weleher mit Zustimmung der bisherigen Vormundschaftsbehörde erfolgt, gehen Rechte und Pflichten der Vormundschaft, einschließlich der Innehabung des der vormundschat'tlichen Verwaltung unterstellten Vermögens, an die Behörden des neuen Wohnsitzes über.

Art. 13. (14). Die Wohnortsbehörde ist verpflichtet, der Heimatbehörde von dem Eintritt und der Aufhebung einer Vormundschaft Kenntniß KU geben und ihr außerdem auf Verlangen über alle die Vormundscl aft betreffenden Fragen Aufschluß zu ertheilen.

5. GUterrecht der Ehegatten.

Art. 14. (15). Die ehelichen Güterrechtsverhältnisse, mit Inbegriff der Rechtsstellung der Ehefrru im Konkurse des Mannes, unterliegen der Gesetzgebung des Wohnsitzes der Ehegatten.

602 Es steht jedoch bei Verlegung des Wohnsitzes jedem Theile innerhalb dreier Monate das Recht zu, auf eine Befragung, welche von Amtswegen durch die Behörde des neuen Wohnortes zu erfolgen hat, das durch rechtsgültigen Ehevertrag oder die Gesetzgebung des ersten ehelichen Wohnsitzes begründete Gütersystem aufrecht zu erhalten.

Wird eine solche Erklärung von den Eheleuten nicht beim ersten Wohnsitzwechsel in der Schweiz abgegeben, so können dieselben bei einer spätem Aenderung des Wohnortes von dieser Befugniß keinen Gebrauch machen.

Art. 15. (16.) Die nach Art. 14, Absatz 2, erfolgende Erklärung ist amtlich einzuschreiben und öffentlich bekannt zu machen. Infolge dessen hat sie sowohl unter den Ehegatten selbst als gegenüber Drittpersonen rechtliche Wirksamkeit.

C. Erbrecht.

Art. 16. (17.) Die Erbschaft eines in der Schweiz wohnhaften Schweizerbürgers wird für die Gesammtheit des Vermögens am Wohnorte des Erblassers eröffnet und unterliegt der Gesetzgebung dieses Ortes.

Vorbehalten bleiben die einem Ehegatten auf den Todesfall des andern durch Ehevertrag zugesicherten Vortheile, sofern der Vertrag nicht das am Wohnorte des Erblassers geltende Notherbrecht verletzt.

Art. 17. (18.) Letztwillige Verfügungen und Erb vertrage, sowie Schenkungen auf den Todesfall, sind rücksichtlich ihrer Form gültig, wenn sie dem Gesetze des Errichtungsortes oder demjenigen des Wohnortes des Erblassers entsprechen.

(Art. 19 des BR. fällt weg.)

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D. Verhältnisse der Schweizer im Auslande.

Art. 18. (20.) Wenn für die Rt chtsverhältnisse der im Auslande wohnhaften Schweizerbürger gemäß der dortigen Gesetzgebung das Heimatrecht vorgeschrieben ist, so kommt, vorbehaltlich der Bestimmungen von Art. 19 und 20 des gegenwärtigen Gesetzes, das Recht des Heimatkantons der betreffenden Bürger zur Anwendung.

Art. 19. (21.) Bevormundete Schweizerbürger, die sich außer Landes begeben, bleiben, so lange der Grund der Bevormundung fortbesteht, unter der bisherigen vormundschaftlichen Gewalt.

Wird die Bestellung einer Vormundschaft über eine auswandernde oder landesabwesende Person nöthig, so ist hiefür die Behörde des Heimatkantons zustand g.

Art. 20. (22.) Die im Auslande wohnhaften schweizerischen Eheleute, deren Güterverhältniß nicht durch die ausländische Gesetzgebung bestimmt wird, stehen unter demjenigen Güterrechte, welches an ihren let/ten ehelichen Wohnsitze in der Schweiz für sie rechtliche Geltung hatte, und falls sie niemals in der Schweiz gewohnt haben, unter dem Rechte ihres Heimatkantons.

E. Verhältnisse der Ausländer in der Schweiz.

Art. 21. (23.) Die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes linden, soweit nicht Staatsverh äge entgegenstehen, mit Ausnahme des Art. 7, Abs. l, uu-J vorbehaltlich der in Art. 22 enthaltenen Bestimmung, auf die in der Schweiz wohnenden Ausländer entsprechende Anwendung.

Art. 22. (24.) In Bezug auf die persönliche Handlungsfähigkeit der Ausländer gilt Art. 10, Absatz 2 und 3, des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit.

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Art. 23. (25.) Wenn gemäß der Gesetzgebung des Wohnsitzkantons die Bevormundung eines Ausländers geboten erscheint, so hat die zuständige Behörde unter Anzeige an die Behörde des Hoimatstaates die Vormundschaft einzuleiten. Es ist jedoch dieselbe an die Behörde des Heimatstaates abzugeben, wenn dies von ihr verlaugt wird.

F. Uebergangs- und Schlußbestimmnngon.

Art. 24. (26.)

in Kraft.

Dieses Gesetz tritt am

. . . .

Art. 25. (27.) Wenn Ehegatten am in einem Kantone ihren Wohnsitz haben, in dein sie nicht heimatberechtigt sind und dessen Gesetzgebung das eheliche Güterverhältniß anders regelt, als dasselbe für sie bisher wirksam war, so ist jeder Theil berechtigt, durch eine innerhalb dreier Monate von gedachtem Zeitpunkte an abzugebende Erklärung das bisherige Güten-echt in Geltung zu erhalten.

Bei einem spätem Wohnsitzwechsel kann dieses Güterrecht unter Beobachtung des in Art. 14, Abs. 2, vorgesehenen Verfahrens festgehalten werden.

Art. 26. (28.) Der Bundesrath wird das Verfahren nur Festhaltung und Bekanntmachung der bereits begründeten ehelichen Güterrechts Verhältnisse durch eine Verordnung näher bestimmen und gleichzeitig Vorsorge treffen, daß die am im Auslande wohnhaften oder innerhalb der nächstfolgenden drei Monate auswandernden schweizerischen Eheleute in entsprechender Weise in den Stand gesetzt werden, ihr bisheriges eheliches Güterrecht durch eine rechtsgültige Erklärung festzustellen.

(Art. 29 des BR. fällt weg.)

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Art. 27. (30). Das Bundesgericht beurtheilt nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen von geschriebenen Verfahren die bei der Anwendung dieses Gesetzes entstehenden Streitigkeiten ; dasselbe hat in gleicher Weise auch Anstände zu erledigen, die über Einleitung der Vormundschaft, Wohnsitzwechsel eines Bevormundeten und sonstige vormundschaftsrechtliche Fragen zwischen zwei oder mehreren Kantonen sich erheben.

Art. 28. (31.) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden alle demselben widersprechenden Bestimmungen der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung aufgehoben; desgleichen treten außer Wirksamkeit : 1) das Konkordat über vormundschaftliche und Bevogtungsverhältnisse vom 15. Juli 1822 2) das Konkordat über Testirungsfähigkeit und Erbrechtsverhältnisse vom 15. Juli 1822.

Art. 29. (32.) Der Bundesrath ist beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, dieses Gesetz bekannt zu machen.

606 Sitzungen vom è. vind 5. Juni 1888 in Bern.

Anwesend die Herren Kommissionsmitglieder F o r r e r , G r i e s h a b e r , J o l i s s a i n t , R a s c h e i n , S u t e r und Z e m p.

A b w e s e n d die Herren B u r c k h a r d t , G a i l l a r d und Python.

Die HH. Bundesrath L. R u c h o n n e t und Gesetzgebungssekretär Leo W e b e r wohnen den Verhandlungen bei.

Das Protokoll der Sitzungen vom 26. und 27. April wird genehmigt.

Der Präsident wirft, ohne den Anregungen der Mitglieder vorgreifen zu wollen, als weitere Diskussionspunkte folgende Fragen auf: 1) Sollte nicht auch die Adoption dem Wohnsitzrecht unterstellt werden ?

2) Ist nicht die Ofßzialbefragung der Eheleute (Art. 14 [15], Abs. 2) zu beseitigen?

3) Kann nicht das Gesetz, nachdem das Wohnortsrecht beinahe durchweg als maßgebend erklärt ist, bedeutend abgekürzt werden ?

Herr F o r r e r bejaht seinerseits sämmtliehe drei Fragen; er wird von Herrn 8 n t e r unterstützt. Der Letztere empfiehlt namentlich die Annahme des Territorialprinzips für die Adoption: Warum soll die Wohlthat dieses Instituts nicht allen Bewohnern eines Kantons zukommen?

Herr R a s c h e i n spricht den Gedanken aus, es sollte die Adoption nach der Gesetzgebung des Wohnsitzes Jedermann gewährt, zu Gunsten des Institutes aber das Heimatrecht vorbehalten werden, sofern der Wohnsitzkanton dasselbe nicht kennt.

Die Herren R u c h o n n e t und J o l i s s a i n t wünschen, daß die Adoption dem Heimatvecht unterworfen bleibe.

In Bezug auf die Offizialbefragung der Eheleute (Art. 14, Abs. 2) ist man nunmehr allgemein der Ansicht, daß die gegenwärtige Redaktion, gemäß welcher die dreimonatliche Ueberlegungsfrist der Eheleute zur Beibehaltung des bisherigen Güterrechts mit dem Tage der amtlichen Befragung, und also, wenn die Befragung aus irgend welchem Grunde unterbleiben sollte, gar nicht zu laufen beginnen würde, eine zu große Verantwortlichkeit der Ortsbehörde in sich schließt und neue Rechtsunsicherheit erzeugen kann. Die

607

Frist solle vielmehr mit dem faktischen Beginn des neuen Wohnsitzes ihren Anfang nehmen.

Herr S u ter schlägt zu Art. 5 (neu) die Redaktion vor, es seien zwei verschiedene Rechtsgebiete eines und desselben Kantons wie zwei besondere Kantone zu behandeln.

Herr Z e m p beantragt, es solle das Präsidium in Verbindung mit dem Protokollführer die redaktionelle Umarbeitung des Gesetzes im Sinne kürzerer Fassung desselben besorgen.

Ferner regt Herr Z e m p die Frage an, ob nicht Art. 22 (24) als überflüssig weggelassen werden könne, da die persönliche Handlungsfähigkeit der Ausländer in der Schweiz ja schon durch das eidg. Handlungsfähigkeitsgesetz geregelt werde, und ob nicht Art. 23 (25), als in die kantonale Kompetenzsphäre übergreifend, zu streichen sei.

Herr F o r r er theilt das Bedenken des Hrn. Zemp, betreffend Art. 23 nicht, schlägt aber zu Art. 9, 12 und 21 Redaktionsveränderungen und, damit zusammenhängend, die Weglassung des Art. 23 vor.

Ergebnisse der Abstimmung.

1) In Bezug auf die Adoption soll das Heimatrecht gelten.

2) Die in Art. 14, Abs. 2, vorgeschriebene Offlzialbefragung der Eheleute wird fallen gelassen.

3) Die Anträge Forrer zu den Art. 9, 12 und 23 werden gutgeheißen.

4) Als Grundlage der Berathung im Nationalrathe ist der Entwurf der Kommission vom 26./27. April beizubehalten, jedoch soll die Frage bis zum Schlüsse der parlamentarischen Berathung offen bleiben, ob dem Gesetze im Ganzen eine kürzere Fassung zu geben sei.

5) Die Herren Forrer und Weber werden beauftragt, die zu einzelnen Artikeln gefallenen Bemerkungen redaktioneller Natur zu prüfen und nach Gutfinden zu berücksichtigen.

B e r n , den 6. Juni 1888.

Der Protokollführer:

Leo Weber.

Notiz. Der nene, auf den Beschlüssen der nationalräthlichen Kommission vom 5. Juni 1888 beruhende Entwurf findet sich auf Seite 621 hienach als Anhang zum Bericht der nationalräthlichen Kommission vom 12. Juni 1888 abgedruckt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn (theilweise Straßenbahn) von Yverdon nach Ste-Croix. (Vom 18.

Juni 1888.)

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1888

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28

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