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Schweizerisches Bundesblatt.

40. Jahrgang. IV.

Nr. 43.

29. September 1888.

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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom

18. September 1888.)

Die Hebamme Henchoz in Echarlens (Freiburg) hat beim Bundesrathe gegen den dortigen römisch-katholischen Pfarrer Magnin Beschwerde geführt, weil derselbe ihr untersagt hatte, ein Kind über -die Taufe zu halten, ,bei dessen Geburt sie zugezogen worden war. Durch diesen Ausschluß von einer Funktion, welche nach der Landessitte -von der Hebamme zu versehen ist, behauptet die Beschwerdeführerin in der Ausübung ihres Berufes als Hebamme schwer beeinträchtigt .und infolge dessen zum Verlassen .der .Gegend genöthigt .worden zu sein.

·Der Pfarrer rechtfertigt sein Verhalten damit, es habe die Frau Henchoz durch ihre Heirat mit einem geschiedenen Manne, dessen geschiedene Frau noch lebt, den katholischen .Glaubenssatz der Unauflösbarkeit der Ehe -mißachtet, weßhalb die Kirche sie nicht mehr als zur katholischen Gemeinschaft gehörend betrachten könne. Der Pfarrer fügte aber gleichzeitig bei, er würde die Frau zum fraglichen Akt zugelassen .haben, wenn sie (Protestantin wäre.

Der Bundesrath hat aus der letztern Erklärung des Pfarrers entnehmen können, daß derselbe die von Frau Henchoz beanspruchte Theilnahme am Taufakte nicht von der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft .anhängig macht, daß somit sein Verhalten lediglich von der Absicht eingegeben war, eine einzelne Person dafür zu maßregeln, daß sie von einem durch Artikel 54 der Bundesverfassung und durch das Bundesgesetz über Civilstand und Ehe jedem Bürger gewährleisteten Rechte Gebrauch gemacht hatte. Im Hinblick auf Artikel 50, Absatz 2 der Bundesverfassung, welcher den Bund und die .Kantone verpflichtet, gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Rechte der Bürger und des Staates einzuschreiten, hat sich deßhalb der Bundesrath veranlaßt Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. IV.

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gesehen, der Regierung von Freiburg gegenüber die Erwartung auszusprechen, sie werde von sich aus dafür Sorge treffen, daß solche dem Geiste und Wortlaute des Art. 54 der Bundesverfassung zuwiderlaufenden Vorfälle sieb nicht wiederholen.

(Vom 21. September 1888.)

In der Rekurssache des Hrn. Eugène François Pictet, Ingenieur, von Genf, wohnhaft in Genevey bei Vivis, betreffend die ihm von den Genfer Behörden auferlegte Militärpflichtersatzsteuer hat der Bundesrath, in Erwägung: 1) in der That wird in dem vom Rekurrenten angerufenen Ehekontrakt vom 8. Mai 1884 das in die Ehe gelangende Vermögen der Ehefrau, gegenwärtiges und zukünftiges, als Sondergut der Ehefrau erklärt; 2) Hr. Pictet behauptet nun aber nirgends, daß er an der Nutznießung von diesem Sondergut seiner Ehefrau keinen Antheil habe, weßhalb als feststehend angenommen werden muß, daß Hr. Pictet von diesem Sondergut die Nutznießung in Wirklichkeit ebenfalls hat; 3) der Bundesrath hat schon in den Jahren 1883 und 1887 in den Rekursen Stähelin und Weber und kürzlich noch, unterm 7. Juni 1888, im Rekursfalle Martin dahin enlschieden, daß in das Eigenthum des Ehemannes übergehendes Frauenvermögen als eigenes Vermögen des Letztern im Sinne des Art. 5, a, des Gesetzes vom 28. Juni 1878 zu besteuern sei, daß für den Fall aber, wo der Ehemann vom Vermögen seiner Frau nur die Nutznießung habe, diese letztere immerhin unter die Bestimmung des Art. 5, B, b, des Gesetzes (Ertrag von Leibrenten, Pensionen und ähnlichen Nutzungen) falle und als Einkommen zu versteuern sei, beschlossen, es sei, in Abänderung des erstinstanzlichen Entscheides, das Hrn. Pictet von seiner Ehefrau als Sondergut derselben in die Ehe gebrachte Vermögen in der Weise als Steuerfaktor in Berechnung zu ziehen, daß die Nutznießung von diesem Sondergut als Einkommen des Rekurrenten nach Art. 5, B, b, leg. cit. zu besteuern sei.

(Vom 25. September 1888.)

Der Bundesrath hat beschlossen, es seien Uebereinkünfte betreffend Feststellung des Minderwerthes von Brennereien auch dann

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Die bundesräthliche Verordnung vom 17. Januar 1888, betreffend den Verkauf von Sprit, enthält in Ziffer I, AI. 3 nachstehende Bestimmung: ,,Die Bahnfraeht vom Lager bis zu der dem Besteller nächstgelegenen inländischen Bestimmungsstation übernimmt vorläufig, bis zur Einrichtung des definitiven Depotsystems, die Alkohol Verwaltung zu eigenen Lasten."

Diese Vorschrift wird selbstverständlich so ausgelegt, daß die Alkoholverwaltung die Fracht ebenfalls zu übernehmen hat, wenn der Besteller die Versendung der Waare nicht nach der Station seines Wohnortes, sondern nach einer andern, dem Versandtdepot n ä h e r gelegenen Station verfügt ; denn ein anderes Verfahren, welches sowohl dem Käufer als der Alkoholverwaltung Schaden und nur den Bahnverwaltungen Nutzen bringen würde, müßte als chicanös bezeichnet werden.

Durch die oben angeführte Bestimmung wurde ein großer Theil des Sprithandels, und zwar derjenige, der an den Depotorten selbst oder in der Nähe derselben seinen Sitz hat, in seinen Interessen benachtheiligt. Der Bundesrath hat deßhalb dieselbe abgeändert wie folgt: ,,Die Bahnfracht vom Lager bis zu der vom B e s t e l l e r v o r g e s c h r i e b e n e n B e s t i m m u n g s s t a t i o n übernimmt vorläufig, bis zur Einrichtung des definitiven Depotsystems, die Alkoholverwaltung zu eigenen Lasten."·

Der Bundesrath hat in Ablehnung eines Rekurses der Nordostbahn, bezüglich ihres Winterfahrplan-Entwurfes, die Einladung seines Eisenbahndepartements bestätigt : 1} durch Wiederherstellung-des-fünften Zuges Turgi-Waldshut, oder eine gleichwerthige Verbesserung am frühen Morgen, dem Begehren der Regierung des Kantons Aargau um Erstellung angemessener Verbindungen mit Aarau Rechnung zu tragen ;

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2) die Fahrgelegenheiten von und nach Eglisau mit den Zügen 7.1 a und 78 a in gleicher Weise wie im Sommer aufrecht zu erhalten ; 3) avtf der Linie Winterthur-Etzweilen-Konstanz auch im Winter dieselben fünf Züge verkehren zu lassen wie im Sommer.

Der Bundesrath hat es ausdrücklich gebilligt, wenn das Departement sein Augenmerk darauf richtet, daß die im Sommer für den ordentlichen und normalen Verkehr gefahrenen Züge im Winter nicht eingestellt werden, und hält dafür, daß sowohl die Postverhindungen gewahrt, als namentlich auch die Früh- und Spätzüge aufrecht erhalten werden sollen, welche dem verkehrtreibenden Publikum die thunlichste Ausnützung des Tages und der Anschlußverbindungen gestatten.

Die Bundesversammlung hat am 23. Juni bei Erlaß des Gesetzes betreffend die Beamtungen des statistischen Bureaus und der "Bauabtheilung des Departements des Innern den Bundesrath eingeladen, beförderlichst -einen Gesetzesentwurf über die Besoldungen sämmtlicher eidgenössischen Beamten vorzulegen und dabei die Beseitigung der ;bestehenden Ungleichheiten anzustreben. Der Bundesrath hat nun eine Kommission, bestehend aus den Vorstehern des Departements des Innern, des Militär- und des Finanz- und 'Zolldepartements, ernannt, welche über die Grundlagen zu berathen hat, auf welche hin =ein neues Besoldungsgesetz zu erlassen sei.

Das Postdepartement ist vom Bundesrath ermächtigt worden, auf einen von ihm festzusetzenden Zeitpunkt einen Postwagenkurs M ü h l r ü t i - B ü t s e h w y l zu errichten.

(Vom 28. September 1888.)

Der Bundesrath hat neben Herrn Minister Dr. Roth in Berlin die Herren Nationalrath Cramer-Frey in Zürich und Landammann Blumer in Schwanden zu Bevollmächtigten für die Handelsvertragsunterhandluügen mit Deutschland ernannt.

Der Regierungsrath des Kantons St. Gallen hat den .Bundesrath angefragt, ob für den Kanton St. Gallen pro 1888 und pro 1889 eine Einnahme aus den Reinerträgnissen des Alkoholmonopols in Aussicht genommen werden dürfe oder nicht.

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Hierauf ist erwidert worden : Der Bundesrath als solcher war bis jetzt noch nicht in der Lage, das Budget der Alkoholverwaltung pro 1889 festzustellen. Nach bezüglichen vorläufigen Aufstellungen des Finanzdepavtements, für die indessen, wie oben gesagt, die Genehmigung des Bundesrathes noch aussteht, ist der Reinertrag des Monopols für das genannte Jahr auf Fr. 4,210,000 angenommen.

Diese Summe soll zunächst, nach Maßgabe von Art. 32bis der Bundesverfassung, im Verhältniß der Bevölkerungszahlen unter säramtliche Kantone vevtheilt werden. Ergibt sich aber, daß die so berechneten Summen bei diesem oder jenem der betheiligten Kantone und Gemeinden zum Ersatz der dahingefallenen Ohmgelder und Oktrois nicht ausreichen, so ist der Ausfall, welchen die davon betroffenen Ohmgeldkantone und Oktroigemeinden erleiden würden, nach Art. 6 der Uebergangsbestimmungen zur Bundesverfassung, aus derjenigen Summe zu decken, welche allen übrigen Kantonen nach der Volkszahl zukäme, und es ist erst der Rest auf diese letztern nach der Volkszahl zu vertheilen.

Der Betrag der zu ersetzenden Ohmgelder und Octrois konnte verschiedener prinzipieller und materieller Anstände wegen noch nicht definitiv festgestellt und vereinbart werden. Nach hierseitiger Aufstellung sind die Rechnungsbeträge die folgenden: 1. Bern .

.

.

. F r . 1,074,191. 82 2. Luzern .

375,521. 54 3. Uri ,, 62,321. 02 4. Nidwaiden .

.

. ,, 13,678. 11 5. Obwalden .

19,359. 50 6. Glarus.

.

45,897. 50 7. Zug .

. ' .

. ,, 17,710. -- 8. Freiburg . ,, 356,151. 75 9. Solothurn . ,, 240,270. 43 10. Baselstadt . ,, 47,373. 40 11. Baselland . · ,..

. ,, 51,454. 52 12. Graubünden. " .

. ,, 155,382. 99 13. Aargau .

· ' -. ,, 186,400. 85 14.'Tessiti.' .

. ' . ,, 161,109.67 15. Waadt .

326,381. 40 16. Wallis . ,, 36,781. 76 17. Genf .

.

.

. ,, 387,627. 36 18. Carouge .

.

. ,, 23,994. 61 Total

Fr. 3,581,608. 23

Es bleiben demnach pro 1889 über den Betrag der zu ersetzenden Ohmgelder und Octrois hinaus rund Fr. 630,000 zur Vertheilung unter die berechtigten Kantone übrig. Pro 1888 sind keine über die Ersatzsumme von Fr. 3,580,000 hinausgehende Einnahmen zu erwarten.

Für Postsendungen ohne Werthangabe, welche im Dienste der eidgenössischen Volkszählung 1888 von Bundes-, Kantons-, Bezirksoder Gemeindebehörden und ihren Kanzleien versandt werden, wird die Portofreiheit bis auf das Gewicht von 20 kg. ausgedehnt.

Der Bundesrath hat gewählt: (am 25. September 1888) zum Kreispostkontroleur des Postkreises Bern : Hrn. Friedrich Seiler, von ßönigen (Bern), bisher Büreauchef beim Hauptpostbüreau Bern ; ,, Postkommis in Luzern : ,, Alois Rast, von Hochdorf (Luzeru), Postkommis iuOlten; ,, T, ,, ,, Anton Korner, von Willisau fl (Luzern), Postkommis in Aigle (Waadt) ; zur Telegraphistin in Oerlikon : Jgfr. Emilie Hinnen, von und in Oerlikon (Zürich; ; (am 28. September 1888) als Sekretär bei der Oberpostdirektion: Hrn. Sigmund Keller, Buchhalter, von Biel, in Bern; ,, Adjunkt der Kreispostdirektion in Bellinzona: ,, Rudolf Molo, von Bellinzona, gewesener Postkommis in Bellinzona; ,, Postkommis in Basel: ,, Grottlieb Amweg, von Ammerswyl (Aargau), Briefträger in Basel; ,, Telegraphist in Genf: ,, Auguste Meyer, Telegraphenaspirant, von und in Genf; ,, Telegraphistin in Vi vis: Jgfr. Ida Landerer, Telegraphenaspirantin, von Basel, in Thun.

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