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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über ein Bundesgesetz betreffend die Errichtung von elektrischen Linien.

(Vom 13. November 1888.)

Tit.

Der vorliegende Gesetzesentwurf, welcher sowohl auf die Telegraphen- als die Telephonanstalten seine Anwendung finden soll und aus diesem Grunde mit dem Ihnen gleichzeitig zugehenden Telephongesetze nicht in einheitlichen Zusammenhang gebracht werden kann, hat wesentlich die Erwerbung des Rechte», auf fremdem Eigenthum elektrische Leitungen zu erstellen, zum Gegenstand.

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Infolge der außerordentlichen Entwicklung des Telephonwesens ist die Länge der Leitungen bereits auf über 10,000 Kilometer angestiegen und wird ohne allen Zweifel noch wesentlich zunehmen.

In gleichem Verhältniß werden auch die Schwierigkeiten bei der Erstellung der Linien und damit das Bedürfniß des gesetzlichen Schutzes wachsen. In dieser Beziehung kommt zunächst das Verhältniß der Verwaltung zu dem ö f f e n t l i c h e n E i g e n t h u m des Staates, der G e m e i n d e n und der Korporationen in Betracht. In der bisherigen Gesetzgebung finden sieh hierüber folgende Bestimmungen : In dem Gesetze vom 23. Dezember 1851 (Art. 9) wurde der Bundesrath angewiesen, ,,mit den Kantonen in Unterhandlung zu treten, um die Verzichtleistung auf jede Entschädigung für die Anlegung der Telegraphenlinien auf dem Eigenthum der Kantone, Gemeinden und öffentlichen Korporationen und die Ueberwachung der Telegraphenlinien gegen Beschädigung zu erz wecken".

681 In seiner Botschaft vom 10. Dezember 1851 hatte der Bundesrath bereits berichtet, daß er bei den Kantonen das beste Entgegenkommen gefunden und von denselben die Erklärung erhalten habe, daß sie bereit seien, das Unternehmen nach Wunsch zu fördern, von Seite des Staates auf eine Entschädigung zu verzichten und für gleiche Leistung sich auch bei den Gemeinden zu verwenden.

In der Verordnung vom 6. August 1862 wurde dieses Verhältniß allgemein geordnet und der Grundsatz aufgestellt (Art. 2, litt, a}: ,,Die Kantone räumen der Eidgenossenschaft ohne irgend welche Entschädigung die Befugniß ein, auf ihrem Gebiete Telegraphenlinien oberirdisch und unterirdisch zu erstellen, sei es auf dem Eigenthum der Kantone oder der Gemeinden oder öffentlicher Korporationen, und zwar namentlich längs den Gassen, Landstraßen, Feld- und Fußwegen, Kanälen, Flüssen und Seen."

Diese Vorschrift hat seit dem Bestände des Telegraphennetzes im grossen Ganzen unbeanstandet ihre Vollziehung gefunden, obschon dieselbe nur auf einer bundesräthlichen Verordnung beruht.

Wir sind gleichwohl der Ansicht, daß ein Verhältniß von so weitgehender Bedeutung gesetzlich geordnet werden sollte. Wenn auch das Rechtsverhältnis in Bezug auf die Kantone durch die oben erwähnte Verzichtieistung als geordnet erscheint, so kann sich der Bund gegenüber den Gemeinden und Korporationen nur auf die allerdings mehr als dreissigjährige Rechtsübung und die seit 1862 unbestrittene Anwendung der Verordnung berufen. Wir sehlagen daher vor, das bestehende Vertrags- und Gewohnheitsrecht gesetzlich zu Sanktioniren, indem wir aber gleichzeitig die in der Verordnung vom 6. August 1862 für den Bund in Anspruch1 genommenen Befugnisse einschränken. Wir halten nämlich dafür, daß es, mit Rücksicht auf das bei den Behörden bis jetzt stets gefundene Entgegenkommen, nicht nöthig sei, das Recht des Bundes allgemein und ununterschieden auf das Eigenthum der Kantone, Gemeinden und Korporationen auszudehnen, daß es vielmehr genüge, diese Befugniß auf diejenigen Objekte zu beschränken, an denen sie unbeschadet ihrer eigentlichen Zweckbestimmung und ohne allen Nachtbeil für den Eigenthümer ausgeübt werden kann, was beinahe ausnahmslos zutreffen wird, wenn über öffentliche Plätze, längs der Landstraßen, der öffentlichen Wege überhaupt, wie längs der Kanäle, Flüsse und
Seen Telegraphen- oder Telephonlinien erstellt werden.

Auch seinem Inhalte und seiner Dauer nach soll das Recht des Bundes nicht über das Bedürfniß hinausgehen. Weitaus in den meisten Fällen wird es genügen, wenn der Bund die für seine Leitungen nöthigen Stützpunkte und Landstreifen so lange in Anspruch nehmen Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. IV.

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darf, bis der Eigenthümer dieselben zu einem Zwecke benutzt, welcher den fernem Bestand der Leitung ausschließt. Tritt dieser Fall infolge von Straßen Verlegungen, Flußkorrektionen oder aus irgend einem andern Grunde ein, so muß auch von Seile der Verwaltung die entsprechende Modifikation eintreten.

Selbstverständlich soll durch diese Einschränkung das Enteignungsrecht des Bundes, das ihm schon verfassuugsgemäß zusteht, nicht aufgehoben werden. Wenn die Interessen der Telegraphenöder Telephonanstalt es erheischen, daß eine Leitung oder ein einzelner Punkt gegen eine spätere Verfügung des Grundbesitzers sichergestellt werde, so hat der Bund zu jeder Zeit die Befugniß, auf dem Wege der Expropriation ein bleibendes dingliches Recht au dem Grundstücke au erwerben.

Von großer praktischer Wichtigkeit ist das Recht der A u f ä s t u n g der B ä u m e . Aeste, welche sich im Bereich einer elektrischen Leitung befinden, zerreißen nicht bloß sehr oft die Drähte, sondern verursachen Öfter Stromableitungen und gefährden dadurch den öffentlichen Verkehr in hohem Maße. Bin gesetzlicher Schutz gegen diese sehr häufig zu Tage tretendenUebelständec besteht nicht, denn e s i s t einleuchtend, d a ß d e r keineswegs eines Baumes zu beseitigen, dessen Wachsthum das nächste Jahr vielleicht dieselbe Prozedur nöthig macht. Die bestehenden kantonalen Vorschriften sind ebenfalls nicht aasreichend, denn abgesehen davon, daß sie nicht allgemein sind, ist dem Bunde das Recht, sich darauf zu berufen, in einem Kantone richterlich abgesprochen worden. Die durchaus nöthige Abhülfe läßt sich wohl ohne Anstand auf die in Art. 3 vorgeschlagene Weise schaffen. Der Bund erhält damit eia Recht, welches inderv Mehrzahl der Kantone bereitsstraßenpolizeilichh in der Weise besteht, daß Baumäste nicht in das Straßengebiet hineinragen dürfen.

Das V e r h ä l t n i ß des B u n d e s zu den E i s e n b a h n e n bedarf in Bezug auf die Telephonleitungen ebenfalls, wenn auch nur in formeller Beziehung, der gesetzlichen Ordnung. Als Folgerung aus dem Grundsatze, daß die telephonischen Anlagen einen Theil des Telegraphenwesens bilden, ergibt es sich, daß diejenigen Rechte, welche dem Bund gegenüber den Eisenbahnen in Bezug auf die Verhältnisse der Telegraphen zustehen, auch bei der Anlag« und dem Betrieb telephonischer Einrichtungen in Anspruch
genommen werden können. Diese Rechte sind durch das Gesetz über das Eisenbahnwesen (vom 23. Dezember 1872) normirt, dessen Art. 22 und 23 sich folgendermaßen aussprechen:

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Art. 22. Die Eisenbahnen sind verpflichtet, unentgeltlich a. die Herstellung von Telegraphenlinien längs der Eisenbahn und auf dem dazu gehörenden Land zu gestatten; b. bei Herstellung von Telegraphenlinien und bei größeren Reparaturen an denselben die diesfälligen Arbeiten durch ihre Ingenieure beaufsichtigen und leiten zu lassen; c. kleinere Reparaturen, unter welchen das Nachsetzen und Ersetzen einzelner Stangen in begriffen ist, und die Ueberwachung der Telegraphenlinien durch das BÜhnpersonal besorgen zu lassen, wobei das hiezu nöthige Material von der Telegraphenverwaltung zu liefern ist; d. die Dienstdepeschen der eidgenössischen Eisenbahn-, Postund Telegraphenverwaltung durch die Bahntelegraphen zu übermitteln.

Art. 23. Jede Eisenbahnverwaltung ist berechtigt, ausschließlich für ihren Dienst längs der Bahn auf ihre Kosten einen, und wo das Bedürfniss es erheischt, zwei Telegraphendrähte und für diese in denBahnhöfenn und Stationen Telegraphenapparate anzubringen.

Wenn längs der Bahn von der Telegraphenvenvaltung eine Linie erstellt wird, so kann sie den Draht an der Hauptleitung derselben anbringen.

Die Telegraphenverwaltung ist ihrerseits berechtigt, finden Fall, als sie in einem Stationsgebäude einen Apparat finden öffentlichen Dienst aufstellen will, die nöthige Räumlichkeit hiefür unentgeltlich zu beanspruchen.

In analoger Anwendung dieser Gesetzesbestimmungen hat der Bundesrath unterm 17. Januar 1888 eine Verordnung erlassen, die allen Bedürfnissen der Verwaltung entspricht und auch ohne allen Anstand gehandhabt worden ist. Wir beantragen daher, den hauptsächlichen Inhalt der Verordnung in das Gesetz aufzunehmen.

Zu einer Frage von ganz besonderer Wichtigkeit hat sich in neuerer Zeit das Verhältniß des Telegraphen- und Telephonwesens zu den elektrischen Privatleitungen zum Zwecke der Beleuchtung und Kraftübertragung gestaltet.

Die Gesammtheit der elektrischen Leitungen zerfällt in solche für S t a r k s t r ö m e (für elektrisches Lieht, Kraftübertragung, Galvanoplastik, metallurgische Zwecke etc.) und in solche für S c h w a c h s t r ö m e (Télégraphie, Téléphonie, Mahnsignale, elektrische Läutwerke, Feuermeldeeinrichtungen, Uhrleitungen, Wasserstandsanzeiger etc.).

684 Die Mächtigkeit der Starkströme gegenüber den Schwachströmen ist eine ganz außerordentliche, sie steigt auf das Millionenfache der relativ sehr schwachen Telephonieströme und infolge dessen haben die Starkströme einen ganz bedeutenden Einfluß auf allo in ihrer Nähe :, befindlichen Telephonleitungen. Dieser .Einfluß ist doppelter Natur ; er erfolgt theils in der Form von Induktion, theils als direkte oder indirekte Stromüberleitung und steigert sich mit der Ausdehnung der beiderseitigen Anlagen. Das Geräusch, welches die Starkströme in den benachbarten Telephonleitungen verursachen, beeinträchtigt die telephonischen Gespräche in hohem Maße und macht sie oft ganz unmöglich. Wenn Starkstromdrähte aus irgend einer Ursache, z. B. durch Linienstörung, mit Telephondrähten in direkte Berührung gerathen -, so sind die letzteren noch anderen Gefahren ausgesetzt, es kann nämlich der Telephonapparat zerstört, in Brand gesetzt, und, wenn nicht rechtzeitig bemerkt, ein größeres Feuerunglück herbeigeführt werden. Am gefährlichsten können unter Umständen die Starkstromleitungen bei Kreuzungen mit andern Drähten werden, wenn nämlich aus irgend einem Grunde die eine Leitung auf die andere herunterfällt, was namentlich infolge von Naturereignissen (Sturm, Blitzschlag, Ueberschwemmungen etc.) eintreten kann.

Zur Stunde ist die Verwendung der Starkströme in der Schweiz noch eine sehr beschränkte, und doch hat jetzt schon die Téléphonie unter denselben an mehreren Orten empfindlich zu leiden. Diese Starkstromanlagen werden sich jedoch zweifelsohne in der Zukunft sehr bedeutend ausdehnen, und es_ müssen für die richtige Gestaltung ihres Verhältnisses zur Télégraphie vor Allein diejenigen Mauregeln ergriffen werden, welche die Betriebsfähigkeit der Telephonanlagen in der Nähe der Starkströme sichern, was um so leichter geschehen kann, als glücklicherweise alle auf dieses Ziel hinsteuernden Maßregeln auch die eigenen Interessen der Starkstromanlagen fördern.

Als Maßregeln, welche den gleichzeitigen Betrieb beider, nahe bei einander liegender Anstalten ermöglichen, bezeichnen wir die Parallelführung der Hin- und Rückleitung für Starkströme und ihre möglichste Isolirung von der Erde.

Hin- und Rückleitung ist für die Starkströme schon an sich ein unabweisbares Erforderniß. Je näher zu einander die Paralleldrähte angelegt
werden, desto wirksamer wird deren Induktion auf andere Drähte zerstört. Am vollkommensten ist die Anlage mit konzentrischenKabeln, welche jetzt schon an einigen Orten in der Schweiz verwendet werden und in deren größter Nähe Telephondrähte von Induktion nichts zu leiden haben.

685 Je besser die Starkstromleitungen von der Erde isolirt sind, desto weniger Strom kann sich auf benachbarte Leitungen verlieren, desto größer ist jedoch auch der Nutzeffekt der Starkstromanlage und dieselbe arbeitet demzufolge mit höherem Gewinn.

Ueberall, wo Starkstromanlagen den Telephonbetrieb stören, muß die Ursache entweder in mangelnder technischer Einsicht des Erstellers oder in einem übel angebrachten Sparsystem gesucht werden ; die von uns zum Schutze der Telephonanlagen empfohlenen Maßregeln können daher nicht verfehlen, gleichzeitig auch da, wo es bisher noch nicht der Fall war, eine rationellere Ausführung der Starkstromanlagen herbeizuführen. Die Gefahr der Kollision der Leitungen, welche infolge von Naturereignissen eintreten kann, bleibt freilich auch bei Anwendung der besprochenen Maßregeln fortbestehen.

Aus dieser Darstellung ergibt es sich, daß es zum Schutze der Telegraphen- und Telephonleitungen nicht ausreicht, die Starkstromleitungen in solider Weise zu errichten und alle Vorkehrungen zu treffen, welche bei normalem Stand der beiden Leitungen genügen, um gegenseitige Störungen und Beschädigungen auszuschließen.

Selbst unter dieser Voraussetzung kann die öffentliche Anstalt schwer geschädigt werden, wenn in der erwähnten Weise in Folge von Vorgängen, die nicht verhindert werden können, eine der beiden Leitungen mit der andern in Kollision geräth. Bin wirksamer und sicherer Schutz läge allein in der Vorschrift einer bestimmten Entfernung, in welcher sich die Starkstromleitung von der andern Linie zu halten hat. Die Berechtigung hiezu ergäbe sich aus der Thatsnche, daß das dem Bund durch die Verfassung eingeräumte ausschließliche Recht zur Errichtung elektrischer Verkebrseinrichtungen nothwendig auch den Ausschluß aller Anlagen in sich begreift, welche die Ausübung dieses Rechtes beeinträchtigen und gefährden. Gleichwohl halten wir nicht dafür, daß dem Regalrecht diese Ausdehnung gegeben werden soll. Wenn die private StHrkstromleitung durch das Gesetz auf eine Dislanz verwiesen wird, bei welcher jede nachiheilige Kollision der beiden Leitungen ausgeschlossen ist, so wird damit je nach den örtlichen Verhältnissen die Anlage von Starkstromleitungen in sehr vielen Fällen geradezu verunmöglicht, und es fällt möglicherweise für die allgemeinen Interessen eine Reihe von Vortheilen
dahin, welche die Nachtheile jener Kollisionen bei Weitem überwiegen.

Ein Theil der reichen Wasserkräfte, welche unser Land besitzt, ist bestimmt, in Elektrizität umgewandelt zu werden und damit den Mangel an Steinkohlen zu ersetzen. Die Entwicklung der Starkstromleitungen wird also wesentlich dazu beitragen, den Na-

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tionalwohlstand zu heben, und es kann daher keineswegs in unserer Absicht liegen, dieselbe mit Rücksicht auf die Télégraphie zu hemmen oder unmöglich zu machen. Wohl aber soll ein rechtlicher Zustand hergestellt werden, dür die rationelle Pflege dieser Interessen neben dem Betrieb der nicht minder, wichtigen eidgenössischen Verkehrsanstalten möglich macht.

Wir Ogelangen daher zu dem Schlüsse,i daß das Gesetz in BeO zug auf
Wir sind im Falle, zum Schlüsse noch die Frage zu besprechen, ob es angezeigt sei, mit Rücksicht auf die Telephonanlagen eine A e n d e r u n g des E x p r o p r i a t i o u s g e s e t z e s vom 1. Mai 1850 zu veranlassen. Diese Frage gelangte bei verschiedenen Expropriationsstreitigkeiten, welche die Verwaltung mit Häuserbesitzern in Zürich zu führen hatte, zu praktischer Bedeutung. Die wesentliche Differenz bestand darin, ob der Bund, nach der Auffassung derExpro-priaten, verpflichtet sei, für die Gestattung vonTelephonträgernu auf einem Hausdache u n d d i e damit i n Verbindung zahlen, oder aber o b eine Enteignung a u f unbestimmte Zeit wurde, rechtlich statthaft erscheine.

Durch gutachtlichen Entscheid der Instruktionskommission des Bundesgerichtes (d. d. 16. Februar 1888), welchem sich beide Parteien unterzogen, wurde die Auffassung der Bundesverwaltung gutgeheißen und in dem Befunde folgende Grundsätze aufgestellt: 1) Die Behauptung, es lasse das Expropriationsgesetz für Eigenthumsbeschränkungen dieser Art nur die Entschädigung in Form einer Kapitalsumme zu, ist nicht begründet.

2) Es haben die für die Bestimmung der Entschädigung aufgestellten Behörden mit Rücksicht auf die Natur der jeweilen in Frage stehenden Enteignung und unter Beachtung des Grund-

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satzes, daß die Entschädigung eine vollständige sein muß, frei y,u entscheiden, ob die Entschädigung in Kapital- oder Rentenform zu leisten sei.

3) Eine A Versal entschädigung ist dann auszusprechen, wenn infolge der Enteignung in die Substanz oder bestimmungsgemäße Verwendbarkeit des Expropriationsobjektes eingegriffen werden soll.

4) Wenn es sich dagegen nur um solche Beschränkungen handelt, welche die Substanz und bisherige Benutzungsart der Sache im Wesentlichen unverändert bestehen lassen und nur in einzelnen verhältnißmäßig untergeordneten Beziehungen die Verfügungsbefugniß und Nutzung des Eigentümers auf eine nicht vorherzusehende Dauer beeinträchtigen, so erscheint eine Entschädigung in Rentenfortn durchaus gerechtfertigt.

5) Im vorliegenden Fall (Anbringung eines Telephonträgers und Zugangsrecht zu demselben) handelt es sich um eine Beschränkung der letzterwähnten Art, d. h. um eine Beschränkung auf unbestimmte, im Voraus nicht vorauszusehende Dauer, welche weder die Substanz des Hauses des Expropriaten angreift, noch den bestimmungsgemäßen Gebrauch desselben als Wohn- und Miethhaus aufhebt. Die Beschränkung ist sogar eine so wenig intensive, daß deren Fortdauer insofern vom Willen des Eigentliümers abhängt, als er durch dieselbe an baulichen Veränderungen, auch wenn sie mit dem Fortbestand der Telephonanlagen unvereinbar sein sollten, nicht gehindert wird.

6) Für bauliche Schädigungen des Gebäudes ist der Expropriât durch die Haftbarkeit der Eidgenossenschaft (welche diese nicht bestreitet) gedeckt.

7) Es ist den Parteien das Recht vorbehalten, nach Ablauf eines fünfjährigen Zeitraumes auf eine neue Schätzung anzutragen.

Es ist wohl kaum nothwendig, die große Wichtigkeit dieser Grundsätze näher zu erörtern. Es liegt darin die Erklärung, daß das bestehende Expropriationsrecht dem Richter alle Mittel an die Hand gibt, auch im Telephonwesen alle Expropriationsfragen in einer Weise zu entscheiden, welche einerseits den Bestand und die Entwicklung der Verkehrsanstalt sichert und anderseits dem in Anspruch genommenen Eigenthümer volle Entschädigung gewährt.

Bei dieser Sachlage ist daher nicht der mindeste Grund zu einer Aenderung oder Ergänzung des Expropriationsgesetzes vorhanden.

Gestutzt auf die vorstehenden Auseinandersetzungen empfehlen ·wir Ihnen die Annahme des nachstehenden Gesetzentwurfes, in-

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dem wir diesen Anlaß benützen, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichernB e r n , den 13. November 1888, Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hertenstein.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

(Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

die Errichtung von elektrischen Linien.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 36 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 13. November 1888, beschließt: Art. 1. Der Bund hat die Befugniß, öffentliche Platze, Straßen, Fahr- und Fußwege, sowie auch Kanäle, Flüsse, Seen und deren Ufer, soweit solche dem öffentlichen Gebrauche dienen, für die Erstellung von oberirdischen oder unterirdischen Telegraphen- und Telephonlinien, gegen Ersatz des bei dem Bau allfällig entstehenden Schadens, in Anspruch zu nehmen.

Ebenso ist der Bund berechtigt, ohne EntschädigungsleistuDg Telegraphen- und Telephondrähte über öffentliches

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und privates Bigenthum zu ziehen, insofern dadurch die zweckentsprechende Benutzung der überspannten Objekte nicht beeinträchtigt wird.

Art. 2. Die eidgenössische Verwaltung ist verpflichtet, vor dem Bau derartiger Linien die betreffenden kantonalen Behörden oder Privaten über alle für sie in Betracht kommenden Verhältnisse &u verständigen und den Wünschen und Begehren derselben so weit entgegen zu kommen, als die zweckentsprechende Erstellung der Arbeit es erlaubt.

Art. 3. Baumäste, durch welche eine vom Bunde errichtete Leitung (Art. 1) gefährdet oder gestört wird, sind von dem Eigenthümer des Baumes zu beseitigen.

Die Verwaltung hat ein derartiges Begehren dem Eigenthümer durch die Gemeindebehörde zu eröffnen und ist berechtigt, die Beseitigung selbst vorzunehmen, wenn dem Begehren nicht binnen acht Tagen nach der amtlichen Eröffnung stattgegeben wird.

Die Kantonsregierung bezeichnet die Lokalbehörde, welche über streitige Entschädigungen zu entscheiden hat.

Art. 4. Wird über den gemäß Art. l in Anspruch genommenen Boden von dem Eigenthümer eine Verfügung getroffen, deren Vollziehung eine Aenderung der errichteten Leitung nöthig macht oder den Fortbestand derselben ganz ausschließt, so ist die Aufforderung hiezu schriftlich an die Telegraphenverwaltung zu erlassen, welche binnen einer angemessenen Frist die Aenderung vorzunehmen oder die Leitung zu beseitigen hat.

Art. 5. Die Telegraphenverwaltung ist berechtigt, auf dem Gebiete der Bahngesellschaften unentgeltlich Telephonlinien oder an den bestehenden staatlichen Telegraphenlinien einzelne Telephondrähte anzulegen, insoweit dies ohne Beeinträchtigung des Bahnbetriebes und der Benutzung von sonstigem Bahneigenthum, sowie der zu der Sicherung vorhandenen oder noch zu erstellenden Einrichtungen geschehen kann.

Der Bund trägt den Schaden, welcher einer Bahngesellschaft durch den Bau oder Unterhalt einer Telephouanlage erwächst.

Art. 6. Von jeder derartigen Anlage (Art. 5) ist der betreffenden Bahnverwaltung zum Voraus Anzeige zu machen.

Bei Feststellung oder Abänderung des Traktes einer Telephonlinie ist der betreffende Bahningenieur beizuziehen.

Art. 7. Sobald die Telephonanlagen sich der Erstellung neuer oder der- Veränderung bestehender bahndienstlicher Einrichtungen hinderlich erweisen, so hat die Telegraph en Verwaltung die nöthige Verlegung derselben in eigenen Kosten vorzunehmen.

Art. 8. Bei der Anlage und dem Betrieb von elektrischen Leitungen für Starkströme zum Zwecke der Beleuchtung oder Kraftübertragung u. s. w. haben die Eigentümer die erforderlichen Blaßnahmen zu treffen, um die Telephonund Telegraphenanstalten gegen jede Gefährdung und Betriebsstörung sicher zu stellen, und sind verpflichtet, sich darüber mit der eidg. Telegraphenverwaltung zum Voraus zu verständigen. Bei Mißachtung dieser Vorschrift kann der Betrieb solcher Aulagen von dem Buudesrathe eingestellt werden.

Die EigenthUmer haben unter allen Umständen jeden durch den Bustand ihrer Anlagen dem Bunde verursachten Schaden zu ersetzen.

Die strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Februar 1853 bleiben vorbehalten.

Art. y. Der Bundesratb wird über die weitere Ausführung dieses Gesetzes die nöthigen Verordnungen erlassen.

Art. 10. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juui 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbesehlösse, das gegenwärtige Gesetz bekannt zu machen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens z» bestimmen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung über ein Bundesgesetz betreffend die Errichtung von elektrischen Linien. (Vom 13. November 1888.)

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1888

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24.11.1888

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680-690

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