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Schweizerisches Bundesblatt.

40. Jahrgang. III.

Nr. 24.

26. Mai 1888.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken, Einrückungsgebühr per Zeile 15 Kp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern,

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Ratifikation der am 16. März 1888 zwischen der Schweiz und dem Heil. Stuhle abgeschlossenen Uebereinkunft zur endgültigen Regelung der Kirchenverhältnisse des Kantons Tessin.

(Vom 23. Mai 1888.)

Tit.

Am 22. Juli 1859 erließ die Bundesversammlung folgenden ,,Bundesbeschluß betreffend die Lostrennung schweizerischer Landestheile von auswärtigen Bisthumsverbänden" : ,,1. Jede auswärtige Episkopaljurisdiktion auf Schweizergebiet ist aufgehoben.

,,2. Der Bundesrath ist mit den Verhandlungen beauftragt, welche bezüglich einstweiliger Vikariate, sowie des künftigen Bisthumsverbands der betreffenden schweizerischen Gebietstheile und der Bereinigung der Temporalien erforderlich sind.

,,Die den künftigen Bisthumsverband und die Temporalien beschlagenden Uebereinkünfte sind der Ratifikation der Bundesversammlung zu unterstellen.

,,3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt." (A. S. a. F. VI, 300.)

Einem auswärtigen Bischof waren damals noch folgende schweizerische Landestheile unterstellt: im Kanton Graubünden die Pfarrgemeinden Puschlav und Brusio, welche unter dem Bisthum Como stunden; im Tessin sämmtliche Pfarrgemeinden, 237 an der Zahl, wovon 54, d. h. die zwei Landkapitel Biasca (die drei Thäler) Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. III.

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und Capriasca und das Vikariat von Brissago, zum Bisthum Mailand, die andern zum Bisthum Como gehörten. Die Einkünfte gewisser in der Schweiz gelegenen geistlichen Besitzungen liei'erten einen Theil der Tafelgelder der beiden Bisthilmer.

Es wird angezeigt sein, in einein ersten Theile gegenwärtiger Botschaft in gedrängter Weise die Unterhandlungen sowohl mit dem heil. Stuhle als mit Oesterreich, welche dem eben angeführten Bundesheschlusse vorausgingen, in Erinnerung zu bringen.

In einem zweiten Theile werden wir die von 1859 bis 1884 erfolgten Unterhandlungen, und endlich in einem dritten diejenigen berühren, welche zu der nunmehr Ihrer Genehmigung unterbreiteten Uebereinkunft führten.

I.

Bereits seit der Konstituirung des Tessili au einem unabhängigen Kantone, d. h. seit 1803, richteten die tessinischen Behörden an die Tagsataung den Wunsch nach einem eigenen Bischof und einem eigenen Bisthum ; allein während der ganzen Zeit der Mediationsakte war es nicht möglieh, mit Erfolg diese Frage, sowie die Frage der schweizerischen Bisthumseinrichtung überhaupt, in Behandlung zu nehmen, wiewohl durch den Regenshurger Hauptrezeß von 1803 die schweizerischen Bisthumsverhältnisse mehrfache Aenderungen erlitten hatten.

In den Jahren 1819 und 1820 erhoben sich Anstände zwischen dem Vorort und der österreichischen Regierung in Bezug auf die Verwaltung der im Tessin gelegenen Episkopalgüter. Die Regierung dieses Kantons hatte von diesen Gütern und ihrer Verwaltung Besitz ergriffen, bald jedoch diese Maßnahme widerrufen. Die zu dieser Zeit und später bei den kirchlichen Oberbehörden gethanen Schritte waren erfolglos.

Im März 1853 faßte der neu gewählte Große Rath von Tcssin in seiner ersten Sitzung folgenden Beschluß: ,,1. Es sei sein fester Wille, den Kanton Tessin von den Diözesen Mailand und Como zu trennen und mit einem der schweizerischen Bisthilmer Chur oder Solothurn »u vereinigen.

,,2. Der Staatsrath sei beauftragt, die nöthigen Schritte zu thun, sowohl bei dem heil. Stuhle aus bei dem k. k. Hofe in Bezug auf die Güter der bischöflichen Tafel, und bei einem der schweizerischen Bischöfe in Beziehung auf die Vereinigung des Kantons Tessin mit seiner Diözese.'1

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Am 21. Dezember 1855 und am 4. Januar 1856 wandten sich der Staatsrath des Kantons Tessin und der Kleine Rath des Kantons Graubünden mit dem Ersuchen an den Bundesrath, er möchte die gesammte Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.

Der Bundesrath beschloß, die Frage auseinander zu halten, nämlich zunächst eine Vereinbarung mit dem heil. Stuhle in Bezug auf die kirchliche Lostrennung der betreffenden schweizerischen Landestheile von den lombardischen Diözesen anzustreben, und sodann im Falle des Gelingens mit der österreichischen Regierung in Unterhandlungen zu treten in Bezug auf Fragen betreffend die Tafelgüter, soweit sie diese Regierung angehen konnten.

Am 19. März 1856 erließ der Bundesrath eine Note an den päpstlichen Geschäftsträger in der Schweiz, welche folgende Zielpunkte andeutete : Anknüpfung von Unterhandlungen zu dorn Zwecke, die zu den lombardischen Bisthümern gehörenden tessinischen und graubündnerischen Pfarrgemeinden von jenen zu trennen und mit schweizerischen Diözesen zu vereinigen. In den Bereich der Verhandlungen könnte auch die Verlegung eines bischöflichen Seminars nach Poleggio oder Ascona gezogen werden.

Aufstellung eines Generalvikariats bis zum Abschlüsse der Verhandlungen und Verschiebung der Wahl des neuen Bischofs von Como (der Titular war kurz vorher gestorben) bis zu diesem Zeitpunkte.

Die Note ließ durchblicken, daß, wenn diese Eröffnungen nicht die gebührende Berücksichtigung finden sollten, die Bundesbehörden sich mit Bedauern genöthigt sähen, in Erwägung zu zielten, oh nicht die Aufhebung jeder ausländischen Episkopaljurisdiktion auf schweizerischem Gebiete auszusprechen sei.

Am 11. Juli ging die Antwort des päpstlichen Geschäftsträgers ein. Darin wurde die Aufnahme der Unterhandlungen an verschiedene Bedingungen geknüpft, deren hauptsächlichste dahin ging, daß die der katholischen Kirche feindlichen Gesetze suspendirt werden. Die Unterhandlungen sollten die Errichtung eines eigenen tessinischen Bisthums im Auge haben, da eine einfache Zutheilung zu einem der bestehenden Bisthümer, Basel oder Chur, für die katholischen Interessen Tessins nicht genügend erschien. Das Gesuch Graubündens für die Pfarrgemeinden Puschlav und Brusio wurde abgewiesen.

Am 25. Juli 1856 wurde dann von der Bundesversammlung, bei Prüfung des Geschäftsberichtes, beschlossen : ,,Der Bundesrath

180 ist eingeladen, die auf Lostrennung der Kantone Graubüuden und Tessin von den Diözesen Como und Mailand gerichteten Bestrebungen der betreffenden Kantonalbehörden, soweit an ihm, bestmöglich zu unterstützen." (V, 378.)

Am 15. April 1857 verlangte der Bundesrath, der vernommen hatte, daß die Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhles zu Como bevorstehe, neuerdings die Vertagung der Wahl, sonst aber die ausdrückliche Erwähnung in der Ernennungsbulle, daß die schweizerischen Pfarrgemeinden nicht mehr zur Diözese gehören.

Am 7. Juli gleichen Jahres trat der Bundesrath in einläßlicher Weise der päpstlichen Note vom 11. Juli 1856 entgegen. Es hieß darin : ,,Das Trennungsbegehren gehe nicht allein von Tessin aus, sundp.vn stimme auch mit dem Wunsche der Eidgenossenschaft überein . . . .. Die Errichtung eines eigenen Bisthums Tessin müßten wir als eine Bedingung betrachten, welche die Verhandlungen scheitern zu machen geeignet oei. und wir wüßten auch keinen erheblichen Grund, warum die Vereinigung mit einem bereits bestehenden schweizerischen Bisthum nicht zuläßig wäre."

Diese und die vorhergehende Note blieben unbeantwortet, ungeachtet mehrerer Rechargen. Inzwischen fand die Wahl des neuen Bischofs von Como statt. Der Buudesrath erhob in seinem Namen und im Namen der betheiligten Kantone Protest bei der römischen Kurie, indem er übrigens mittheilte, Tessiti sei bereit, gewisse Bestimmungen seines bürgerlich-kirchlichen Gesetzes /.u revidiren. In ihrer Antwort vom Juli 1858 zog die römische Kurie die wenigen Zugeständnisse, die sie früher gemacht hatte, ganz zurück und verlangte, jeder Verhandlung verausgehend, die Suspendirung folgender tessinischer Gesetze : des Gesetzes über Literarund Gymnasialschulen, des Novizengesetzes, dea Gesetzes über Säkularisation des Unterrichts, des Gemeindegesetzes, des Kultusgesetzes, des Gesetzes über die Ehehindernisse und Civilehen.

Es folgte ein Beschluß der Bundesversammlung vom 31. Juli 18S8, dahingehend, daß der Bundesrath, dessen bisheriges Verfahren genehmigt wurde, eingeladen sei, die Diözesan-Trennung mit allem Nachdruck zu betreiben.

Inzwischen hatte der Generalvikar von Como die Mittheilung an Tessin gelangen lassen, daß Mgr. Marzorati als Bischof von Como eingesetzt worden sei, und daß er diese Ernennung der Geistlichkeit und der Diözese mit Kreisschreiben
zur Kenntniß bringen werde. Der Große Rath von Tessiu lud die Regierung ein, darüber '/.u wachen, daß die Rechte des Staates keinerlei Beeinträchtigung erleiden, und daher diesem Zirkular das Placet zu versagen. In-

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folge dieser Schlußnahme ließ die tessinische Regierung den neuen Bischof von Como wissen, daß sie ihm jede amtliche Funktion im Kanton untersage. Dem Bischof, der sich deßhalb un den Bundesrath wandte, erwiederte letzterer, daß die tessinische Regierung nach Verfassung und Gesetzen des Landes gehandelt habe, daß dio Sachlage nicht das Werk der Schweiz, vielmehr eine Folge dur unübersteiglichen Hindernisse sei, welche die Kurie von Rom den Versuchen, zu einer gütlichen Lösung der Frage zu gelungen, entgegensetzte.

Nachdem der Erzbischof von Mailand im Mai 1859 gestorben, benachrichtigte sein Generalvikar hievon die tessinische Regierung-, welche jedoch der für die Geistlichkeit und die Pfarrgemeinden des Kantons bestimmten Mittheilung das Placet versagte und dem Generalvikar jede Amtsfunktion im Kanton bis zu erfolgter Regelung der Lostrennungsfrage verbot. Der Bundesrath, Tessins Verfuhren genehmigend, verlangte vom päpstlichen Geschäftsträger die Suspendirung der Wahl des neuen Erzbischofs und eventuell di« Aufnahme eines Vorbehalts in die Ernennungsbulle, wie er dies bei der Vakanz des bischöflichen Stuhles von Comogethanu halte.

Unter diesen Verumständungen glaubte der Bundesrath, sieh an die Bundesversammlung wenden zu sollen, wie es mit Botschaft und Anträgen vom 15. Juni 1859 (Bundesblatt 185!), II, 81") geschah. Nach einläßlicher Darstellung der -- liier resumirten -- Thatverhältnisse und nachdem er konstatirt, daß ,,weitere Schritte beim heiligen Stuhle nicht nur ohne Ergebniß, sondern auch mit, der Stellung der Eidgenossenschaft als eines freien und unabhängigen Staates nicht verträglich sein würden", untersuchte die Botschaft die Grunde der Trennung, sowie die Kompetenzfrage, und gelangte zum Entwurfe eines Beschlusses, der wesentlich mit demjenigen übereinstimmte, den die Bundesversammlung sodann annahm und der im Eingang gegenwärtiger Botschaft angeführt ist.

II.

In Vollziehung des Bundesbeschlusses vom 22. Juli 1859 wandte sich der Bundesrath neuerdings, am K). Februar 1800, an den heiligen Stuhl, damit Unterhandlungen eröffnet würden auf Grund der Anträge, welche in einer Konferenz zwischen dem eidgenössischen politischen Departement und den Abgeordneten von Graubünden und Tessin festgestellt worden waren. Da die Antwort; auf sich warten ließ, beschloß die Regierung von Tessin am 17.

August gleichen Jahres, die Verwaltung der Güter der bischöflichen Tafel von Como, auf ungefähr Fr. 500,000 Kapital gewerthet, im

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Namen des Staates in ihre Hand zu nehmen und die Zahlung der Zinsen zu suspendiren, immerhin in dem Sinne, daß alle Einkünfte bis zu definitiver Liquidation kapitalisirt werden sollten, und dass seiner Zeit und gehörigen Orts Rechenschaft über das Geschehene ertheilt würde. Dieser Schritt bewirkte, daß am 10. September der päpstliche Geschäftsträger anzeigte, er sei ermächtigt, in Unterhandlungen einzutreten. So kam es denn am 5. November zu einer Konferenz in Bern, welche jedoch zu keinem wirklichen Ergebnisse führte. Indessen weigerte sich der heilige Stuhl doch nicht mehr, die Abschaffung der ausländischen geistlichen Jurisdiktion auf dem Schweizergebiet anzuerkennen; vielmehr gab er zu, daß die, geistlichen und die weltlichen Beziehungen getrennt behandelt würden, und so überzeugte man sich denn, daß die Zutheilung der Pfarr gemeinden Puschlav und Brusio zum Bisthum Chur keine ernstlichen Schwierigkeiten biete. Aber in Bezug auf Tessin konnte man nicht dazu-gelangen, sich im Grundsatze zu einigen. Der Bundesrath verlangte die Ernennung eines provisorischen apostolischen Vikars, welche vom heiligen Stuhl im Einverständnisse mit der Regierung von Tessin zu treffen wäre, während der päpstliche Geschäftsträger diese Ernennung ausschließlich für den heiligen Stuhl iu Anspruch nahm.

Hin der Feder des Herrn Nationalrath HungerbUhler von St. Gallen entflossenes und auf Anordnung des Bundesrathes vor Eröffnung der Konferenz veröffentlichtes Memorial enthält interessante Andeutungen über die damals waltenden Gesichtspunkte.

Diese Schrift bezeichnete nur zwei Bisthümer als solche, denen man Tessin einverleiben konnte : Basel und Chur. Die Zutheilung zu Basel erschien ihr als besonders schwierig, wegen der Entfernung dus. bischöflichen Sitzes, der großen Ausdehnung des Bisthnms, der Schwierigkeit, alle Kantone des letztern zu einigen, und wegen der Notwendigkeit, Personal, Kanzlei, Seminar etc. für die Bedürfnisse der italienischen Sprache zu kreiren. ,,Solche Einrichtungen würden einen solchen Kostenaufwand veranlaßen, daß daraus fast ebenso leicht das Personal eines eignen tessinischen Bisthums bestritten werden könnte." Der Anschluß an Chur, mit Aufstellung eines Generalvikars oder Hülfsbischofs, wurde dagegen empfohlen.

(Die Trennung von Tessin, Puschlav und Brüs von den lombardischen Bisthümern
Mailand und Como, Seite 144 -147.)

Die Vereinigung der Lombardei mit Sardinien, nach dem Kriege von 1859, gab dem Bundesrath Anlaß, mit der sardinischen Regierung in Unterhandlungen einzutreten behufs Regelung der Frage bei reffend die Güter der bischöflichen Tafel von Como und der Frage der Seminarien. Graf Cavour lehnte es zuerst ah, diese

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Fragen vor der Bereinigung der geistlichen Angelegenheiten zu behandeln, und verlangte die Wiederherstellung des frühern Zustandes, indem er also den von Tessin auf die Tafelgüter gelegten Sequester bestritt. Später änderte er seine Ansucht; es kam im August 1861 zu Konferenzen in Turin, welche aber bald suspendirt wurden. Im Jahr 1862 wieder aufgenommen, führten dieselben zu der von den eidgenössischen Rätheu am 3. August 1863 ratifizirtenUebereinkunftt vom 30. November 1862 (A. S. a. F. VII, (i09), derzufolge Tessin die Güter derTafell vonComoo behielt, gegen Auszahlung eines Kapitals von Fr. 133,333 und eine Heute von Fr. 4250 zu Gunsten des Titulars, so lange er seinen Sitz behalten würde; die Güter und Einkünfte, aus denen die Dotation der Seminarien von Ascona und Poleggio bestand, sowie andere Stiftungen wurden ebenfalls der schweizerischen Parteizugesprochen.Diese Uebereinkunft wurde dann durch eine andere, vom 20. November 1867 datirte, von der Schweiz am10.- Januar 1868ratifi-zirte Uebereinkunft ergänzt. fA. S. a. F. JX, 347.) Da e s i c h l i hier nur um Vollziehung des Hauptvertrags vom 30. November 1862 handelte, su wurde die Nachtrags-Vereinbarung nicht der Genehmigung der Räthe unterstellt.

Während so die Fragen von materiellem Interesse ihre Regelung fanden, wollten die Verhandlungen zur Bereinigung der spirituellen Fragen nicht vorwärts rücken. Nach mehreren Rechargea erhielt der Bundesrath eine vom 3. Januar 1862 datirte Note des päpstlichen Geschäftsträgers, mit welcher der heilige Stuhl, entgegen den anfänglichen Forderungen des Grafen Cavour, verlangte, daß die materiellen Interessen zuerst geregelt werden sollten, bevor man sich mit den geistlichen Beziehungen befasse, und seine Protestationen und Reklamationen in Bezng auf die tessinische Gesetzgebung erneuerte. Erst am 23. Februar 1866 erklärte sieh der heilige Stuhl geneigt, über die Einverleibung von Puschlav und Brusio mit dein Bisthum Chur zu unterhandeln. Indessen kam es erst im Jahr 1869 zu Unterhandlungen, nachdem Graubünden und Tessin sich dahin verständigt hatten, den Pfarrgemeinden Puschlav und Brusio den ihnen zutreffenden Theil der Güter der bischöflichen Tafel von Como zuzuwenden. Die Unterhandlungen endigten mit der Uebereinkunft vom 23. Oktober 1869, welche diese Pfarreien dem Bisthum Chur zutheilte; von der
Schweiz wurde dieselbe am 29. August 1870 ratifizirt. (A. S. a. F. X, 289.) Auch diese Uebereinkunft wurde, weil von untergeordneter Wichtigkeit, nicht der Genehmigung der Räthe unterstellt.

Im Jahr 1871 wurde dann die Tessiner Diözesanfrage infolge einer Petition von Mitgliedern der tessinischen Geistlichkeit wieder

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aufgenommen. Auf die Eröffnungen des Bundesrathes erklärte sich der heilige Stuhl bereit, in Unterhandlungen einzutreten, allein gleich die ersten Besprechungen, welche gegen Ende des Jahres 1872 stattfanden, zeigten klar, daß eine Verständigung nicht möglieh sei.

Es erklärte nämlich der päpstliche Geschäftsträger, daß der heilige Stuhl sich niemals zum Anschlüsse des Kantons Tessin an ein bestehendes schweizerisches Bisthum werde verstehen können; daß das Einzige, wozu er die Hand bieten könnte, die Errichtung eines eigenen Bisthums oder eines apostolischen Vikariats wäre, dessen, Titular ein Schweizerbürger und stets eine ,,persona grata" sein, mußte. Weder die tessinische Regierung noch der Bundesrath konnten diese Grundlage der Verhandlungen annehmen.

Von hier ab blieb die Angelegenheit auf sich beruhen bis im Jahr 1883. Diese Verhältnisse machten sich für die tessinischen Pfarrgemeinden empfindlich fühlbar: trotz dem Bundesbeschlusse von 1859, welcher jede auswärtige Episkopaljurisdiktion aufhob, fuhren die tessinischen Priester fort, mit ihren bisherigen Bischöfen Beziehungen zu unterhalten; der Geistlichkeit fehlte es au Disziplin 5 die Konfirmation der Kinder mußte gleichsam erschmuggelt wurden.

Die Regelung der Basler-Bisthumsangelegenheiten gestattete dann endlich, die tessinische Diözesanfrage wieder aufzunehmen und einer provisorischen Lösung zuzuführen. Mit Zuschritt vom 31. Juli 1883 beantragte der Bundesrath bei Tessin ein Uebereinkommen, wonach Mgr. Lâchât nach diesem Kantone versetzt würde mit dein Titel eines apostolischen Verwalters, was gestatten würde, für das Bisthum Basel einen den Diözesankantonen genehmen Bischof zu ernennen. Diesem Vorschlage günstig gestimmt, entsandte die tessinische Regierung eine Abordnung nach Korn, um denselben dem heiligen Stuhle zu unterbreiten, welcher seinerseits sich geneigt zeigte, auf dieser Grundlage in Unterhandlungen einzutreten. Im August des folgenden Jahres kam es zu Konferenzen in Bern, welche in Bezug auf Tessin zu der folgenden, vom 1. September 1884 datirten Uebereinkunft fahrten (a. 8. n. F. VII, 798): ,,Art. 1. Die Pfarreien des Kantons Tessin werden kanonisch von den Bisthümern Mailand und Como losgetrennt und unter die geistliche Administration eines Prälaten gestellt, welcher den Titel eines apostolischen Administrators des
Kautons Tessin annimmt.

,,Art. 2. Die Ernennung des apostolischen Administrators geschieht durch den Heiligen Stuhl.

,,Art. 3. Sollte der Titular vor der endgültigen Organisation der Kirchenverhältnisse der Pfarreien des Kantons Tessin

185 mit Tod abgehen, so werden der Bundesrath, der Kanton Tessin und der Heilige Stuhl sich über die Verlängerung des durch gegenwärtige Uebereinkunft aufgestellten Provisoriums verständigen.

,,Art. 4. Der Kanton Tessin verpflichtet sich, die für die Vollziehung dieses Uebereinkommens, namentlich in Bezug auf den Gehalt des apostolischen Administrators, seinen Wohnsitz u. s. w., erforderlichen Maßnahmen zu treffen."

Da diese Uebereinkunft zum Theil nur provisorisch war, so hielten wir es nicht für nöthig, sie der Bundesversammlung zu unterbreiten ; vielmehr faßten wir sie als eine einfache Vollziehung des ersten Theils des Auftrags auf, der dem Bundesrathe durch den Bundesbeschluß von 1859 ertheilt war (Aufstellung eines provisorischen Großvikariates), wofür eine parlamentarische Ratifikation nicht vorbehalten war.

In Vollziehung des Art. 4 dor vorstehenden Uebereinkunft liefert der Kauton Tessin mit den Fonds, die aus den besondern Gütern sich ergeben, welche er infolge der oberwähnten Uebereinkünfte mit Italien erhalten hat, die Wohnung des apostolischen Verwalters, einen Gehalt von Fr. 12,000 und Fr. 5000 für Aufstellung von zur Heranbildung von Geistlichen bestimmten Lehrstühlen der Philosophie und Theologie. Im Weitern wird er fortfahren, dem Seminar von Poleggio jährlich den Betrag von Fr. 6000 ausz richten.

III.

Der am 1. November 1886 eingetretene Tod von Mgr. Lachat setzte der durch die Uebereinkunft von 1884 aufgestellten provisorischen Verwaltung vorzeitig ein Ende. Mit der Anzeige von diesem Hinschiede verband die Regierung von Tessin die Erklärung, sie sei bereit, sofort in Unterhandlungen mit uns und dein heiligen Stuhle einzutreten in Bezug auf die Verlängerung der provisorischen Verwaltung, und ersuchte uns, diese Unterhandlungen zu veranlaßen. Inzwischen bliebe Mgr. Castelli, Generalvikar des verstorbenen Bischofs, beauftragt, zeitweilig die tessinischen Pfarrgemeinden zu verwalten. Wir erwiederten, dass wir prüfen werden, welche Folge diesem Verlangen zu geben sei, und daß wir keinen Uebelstand darin erblicken, daß Mgr. Castelli mit der zeitweiligen Verwaltung betraut werde (4. November 1886).

Am 23. November ließ die liberale Minderheit des tessinischen Großen Rathes eine Petition an uns gelangen, dahingehend:

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,,1) daß die Bundesbehörde in keiner Weise sich zur Beibehaltung des durch die Bemerkonvention geschaffenen Provisoriums herbeilassen möge; ,,2) daß sie den wohlverstandenen Interessen und den nationalen Bestrebungen Tessins ein Genüge leiste durch Benutzung dieses Anlaßes, die Kirchenfrage in definitiver Weise durch den Anschluß Tessins an ein miteidgenössisches Bisthum zu erledigen."

Die Gründe, auf welche sich die Petition stützte, lauteten im Wesentlichen dahin : Die Fortsetzung des Provisoriums würde müden Ungewißheiten und Meinungskonflikten die Thiire offen lassen, welche in mehr oder minder kurzen Zwischenräumen, bei jedem Wechsel des Titulars, auf Kosten des Friedens und der Ruhe des Kantone, sich erneuern müßten. Von den zwei Lösungen, welche das Verlassen des Provisoriums ermöglichen -- Konstituirung eines eigenen Bisthums oderAnschluß an ein miteidgenössisehes Bisthum-- empfehle sich einzig die letztgenannte. Nebstdem daß die Organisation einer eigenen Diözese sehr kostspielig und unnöthig wäre, sei nicht zu übersehen, daß sie unter Umständen auch sehr gefährlich werden könnte: durch Artikel 2 der Bernerkonvention werde die Ernennung des apostolischen Verwalters ausschließlich dem heiligen Stuhle zuerkannt; das tessiuische Kirchengesetz vom 28. Januar 1886 spreche wohl von einem ordinario proprio, schweige aber über den Modus seiner Wahl; wenn das Ernennungsrecht ausschließlich dem heiligen Stuhle anheimgegeben sei, ohne Veto, ohne Placet, ohne Staats-Exequatur, so laufe man Gefahr, einen Verwalter oder einen Bischof zu bekommen, der seine Stellung dazu mißbrauchen könnte, sich in die inneren Angelegenheiten des Nachbarstaates einzumischen und dadurch der Schweiz Verwicklungen und Konflikte zuzuziehen.

Am 14. Januar 1887 drückten wir der Kantonsregierung unsern lebhaften Wunsch aus, den provisorischen Zustand beendigt zu sehen durch eine definitive Regelung in dem Sinne, wie er der Eidgenossenschaft stets vorschwebte, d. h. durch den Anschluß an ein schweizerisches Bisthum. Gleichzeitig übermittelten wir ihr die Petition der Minderheit des Großen Rathes.

Der Staatsrath antwortete bereits folgenden Tags (15. Januar): daß er an seinem Gesichtspunkte festhalten und verlangen müsse, daß die tessinisehen Pfarreien einer eigenen Verwaltung unterstellt werden ; daß er aber in Ermangelung dessen sich mit der Verlängerung des Provisoriums begnügen würde, wobei er neuerdings den Wunsch ausspreche, die Unterhandlungen gemäß Artikel 3 der

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Bemerkenvention eröffnet zu sehen. Er bekämpfte übrigens den Anschluß an ein schweizerisches Bisthum, unter Verweisung auf die geographische Lage, die Verschiedenheit der Sprache, die besondern Bedürfnisse des Kantons und den Grundsatz der Gleichheit, gegenüber den Mitkantonen.

Am 17. Januar wandte sich Kardinal Jacobini seinerseits an den Bundesrath mit dem Antrage auf Eröffnung der im genannten Art. 3 vorgesehenen Verhandlungen. Es wurde ihm geantwortet, daß wir zu letzteren bereit seien, jedoch wünschen müssen, daß nunmehr die definitive Regelung der Sache in's Auge gefaßt werde, im Sinne des Anschlusses der tessinischen Pfarreien an ein schweizerisches Bisthum (26. Januar). Diese Antwort wurde der tessiuischen Regierung mitgetheilt.

Am 7. Februar erwiederte Kardinal Jacobini, es scheine nach reiflicher Erdauerung besser, nur eine Verlängerung des Provisoriums in Aussicht zu nehmen, da dor Staatsrath von Tessin dies wünsche und eine definitive Regelung Schwierigkeiten bieten würde.

Wir erklärten am 12. Februar, daß wir uns zu einem limitirten Provisorium herbeilassen könnten, das nur so viel Zeit in Anspruch nähme, als zur Anbahnung und Sicherung der von uns gewünschten definitiven Regelung erforderlich wäre. Hierauf schlug uns der heilige Stuhl als provisorischen Verwalter Mgr. Molo, Erzpriester von Bellinzona, vor ('26. Februar); allein wir bemerkten, daß wir darauf erst nach Feststellung der Dauer des Provisoriums eintreten könnten, für welche wir fünf Jahre beantragten, eine Frist, die hinreichen sollte zur Hebung der Hindernisse, welche, zur Zeit noch der Vereinigung Tessins mit einem schweizerischen Bisthum entgegenstehen mögen. Uebrigens konstatirten wir mit Befriedigung, daß der heilige Stuhl gegen diese Einverleibung keine grundsätzlichen Einwendungen erhebe (4. März). Später, infolge von Besprechungen mit der Regierung von Tessin, verstanden wir uns dazu, unsern Vorschlag dahin allzuändern, es seien die Unterhandlungen für die definitive Regelung thunlichst bald zu eröffnen und ,,es sollen, so lange die Unterhandlungen andauern, die tessinischen Pfarrgemein den unter die Leitung eines provisorischen apostolischen Verwalters gestellt werden, welcher sofort gewählt werden und in Funktion treten könnte" (K). Mai). Nachdem der heilige Stuhl diesen Vorschlug angenommen hatte (21. Mai),
beantragten wir, die Verhandlungen in den letzten Monaten des Jahres zu eröffnen, und erklärten, wir hätten gegen die Wahl von Mgr. Molo nichts einzuwenden (5. Juli).

Infolge verschiedener Verumständungen wurde die Konferenz his zum 27. Februar verschoben. Der heilige Stuhl ließ sich au der-

188 selben durch Mgr. Ferrata, Nuntius in Brüssel, vertreten, welcher bereits die Uebereinkunft von 1884 negozirt hatte. Vor Eröffnung der Konferenz glaubten wir der Regierung von Tessin die Grundlagen bezeichnen zu sollen, die wir, soweit es uns betrifft, bei den Verhandlangen im Auge behalten werden. -- «Wie Sie wissen," schrieben wir derselben am 7. Februar, ,,wünschen wir sehr, den Anschluß Ihres Kantons an eines der bestehenden schweizerischen Bisthümer herbeizuführen. Wir haben in sorgfältigster Weise die Einwendungen erwogen, welche Sie in Ihrem Schreiben vom 15. Januar 1886 dieser Lösung entgegengestellt haben, und wir sind geneigt, denselben in den mit dem heiligen Stuhl abzuschließenden Vereinbarungen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Es ist recht und billig-- und uns schwebte diesfalls nie etwas Anderes vor -- daß die kirchliche Stellung Ihrer Pfarrgemeinden in einer Weise geregelt werde, welche sowohl dein Grundsätze der Gleichheit, den Sie für Ihren Kanton gegenüber den Mitständen in Anspruch nehmen, als den besondern Bedürfnissen dieser Pfarreien Genüge leistet. Es wäre uns sehr angenehm, hierüberthunlichstt bald Ihre dem Anschlüsse an ein schweizerisches Bisthum, es uns nichtmög-lieh ist,nachzugeben."0 Der Staatsrath von Tessin antwortete am 11. und 23. Februar, es sei ihm zwar nicht klar, wie es möglich sein werde, den betreffenden Forderungen, die ihm widersprechend scheinen, Genüge zu leisten : immerhin wolle er sieh nicht ablehnend dagegen verhalten, daß man gemeinsam an einer Lösung arbeite, welche wo möglich allen Wünschen entspräche.

Gleich., im Anfang der Verhandlungen drang der Vertreter des heiligen Stuhles lebhaft darauf, daß Tessin zu einein eigenen Bisthum erhoben werde. Wir erklärten uns -neuerdings d a gegen, wie auch gegen den Versuch, die Frage in der Weise zu lösen, daß definitiv eine selbständige apostolische Verwaltung autgestellt würde. Wir verlaugten den Anschluß an ein schweizerisches Bisthum, mit Kreirung eines Generalvikariats für Tessin, in Berücksichtigung der geographischen Lage, der Sprache und der besondern Bedürfnisse seiner Pfarrgemeinden. Diese Lösung stieß auf Einwendungen sowohl seitens des Vertreters des heiligen Stuhles, als seitens der tessinischen Regierung. Uebrigens hing die Frage davon ab, welches Bisthum als dasjenige gewählt würde,
mit dem der Kanton zu vereinigen wäre. An Chur konnte man nicht denken, da der Bischof dieser Diözese ein Graubündner sein muß, was eine für Tessin unannehmbare Ungleichheit der Stellung mit sich gebracht hätte; ebenso erschien der Anschluß an Sitten nicht thunlich,

189 da hier der Große Rath den Bischof wählt; St. Gallen ist zu entfernt. Es erübrigten also nur noch Basel und Freiburg, beides große Diözesen, deren Bischof nicht im Falle gewesen wäre, sich, um seine Funktionen im Tessin selbst zu erfüllen, dorthin zu begeben. Es mußte demnach nothwendigerweise ein Generalvikar bischöflichen Charakter haben, italienischer Sprache sein und die teasinischen Pfarrgemeinden selbständig verwalten, es wäre denn, man hätte die Verantwortlichkeit und die Arbeit des Diözesanbischofs vermehren wollen, was nicht angegangen wäre ohne vorherige Verständigung mit allen betheiligten Parteien. Aus allen diesen Rücksichten glaubten wir, der definitiven Errichtung einer besondern Verwaltung beitreten zu können, welche jedoch der Diözese Basel zugetheilt würde, deren Bischof bei der Ernennung des Verwalters sein Wort mitzusprechen hätte; dagegen machten wir zu Gunsten von Tessin den Vorbehalt, daß ihm ein Mitantheil an der Ernennung des Diözesanbischofs zusteht, wenn die andern betheiligten Parteien, das heißt die Uebrigen Diözesankantone, damit einverstanden sind.

In dieser Weise glauben wir, soweit die Sache möglich ist, allen vernünftigen Anforderungen Rechnung getragen zu haben.

Wenn wir insbesondere die Petition der liberalen Minderheit des tessinischen Großen Rathes in's Auge fassen, so konstatiren wir, daß die von uns abgeschlossene Uebereinkunft in keiner Weise die Lasten des Kantons erschwert, wie sie von ihm im Jahr 1884 übernommen wurden und überhaupt aus der Natur der Sache selbst herfließen. Ein Generalvikar, dessen Kosten gewiß nicht von den andern Diözesankantonen getragen worden wären, hätte Tessin nicht weniger gekostet, als ein apostolischer Verwalter, und was den Unterhalt eines Seminars italienischer Sprache betrifft, so wäre derselbe bei der einen Kombination gleich unerläßlich gewesen, wie bei der andern. Es bleibt noch die Frage der Rechte des Staates in Bezug auf die Ernennung des apostolischen Verwalters.

Der heilige Stuhl machte keinen Anstand, zuzugeben, daß derselbe ,,persona grata" sein muß; die tessinische Regierung zog es aber vor, von einem Wahlvorschlag abzusehen, mit Rücksicht auf die Wettbewerbungen, mit denen sie bestürmt würde. Daraus folgt übrigens nicht, wie die Petenten befürchteten, daß der Verwalter freie Hand habe, gegen die Interessen
des Kantons und der Eidgenossenschaft zu handeln ; das jus inspiciendi et cavendi ist in dieser Materie ein der Kantonalsouveränität inhärirendes Recht, das also nicht erst durch eine internationale Vertragsbestimmung gewahrt zu werden braucht.*) -- Was die Frage einer eidgenössischen *) Man vergleiche z. B.: Bluntschli, Staatswörterbuch, V, 574.

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Einmischung auf diesem Gebiete anbelangt, so haben wir gefunden, dilli eine solche, so lange die kirchliche Organisation Sache der Kantone ist, nicht in's Auge au fassen sei, daß wir uns vielmehr einfach an die Vollziehung von Art. 50, letztes Alinea, der Bundesverfassung zu halten haben, lautend : ,,Die Errichtung von Bisthümern auf schweizerischem Gebiete unterliegt der Genehmigung des Bundes."

So vvie sie ist, scheint uns also die Uebereinkunft annehmbar zu sein, als die beste Lösung, welche dieser so lange schwebenden Angelegenheit gegeben werden konnte. Als solche faßte sie auch der tessinische Große Rath auf, der sie mit einer Mehrheit von 41 gegen 2 Stimmen und 4 Enthaltungen ratifizirt hat.

Noch haben wir zu erwähnen, daß wir, zur Erlangung der in Art. 3 vorbehaltenen Zustimmung der Kantone des Bisthums Basel, am 3. April abhin folgendes Kreisschreiben an dieselben erlassen haben (Bundesbl. 1888, I, 150): · « Der Schweizerische Bundesrath an die Regierungenauer Kantone des Bisthums Basel.

,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Wir beeilen uns, Ihnen den Wortlaut der Uebereinkunft mitzutheilen, welche am 16. vor. Mts. von unseren Abgeordneten und demjenigen des heiligen Stuhles zu dem Zwecke abgeschlossen wurde, die kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin in endgültiger Weise zu regeln. Diese Uebereinkuuft, durch welche Tessin mit einem schweizerischen Bisthum verbunden wird, istalss glücklichesErgeb-niß einer von den Bundesbehörden seit Jahren befolgten Politik zu begrüßen. (Zuvergl,, insbesondere: Botschaft des Bundesrathes vom 15. Juni 1859 und Bundesbeschluß vom 22. Juli 1859 im Bundesblatt 1859, II, 81, und in der eidgenössischen Gesetzsammlung, ältere Folge, VI, 300.) Sie verdankt ihr Zustandekommen dem versöhnlichen Geiste, den die Vertragsparteien, wie auch die Tessiner Regierung, an den Tag gelegt haben.

,,Bei der Frage, welchem Bisthum Tessin anzuschließen sei, sind für uns die allgemeine Sachlage und die Möglichkeit leichten Verkehres maßgebend gewesen.. Wir haben gefunden, diese Vereinigung ohne Ihre förmliche Ermächtigung zum Gegenstande der Verhandlungen machen zu können, da sie Ihren Rechten nicht zu nahe tritt und weder Ihre eigenen Lasten, noch diejenigen Ihres Bischofs vermehrt. Ueber einen einzigen Punkt -- es ist dies die

191 Theilnahme von Tessin an der Wahl des Diözesanbischofs -- haben wir formell Ihre Zustimmung vorbehalten, ohne jedoch dio Inkraftsetzung und volle Anwendung der übrigen Vertragsbestimmungen davon abhängig zu machen. Wenn Sie, wie wir hoffen zu dürfen glauben, grundsätzlich nicht dagegen sind, daß Tessin an den aus dem Vertrage vom 26. März 1828 betreffend die Wahl des Bischofs abzuleitenden Befugnissen partipizire, so wird es dann Sache, einer weitem Vereinbarung sein, die Modalitäten der theilnahme von Tessin an diesem Wahlakte zu regeln.

,,Die Verknüpfung von Tessin mit einem schweizerischen Bisthume bildet ein weiteres Band zwischen diesem Kanton und der Eidgenossenschaft. Bei Ihrer bundesfreundlichen Gesinnung werden Sie, wie wir gerne annehmen, unsere Anstrengungen, dieses Band immer enger zu knüpfen, unterstützen, und zu dieser innigeren Verbindung wird es beitragen, wenn diesem Kanton iii Bezug auf die Wahl des beiden kirchlichen Verbänden gein einsamen Bischofs ein Platz an Ihrer Seite eingeräumt wird.

,,Im Jahre 1884 hat Tessin zu einer Lösung Hand geboten, welche die Regelung der Ihr Bisthum betreffenden Fragen wesentlich erleichterte. Wir wünschen lebhaft, daß wir nun auch von Ihrer Seite in den Stand gesetzt werden, die neue Vereinbarung in vollem Umfange durchzuführen. Nachdem die Eidgenossenschaft beinahe ein Jahrhundert lang bemüht gewesen ist, Tessin von jeder ausländischen geistlichen Gerichtsbarkeit loszutrennen, würde es uns zu hoher Befriedigung gereichen, diesen Kanton mit einem Landesbisthum unlöslich verbunden zu wehen.

Indem wir Sie ersuchen, uns demnächst Ihre diesfällige Entschließung zur Kenntniß zu bringen, benutzen wir etc."

Nach den Berathungen der am 8. Mai in Solothurn abgehaltenen Konferenz scheinen die Diözesankantone Anstand zu nehmen, ihre Zustimmung, wie sie in Art. 3 vorbehalten ist, zu ertheilen. Es ist dies jedoch nur eine innere Frage, auf die sich stets zurückkommen läßt und von deren Lösung das Inkrafttreten der Uebereinkunft nicht abhängt. Diplomatisch ist die Angelegenheit als erledigt zu betrachten.

Ein langes Kapitel unserer politisch-kirchlichen Geschichte ist es also, dessen Abschluß wir Ihnen hier beantragen, indem wir Ihnen die Genehmigung der betreffenden Uebereinkunft empfehlen.

192 Wir benutzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 23. Mai 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hertenstein.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers : Schatzmann.

(Entwurf)

Bundesbeschluß über

Ratifikation der am 16. März 1888 zwischen dem schweizerischen Bundesrathe und dem heiligen Stuhle abgeschlossenen Uebereinkunft zu endgültiger Regelung der kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 23. Mai 1888, beschließt: Art. 1. Der am 16. März 1888 in Bern zwischen dem schweizerischen Bundesrathe und dem heiligen Stuhle abgeschlossenen Uebereinkunft über endgültige Regelung der kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin wird hiemit die Ratifikation ertheilt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

193 Uëbersetzung.

Uebereinkunft zwischen

der Schweiz und dem Heiligen Stuhle, betreffend die endgültige Regelung der kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin.

(Vom 16. März 1888.)

Der schweizerische Bundesrath, in seinem eigenen Namen und im Namen des Kantons Tesain, -- und Der Heilige Stuhl, in Vollziehung der Uebereinkunft vom 1. September 1884; in der Absicht, die kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin endgültig zu regeln, haben zu ihren diesfälligen Abgeordneten ernannt: Der schweizerische Bundesrath: Herrn Numa D r o z , Chef des Departements des Auswärtigen, und Herrn Louis R u c h o n n e t , Chef des Justiz- und Polizeidepartements ; Der Heilige Stuhl: Monseigneur Dominique F e r r a t a , Erzbischof von Tessalonich, apostolischen Nuntius in Brüssel; ßnndesblatt. 40. Jahrg. Bd. III.

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welche Bevollmächtigten, nach Austausch und Richtigbefund ihrer Vollmachten, unter Ratifikationsvorbehalt folgende Artikel vereinbart haben: Art. 1. Auf den Zeitpunkt, in welchem diese Uebereinkunft in Kraft tritt, wird die Pfarr- und Stiftskirche zum hl. Laurentius in Lugano zur Kathedralkirche des ganzen Gebietes des Kantons Tessin erhoben, und diese Kirche wird kanonisch als gleichberechtigt der Kirche von Basel zugetheilt, deren Ordinarius fortan den Titel Bischof von Basel und Lugano führen wird.

Art. 2. Für die Verwaltung der zugetheilten Kathedralkirche wird der hl. Stuhl im Einverständniß mit dem Diöaesanbischof einen apostolischen Administrator ernennen, welcher aus der Zahl der dem Kanton Tessin angehörenden Priester zu wählen ist.

Der apostolische Administrator wird bischöflichen Charakter haben, im Kanton Tessin residiren und den Titel apostolischer Administrator des Tessin führen.

Art. 3. Die Bestimmungen der Uebereinkunft vom 26. März 1828, betreffend die Ernennung des Bischofs von Basel, werden, insofern die übrigen Vertragsparteien sich damit einverstanden erklären, auf die zugetheilte Kathedralkirche ausgedehnt.

Art. 4. Die Bestimmung des Art. 4 der Konvention vom 1. September 1884, sowie die Vorkommnisse, welche auf Grund derselben getroffen wurden, erleiden keinerlei Aenderung.

Mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Kanton Tessin die Kosten seiner gesonderten Administration zu tragen hat, wird dieser Kanton, wie auch sein Administrator, weder an die Tafelgelder des Diözesanbischofs, noch an die übrigen Kosten der gemeinsamen Administration der Diözese einen Beitrag leisten.

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Art. 5. Der gegenwärtige Administrator bleibt im Genuß seiner Bestallung, wie sie vom hl. Stuhle am 20. September 1887 erfolgt ist.

Art. 6. Die Ratifikationen dieser Uebereinkunft sind ir Born binnen vier Monaten auszutauschen und sechs Monate nach diesem Austausch tritt die Uebereinkunft in Kraft.

Schluss-IProtokoll.

Es gilt als vereinbart: 1. Die zugetheilte Kathedralkirche hat an der Verwaltung der Diözese Basel keinen andern Antheil, als denjenigen, der in Art. 3 erwähnt ist.

2. Diese Uebereinkunft tritt in Kraft und soll zur Durchführung gelangen, gleichviel ob die in Art. 3 vorgesehene Ausdehnung der Uebereinkunft vom 26. März 1828 eintritt und von der daraus herfließenden Befugniß Gebrauch gemacht wird, oder nicht.

B e r n , den 16. März 1888.

(L. S.) (Gez.) Droz.

(L. S.) (Gez.) Dominique Ferrata, ,, ,, L. Ruchonnet.

Erzbischof von Tessaloiiich, apostolischer Nuntius in Brüssel.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Ratifikation der am 16.

März 1888 zwischen der Schweiz und dem Heil. Stuhle abgeschlossenen Uebereinkunft zur endgültigen Regelung der Kirchenverhältnisse des Kantons Tessin. (Vom 23. Ma...

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26.05.1888

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177-195

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