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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den mit dem Kaiserreich Persien am 23. Juli 1873 zu Genf abgeschlossenen Freundschafts- und Handels-

vertrag.

(Vom 1. Dezember 1873.)

Tit. !

Mit gegenwärtiger Botschaft hat der Bundesrath die Ehre, der h. Bundesversammlung einen Beschlußentwurf zu unterbreiten, bezwekend die Ratifikation eines zwischen den Bevollmächtigten der schweizerischen Eidgenossenschaft und von Persien abgeschlossenen und arn 23. Juli 1873 zu Genf unterzeichneten Freundschaftsund Handelsvertrags.

O Bevor wir Ihnen den Inhalt desselben und die hauptsächlichsten Erwägungen auseinandersezen, die uns veranlaßen, Ihnen dessen Ratifikation zu empfehlen, scheint es uns zwekmäßig, Ihnen mit wenigen Worten den geschichtlichen Hergang vorzuführen.

Bereits unterm 28. Mai 1857 theilte die Gesandtschaft der Eidgenossenschaft in Paris dem Bundesrathe mit, daß der persische Botschafter Ferrokh khan, nachdem er einen Freundschafts - und Handelsvertrag mit Frankreich abgeschlossen und andere Verträge

530 mit Sardinien'und den Freien Städten Deutschlands negozirt, ihn angefragt habe, ob die schweizerische Eidgenossenschaft geneigt wäre, mit seiner Regierung auch einen Handelsvertrag abzuschließen.

Am 1. Juni 1857 ermächtigte der Bundesrath seinen Vertreter in Paris, Hrn. Dr. Barman, die Unterhandlungen zu beginnen, unter Zugrundelegung der hauptsächlichen Bestimmungen der kurz vorher von der Schweiz abgeschlossenen Verträge mit Sardinien, England und den Vereinigten Staaten von Amerika. Am 4. Juli und 17. August gleichen Jahres wurden dem Herrn Barman Vollmachten und Instruktionen zugesandt. Die Unterhandlungen waren nicht von langer Dauer,' so daß schon am 4. September zwischen den beiden Unterhändlern ein Vertrag, unter Vorbehalt der Ratifikation durch ihre betreffenden Regierungen, unterzeichnet wurde.

Es machte jedoch der Art. 41 der Bundesverfassung, welcher damals das Recht der freien "Niederlassung nur den Christen einräumte, die Ratifikation des Vertrages unmöglich. Der persische Bevollmächtigte erklärte, daß wenn er von dieser Bestimmung Kenntniß gehabt hätte, er jenen niemals hätte unterzeichnen können, und weigerte sich kategorisch, seiner Regierung einen internationalen Akt vorzulegen, der die Mahomedaner den Angehörigen der christlichen Nationen hintangesezt hätte. Da der Bundesrath seinerseits mit Rüksicht auf die Bundesverfassung gebundene Hände hatte und nicht in seinem Namen die Verpflichtung auf sich nehmen konnte, daß die persischen Unterthanen in der Schweiz auf dem gleichen Fuße wie die Schweizer zugelassen würden, so beauftragte er am 5. Februar 1858 seinen Vertreter in Paris, Ferrokh khan anzuzeigen, daß er auf den Abschluß des Vertrages verzichte.

Dieser Abbruch der Unterhandlungen vollzog sich übrigens auf dem besten Fuße, und man gab sich beiderseits die Zusicherung, daß troz des Abgangs internationaler Uebereinkünfte die Angehörigen jedes der beiden Länder in dem andern die Behandlung der meistbegünstigten Nation finden sollten.

So blieben die Dinge bis zum Jahre 1873. Als die Ankunft des Schahs von Persien in .Europa bekannt wurde, hielt das eidgenössische Handels- und Zolldepartcment dafür, es sollten, falls dem Bundesrathe neue Eröffnungen für den Abschluß eines Vertrages gemacht würden, dieselben günstig aufgenommen werden, und. beantragte demselben am 30. Juni
1873, Unterhändler zu bezeichnen, denen die Instruktion zii ertheilen wäre, zur Grundlage des neuen Vertrags den am 4. September 1857 unterzeichneten oder den am 11. Juni 1873 zu St. Petersburg zwischen Persien

531 und Deutschland abgeschlossenen Vertrag zu nehmen, unter Weglassung dei- für die Schweiz interesselosen Bestimmungen. Der Bundesrath nahm diese Vorschläge aus folgenden Gründen an : o*~ Bereits im Jahre 1861 hatte ein persischer Botschafter in Turin bei Hrn. Tourte, dem damaligen schweizerischen Minister dortselbst, die Frage der Wiederaufnahme -der im Jahre 1858 abgebrochenen Verhandlungen angeregt, indem er ihm die Versicherung gab, daß die Regierung seines Souveräns zu Unterhandlungen geneigt sei.

Der Bundesrath wurde von diesem zweiten Anerbieten der persischen Regierung in Keuntniß gesezt; da jedoch damals noch die gleichen Umstände obwalteten, welche im Jahr 1858 den Vertragsabschluß unmöglich gemacht hatten, so mußte der Bundesrath sich darauf beschränken, Kenntniß davon zu nehmen, ohne dem Anerbieten Folge zu geben.

Im Jahr 1873 lagen die Umstände jedoch anders, indem der Art. 41 der Bundesverfassung rnodifizirt worden war. Die Art des Grundes, der in den Jahren 1858 und 1861 die beiden Regierungen verhindert hatte,i sich zu verständigen, und im Weitern der UmO i stand, daß die Anwesenheit des persischen Souveräns als Gast auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft einem dritten Anerbieten einen ganz besondern Charakter verleinen mußte, bildeten zu Gunsten der Annahme der Anschauungsweise des Handels- und Zolldepartements gewichtige Gründe, die eine ernste Berüksichtigung verdienten.

Zudem hatte der Bundesrath Anlaß gehabt, sich zu überzeugen, daß die in der Levante etablirten schweizerischen Handelshäuser das Aufgeben des Vertragsentwurfs vom Jahr 1857 mit Bedauern gesehen hatten. In der That haben während der lezten zwanzig Jahre und namentlich seit dem orientalischen Kriege die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern der Levante, hauptsächlich die Exportation schweizerischer Fabrikate, bedeutende Proportionen angenommen. Neue schweizerische Handelshäuser haben sich in den größern Seestädten der Türkei, wie in Konstantinopel, Smyrna, Bayreuth etc. etablirt, welche in direkten und häutigen Beziehungen zu Persien stehen. Die schweizerische -Industrie findet also dortselbst einen wichtigen Absazplaz für ihre Bijouterie, ihre Uhrenwaaren, Seidenstoffe, Mousselines etc., während . andererseits die Schweiz aus Persien andere Erzeugnisse bezieht, unter denen die Seide den ersten
Rang einnimmt. Die im Oriente etablirten Schweizerhäuser und überhaupt der schweizerische Handelsstand, der mit diesem Lande Beziehungen unterhält, haben daher ein großes Interesse daran, daß die schweizerischen Erzeugnisse dortselbst die nämlichen Vortheile genießen können, wie die-

532 jenigen der andern Völker. .Und auch in Persien selbst gibt es schweizerische Handelshäuser, welche, wenn sie auch nicht zahlreich sind, gleichwohl Anspruch auf die volle Fürsorge der heimatlichen Behörden haben.

Der Bundesrath bezeichnete seinen Bevollmächtigten in der Person des Herrn Ministers Kern, der, einen Urlaub benuzend und im Begriffe stehend, nach der Schweiz zu verreisen, nach Genf kam, einige Tage bevor der Schah von Persien dort anlangte.

Dieser bezeichnete zu seinem Vertreter den General Nassare Aga, seinen Minister in Paris, der ihn nach Genf begleitete.

Da, wie bereits oben bemerkt wurde, das einzige Hinderniß, an welchem der Vertrag von 1857 gescheitert war, gehoben erschien und dieser Entwurf im Uebrigen den Bedürfnissen des schweizerischen Handelsstandes entspricht, so beschlossen die Unterhändler, ihn zur Grundlage der neuen Verhandlungen zu nehmen, gemäß den vom Bundesrathe seinem Vertreter ertheilten Instruktionen.

Hätte man auf ganz neuen Grundlagen verhandeln und die Aufnahme detaillirter Bestimmungen in den Vertrag verlangen wollen, wie wir solche z. B. in dem am 11. Juni 1873 zwischen Deutschland und Persien abgeschlossenen finden, so hätte er nicht in Genf unterzeichnet werden können, sondern anderweitige, wegen der sehr erschwerten Kommunikationen lange und zahlreiche Unterhandlungen erfordert.

Der Vertrag zwischen Persicn und Deutschland enthält besondere Vorschriften über die den Botschaftern zukommenden Ehren, über die Unverlezüchkeit der Konsularwohnung, über die den deutscheu Reisenden zum Bühufe ihres Herumreiseus in Persien auszustellenden Firmane, über die Vermiethung von Häusern, über die Eventualität der Erwerbung von Liegenschaften, über die Steuern, über das Bergen der Schiffe, über die Flaggentaxen, über die'-Hausdurchsuchungen, über die Rechtsbetreibungen und Fallimente, über die Revision der Urtheile, die Naturalisation etc. etc.

Der schweizerische und- der persische Unterhändler glaubten, alle diese Details bei Seite lassen zu -können, indem sie dem Vertrage den Fimdamentalgrundsaz zu Grunde legten, welcher in allen Punkten den Angehörigen der beiden Staaten die Behandlung der Angehörigen der meistbegünstigten Nation sichert. Demzufolge wurde jede Aufzählung von Spezialfällen überflüssig, da alle Rechte ohne Ausnahme, welche in irgend einem
von Persien abgeschlossenen Vertrage zu Gunsten von Ausländern ausbedungeu erscheinen, ohne weiters und von Rechts wegen auch den Schvveizerbürgern eingeräumt werden müssen.

533 Wir gehen nun dazu über, die hauptsächlichen Bestimmungen des Ihrer Ratifikation unterstellten Vertrages artikelweise zu prüfen.

Der Artikel l besagt, daß zwischen Persien und der Schweiz, und den Bewohnern der beiden Lander aufrichtige Freundschaft und beständiges gutes Einvernehmen walten solle. Es laßt sich zwar die praktische Nüzlichkeit dieses Artikels bestreiten; daaber diese Formel sieh in den andern von Persien abgeschlossenen Vertragen vorfindet, so stunden wir nicht an, sie auch unsererseits anzunehmen.

Der Artikel 2, betreffend die diplomatischen Agenten, enthalt keine von den allgemein gebrauchlichen internationalen Regeln abweichende Bestimmung, weßhalb wir glauben, nicht weiter bei ihm verweilen zu sollen.

Der Artikel 3 ist unzweifelhaft der wichtigste -des Vertrags.

Derselbe bestimmt nämlich, daß die Angehörigen der beiden Vertragsparteien, mögen sie auf dem Gebiete des andern Staates herumreisen, oder wohnen, in jeder Hinsicht von den Landesbehörden so behandelt werden sollen, wie die Angehörigen der meist begünstigten Nation.

Wie wir bereits gesehen haben, ist es die unbeanstandete Annahme dieses allgemeinen Grundsazes, die den Unterhändlern gestattete, eine Menge von Detailbestimmungen bei Seite zu lassen, welche in andern Vertragen aufgeführt, in dem unsrigen aber so zu sagen mitverstanden sind.

Die Tragweite dieser gegenseitigen Erklärung ist eine so umfassende, daß man sie durch Anführung ihrer verschiedenen Anwendungen nur abschwächen wurde.

Der nämliche Artikel also, welcher im Jahr 1857 den Abbruch der Verhandlungen und die Verwerfung des Vertrags veranlaßte, ist nunmehr die wesentlichste Empfehlung desselben. Die Eidgenossenschaft kann heute dasjenige, was sie im Jahr 1857 nicht konnte, nämlich erklaren, daß die Perser in allen Schweizerkantonen gleich wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation werden behandelt werden.

Die zwei lezten Alinea beziehen sich auf die Handelsfreiheit ; das lezte unterwirft den innern Handel den Gesezen des Landes, wo er stattfindet. Diese Bestimmung, welche sich in den meisten mit Perbien abgeschlossenen Vertragen, namentlich in demjenigen mit Deutschland vorn 11. Juni 1873, wiederfindet, muß in Verbindung mit den Artikeln 5 und 6, betreffend die Anwendung der

534 Civilrechtspflege und die Konsularorganisation, in's Auge gefaßt werden. Wir verweisen also deren Auseinandersezung auf weiter unten, wo wir von genannten Artikeln sprechen werden, indem wir uns darauf beschränken, daran zu erinnern, daß der allgemeine Grundsaz des Vertrages auch hier seine Anwendung findet, daß demnach, in diesem Punkte wie in allen andern die Schweizer gleich den Angehörigen der meistbegünstigten Nation behandelt werden sollen.

Der Artikel 4 wendet den Grundsaz, der im Art. 3 sich auf Personen bezieht, auf die Waaren an. Es ist dabei verstanden, daß jede Vertragspartei .die vollste Freiheit behält, ihre Tarife abzuändern, oder jede beliebige Waare mit Eingangs- oder Ausgangszöllen zu belegen, selbst wenn bei Abschluß des Vertrages dies nicht der Fall war; jedoch kann sie dies gegenüber dem andern Staate nur dann thun, wenn die gleiche Maßregel auch gegenüber den Waaren der andern Nationen getroffen wird.

Der Artikel 5 handelt von der Civil- und Strafgerichtsbarkeit.

In Bezug auf erstere werden im Vertrag vier Fälle vorgesehen : a. Anstände zwischen Schweizerbürgern, die in Persien niedergelassen sind. Diese Anstände unterliegen der Gerichtsbarkeit des schweizerischen Konsuls. In der Praxis könnten aus dieser Konsularjurisdiktion, wogen der Verschiedenheit unserer kantonalen Gesezgebungen, zahlreiche Schwierigkeiten erwachsen, wofern nicht ein eidgenössisches Recht zu Stande käme, welches natürlich die Aufgabe der Konsuln um Vieles vereinfachen würde.

Es versteht sich, daß so lange es in Persien keine schweizerischen Konsuln gibt, die Dinge auf gegenwärtigem Fuße verbleiben werden; d. h. es werden ,die Parteien selbst ihren Richter auf dem ' Wege des Schiedsspruches bestellen oder zur Gerichtsbarkeit der Konsulate, unter deren Schuz sie sich gestellt haben, Zuflucht nehmen müssen.

b. Anstände zwischen Schweizern und Persern. In Persien werden dieselben nach Billigkeit abgeurtheilt durch das persische Gericht am. Wohnorte des schweizerischen Konsuls und in Gegenwart eines Vertreters desselben.

Diese wichtige Bestimmung soll unsern Mitbürgern eine Rechtspflege sichern, welche ernstliche Garantien darbietet. Die Anstände zwischen Schweizern und Persern sind nicht nach persischem Geseze, sondern nach der Billigkeit abzuurtheilen; und.damit über die Vollziehung des Vertrages gewacht werde, wird der schweize-

535 rische Konsul den Prozeßverhandlungen beiwohnen. Diese Garantien haben uns genügend geschienen zum Schuze der schweizerischen Interessen und uns gestattet, das dritte Alinea des Art. 3 anzunehmen, welches nur von den allgemeinen Handelsgesezeu verstanden werden darf, nicht aber von den in Streit- und Prozeßfällen zur Anwendung zu bringenden Gesezen. Unter solchen Verhältnissen scheint uns die Sicherheit des schweizerischen Handels in Persien hinlänglich gewahrt zu sein.

O O Uebrigens müssen wir hier das unter Litt, a Gesagte wiederholen. In Abwesenheit eines schweizerischen Konsuls werden sich unsere Mitbürger unter den Schuz eines ausländischen Konsulats stellen, und es werden dieselben kraft gegenwärtigen Vertrages, welcher ihnen in allen Punkten die gleiche Behandlung sichert, wie sie den Angehörigen der meistbegünstigten Nation zu Theil wird, die Wohlthat aller Stipulationen ansprechen können, welche zu Gunsten der Nation, unter deren Schuz sie sich befinden, aufgestellt worden sind. Voraussichtlich wird die Errichtung schweizerischer Konsulate in Persien nicht sobald stattfinden ; unterdessen wird jedoch der Vertrag den Vortheil bieten, daß, unter welchen Schuz die Schweizerbürger auch gestellt sein mögen, sie immer berechtigt sein werden, von der persischen Regierung die gleiche Behandlung zu verlangen, wie die Angehörigen der betreffenden Schuzmacht.

O 7 O O c. Anstände zwischen Schweizern und in Persien niedergelassenen Angehörigen anderer Nationen. Dieselben werden durch Vermittlung der betreffenden Agenten oder Konsuln der Parteien ausgetragen.

d. Anstände der in der Schweiz niedergelassenen Perser, unter sich, mit Schweizern oder mit Angehörigen anderer Nationen. Diese werden beurtheilt nach dem Modus, der in der Schweiz gegenüber den Unterthanen der meistbegünstigten Nation angenommen ist.

Was die Angelegenheiten strafgerichtlicher Natur betrifft, so werden solche in der Schweiz und in Persica nach dem Modus abgeurtheilt, welcher in den beiden Ländern gegenüber den Angehörigen der meistbegünstigten Nation angenommen ist.

Zum Artikel 6 haben wir nichts zu bemerken ; es betrifft derselbe die Aushändigung der Verlassenschaften an die Verwandten oder Associés des Verstorbenen, und in deren Ermangelung an dessen Konsul, der davon den angemessenen Gebrauch machen wird, gemäß den
Gesezen und Uebuogen seines Landes.

Der Artikel 7 ertheilt den beiden Vertragsparteien die Befugniß, für jede derselben drei Konsuln zum Schuze ihrer Angehörigen und ihres Vermögens zu ernennen. Die Bestimmungen dieses Artikels

536 entsprechen übrigens den sachbezüglichen internationalen Gebräuchen und linden sich in den meisten von der Eidgenossenschaft mit dem Auslande abgeschlossenen Verträgen.

Indessen ist zu bemerken, daß es sich hier für die Eidgenossenschaft nicht um eine Verpflichtung, sondern um eine Befugniß oder ein Recht handelt. Keine Vertragsbestimmung verpflichtet die Schweiz, in Persien Konsuln zu ernennen ; wenn sie aber von diesem Rechte Gebrauch machen will, so kann sie dies thun gleich der meistbegünstigten Nation. In der That ist die Errichtung schweizerischer Konsulate in Persien mit Schwierigkeiten verbunden, deren Gewicht sich der Bundesrath keinen Angenblik verhehlt hat. Ein schweizerischer Konsul in Persien muli eine besondere Carrière durchgemacht haben, er muß Jurisdiktionsrechte üben und über die erforderlichen Mittel verfügen, um seine Urtheile vollziehen zu lassen.

Es sind dies unerläßliche, aber sehr kostspielige und schwer realisirbare Bedingungen. Deßhalb haben wir, indem wir diesen Vertrag unter Vorbehalt Ihrer Ratifikation abschlössen, keineswegs die Eidgenossenschaft auf eine abenteuerliche Bahn hinlenken wollen, sondern wir beschränkten uns auf die Konstatirung eines Rechtes, ohne irgend welche Verpflichtung zur Ausübung desselben einzugehen. Andererseits aber glaubten wir nicht, die Verhandlungen nur deßhalb ablehnen zu sollen, weil wir voraussichtlich nicht so bald in den Fall kommen werden, von allen Befugnissen, die der Vertrag uns einräumt, Gebrauch y,u machen. So lange die Eidgenossenschaft keine eigenen Konsuln in Persien hat, werden die Schweizerbürger wie bisher unter dem Schuze des von ihnen gewählten fremden Konsuls stehen. Wir haben nicht verlangt, daß diese Befugniß ausdrüklich erwähnt werde, weil sie sich in allen Ländern der Welt von selbst versteht, namentlich in denjenigen der Levante, wo der schweizerische Handel ganz unter fremdem Schuze steht. Uebrigens hat im Jahr 1857 der persische Unterhändler Ferrokh khan Namens seiner Regierung eine ausdrükliche Erklärung darüber abgegeben, von welcher wir einfach Akt genommen haben. Die Errichtung von mit Gerichtsbarkeit ausgerüsteten Konsulaten gehörte offenbar zur vollständigen Ausführung des Vertrages und wäre gleichsam die zur Geltend mach ung aller seiner Theile unerläßliche Krönung des Werkes. Bis dieses jedoch zur
Verwirklichung gelangt, wird der Vertrag wenigstens den Vortheil bieten, den Schweizerbürgern das Recht zu verleihen, die Behandlung der meistbegünstigten Nation in doppelter Beziehung zu verlangen : erstens kraft des Schuzes, unter welchen sie gestellt sein werden, und sodann im Namen des Vertrages selbst.

Das zweite Alinea des Artikels bezeichnet die drei Städte Teheran, Tauris und Bender-Bouchir als Residenzorte für die schwei-

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zerischen Konsuln, während die Regierung des Schah selbst die Residenzorte ihrer Konsuln in der Schweiz wählen .kann.

Wie es scheint, sezt Persien eine große Wichtigkeit auf diese Bestimmung, die wir in allen von ihm abgeschlossenen Verträgen wiederfinden. Das allgemeine Bestreben der Mächte dürfte sonst dahin gehen, die Zahl ihrer Konsulate in Persien zu vermehren, was die Regierung ungern sieht und daher durch obige Klausel verhindern will. Da drei Konsulate für die Bedürfnisse unserer Angehörigen in Persien mehr als genügend erscheinen, und wir zudem in dieser Beziehung auf den nämlichen Fuß wie die meistbegünstigten Nationen gestellt sind, so glaubten wir auf der Beseitigung dieses Artikels nicht bestehen zu sollen, wozu übrigens aller Wahrscheinlichkeit nach der persische Unterhändler.niemals beigestimmt hätte.

Was die der persischen Regierung eingeräumte Befugniß betrifft, in der Schweiz beliebig die Residenzorte ihrer Konsuln wählen zu dürfen, so haben wir nicht Anstand genommen, sie derselben zuzugestehen.

Der Artikel 8 sezt fest, daß der Vertrag für den Zeitraum von zwölf Jahren abgeschlossen worden ist, vom Tage des Austausches der Ratifikationen an, welcher in Paris stattzufinden hat. Den Vertragsparteien ist für die Aufkündigung des Vertrages eine einjährige Frist eingeräumt.

Dies sind die Bestimmungen dieses Vertrages, welche, wie wir glauben, den Interessen der Eidgenossenschaft und ihrer Angehörigen entsprechen dürften. Resümirend kann gesagt werden, daß die Vertragsparteien übereingekommen sind, gegenseitig ihre Angehörigen auf dem nämlichen Fuße wie diejenigen der meist begünstigten Nation O ö zu behandeln, indem die verschiedenen Vertragsartikel in der That nur eine Anwendung dieses allgemeinen Grundsazes auf einige Spezialfälle sind,) wie solche gewöhnlich in derartigen Verträgen aufO O O geführt werden.

Wir empfehlen demnach der hohen Bundesversammlung die Annahme des nachfolgenden Beschlußentwurfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den-1. Dezember 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend · -

die Ratifikation des zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien abgeschlossenen FreundSchafts- und Handelsvertrags.

'

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 1. Dezember 1873; nach Prüfung des unterm 23. Juli 1873 zu Genf zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien abgeschlossenen Freundschafts- und Handelsvertrags; beschließt: 1. Es wird dem vorerwähnten Vertrage die vorbehaltene eid genössische Ratifikation ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den mit dem Kaiserreich Persien am 23. Juli 1873 zu Genf abgeschlossenen Freundschafts- und Handels- vertrag. (Vom 1. Dezember 1873.)

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13.12.1873

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