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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Initiath e) (Vom 15 März 1976)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen hiemit die Botschaft zum Volksbegehren zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Intitative), das am 21 März 1974 von der Firma Denner AG Zürich mit 62916 gültigen Unterschriften eingereicht worden ist Dieses Volksbegehren (im folgenden «Initiative» genannt) wurde durch Verfugung der Bundeskanzlei vom 13 Mai 1974 als formell zustandegekommen erklart (BEI 1974 l 1362)

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Übersicht

11 Text der Intitiative Die Initiative ist in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs (Art 121 Abs 6 BV) gestellt und hat folgenden Wortlaut Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden durch einen Aitikel 13 mit folgendem Wortlaut ergänzt I

Absatz l Zur Bekämpfung der Teuerung bildet der Bund einen Eidgenossischen SohdaritatsFonds Der Bundesrat bestellt eine aus 13 Mitgliedern bestehende Fondsleitung, m

536 der die interessierten Organisationen der Wirtschaft angemessen vertreten sein sollen Der Präsident, 2 Vizepräsidenten und die weiteren 10 Mitglieder werden jeweilen für eine Amtsdauer von 4 Jahren gewählt Absatz 2 Die Mittel des Fonds sind zur Finanzierung von Massnahmen zu verwenden, die der Stabilisierung der Mietzinsen und der Pieise von Waren und Dienstleistungen des lebensnotwendigen Bedarfes dienen, vornehmlich für a) die Gewahrung von Darlehen an Grundeigentumer für neu zu erstellende Mehrfamilienhäuser mit preisgünstigen Wohnungen mit Emschluss von Alters Wohnungen Diese Darlehen können bis zu 100% des Verkehrswertes der Wohnungsteile gehen und sind zu Bedingungen zu gewahren, durch die ein Anstieg der Mietzinse für diese Wohnungen verhindert wird, b) die Gewahrung von Darlehen mit Amortisaüonspflicht bis zu 100% des Verkehrswertes an natürliche Personen, die eine preisgünstige Eigentumswohnung für den eigenen Wohnbedarf erwerben Der Zinssatz dieser Darlehen ist so festzulegen, dass der Gesamtaufwand ohne Amortisation nicht mehr betragt als der Mietzins für ein entsprechendes Objekt, c) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen mit Amortisationsverpflichtung für preisgünstige Emfamilienhausei, an landwirtschaftliche Betriebe sowie zur Verbesserung der Wohnverhaltnisse m den Berggebieten, d) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen für den Bau von Spitalern, Altersheimen und Alterswohnungen, soweit sie gemeinnützig erstellt und betrieben werden, e) die Gewahrung von zinslosen Darlehen an Pflegeheime, soweit sie gemeinnützig erstellt und betrieben werden, f) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen an Kantone und Gemeinden für Erschliessungshüfe und für andere Infrastruktur-Aufgaben, soweit sie einem dringenden öffentlichen Bedürfnis entsprechen, g) die Gewahrung von zinsgunsbgen Darlehen für den Erwerb von Grundstucken und Rechten an solchen gegen Verpflichtung der Erstellung von Bauten mit preisgünstigen Wohnungen, h) den Erwerb von Grundstucken für Rechnung des Fonds zwecks Ausschaltung der Spekulation und zur Forderung von Grossuberbauungen, anter Berücksichtigung der Ziele der Raumplanung Für Luxushauser und Luxuswohnungen sowie für Zweitwohnungen dürfen keine Fondsmittel eingesetzt werden Absatz 3 Der Fonds wird geaufnet durch a) eine Exportabgabe bis 5% des Warenwerts franko Grenze
auf Waren, die aus dem freien inlandischen Verkehr ausgeführt werden, sowie vom Wertzuwachs auf Waren, die im Freipassverkehr im Inland einer Bearbeitung unterzogen worden sind, b) eine jahrliche Expansionsabgabe auf der Zunahme des steuerbaren Reinertrages der im Handelsregister eingetragenen natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts, soweit diese Zunahme im Vergleich zum Vorjahr mmde-

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stens den Betrag von fünfhunderttausend Franken erreicht. Die Expansionsabgabe beträgt bei einer Zunahme bis zu zehn Millionen Franken bis 10%und bei über zehn Millionen Franken bis 20 %. Unternehmen, die direkt oder indirekt einen beherrschenden. Einfluss auf andere Unternehmungen des privaten Rechts mit Sitz in der Schweiz ausüben, sind auch für diese abgabepflichtig, soweit diese nicht selbst der Abgabepflicht unterstehen.

Wer gemäss diesen Bestimmungen zur Bezahlung sowohl der Exportabgabe als auch der Expansionsabgabe verpflichtet wäre, entrichtet nur die Abgabe, die den höhern Betrag ausmacht.

c) eine Investitionsabgabe bis 10% der Baukosten von Tief- und Hochbauten, die nach der Annahme des Volksbegehrens in Angriff genommen oder fertiggestellt werden. Ausgenommen sind: - der Bau von preisgünstigen Wohnungen und preisgünstigen Einfamilienhäusern sowie von Alterswohnungen, von Alters- und Pflegeheimen und von Krankenanstalten aller Art - Bauten für landwirtschaftliche Betriebe - Bauten zur Verbesserung der Wohnverhältnisse in den Berggebieten - ,Bauten, die einem dringenden öffentlichen Interesse entsprechen.

Zur Beeinflussung des Investitionsvolumens kann der Bundesrat nötigenfalls weiter bestimmen, dass die im Handelsregister eingetragenen natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts den Aufwand für Bau-, Ausrüstungs- und Beteiligungs-investitionen, soweit er eine Million Franken jährlich übersteigt, bis zu 50% durch Eigenkapital finanzieren müssen. Dieses Eigenkapital ist in der Bilanz auszuweisen, soweit der Investitions-Aufwand nicht abgeschrieben wird.

Absatz 4 Der Fonds kann zusätzliche Mittel durch die Aufnahme von Darlehen und die Ausgabe von Anleihen, für die der Bund die Haftung zu übernehmen hat, bis zum dreifachen Betrag der eigenen Mittel beschaffen. Im Falle einer Emissionskontrolle hat der Fonds für seine Anleihen Anspruch auf Berücksichtigung vor allen ändern Schuldnern. Der Bundesrat kann nach Anhören der Fondsleitung bestimmen, dass Anleihen des Fonds von der Quellensteuer und allfälligen Plazierungsbeschränkungen befreit werden.

Absatz 5 Von der Abgabepflicht ist befreit : - wer von ihr unverhältnismässig hart betroffen würde - wer mit seiner Geschäftstätigkeit einen wichtigen Gemeinwohlzweck erfüllt.

Von der Vorschrift der teilweisen Finanzierung der
Investitionen durch Eigenkapital sind befreit: -- Investitionen für den preisgünstigen Wohnungsbau -- Investitionen für landwirtschaftliche Betriebe - Investitionen für Beteiligungen im Ausland Nach Anhören der Fondsleitung kann der Bundesrat - einzelne Waren von der Exportabgabe befreien - weitere Bauten von der Investitionsabgabe ausnehmen

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- die Abgabesätze unter Berücksichtigung der Lage der Wirtschaft und des Wohnungsmarktes sowie der finanziellen Bedürfnisse des Fonds senken, erhöhen oder vorübergehend aufheben.

- weitere Investitionen von der Vorschrift der teilweisen Finanzierung durch Eigenkapital befreien.

Absatz 6 Soweit für Kantone und Gemeinden die Voraussetzungen für den Erlass der Investitionsabgabe erfüllt sind, kann der Bundesrat nach Anhören der Fondsleitung die Befreiung vom Erfordernis eines ausgeglichenen Gesamthaushalts abhängig machen. Das gleiche gilt für die Gewährung zinsgünstiger Darlehen.

Absatz 7 Bis zur Herstellung eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes mit stabilen Mietzinsen und einem Leerwohnungsbestand von mindestens 0,5% kann der Bundesrat nach Anhören der Fondsleitung für die Ausführung von privaten und öffentlichen Bauvorhaben oder für einzelne Kategorien davon eine Bewilligungspflicht einführen und den Handel mit Grundstücken einer Kontrolle unterstellen. Bauvorhaben, die von der Investitionsabgabe befreit werden, unterstehen keiner Bewilligungspflicht.

Absatz 8 Darlehen sind vom Fonds soweit möglich durch Vermittlung von Banken zu gewähren.

Absatz 9 Auf Verfügungen, die gestützt auf diesen Verfassungsartikel erlassen werden, finden die allgemeinen Bestimmungen der Gesetzgebung über die Bundesrechtspflege Anwendung.

Absatz 10 Wer den Bestimmungen über die teilweise Finanzierung von Investitionen durch Eigenkapital zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft. Bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung kann die Busse bis zur vollen Höhe, bei fahrlässiger Zuwiderhandlung bis zur Hälfte des fehlenden Eigenkapitals festgesetzt werden. Wer den übrigen Bestimmungen dieses Artikels zuwiderhandelt, wird mit Busse bis zu hunderttausend Franken bestraft. Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die Busse bis zu fünfzigtausend Franken. Der Bundesrat erlässt die näheren Bestimmungen für die Durchführung des Strafverfahrens.

Absatz 11 Im Einvernehmen mit der Fondsleitung erlässt der Bundesrat die erforderlichen Vollzugsbestimmungen.

539 Absatz 12 Fondsleitung und Bundesrat haben jährlich über die auf Grund dieses Artikels getroffenen Massnahmen und ihre Auswirkungen zuhanden der Bundesversammlung Bericht zu erstatten.

Absatz 13 Die Bestimmungen dieses Artikels haben Gültigkeit bis zur Übernahme seiner Grundsätze in die Ausführungsgesetzgebung zu einem geänderten Artikel 31 QUlnau,ics der Bundesverfassung mit dem Ziel einer ausgeglichenen konjunkturellen Entwicklung zur Verhütung von Arbeitslosigkeit und zur Bekämpfung der Teuerung.

Der Verfassungsartikel tritt nach Annahme durch Volk und Stände mit dem Erwahrungsbeschluss sofort in Kraft.

Massgebend ist der deutsche Text. Die Initiative enthält eine Rückzugsklausel.

Zwischen dem deutschen Urtext und dem französischen sowie dem italienischen Wortlaut bestehen verschiedene Differenzen. Die Übersetzungen der Initiative sind deshalb nach Artikel 22 Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes dem als massgebend bezeichneten deutschen Text angepasst worden.

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Inhalt der Initiative

Die Initiative enthält den Auftrag zur Bildung eines Eidgenössischen Solidaritätsfonds, der die Teuerungsbekämpfung zum Ziele hat (Abs. 1). Die Mittel des Fonds sind zur Finanzierung von Massnahmen zu verwenden, «die der Stabilisierung der Mietzinse und der Preise von Waren und Dienstleistungen des lebensnotwendigen Bedarfes dienen». Diese Massnahmen liegen im Bereiche der Wohnbauförderung, des erleichterten Baues gemeinnütziger Anstalten (Spitäler, Alters- und Pflegeheime) sowie der Raumplanung (Abs.2). Der Fonds soll durch eine Export-, eine Expansions- und eine Investitionsabgabe geäufnet werden und zusätzlich Darlehen aufnehmen sowie Anleihen ausgeben können (Abs. 3 und 4). Für Sonderfälle ist die Befreiung von der Abgabepflicht vorgesehen (Abs. 5 und 6). Überdies wird die Möglichkeit geschaffen, den Bau- und Grundstückmarkt zu kontrollieren (Abs.'7). Die für die Ausführungsgesetzgebung massgebenden Bestimmungen sind eingehend im Verfassungstext geregelt (Abs. 8-12). Der Solidaritätsfonds soll schliesslich nur bis zur Übernahme seiner Grundsätze in das Ausführungsrecht zu einem neuen Konjunkturartikel (Art. 311111TM111" BV) beibehalten werden (Abs. 13).

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Zusammenfassung des Inhalts der Botschaft

In einem ersten Abschnitt (Ziff. 31: <
Die Ausführungen über den «Aufgabenkreis des Solidaritätsfonds» (Ziff. 32) zeigen, dass das geltende Recht bereits weitgehend die Grundlagen für die geforderten Aktivitäten bietet.

Die «Beschaffung der Mittel» (Ziff. 33) zur Äufnung des Fonds soll über insbsondere verschiedene Abgaben erfolgen. Dies würde die Konkurrenzfähigkeit weiter Teile unserer Wirtschaft nachhaltig verschlechtern. Die zusätzliche Finanzierung durch Darlehens- und Anleihensaufnahme würde nicht die Teuerung bekämpfen, sondern letztlich die Inflation anheizen.

Die von der Initiative begehrte Kontrolle des Bau- und Grundstückmarktes (dazu Ziff. 34) entspringt weitgehend sozial- und strukturpolitisch motivierten Anliegen. Zur Teuerungsbekämpfung könnte sie kaum'beitragen.

Ist schon die Eignung der vorgeschlagenen Massnahmen zur Teuerungsbekämpfung fragwürdig, so stehen die vom Volksbegehren geforderten Massnahmen gesamthaft mit den heutigen Anstrengungen zur Wiederbelebung der Wirtschaft in Widerspruch. Der Bundesrat empfiehlt, die Initiative der Abstimmung von Volk und Ständen mit dem Antrag auf Verwerfung zu unterbreiten. Die Teuerung lässt sich im Rahmen der bereits verfügbaren und der auf Grund eines neuen Konjunkturartikels noch zu schaffenden Stabilisierungsinstrumente viel besser bekämpfen. Deshalb erübrigt sich auch die Vorlage eines Gegenentwurfes.

2

Gültigkeitserfordernisse

Ein einzelnes Volksbegehren darf nicht mehrere verschiedene Materien zur Aufnahme in die Bundesverfassung vorschlagen (Einheit der Materie, Art. 121 Abs. 3 B V). Diese Einheit ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Punkten der Initiative ein innerer Zusammenhang besteht (Art. 3 Abs. 2 Initiativengesetz).

Nach der üblichen, nicht strengen Auslegung erfüllt die vorliegende Initiative dieses Erfordernis. Sie hat den neu zu schaffenden Eidgenössischen Solidaritätsfonds zum Inhalt und regelt sehr eingehend dessen Speisung und Aufgabenbereich. Einzig die vorgeschlagene Kontrolle des Wohmmgs- und Grundstückmarktes (Abs. 7) steht mit dem Solidaritätsfonds bloss in sehr loser Beziehung. Sie ist jedoch von durchaus untergeordneter Tragweite und deshalb im Hinblick auf den Gesamtinhalt der Initiative bei der Beurteilung der Einheit der Materie vernachlässigt worden.

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Jede Initiative hat auch die Einheit der Form zu wahren. Sie darf nicht die in Artikel 121 Absatz 4 der Bundesverfassung vorgesehenen beiden Formen der allgemeinen Anregung und des ausgearbeiteten Entwurfes miteinander verbinden (Art. 3 Abs. l Initiativengesetz).

Die «Antiteuerungs-Initiative» wird auch diesem Erfordernis gerecht. Sie enthält keine allgemeinen Anregungen, regelt vielmehr zahlreiche Einzelheiten, die richtigerweise in die Ausführungsgesetzgebung gehörten.

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Würdigung des Volksbegehrens 31 Zielbereich

Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Ziel der Initiative. In der Botschaft zum Konjunkturartikel vom 10. Januar 1973 hat er es allerdings in einen grösseren Zusammenhang hineingestellt. Der Staat soll mit einem geeigneten Instrumentarium zur Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung beitragen. Gegen die wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die aus einer anhaltenden Teuerung einerseits und einer verbreiteten Arbeitslosigkeit anderseits entstehen, sind rechtzeitig geeignete Vorkehren zu treffen. Zu diesem Zwecke soll die Entwicklung der tatsächlichen Gesamtnachfrage fortwährend im Gleichgewicht mit der Entwicklung des möglichen Gesamtangebotes gehalten werden. Da dieses kurzfristig nur wenig beeinflusst werden kann, ist das kunjunkturelle Gleichgewicht durch eine Regulierung der Nachfrage anzustreben.

Dies ist nach heutigen Vorstellungen in erster Linie Aufgabe der Geld- und Währungspolitik sowie der Finanzpolitik. Die Geld- und Währungspolitik muss die Geldversorgung der Wirtschaft so steuern, dass die monetäre Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen das reale Angebot nicht übersteigt und durch das Preisniveau stabil bleibt. Eine allgemeine Teuerung wird in aller Regel durch eine entsprechende Ausweitung des Geldstromes im Vergleich zum Güterstrom verursacht.

Die Stabilisierungspolitik des Bundesrates gründet auf dem unverkennbaren Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisentwicklung. In dieser Beziehung setzt sie sich deutlich ab von den Vorstellungen der Initianten. Diese lassen sich von einer eher statischen Betrachtungsweise leiten, die gewisse Preise von Waren und Dienstleistungen durch eine Art Einkommenstransfer bzw. Subventionen verbilligen will. In Absatz 2 wird aufgezählt, für welche Zwecke die Mittel des Fonds vornehmlich einzusetzen sind. Nun stellt man allerdings fest, dass diese Aufzählung keineswegs mit den Zielen der Buchstaben a-h übereinstimmt, nach denen die Fondsmittel für den Bau von preisgünstigen Wohnungen, Spitälern und Pflegeheimen sowie für Infrastrukturausgaben von Kantonen und Gemeinden verwendet werden sollen. Der angestrebte Fonds ist somit eher sozialpolitisch als stabilisierungspolitisch begründet.

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Es kann keine Rede davon sein, dass die Teuerung jemals wesentlich vom Wohnungsbau und von den Mietzinsen ausgegangen wäre. Die Bauteuerung und der nunmehr grösstenteils beseitigte Nachfrageüberhang nach Wohnungen waren vielmehr Ausdruck jener Konjunkturellen Instabilität, die durch allzu reichliche Geldversorgung und hohe Inflationserwartungen gekennzeichnet war.

Auch das Abschöpfen von Mitteln zur Speisung des Fonds nach Absatz 3 würde nichts zur längerfristigen Geldmengensteuerung beitragen. Die Einnahmen des Fonds würden praktisch im Umlageverfahren wieder ausgegeben. Die Abgaben, die bei den Investitionen der privaten Wirtschaft eine Nachfragebeschränkung auslösen müssten, würden durch zusätzliche Ausgaben zur Finanzierung von preisgünstigen Wohnbauten u. a. ausgeglichen. Die Konsequenzen solcher Umleitungen von erarbeiteten Mitteln sind unabsehbar. Wir verweisen in diesem Zusammenhang nur auf die zwei folgenden Beispiele : Die ohnehin schon erschwerte Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie würde weiter abnehmen, wenn sie ihre Investitionen einschränken würde; die Energieversorgung würde wegen der geforderten höheren Eigenkapitalquote für die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen teurer.

Volkswirtschaftlich ergibt sich, dass die vorgesehenen Abgaben entweder die Kosten der Industrieproduktion erhöhen oder das Produktions- und Produktivitätswachstum hemmen würden, was langfristig zu Preissteigerungen in allen nicht verbilligten Sektoren führen müsste. Wohl würden gewisse Wohn- und Infrastrukturbauten subventioniert, aber selbst wenn Gewähr bestände, dass diese Verbilligung an den letzten Verbraucher weitergegeben würde, wäre die Verteilung dieses Einkommensvorteils willkürlich. Auch bei hoher jährlicher Wohnungsproduktion könnte erst nach Jahrzehnten der grösste Teil der Bevölkerung mit preisgünstigen Wohnungen versorgt werden. Die angestrebte Verbilligung der Mieten wäre also nicht allgemein und würde deshalb auch keine relative Senkung der Löhne und Lohnkosten erlauben, denn diese werden weitgehend gesamtvertraglich ausgehandelt. Der Erhöhung der Produktionskosten durch Abgaben stände somit keine allgemeine Senkung der Lohnkosten gegenüber. Da auch die Gesamtnachfrage durch die Umverteilung von Einkommensteilen nicht verändert würde, dürften die höheren Kosten pro Produktionseinheit
überwälzt werden, also letztlich zu einer Erhöhung des Preisniveaus beitragen.

Wem würden die vorgesehenen Umverteilungsmassnahmen nützen? Eine geringe Zahl von Mietern, die verbilligte Wohnungen bezögen, und das Baugewerbe.

Wie gross dessen optimale Kapazität sein soll und wer diese bestimmt, bleibt allerdings auf Grund der Initiative ungelöst. Hier soll offensichtlich der Markt der insbesondere in bezug auf die Wohnungsproduktion von den Initianten als nicht funktionsfähig betrachtet wird - für die Anpassung sorgen.

Schliesslich darf ein weiterer Aspekt nicht übersehen werden, nämlich die Grosse und Macht des Fonds. Jährlich würden einige Milliarden Franken (Grössenordnung 3-5 Mia. Fr.) angelegt. Die Anlagesumme wäre bald grösser als beispielsweise die Aktiven des AHV-Ausgleichsfonds (von rund 11 Mia. Fr.). Die

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jährliche Vermögenszunahme des Fonds würde sich etwa in der Grössenordnung des Wachstums der inländischen Kredite des gesamten schweizerischen Bankensystems halten. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass damit das private Bankgewerbe in schwerer Weise konkurrenziert würde, besonders da für eine Reihe von Verwendungszwecken die Gewährung zinsgünstiger oder sogar zinsloser Darlehen vorgeschrieben wird.

Ob sich die Sparaufkommen durch die Abgaben zur Finanzierung des Fonds nachhaltig ändern würden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Erfahrungen der Vergangenheit sprechen eher dafür, dass die Sparneigung hoch bleiben und der Zugang von langfristigen Geldern zu den Banken keine ernsthafte Einbusse erleiden wird, sofern das Wirtschaftswachstum und die verfügbaren Einkommen sich nicht wesentlich vermindern. Dann wäre aber infolge der Konkurrenzierung durch den Fonds mit einer gewissen Zinssenkung im Aktivgeschäft der Banken zu rechnen, die wiederum Rückwirkungen auf die Investitionen der Wirtschaft und die Währung haben könnte. Der Fonds hätte somit weitreichende Auswirkungen auf die Finanzierungsströme in unserer Volkswirtschaft, auf die Zinsen und daher unter dem Regime des Flottierens auch auf die Wechselkurse.

Schliesslich ist dem Aspekt der Verteilung der Wirtschaftsmacht in unserem Staatswesen Beachtung zu schenken. Ein Fonds, der mit einem Leitungsgremium von nur 13 Mitgliedern ungefähr dieselbe Finanzmacht darstellen würde wie das gesamte Bankensystem, müsste zweifellos als stark zentralistisches Element in unserer freiheitlichen und regional vielgestaltigen Wirtschaftsordnung wirken.

Unannehmbar wäre vom politischen und föderalistischen Standpunkt aus, dass er in seiner Geschäftsführung autonom und keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterstellt wäre. Die Erstattung eines Geschäftsberichtes kann kein Ersatz für die direkte Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament darstellen. Die vollständige Autonomie des Fonds gegenüber Bundesrat und Nationalbank könnte zu erheblichen wirtschaftspolitischen Spannungen führen, deren Konsequenzen nicht leicht abzusehen sind.

Zusammenfassend halten wir fest, dass die Gründung des vorgeschlagenen Fonds nichts zur Teuerungsbekämpfung beitragen könnte, vielmehr würde er gewisse neue Teuerungsfaktoren institutionell in unsere Volkswirtschaft
einbauen.

Der Fonds hätte nicht zuletzt deshalb keine Stabilisierungswirkung,! weil er nicht bei den zentralen Fragen der Geldmengensteuerung ansetzt. Die Grosse des vorgeschlagenen i Fonds und seine zentralisierte Wirtschaftsmacht würde in unserer Volkswirtschaft einen Fremdkörper darstellen. Abgesehen von den technischen Unzulänglichkeiten des Verfahrens der Einkommens- und Vermögensverteilung ergäben sich aus der Finanzierungshilfe des Fonds Probleme, die in ihren langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen nur schwer abzuschätzen sind. Es käme zu einem erheblichen Strukturwandel der Wirtschaft, der sich vor allem negativ auswirken würde.

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Aufgabenkreis des Solidaritätsfonds Solidaritätsfonds und Teuerungsbekämpfung

Im Abschnitt 31 haben wir dargelegt, dass zur Bekämpfung der Teuerung ein umfassendes, fein dosierbares stabilisierungspolitisches Instrumentarium, in dessen Mittelpunkt die Geldmengenregulierung steht, notwendig ist. Mit dem vorgeschlagenen Solidaritätsfonds allein könnte somit kaum ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung dieses Ziels geleistet werden.

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Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaues

Der Bund soll nach Absatz 2 Buchstaben a, b, c, g und h durch die Gewährung von zum Teil zinsgünstigen oder zinsfreien Darlehen - den Bau von Mehrfamilienhäusern mit preisgünstigen Wohnungen, mit Einschluss von Alterswohnungen, - den Bau von preisgünstigen Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern, - den Erwerb von Grundstücken für den preisgünstigen Wohnungsbau fördern. Die Fondsmittel können auch zum Erwerb von Grundstücken zur Ausschaltung der Spekulation und zur Förderung von Grossüberbauungen eingesetzt werden.

322.1

Bestehende Rechtsgrundlagen

Die Wohnbauförderung stellt kein neues Ziel dar; sie wurde bereits mit dem Bundesgesetz vom 19. März 1965 angestrebt. Am 5. März 1972 nahmen Volk und Stände zudem einen neuen Artikel 34selties BV an, der den Bund verpflichtete, Massnahmen zur Förderung, besonders auch zur Verbilligung des Wohnungsbaus sowie des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum zu treffen. Auf dieser Verfassungsgrundlage beruht das neue Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974, das auf den 1. Januar 1975 in Kraft gesetzt wurde.

Dem neuen Bundesgesetz liegen drei Hauptziele zugrunde : Einer Verbesserung der Grundlagen des gesamten Wohnungsbaus dienen die Massnahmen zur Erschliessung und Sicherung von Bauland, zur Beeinflussung der Bau- und Wohnkosten und zur Kapitalbeschaffung. Soziale Ziele verfolgen die Vorkehren zur direkten Verbilligung der Mietzinse und zur Förderung von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Schliesslich soll mit den Bestimmungen über die Förderung des Haus- und Wohnungseigentums einem wichtigen gesellschafts- und staatspolitischen Anliegen Rechnung getragen werden.

Zur Senkung der Mietzinse und Förderung des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum kann der Bund Darlehen und Vorschüsse vermitteln, verbürgen oder gewähren und nicht rückzahlbare Zuschüsse entrichten. Er kann auch die Tätigkeit von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus

545 fördern, insbesondere durch Gewährung von Bürgschaften. Darlehen oder durch Kapitalbeteiligung. Durch die Gewährung zinsgünstiger Darlehen, durch Zuschüsse an die Eigentümerlasten und die Restfinanzierungshilfe lassen sich die Mietzinse wesentlich senken.

322.2

Verbesserung der Wohnverhältnisse im ßerggebiet

Das durch die Initiative angestrebte Ziel (Abs. 2 Bst. c) entspricht insofern einem berechtigten Anliegen, als die Wohnverhältnisse im Berggebiet tatsächlich vielfach noch unbefriedigend sind. Der Bund ist zwar schon seit längerer Zeit auf diesem Gebiet tätig. Mit dem Bundesgesetz vom 20. März 1970, mit dem im wesentlichen die bereits seit 1951 geltenden Massnahmen verlängert wurden, unterstützt der Bund die Bemühungen der Kantone durch Gewährung von Beiträgen. Im Rahmen seiner Massnahmen zur Abwehr weiterer Beschäftigungseinbrüche hat der Bundesrat diese Beiträge unter zweien Malen namhaft erhöht.

· Die Bundeshilfe erstreckt sich namentlich auf die Finanzierung einfacher Wohnungen für Familien mit bescheidenem Einkommen (hauptsächlich kinderreiche Familien). Sie bezweckt die Wiederherstellung, die Verbesserung oder die Errichtung von Wohnraum in brachliegenden Gebäuden zu günstigen Bedingungen. In der Regel beträgt die finanzielle Unterstützung des Bundes 25 Prozent der Kosten; sie kann aber in den finanzschwachen Kantonen bis einen Drittel und in sozial besonders schwerwiegenden Fällen bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Die Beitragsgewährung ist allerdings an die Bedingung einer mindestens gleichwertigen Hilfe der Kantone geknüpft.

Der Bau von Neuwohnungen im Berggebiet wird künftig im Rahmen des neuen Wohnbauförderungsgesetzes gefördert.

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Gesundheits- und sozialpolitische Massnahmen

Nach Absatz 2 Buchstaben d und e der Initiative sollen der Bau Von Spitälern, Altersheimen und Alterswohnungen durch zinsgünstige Darlehen sowie die Errichtung von Pflegeheimen durch zinslose Kredite gefördert werden. Dies sind Vorkehren, deren Notwendigkeit unbestritten ist, die indessen nicht konjunktur-, sondern vor allem sozialpolitisch begründet sind. Auch solche Förderungsmassnahmen sind heute bereits weitgehend in Kraft.

'323.1

Wohnungen für Betagte. Invalide und Pflegebedürftige

Das neue Wohnbauförderungsgesetz sieht unter anderem Massnahmen vor zur Senkung der Mieten von Wohnungen Betagter, Invalider oder Kranker, unter Einschluss des Pflegepersonals. Durch die Gewährung von nicht rückzahlbaren Beiträgen - zusätzlich zur Grundverbilligung - wird der Bund die Anfangsmieten bis um 40 Prozent senken können.

Bundesblatt 128 Jahrg Bd II

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323.2 Alters-und Pflegeheime Das Wohnbauförderungsgesetz unterstützt den Bau von Alters- und Pflegeheimen nur im Rahmen einer Hilfe an die Sicherstellung und Erschliessung des dafür geeigneten Baulandes. Die eigentliche Baufinanzierung fallt dagegen primär in den Bereich der Bundesgesetze über die AHV und die IV.

Das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung bietet bereits seit über 15 Jahren die Möglichkeit, sämtliche Kategorien von Wohnheimen für Invalide zu subventionieren, wobei die Beiträge nicht nur für die Errichtung, sondern ebenso auch für den Ausbau, die Erneuerung und die zusätzlichen Betriebskosten gewährt werden können. Die Subventionierung der Baukosten kann einen Drittel, in besonderen Fällen sogar die Hälfte der gesamten Aufwendungen erreichen. Es besteht ferner die Möglichkeit, aus Mitteln des AHV-Ausgleichsfonds zinslose oder zinsgünstige Darlehen zu gewähren.

Am 28. Juni 1974 wurde ein neuer Artikel 101 in das Bundesgesetz über die AHV aufgenommen, der die erwähnten Kompetenzen des Bundes auf Altersheime ausdehnt. Die Subventionssätze sind die gleichen wie im Gesetz über die Invalidenversicherung. Auch in diesen Fällen können zusätzlich zinslose oder zinsgünstige Darlehen gewährt werden. Im Bereich der Alters- und Invalidenfürsorge sind also die von den Initianten angestrebten Massnahmen heute bereits verwirklicht.

324

Darlehen an Landwirtschaftsbetriebe

Der Initiativtext sieht in Absatz 2 Buchstabe c auch die Gewährung von zinsgünstigen Darlehen mit Amortisationspfiicht an landwirtschaftliche Betriebe vor. Solche und ähnliche Hilfen werden von Bund und Kantonen bereits heute gewährt. Es ist vor allem auf das Bundesgesetz vom 23. März 1962 über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft sowie auf die Verordnung vom 14. Juni 1971 über die Unterstützimg von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten zu verweisen.

325

Raumplanung und Infrastruktur

Nach Absatz 2 Buchstabe/ sind die Fondsmittel ferner für die Gewährung von zinsgünstigen Darlehen an Kantone und Gemeinden für Erschliessungshilfe und andere Infrastrukturaufgaben zu verwenden, soweit diese einem dringenden öffentlichen Bedürfnis entsprechen. Ferner soll nach Buchstabe h der Erwerb von Grundstücken für Rechnung des Fonds zur Ausschaltung der Spekulation und zur Förderung von Grossüberbauungen, unter Berücksichtigung der Raumplanungsziele, ermöglicht werden.

Die vorgeschlagenen Massnahmen fallen zur Hauptsache in das Gebiet der Raumplanung und der regionalen Wirtschaftsförderung. In diesem Bereiche ist der Bund erst seit verhältnismässig kurzer Zeit tätig. Zu nennen sind vor allem das

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Bundesgesetz vom 4. Oktober 1974 über die Raumplanung, gegen -welches das Referendum ergriffen worden ist. sowie das Bundesgesetz vom 28. Juni 1974 über die Investitionshilfe für Berggebiete. Die in diesen Erlassen vorgesehenen Förderungsmassnahmen tragen den Anliegen der Initianten bereits weitgehend Rechnung.

Nach Artikel 43 des Raumplanungsgesetzes fördert der Bund'im Rahmen von Gesamtrichtplänen die Erschliessung und Ausstattung von Siedlungsgebiet.

Zu diesem Zweck kann er Kantonen, Gemeinden, ändern öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie gemeinnützigen Institutionen Darlehen gewähren, vermitteln oder verbürgen. Diese können zu günstigeren als den marktüblichen Zinssätzen oder unverzinslich gewährt werden.

Die Regelung im Rahmen des Raumplanungsgesetzes wird ergänzt durch entsprechende Bestimmungen des neuen Wohnbauförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974. Der Bund kann danach öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie Trägern des Wohnungsbaus, die jedoch nicht Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus sein müssen, Darlehen zur Erschliessung von Bauland vermitteln, verbürgen oder selbst gewähren. Er kann aber auch den vorsorglichen Landerwerb finanziell unterstützen.

Die Förderung der Infrastruktur im Berggebiet fällt in erster Linie in den Bereich des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1974 über Investitionshilfe für Berggebiete, das seit dem I.März 1975 in Kraft steht. Die Bundeshilfe besteht im Gewähren, Vermitteln und Verbürgen von Darlehen zu Vorzugsbedingungen, insbesondere für die verkehrsmässige Erschliessung. die Versorgung und Entsorgung, für Schulung und Berufsbildung. Sie stellt eine Restfinanzierung dar und kann bis zu einem Viertel der für die Verw irklichung des entsprechenden Projektes benötigten Summe ausmachen. Die Kantone haben sich an den Förderungsmassnahmen angemessen zu beteiligen.

33

Beschaffung der Mittel 331 Exportabgabe

Im Gegensatz zum Exportdepot handelt es sich bei der in Absatz 3 Buchstabe a vorgeschlagenen Exportsteuer um eine endgültig verfallende Abgabe.

Die damit zwangsläufig verbundene Verteuerung der Güterexporte würde die Konkurrenzfähigkeit weiter Teile unserer Exportwirtschaft nachhaltig verschlechtern; dies zu einem Zeitpunkt, da die Exportaussichten wegen des weltweiten Konjunktureinbruchs und der durch die massive Höherbewertung des Schweizerfrankens hervorgerufenen Verschlechterung der Wettbewerbsstellung der schweizerischen Wirtschaft recht ungewiss geworden sind und einzelne Branchen mit ernsthaften Absatz- und Beschäftigungsschwierigkeiten zu kämpfen haben. In dieser Situation dürfte es der Mehrzahl der Unternehmer nicht mehr möglich sein, diese

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Sondersteuer auf ihre Auslandkunden abzuwälzen; vielmehr müssten sie wohl eine Ertragsschmälerung oder zusätzliche mengenmässige Einbussen in Kauf nehmen. Soweit diese Ertragsschmälerungen im Auslandgeschäft nicht über Preiserhöhungen auf dem Inlandmarkt wettgemacht werden könnten, würden sie tendenziell zu einem Rückgang der Investitionen, damit der Gesamtbeschäftigung sowie der Einkommen und schliesslich der Steuerleistung führen.

Nach Absatz 5 des Initiativtextes soll allerdings von der Abgabepflicht befreit werden, wer durch sie unverhältnismässig hart betroffen würde. Auch könnte der Bundesrat einzelne Waren von der Exportabgabe ausnehmen. Abgesehen von den unerwünschten strukturellen Auswirkungen solcher Bestimmungen wie auch der Schwierigkeit, objektive Kriterien für ihre Anwendung zu finden, kann der Exportwirtschaft eine solche zusätzliche Belastung unter den veränderten Verhältnissen, die in den meisten Branchen in den vergangenen Monaten bereits mengenund wertmässig rückläufige Exportziffern gebracht haben, allgemein nicht mehr zugemutet werden. Sonst würde man bewusst die Gefahr in Kauf nehmen, dass eine zusätzliche Dämpfung der Exportnachfrage die in verschiedenen Zweigen der Exportwirtschaft bestehenden Schwierigkeiten noch verstärken müsste. Dies hätte angesichts der grossen Bedeutung der Exportindustrie und ihrer Zulieferbranchen schwere Folgen für die gesamte schweizerische Volkswirtschaft.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Vereinbarkeit einer Exportabgabe mit unseren internationalen handelsvertraglichen Verpflichtungen. Die Erhebung der Sondersteuer würde dem Wortlaut von Artikel 8 der EFTA-Konvention wie auch von Artikel 7 des EWG-Abkommens, die jegliche Einführung oder Erhöhung von Ausfuhrzöllen der Abgaben mit gleicher Wirkung verbieten, zuwiderlaufen. Eine Exportabgabe stellt allgemein eine Durchbrechung des Grundprinzips der europäischen Freihandelsverträge dar, nach denen innerhalb der Freihandelszonen für Industrieprodukte der freie Warenverkehr hergestellt wird. Eine solche Durchbrechung ist vor allem wegen ihrer möglichen Wirkung als Präzedenzfall nicht leicht zu nehmen und könnte die Stellung der Schweiz erschweren, wenn sie sich in einem späteren Zeitpunkt ihrerseits gegen Verletzungen der Konventionen durch andere Staaten zur Wehr setzen will.

332

332. l

Jährliche Expansionsabgabe

Steuergegenstand und Steuertarif

Der Eidgenössische Solidaritätsfonds soll nach den Initianten ausserdem durch eine jährliche Expansionsabgabe auf der Zunahme des steuerbaren Reinertrages der im Handelsregister eingetragenen natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts gespeist werden, soweit dieser Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr mindestens den Betrag von 500 000 Franken erreicht. Beim Steuergegenstand stellt sich die Frage, ob der Reinertrag nach kantonalem oder nach Wehrsteuerrecht massgebend sein soll. Aus Gründen der Gleichbehandlung wird von dem der direkten Bundessteuer (Wehrsteuer) unterliegenden Reinertrag auszuge-

549 hen sein, um so mehr, als nach dem letzten Satz von Absatz 3 Buchstabe b auch die Beteiligungsgesellschaften abgabepflichtig sind, soweit die direkt oder indirekt beherrschten schweizerischen Unternehmungen nicht selbst der Abgabepflicht unterstehen. In den meisten Kantonen entrichten nämlich die Beteiligungs- und Holdinggesellschaften keine Steuer vom Reinertrag, wohl aber bei der direkten Bundessteuer. Hier geniessen sie lediglich eine Steuerermässigung, die sich nach dem Verhältnis des Ertrages aus Beteiligungen zum gesamten Rohertrag richtet (Art. 59 des Wehrsteuerbeschlusses).

Der Steuersatz der Abgabe beträgt nach der Initiative bei einer Zunahme des steuerbaren Reinertrages gegenüber dem Vorjahr bis zu zehn Millionen Franken bis 10 Prozent, bei über zehn Millionen Franken bis 20 Prozent. Daraus ergibt sich, dass ein progressiver Tarif aufzustellen und anzuwenden wäre.

352.2 Anwendung der Steuer Sofern es sich darum handeln würde, die Expansionsabgabe ohne irgendwelche anderen Erwägungen im Einzelfall lediglich rechnerisch zu ermitteln, dürfte ihre Anwendung nach den vorstehenden Feststellungen und wegen der beschränkten Zahl abgabepflichtiger Unternehmungen kaum einen grossen Aufwand verursachen. Nach den neuesten statistischen Erhebungen (15. Wehrsteuerperiode, Steuerjahre1 1969/1970) haben von insgesamt 66750 Aktiengesellschaften 844 einen Reinertrag von 500 000 bis 999 900 Franken und 960 einen solchen von einer Million Franken und mehr.

Von den 10 530 Genossenschaften erzielten nur 53 einen Reinertrag von 500000 Franken und darüber. Da sich diese Angaben auf die insgesamt 1857 Gesellschaften mit einem Reinertrag von 500 000 Franken und darüber beziehen, liegt die Zahl jener, die gegenüber dem Vorjahr einen Reinertragszuwachs von 500 000 Franken und mehr ausweisen, noch wesentlich tiefer. Was schliesslich die im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen betrifft, deren Einkommen sich von einem Jahr zum ändern um 500 000 Franken oder mehr erhöht, so kann es sich nur um wenige Steuerpflichtige handeln.

Es ist also nicht so sehr die Zahl der Abgabepflichtigen, welche die Anwendung der Expansionsabgabe erschwert, als vielmehr die Tatsache, dass die Grundlage, von welcher zur Feststellung des Reinertragszuwachses auszugehen ist, für die Entwicklung der Unternehmung in keiner Weise repräsentativ sein muss. Man denke beispielsweise an Gesellschaften, welche von Jahr zu Jahr sehr unregelmässige Gewinne ausweisen oder an Gesellschaften, deren Aufbau und Entwicklung erst begonnen hat. Die Expansionsabgabe kann deshalb bedenkliche Ungleichheiten in der Anwendung verursachen. Zwar sieht der Initiativtext vor (Abs. 5 am Anfang), dass von der Abgabepflicht befreit ist, «wer von ihr unverhältnismässig hart betroffen würde». Die Übereinstimmung dieses Textes mit Artikel 124 des Wehrsteuerbeschlusses (Erlass der Steuer wegen zu grosser Härte) legt es nahe, die Beurteilung von Befreiungsbegehren nach der gesamtwirtschaftlichen Lage einer

550 i Unternehmung zu richten. Aus dieser Sicht kann der Grundsatz der absoluten Gleichbehandlung mit den nicht unterstellten Unternehmungen und den abgabepflichtigen Unternehmungen, welche keine Ausnahme verlangen, nicht aufrechterhalten werden. Es muss allein auf die wirtschaftliche Lage abgestellt werden.

Gleichbehandlung kann in diesem Zusammenhang einzig zwischen Unternehmungen bestehen, welche die Abgabebefreiung verlangen. Hätte nämlich die mit der Prüfung der Befreiungsbegehren betraute Verwaltungsbehörde den Grundsatz der Gleichheit in seiner absoluten Form anzuwenden, so müsste sie über Entscheidungsbefugnisse verfügen, die ihr das Gesetz eben gerade nicht einräumt. Daraus geht hervor, dass die Initiative, so wie sie abgefasst ist, die Gefahr einer ungerechten Behandlung in sich birgt. Verfahrensmässig wären allein die Kantone in der Lage, die Expansionsabgabe zu erheben. Sie setzen bereits heute den steuerbaren Gewinn der Unternehmungen für die Veranlagung der direkten Bundessteuer (Wehrsteuer) fest. Die Eidgenössische Steuerverwaltung könnte indessen gleich wie bei der Wehrsteuer als Aufsichtsbehörde amten.

332.3 Ertragsschätzung Der ausgewiesene Reinertrag dürfte heute durchschnittlich kaum noch 2,6 Prozent des Umsatzes betragen. Bei den auf Exportgeschäfte ausgerichteten Firmen wird somit eine Exportabgabe von fünf Prozent in der Regel höher sein als die Expansionsabgabe von höchstens 20 Prozent des Reinertragszuwachses. Deshalb sind Zweifel an der fiskalischen Bedeutung der vorgeschlagenen Massnahme nicht unberechtigt. Eine Ertragsschätzung ist mit dem vorhandenen statistischen Material nicht leicht und um so problematischer, als das Wirtschaftswachstum in eine Phase der Verflachung eingetreten ist. Zudem bestehen über die jährlichen Veränderungen des steuerbaren Reinertrages der Unternehmungen keine vergleichbaren Daten. Immerhin konnte auf Grund der Wehrsteuerstatistik die Entwicklung des Durchschnittsertrages von einer zweijährigen Bemessungsperiode zur ändern für natürliche Personen mit einer Wehrsteuerleistung von mehr als 50 000 Franken und für juristische Personen mit einer Wehrsteuerleistung von mehr als 200 000 Franken im Jahresdurchschnitt ermittelt werden ; damit dürfte ein grosser Teil der durch die Initianten anvisierten Unternehmungen erfasst worden sein. Insgesamt wurden 39 natürliche und 168 juristische Personen gezählt, welche von der 14. zur 15. Wehrsteuerperiode einen Einkommens- oder Ertragszuwachs von 500 000 Franken und mehr verzeichneten. Diese Feststellungen lassen darauf schliessen, dass auf der Grundlage der Wehrsteuer 15. Periode je nach der Gestaltung des Tarifs die Erträge einer Expansionsabgabe höchstens zwischen 110 und 170 Millionen Franken ausmachen dürften, wobei der Beitrag der natürlichen Personen unbedeutend ist (1-3 Mio. Fr.). Da die Expansionsabgabe bei Exportfirmen wegen der Exportabgabe nicht zur Anwendung käme, liegt der zu erwartende Ertrag wesentlich unter diesen Beträgen. Der Abschwächung des Wirtschaftswachstums wegen wären auch in Zukunft aus der Expansionsabgabe, selbst bei Ausschöpfung der vorgesehenen Maximalbelastungen, keine nam-

551 haften Eingänge zu erwarten. Die vorgeschlagene Abgabe würde zudem angesichts der erschwerten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Konkurrenzkraft unserer Wirtschaft beeinträchtigen.

332.4 Schiiissbemerkungen Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Durchführung der in der Initiative formulierten Expansionsabgabe, selbst wenn mit einer kleinen Zahl steuerpflichtiger Unternehmungen zu rechnen ist, mit namhaften Schwierigkeiten verbunden wäre, vor allem hinsichlich der Auslegung der Befreiungsbestimmungen.

Besondere Probleme ergeben sich hierbei daraus, dass Unternehmungen, die zur Bezahlung sowohl der Exportabgabe als auch der Expansionsabgabe verpflichtet wären, nur die Abgabe zu entrichten haben, welche den höheren Betrag ausmacht.

Diese Probleme bestehen einmal im administrativen Bereich, weil für die Veranlagung der 'Exportabgabe einerseits (Zollverwaltung) und der Expansionsabgabe anderseits (Eidg. Steuerverwaltung) nicht dieselbe Verwaltung zuständig ist. Die gleichmässige Anwendung der Befreiungsvorschriften würde aber die Schaffung einer für beide Abgaben zuständigen Behörde notwendig machen. Die materielle Wirkung der beiden Abgaben auf Unternehmungen, deren Umsatz nur teilweise aus Exporten besteht, kann im Vergleich zu abgabepflichtigen Unternehmungen, die ausschliesslich im Exportgeschäft oder ausschliesslich im Inlandgeschäft tätig sind, überdies zu grotesken Steuerbelastungen führen.

333 Investitionsabgabe 333.1

Steuergegenstand und Steuerpflicht

Als dritte Finanzierungsmassnahme sieht die Initiathe eine Investitionsabgabe von 10 Prozent der Kosten für Hoch- und Tiefbauarbeiten vor, die nach Annahme des Volksbegehrens begonnen oder fertiggestellt werden (Abs. 3 Bst. c).

In subjektiver Hinsicht begrenzt die Initiative die Anwendung nicht. Schuldner der Abgabe wären somit ausnahmslos alle Bauherren: Einzelpersonen - die privat oder im Rahmen einer Geschäftstätigkeit handeln, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Handelsregister eingetragen sind oder nicht, sei es unter einer Einzelfirma, sei es als Teilhaber einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, oder dass sie im Rahmen einer einfachen Gesellschaft tätig sind -, die juristischen Personen sowie die Stiftungen und Vereine (im Handelsregister eingetragene und nicht eingetragene), die öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Bund, Kantone und alle Art von Gemeinden), wie auch ihre Anstalten und Unternehmen und die Körperschaften und Anstalten des kirchlichen Rechts.

333.2 Anwendung der Steuer Da die Initiative lediglich auf Bauwerke abzielt, kann man sich fragen, ob sie nicht auch hier eine ungleiche Behandlung zwischen Unternehmungen verschiede-

552

ner Wirtschaftszweige schafft. So ist beispielsweise zu bedenken, dass Kosten für die Einrichtung von Hotels, Gastwirtschaften, Lichtspieltheatern und Tanzlokalen nicht unter die Investitionsabgabe fallen, dass gewisse Unternehmungen sich ohne weiteres mit beweglichen Konstruktionen ausrüsten können, dass Unternehmungen, welche die Lokale bloss mieten, von der Investitionsabgabe nicht berührt werden und ihre Mittel ohne weiteres in Waren anlegen können. Zweifellos wären die Handelsunternehmungen allgemein eindeutig begünstigt gegenüber Unternehmungen der Produktion, bei welchen die Notwendigkeit von Bauinvestition von vornherein grösser ist als beim Handel. Besonders störend wirkt in diesem Zusammenhang, dass der Nettogewinn im Handel verhältnismässig grösser ist als in der Produktion. Soll mit der Initiative tatsächlich die Teuerung bekämpft werden, so müsste nach unserem Dafürhalten der Handelsbereich im selben Ausmass belastet werden wie die Unternehmungen von Industrie und Gewerbe. Von daher gesehen weist die Initiative eine beträchtliche Lücke auf.

Abgesehen von diesen Verstössen gegen das Gebot der gleichmässigen Besteuerung würde die Erhebung einer solchen Investitionsabgabe grossen gesetzgeberischen und vor allem praktischen Schwierigkeiten begegnen. Auch hier wären es wiederum die Kantone, welche unter der Aufsicht des Bundes die Steuer zu veranlagen hätten. Da jedoch die Steuerbehörde nicht über die zur Erhebung einer solchen Abgabe erforderlichen organisatorischen Einrichtungen und Personalbestände verfügen, müsste ein neuer Verwaltungsapparat auf kantonaler und auf Bundesebene (Überwachungsbehörde) aufgebaut werden. Das Ausführungsgesetz (Bundesgesetz über die Erhebung der In.vestitionsabgabe) müsste Bestimmungen enthalten über den Steuergegenstand, die Steuerpflicht, die Steuerbemessung, das Verfahren, die Strafen und schliesslich über die Bezugsprovision der Kantone, die selbstverständlich für die ihnen aus der Durchführung der Abgabe erwachsenden Kosten entschädigt sein wollen.

Bei den gesetzgeberischen und administrativen Arbeiten für die Einführung einer Investitionsabgabe müsste man sich darüber Rechenschaft geben, dass bereits bei der Veranlagung ein schwerfälliges Verfahren vorgesehen werden müsste ; denn die Steuerabrechnungen könnten vorerst bloss provisorisch erstellt werden,
weil die Kosten des Bauwerkes - dessen Errichtung sich über Jahre hinziehen kann - erst nach Beendigung der Arbeiten feststehen und die genauen Gesamtzahlen erst nach Vollendung des gesamten Werkes bekannt sind. Zur Sicherstellung der Investitionsabgabe wäre es deshalb zum Beispiel notwendig, die Erteilung der Baubewilligung von einer provisorischen Vorauszahlung der Abgabe abhängig zu machen. Eine genaue Steuerberechnung kann überdies nur gewährleistet werden, wenn die Verwaltungen und Gerichte von Bund, Kantonen und Gemeinden ohne Rücksicht auf eine allfällige Schweigepflicht sämtliche für die Steuerfestsetzung erforderlichen Auskünfte erteilen. Für den einwandfreien Lauf des Verfahrens ist noch wichtiger, dass Dritte, wie Bauunternehmen, Architekten, Generalunternehmer, Ingenieure, Geometer usw., der mit der Kontrolle der Veranlagung befassten Behörde alle für eine zuverlässige Steuerberechnung notwendigen Elemente bekanntgeben. Wer um die Schwierigkeiten weiss, welche diesbezüglich beim Abgabewesen

553

bestehen, kann sich die Hindernisse leicht vorstellen, auf welche die mit der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen betrauten Behörden stossen werden.

333.3

Ertragsschdtzung

Die Bauinvestitionen betrugen im Jahre 1974 rund 25 Milliarden Franken.

Nimmt man an, dass die gesamte öffentliche Bautätigkeit im Sinne der Initiative einem dringenden öffentlichen Interesse entspricht und von der Abgabe ausgenommen ist, so verbleiben für die private Bautätigkeit noch 15,5 Milliarden Franken. Davon würden nach Absatz 3 Buchstabe c der Initiative weitere Bauten im Betrag von höchstens 2 Milliarden Franken von der Abgabe befreit. Im Jahre 1974 wären somit 13 bis 14 Milliarden Franken der Investitionsabgabe unterstellt worden. Nun wird für 1976 angesichts des starken mengenmässigen Investitionsrückgangs im Bausektor mit steuerbaren Investitionen im Wert von höchstens 7 Milliarden Franken gerechnet. Der Ansatz der Investitionsabgabe soll nach der Initiative «bis 10 Prozent» betragen. Genauere Angaben über die Tarifgestaltung fehlen. Ausserdem sind Aussagen über den mutmasslichen Ertrag schon deshalb fragwürdig, weil der Bundesrat zuständig ist, den Satz je nach den Verhältnissen zu ändern (Abs. 5). Bei einheitlicher Anwendung des Höchstsatzes von 10 Prozent ergäbe sich unter sonst gleichbleibenden Umständen nach vorstehenden Schätzungen für das Jahr 1976 ein Maximalertrag der Investitionsabgabe von 900 Millionen Franken. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass in der heutigen Situation, in der im Gegenteil die Investitionstätigkeit nach Möglichkeit gefördert wird, die Erhebung der vorgeschlagenen Investitionsabgabe konjunkturpolitisch widersinnig und verantwortungslos wäre.

333.4 Erlass der Investitionsabgabe fiir Kantone und Gemeinden Nach Absatz 6 kann der Bundesrat für Kantone und Gemeinden, welche die Voraussetzungen für den Erlass der Investitionsabgabe erfüllen, die Befreiung Vom Erfordernis eines ausgeglichenen Gesamthaushaltes abhängig machen. Diese Bestimmung bezieht sich auf Absatz 3 Buchstabe c Satz 2, wo ausdrücklich die Bauten erwähnt sind, die ohne Investitionsabgabe ausgeführt werden können.

Kantone und Gemeinden könnten von dieser Abgabe also' nur dann befreit werden, wenn ihr Haushalt ausgeglichen ist (Abs. 6) und die von ihnen vorgesehenen Bauten oder Bauarbeiten einem dringenden öffentlichen Interesse entsprechen (Abs. 3 Bst. c). Von der Kompetenz, die ihm Absatz 6 zuerkennt, dürfte der Bundesrat jedoch selbstverständlich nur Gebrauch machen, wenn der Haushalt durch Ausgaben aus dem Gleichgewicht gebracht worden wäre, die keiner unmittelbaren Notwendigkeit entsprechen. Indessen bestehen die Ausgaben des Gemeinwesens nicht nur aus Baukosten: Ausgaben erwachsen ihm auch durch das Gesundheitswesen, das Schulwesen, durch Beitragsleistungen aller Art, die Justiz, den öffentlichen Verkehr und die Löhne für Beamte und Magistraten. Der Bundesrat hätte

Bundesblatt 128.Jahrg Bd II

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somit die Verpflichtung, gegebenenfalls den Haushalt der Kantone und Gemeinden zu untersuchen und zu prüfen, ob das Gleichgewicht durch Ausgaben gestört wäre, die hätten zurückgestellt werden können. Politisch wäre es in der Tat unrealistisch, Absatz 6 anzuwenden, wenn das gestörte Gleichgewicht im Haushalt die Folge einer heiklen fiskalischen und finanziellen Situation wäre, ohne dass sich auf der Ausgabenseite irgendein Posten streichen Hesse. Da jedoch Absatz 6 keine zwingenden Bestimmungen enthält, braucht diese Frage nicht näher erörtert zu werden.

Gleiches gilt übrigens für den zweiten Satz von Absatz 6. Der darin enthaltene Gedanke besagt, dass die Gewährung zinsgünstiger Darlehen vom Erfordernis eines ausgeglichenen Haushaltes abhängig zu machen sei (Abs. 2 Bst. dundf).

Auch hier wäre es indessen unlogisch, an Kantone, die sich in Schwierigkeiten befinden und die trotz guten Willens ihren Haushalt nicht im Gleichgewicht halten können, keine Leistungen aus dem Fonds auszurichten.

333.5 Schlussbemerkung Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Erhebung der Investitionsabgabe einen neuen Verwaltungsapparat und einen aussergewöhnlichen Aufwand erfordern würde. Infolge der von den eidgenössischen Räten beschlossenen Massnahmen zur Beschränkung des Personalbestandes des Bundes (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1974) wäre es ohne Vernachlässigung anderer Aufgaben des Bundes nicht möglich, eine personell fachlich ausreichende Aufsichtsbehörde zu schaffen, und auch die Kantone hätten grosse Mühe, das geeignete Personal zu finden.

Über diese praktischen Probleme der Durchführung hinaus scheint uns die lediglich die Bauinvestitionen erfassende Investitionsabgabe wettbewerbspolitisch sehr fragwürdig, weil ein grosser Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit unbelastet bleiben soll. Noch problematischer ist - zumindest unter heutigen Gegebenheiten - die mit der Abgabe verbundene Dämpfung der Investitionstätigkeit, die den laufenden Bemühungen zur Wiederbelebung der Konjunktur direkt zuwiderläuft.

334

Eigenfinanzierung von Investitionen

Wie aus dem Initiativtext hervorgeht, sollte die teilweise Finanzierung von Investitionen durch eigene Mittel nicht der Finanzierung des Fonds dienen, sondern die Aufnahme von Krediten bremsen (Abs. 3 Bst. c Abschn. 2). Von dieser Massnahme erwartet man lediglich eine anti-inflationäre Wirkung.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Initiative hier Bau-, Ausrüstungs- und Beteiligungsinvestitionen meint, unter Vorbehalt der in Absatz 5 Abschnitt 2 genannten Ausnahmen. Die Investitionen in Waren (Rohstoffe, Halbfertigprodukte und Handelswaren) sind davon nicht berührt. Der Sektor Handel, dessen Bedürfnisse an Investitionen in Handelswaren besonders gross sind, würde somit bevorzugt, und die Gleichbehandlung aller Unternehmungen wäre nicht gewährleistet.

555

Dazu kommt, dass diese Massnahmen ausserordentlich schwer zu kontrollieren wären. In der Buchhaltung werden die Darlehen nämlich nicht nach ihrer Verwendung ausgewiesen. Sie erscheinen als solche nur unter den Passiven. Eine Kontrolle ihrer Verwendung ist daher ausgeschlossen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Eine Unternehmung kann ein Darlehen aufnehmen (sogar hypothekarisch) und behaupten, diese Finanzierung diene der Beschaffung von Handelswaren - die sie in jedem Fall beschaffen musste -, währenddem die Mittel zum Erwerb einer schweizerischen Beteiligung verwendet werden. Nur die bei der Finanzierung von Immobilien ersichtlichen Hypotheken können auf annähernd sichere Weise über die Verwendung der der Unternehmung zur Verfügung gestellten Mittel Auskunft geben.

335

Flexibilität der Abgabesätze

Nach Absatz 5 Satz 3 Alinea 3 kann der Bundesrat die Abgabesätze unter Berücksichtigung der Lage der Wirtschaft und des Wohnungsmarktes sowie der finanziellen Bedürfnisse des Fonds senken, erhöhen oder vorübergehend aufheben. Die drei Faktoren müssen offenbar nicht gleichzeitig vorliegen. Es ist denkbar, dass der Bundesrat m der Ausfuhrungsgesetzgebung die Ansätze nach Massgabe der einzelnen von der Initiative verfolgten Ziele und in dem nach Absatz 3 Satz l Buchstaben a, b und c vorgesehenen Rahmen ändert. Nach dem Initiativtext ist nicht klar, ob der Bundesrat kompetent sein soll, die Abgabesätze lediglich bis zum Erreichen der Maximalsätze heraufzusetzen (Abs. 3 Est. e Abschn. 1) oder ob er sogar befugt wäre, vorübergehend über diese Höchstsätze hinauszugehen (Abs. 5 Satz 3 Untersatz 3). Sollte dies die Meinung der Initianten sein, so wären aus Gründen der Rechtssicherheit schwerwiegende Bedenken am Platze, obgleich die Maximalsätze so hoch angesetzt sind, dass man kaum darüber hinausgehen kann. Das Nebeneinander zweier Bestimmungen, von denen die eine Maximalsätze vorschreibt und die andere die Befugnis enthält, davon abzuweichen, ist in unserer Gesetzgebung nicht üblich.

336

Befreiung >on der Abgabepflicht

Wenn auch die einzelnen Abgaben durch verschiedene Behörden einzuziehen wären, so sollte doch für den Entscheid über subjektive Befreiungen, für die in allen Fällen dieselben Voraussetzungen gelten sollen (Abs. 5 Satz 1), eine einzige Behörde zuständig sein. Der Besonderheit der von der Initiative betroffenen Sachgebiete wegen müssten hingegen die objektiven Befreiungen (Abs. 3 Bst. c Satz 2 und Abs. 5 Satz 3 Untersätze l, 2 und 4) durch die Veranlagungsbehörde selbst verfügt werden, wie dies beispielsweise für die Befreiung \ on der direkten Bundessteuer der Fall ist.

Der erste Satz von Absatz 5 betrifft die Befreiung von der Exportabgabe, von der Expansionsabgabe und von der Investitionsabgabe. Vorgesehen sind zwei

556

Befreiungsgründe: Der Abgabepflichtige würde durch die Abgabe unverhältnismässig hart betroffen oder erfüllt mit seiner Geschäftstätigkeit einen wichtigen Gemeinwohlzweck. Bezüglich der Befreiung in Härtefällen haben wir schon im Zusammenhang mit der Expansionsabgabe auf die Anwendungsschwierigkeiten dieser Massnahme hingewiesen, auch wenn sie gelegentlich durchaus einer Notwendigkeit entsprechen dürfte. Was den zweiten Befreiungsgrund anbetrifft, so wird er unseres Erachtens zu grössten Auslegungsschwierigkeiten Anlass geben. In Analogie zu Artikel 16 Ziffer 3 des Wehrsteuerbeschlusses (Befreiung wegen Gemeinnützigkeit) wird sich jedenfalls eine einschränkende Auslegung aufdrängen.

Insbesondere müsste man verlangen, dass zugunsten des Allgemeininteresses finanzielle Opfer gebracht werden. Tätigkeiten mit Erwerbszweck scheiden grundsätzlich aus. Jede andere Auslegung würde auf Grund des schwer definierbaren Begriffs der «einen wichtigen Gemeinwohlzweck erfüllenden Tätigkeit» zu einer Flut von Befreiungsgesuchen führen.

Was die Investitionsabgabe betrifft, so kann man sich allerdings fragen, ob eine Steuerbefreiung in diesem Zusammenhang grundsätzlich ihre Berechtigung hat, denn die Investitionsabgabe soll ja nicht nur der Finanzierung des Fonds dienen, sondern auch zu einer Verteuerung gewisser Grundstückinvestitionen führen; diese könnten dadurch unattraktiv werden, so dass der Bausektor entlastet würde. Einschränkend ist immerhin beizufügen, dass diese Befreiung insoweit sinnvoll sein kann, als die Initiative unter Absatz 3 Buchstabe c Satz l von «Tiefund Hochbauten, die nach der Annahme des Volksbegehrens in Angriff genommen oder fertiggestellt werden», spricht. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass der Abgabepflichtige in bezug auf die vor Annahme der Initiative angefangene, aber erst nach Annahme fertiggestellte Bauten sich vor vollendeten Tatsachen gestellt sähe und deshalb das Recht erhalten müsste, unter Umständen eine Befreiung zu beanspruchen.

337

Darlehen und Anleihen

Als vierte Finanzierungsquelle des Solidaritätsfonds sieht die Initiative die Aufnahme von Darlehen und die Ausgabe von Anleihen vor, für die der Bund die Haftung zu übernehmen hätte. Die Verschuldung wäre auf den dreifachen Betrag der eigenen Mittel begrenzt.

Diese Finanzierungsart ist subsidiär, der Fonds kann zusätzliche Mittel am Kapitalmarkt beschaffen. Ob er den Markt in Anspruch nimmt, hängt ab vom Umfang der in Absatz 2 aufgezählten Geschäfte einerseits und den Einnahmen nach Absatz 3 andrerseits. Im Falle eines zurückhaltenden Einsatzes der Fondsmittel wird keine Zusatzfinanzierung notwendig sein. Bei weiter Auslegung des Aufgabenkreises hingegen dürfte der Mittelbedarf sehr hoch sein, beispielsweise für die Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaues oder des Erwerbs von Grundstücken zur Ausschaltung der Spekulation.

Bei der gegebenen Wirtschaftsordnung sind einer erheblichen Verschuldung des Fonds Grenzen gesetzt, die bedeutend enger wären als das Dreifache der

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eigenen Mittel. Die Leistungsfähigkeit des Geld- und Kapitalmarktes ist je nach Wirtschaftslage mehr oder weniger beschränkt. Die Neuverschuldung müsste inflationsfrei erfolgen und sollte zudem zins- und wechselkursneutral sein. Die steigende Belastung des Fonds durch Zinskosten würde zudeni|Seine Ausgaben für die erstrangigen Ziele einschränken und einen ungewollten, mindestens teilweise unsozialen Umverteilungsprozess fördern.

Einzig in einer Rezessionsphase der Wirtschaft, bei hoher Sparquote und geringem Kapitalbedarf, dürfte die zusätzliche Kapitalaufnahme durch den Fonds inflationsfrei erfolgen. Die abgeschöpften Mittel würden für Zwecke des Fonds wieder ausgegeben und somit die Geldmenge unverändert lassen, hingegen eine gewisse direkte Nachfrage schaffen. Von Zinsneutralität kann aber in diesem Falle nicht die Rede sein: der langfristige Zinssatz bliebe höher, als wenn der Fonds keine Mittel am Kapitalmarkt nachfragen würde, was tendenziell die Investitionsneigung und damit die Konjunktur dämpfen statt ankurbeln würde. Der relativ höhere Zins müsste zudem bei ganz oder teilweise flexiblen Wechselkursen den Frankenkurs hoch halten, was den Absatz der Exportindustrie hemmt und ebenfalls kontraproduktiv ist.

In der Hochkonjunktur würde der Fonds nicht Mittel abschöpfen, um damit, was situationsgerecht wäre, die Geldmenge zu steuern, sondern er würde sie bloss umleiten. Der Zinseffekt am enger werdenden Kapitalmarkt begünstigt kurzfristig die Teuerung (durch die Übertragung auf Mieten und Landwirtschaftspreise), während die Bremswirkung mit längerer Verzögerung eintritt. Der Teuerungseffekt wird noch dadurch begünstigt, dass andere private und öffentliche Kapitalnachfrager aus dem Markt gedrückt werden, die ihrerseits ihre Finanzbedürfnisse durch erhöhte Kreditbeanspruchung oder Repatriierungen von Auslandanlagen zu decken versuchen. Im Endeffekt wird dadurch die Geldmenge ausgeweitet, was inflationär wirkt.

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass die zusätzliche Finanzierung des Fonds durch Darlehens- und Anleihensaufnahrue in der Hochkonjunktur die Teuerung nicht bekämpft, sondern die Inflation anheizt, und einen Ausbau des geld- und finanzpolitischen Instrumentariums nicht ersetzen kann. Umgekehrt vermag der Vorschlag in der Rezessionsphase wenig zur Konjunkturankurbelung beizutragen, weil die Anleihensbegebung nicht zins- und wechselkursneutral ist.

34

Kontrolle des Bau- und Grundstückmarktes

Die durch die Initiative angestrebten Ziele sind zweifelsohne von der Sache her gerechtfertigt und entsprechen auch weitgehend den Vorstellungen des Bundesrates. Es handelt sich dabei aber um Anliegen, die weitgehend sozial- und strukturpolitisch motiviert sind und kaum etwas mit Teuerungsbekämpfung, die ja den Zweck der Initiative darstellt, zu tun haben. Ausser der Unterstützung des Spitalbaus, die angesichts der Verwerfung des Vorschlages zum Ausbau der Krankenversicherung in der Volksabstimmung vom 8. Dezember 1974 fragwürdig ge-

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worden ist, wird heute praktisch allen in der Initiative vorgebrachten Anliegen durch entsprechende Massnahmen des Bundes und der Kantone entsprochen.

Einzig in der Frage der Finanzierung weicht das Konzept des Volksbegehrens grundsätzlich von der heutigen Praxis ab. Diese ist indessen dem vorgeschlagenen eidgenössischen Solidaritätsfonds überlegen. So ist es im Rahmen der gegenwärtigen Förderungspolitik besser möglich, den unterschiedlichen Verhältnissen und spezifischen Bedürfnissen in den einzelnen Interventionsbereichen Rechnung zu tragen.

35

Probleme der Ausführungsgesetzgebung

Die Initiative enthält in den Absätzen 8-12 des Verfassungstextes Bestimmungen über den Inhalt der Ausführungsgesetzgebung. Absatz 13 äussert sich zur Gültigkeitsdauer des Verfassungszusatzes.

Die vom Fonds nach Absatz 2 Buchstaben a-g zu gewährenden Darlehen wären durch Banken zu vermitteln (Abs. 8). Damit soll offenbar die zentrale Stellung des Bankensystems bei der Kredit- und Kapitalvermittlung gewährleistet bleiben. Eine entsprechende Regelung liesse sich wohl finden.

Absatz 9 verweist im Hinblick auf das zu befolgende Verfahren auf die allgemeinen Bestimmungen der Gesetzgebung über die Bundesrechtspflege. Deren Anwendbarkeit versteht sich von selber. Im übrigen geht der vorgeschlagene Text zu weit, wenn er von Verfügungen spricht, «die gestützt auf diesen Verfassungsartikel erlassen werden». Regelt der Verfassungstext auch in überreichem Masse mannigfache Einzelheiten, so setzt er doch nicht unmittelbar anwendbares Recht. Zu seinem Vollzug wäre ein Ausführungsgesetz unentbehrlich (vgl. dazu auch Abs. 13).

Bei den Strafbestimmungen in Absatz 10 handelt es sich materiell eindeutig um Gesetzes-, nicht Verfassungsrecht. Überdies widerspricht die Initiative einem klaren rechtsstaatlichen Grundsatz, wenn sie den Bundesrat mit dem Erlass der näheren Bestimmungen für die Durchführung des Strafverfahrens beauftragt (Abs. 10 letzter Satz). Das Strafprozessrecht muss auf Gesetzesstufe normiert sein.

Anwendbar wäre das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht.

Dass der Bundesrat die erforderlichen Vollzugsbestimmungen zu erlassen hätte (Abs. 11), ergibt sich bereits aus Artikel 102 Absatz l Ziffer 5 BV. Die Verabschiedung eines Ausführungsgesetzes durch die Bundesversammlung wird indessen dadurch nicht hinfällig. Staatsrechtlich durchaus neu und namentlich problematisch ist demgegenüber die Bestimmung, dass der Bundesrat das Vollzugsrecht «im Einvernehmen mit der Fondsleitung» zu erlassen hätte. Damit würde das hierarchische Gefüge des Gesetzesvollzugs verletzt und die selbständige Stellung des Bundesrates beeinträchtigt. Die Fondsleitung bekäme eine allzu starke Stellung. Denkbar wäre allenfalls einzig, dass der Bundesrat mit der Fondsleitung

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vorher Rucksprache zu nehmen hatte (\vie mit der Schweizerischen Nationalbank bei der Festsetzung der Goldparitat des Frankens durch den Bundesrat nach Art 2Abs l des Bundesgesetzes \ om 18 Dezember 1970 über das Munzwesen) Die Pflicht zur jahrlichen Berichterstattung durch Fondsleitung und Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung (Abs 12) gehört nicht m die Verfassung Sie wäre nchtigerweise im Ausfuhrungsgesetz festzuhalten Kaum losbare Probleme stellt Absatz 13 hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Verfassungszusatzes Dieser soll mit der «Übernahme semer Grundsatze m die Ausfuhrungsgesetzgebung zu einem geänderten Artikel 31quinquies>> (Konjunkturartikel) ausser Kraft treten Die für den Entscheid über das Vorliegen dieser Voraussetzung massgebenden Kriterien und die hietur zustandige Instanz bleiben ganzlich ungewiss

4

Schlussfolgerungen

Wir sind der Auffassung, dass die Initiati\ e abzulehnen ist, da sie m ihrem konjunkturpolitischen Aspekt wesentliche Mangel und Nachteile m sich birgt und im sozialpolitischen Bereich Massnahmen verlangt die weitgehend bereits getroffen worden sind Ausserdem bringt die Initiative eine staatspolitisch gefahrliche Konzentration wirtschaftlicher Macht in der Hand einer zentralistischen und parlamentarisch nicht kontrollierten neuen Behörde Die Eignung der vorgeschlagenen Massnahmen zur Teuerungsbekampfung ist höchst fragwürdig Die Wirkungen durften allenfalls negativ sein, da die Verbilligungsbeitrage durch das Fmanzierungss> stem uberkompensiert wurden Durch die Kostenerhohung v, urde zur Teuerung beigetragen, die Produktion aber gedampft Der Geldkreislauf liesse sich kaum beeinflussen Die herkömmlichen Mittel zur Konjunkturbeeinflussung wurden dagegen an Bedeutung wesentlich verlieren, da weite Bereiche der Im estitionstätigkeit über den Solidaritätsfonds gesteuert wurden So erweist sich die Imtiatn e als nur beschrankt konjunkturpolitischer Natur Ihr sozialpolitischer Aspekt überwiegt eindeutig Dennoch will sie zur Bekämpfung der Teuerung beitragen (Abs 1) Diese unbestrittene Aufgabe des Staates lasst sich indessen im Rahmen der heute bereits verfugbaren und der auf Grund eines neuen Konjunkturartikels 31quinquies der Bundesverfassung noch zu schaffenden Stabilisierungsmstrumente viel besser erfüllen Aus diesem Grunde erübrigt es sich auch, einen Gegenentwurf vorzulegen

5

Antrag

Aufgrund dieser Erwägungen empfehlen wir Ihnen das Volksbegehren zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Imtiatrs e) der Abstimmung von Volk

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und Ständen mit dem Antrag auf Verwerfung zu unterbreiten. Wir beantragen, dem entsprechenden nachstehenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 15. März 1976 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Gnägi

Der Bundeskanzler: Huber 4771

561 (Entwurf)

Bundesbeschluss über das Volksbegehren «zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Initiative)»

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Prüfung des am 21. März 1974 D eingereichten Volksbegehrens zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Initiative), nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. März 19762), beschhesst :

Art. l 1 Das .Volksbegehren vom 21. März 1974 «zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Initiative)» wird Volk und Standen zur Abstimmung unterbreitet.

2

Das Volksbegehren hat folgenden Wortlaut :

Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden durch einen Artikel 13 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

I

Absatz l Zur Bekämpfung der Teuerung bildet der Bund einen Eidgenössischen SohdantätsFonds. Der Bundesrat bestellt eine aus 13 Mitgliedern bestehende Fondsleitung, m der die interessierten Organisationen der Wirtschaft angemessen vertreten sein sollen. Der Präsident. 2 Vizepräsidenten und die weiteren 10 Mitglieder werden jeweilen für eine Amtsdauer von 4 Jahren gewählt.

D BB11974 I 1362 2) BB11976 II 535

562 Absatz 2 Die Mittel des Fonds sind zur Finanzierung von Massnahmen zu verwenden, die der Stabilisierung der Mietzinsen und der Preise von Waren und Dienstleistungen des lebensnotwendigen Bedarfes dienen, vornehmlich für a) die Gewahrung von Darlehen an Grundeigentümer für neu zu erstellende Mehrfamilienhäuser mit preisgünstigen Wohnungen mit Emschluss von Alterswohnungen Diese Darlehen können bis zu 100% des Verkehrswertes der Wohnungsteile gehen und sind zu Bedingungen zu gewahren, durch die ein Anstieg der Mietzinse für diese Wohnungen verhindert wird, b) die Gewahrung von Darlehen mit Amortisationspflicht bis zu 100% des Verkehrswertes an natürliche Personen, die eine preisgünstige Eigentumswohnung für den eigenen Wohnbedarf erwerben Der Zinssatz dieser Darlehen ist so festzulegen, dass der Gesamtaufwand ohne Amortisation nicht mehr betragt als der Mietzins für ein entsprechendes Objekt, c) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen mit Amortisationsverpflichtung für preisgünstige Einfamilienhäuser, an landwirtschaftliche Betnebe sowie zur Verbesserung der Wohnverhaltnisse m den Berggebieten, d) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen für den Bau von Spitalern, Altersheimen und Alterswohnungen, soweit sie gemeinnutzig erstellt und betrieben werden, e) die Gewahrung von zinslosen Darlehen an Pflegeheime, soweit sie gemeinnutzig erstellt und betrieben werden, f) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen an Kantone und Gemeinden für Erschhessungshilfe und für andere Infrastruktur-Aufgaben, soweit sie einem dringenden öffentlichen Bedürfnis entsprechen, g) die Gewahrung von zmsgunstigen Darlehen für den Erwerb von Grundstucken und Rechten an solchen gegen Verpflichtung der Erstellung von Bauten mit preisgünstigen Wohnungen, h) den Erwerb von Grundstucken für Rechnung des Fonds zwecks Ausschaltung der Spekulation und zur Forderung von Grossuberbauungen, unter Berücksichtigung der Ziele der Raumplanung Für Luxushauser und Luxuswohnungen sowie für Zweitwohnungen dürfen keine Fondsmittel eingesetzt werden

Absatz 3 Der Fonds wird geaufnet durch a) eine Exportabgabe bis 5% des Warenwerts franko Grenze auf Waren, die aus dem freien inländischen Verkehr ausgeführt werden, sowie vom Wertzuwachs auf Waren, die im Freipassverkehr im Inland einer Bearbeitung unterzogen worden sind, b) eine jährliche Expansionsabgabe auf der Zunahme des steuerbaren Reinertrages der im Handelsregister eingetragenen natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts, soweit diese Zunahme im Vergleich zum Vorjahr mindestens den Betrag von funfhunderttausend Franken erreicht Die Expansionsabgabe betragt bei einer Zunahme bis zu zehn Millionen Franken bis 10% und bei über zehn Millionen Franken bis 20% Unternehmen, die direkt oder indirekt einen beherrschenden Emfluss auf andere Unternehmungen des privaten Rechts

563 mit Sitz in der Schweiz ausüben, sind auch für diese abgabepflichtig, soweit diese nicht selbst der Abgabepflicht unterstehen.

Wer gemäss diesen Bestimmungen zur Bezahlung sowohl der Exportabgabe als auch der Expansionsabgabe verpflichtet wäre, entrichtet nur die Abgabe, die den höhern Betrag ausmacht.

c) eine Investitionsabgabe bis 10% der Baukosten von Tief- und Hochbauten, die nach der Annahme des Volksbegehrens in Angriff genommen oder fertiggestellt werden. Ausgenommen sind: - der Bau von preisgünstigen Wohnungen und preisgünstigen Einfamilienhäusern sowie von Alterswohnungen, von Alters- und Pflegeheimen und von Krankenanstalten aller Art - Bauten für landwirtschaftliche Betriebe - Bauten zur Verbesserung der Wohnverhältnisse m den Berggebieten - Bauten, die einem dringenden öffentlichen Interesse entsprechen.

Zur Beeinflussung des Investitionsvolumens kann der Bundesrat nötigenfalls weiter bestimmen, dass die im Handelsregister eingetragenen natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts den Aufwand für 'Bau-, Ausrüstungs- und Beteiligungs-investitionen, soweit er eine Million Franken jährlich übersteigt, bis zu 50% durch Eigenkapital finanzieren müssen. Dieses Eigenkapital ist in der Bilanz auszuweisen, soweit der Investitions-Aufwand nicht abgeschrieben wird.

Absatz 4 Der Fonds kann zusätzliche Mittel durch die Aufnahme von Darlehen und die Ausgabe von Anleihen, für die der Bund die Haftung zu übernehmen hat, bis zum dreifachen Betrag der eigenen Mittel beschaffen. Im Falle einer Emissionskontrolle hat der Fonds für seine Anleihen Anspruch auf Berücksichtigung vor allen ändern Schuldnern. Der Bundesrat kann nach Anhören der Fondsleitung bestimmen, dass Anleihen des Fonds von der Quellensteuer und allfälligen Plazierungsbeschrankungen befreit werden.

Absatz 5 Von der Abgabepflicht ist befreit : - wer von ihr unverhältnismässig hart betroffen würde - wer mit seiner Geschäftstätigkeit einen wichtigen Gemeinwohlzweck erfüllt.

Von der Vorschrift der teilweisen Finanzierung der Investitionen durch Eigenkapital sind befreit: -- Investitionen für den preisgünstigen Wohnungsbau - Investitionen für landwirtschaftliche Betriebe - Investitionen für Beteiligungen im Ausland Nach Anhören der Fondsleitung kann der Bundesrat - einzelne Waren von der Exportabgabe, befreien - weitere
Bauten von der Investitionsabgabe ausnehmen - dieAbgabesätze unter Berücksichtigung der Lageder Wirtschaft und des Wohnungsmarktes sowie der finanziellen Bedürfnisse des Fonds senken, erhöhen oder vorübergehend aufheben

564 - weitere Investitionen von der Vorschrift der tedweisen Finanzierung durch Eigenkapital befreien Absatz 6 Soweit für Kantone und Gemeinden die Voraussetzungen für den Erlass der Investitionsabgabe erfüllt sind, kann der Bundesrat nach Anhören der Fondsleitung die Befreiung vom Erfordernis eines ausgeglichenen Gesamthaushalts abhangig machen Das gleiche gilt für die Gewahrung zmsgunstigei Darlehen Absatz 7 Bis zur Herstellung eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes mit stabilen Mietzinsen und einem Leerwohnungsbestand von mindestens 0,5% kann der Bundesrat nach Anhören der Fondsleitung für die Ausführung von privaten und öffentlichen Bauvorhaben oder für einzelne Kategonen davon eine Bewilhgungspflicht einfuhren und den Handel mit Grundstucken einer Kontrolle unterstellen Bauvorhaben, die von der Investitionsabgabe befreit werden, unterstehen keiner Bewilhgungspflicht Absatz 8 Darlehen sind vom Fonds soweit möglich durch Vermittlung von Banken zu gewahren Absatz 9 Auf Verfugungen, die gestutzt auf diesen Verfassungsartikel erlassen werden, finden die allgemeinen Bestimmungen der Gesetzgebung übel die Bundesrechtspflege Anwendung Absatz 10 Wer den Bestimmungen über die teilweise Finanzierung von Investitionen durch Eigenkapital zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft Bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung kann die Busse bis zur vollen Hohe, bei fahrlässiger Zuwiderhandlung bis zur Hälfte des fehlenden Eigenkapitals festgesetzt werden Wer den übrigen Bestimmungen dieses Artikels zuwiderhandelt, wird mit Busse bis zu hunderttausend Franken bestraft Handelt der Tater fahrlässig, so betragt die Busse bis zu funfzigtausend Franken Der Bundesrat erlasst die näheren Bestimmungen für die Durchführung des Strafverfahrens Absatz 11 Im Einvernehmen mit der Fondsleitung erlasst der Bundesrat die erforderlichen Vollzugsbestimmungen Absatz 12 Fondsleitung und Bundesrat haben jahrlich über die auf Grund dieses Artikels getroffenen Massnahmen und ihre Auswirkungen zuhanden der Bundesversammlung Bericht zu erstatten

565 Absatz 13 Die Bestimmungen dieses Artikels haben Gültigkeit bis zur Übernahme seiner Grundsätze in die Ausführungsgesetzgebung zu einem geänderten Artikel 31 quinquies der Bundesverfassung mit dem Ziel einer ausgeglichenen konjunkturellen Entwicklung zur Verhütung von Arbeitslosigkeit und zur Bekämpfung der Teuerung.

II

Der Verfassungsartikel tritt nach Annahme durch Volk und Stände mit dem Erwahrungsbeschluss sofort in Kraft.

Art. 2 Volk und Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren zur Bekämpfung der Teuerung (Antiteuerungs-Initiative) (Vom 15 März 1976)

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1976

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