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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 14. August 1948 abgeschlossenen Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Indien (Vom 20. September 1948)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Schweiz hat die Entwicklung Indiens seit jeher mit grosser Sympathie verfolgt. Zahlreiche unserer Landsleute haben dort, hauptsächlich als Kaufleute, ein interessantes Tätigkeitsgebiet gefunden und, zum Nutzen des Gastlandes wie der Heimat, wichtige Stellungen erlangt. Wirtschaftlich ergänzen sich die beiden Länder ausgezeichnet. Der Bundesrat hat deshalb nicht gezögert, am 15. August 1947 den unabhängig gewordenen Staat Indien anzuerkennen und der indischen Regierung die herzlichsten Glückwünsche des Schweizervolkes zu übermitteln.

In der Botschaft vom 2. Juni und der Ergänzung vom 2. September 1947 haben wir Sie ersucht, \ms zu ermächtigen, in Indien eine Gesandtschaft zu errichten. Sie haben diesem Antrag am 8. Oktober des gleichen Jahres zugestimmt.

Im Einverständnis mit der indischen Eegierung hat der Bundesrat im vergangenen Winter Herrn Minister Buegger, damals schweizerischen Gesandten in London, nach Indien entsandt. Seine Aufgabe war, die Schaffung von Gesandtschaften vorzubereiten und zu prüfen, wie die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vertieft und enger gestaltet werden könnten.

Herr Minister Kuegger konnte auf seiner Eeise feststellen, dass unser Land als alte Demokratie und als friedliebender Kleinstaat in Indien hohes Ansehen

201 geniesat. Als Zeichen dessen sehlug Ministerpräsident Pandit Nehru..vor, den ersten Freundschaftsvertrag seines Landes mit der Schweiz abzuschliessen.

Wir haben diese Anregung mit Freuden aufgegriffen und unsern Sonderdelegierten beauftragt, den Vertrag vorzubereiten. In mehreren Besprechungen mit den zuständigen Ministerien und mit tatkräftiger Unterstützung des Ministerpräsidenten konnte der vorliegende Text im wesentlichen vereinbart werden. Nach der Bückkehr von Herrn Minister Kuegger wurde der Entwurf von den interessierten Bundesstellen geprüft und in den folgenden Monaten durch Vermittlung von Herrn Minister Desai, dem indischen Gesandten in Bern, und Herrn Minister Daeniker, unserem Gesandten in New Delhi, bereinigt, so dass wir diesen ermächtigen konnten, den Vertrag am 14. August 1948, dem Vorabend der indischen Unabhängigkeitsfeier, zu unterzeichnen.

Der Vertrag besteht aus 9 Artikeln und einem Schlussprotokoll.

In. Artikel l wird festgehalten, dass zwischen den beiden Ländern ewiger Friede und unverbrüchliche Freundschaft bestehen werde.

Nach Artikel 2 können die beiden vertragschliessenden Parteien auf dem Gebiet des andern überall dort, wo es ^angezeigt ist, diplomatische und konsularische Vertreter einsetzen, die gemäss den allgemeinen Begeht des Völker^ rechts behandelt und die üblichen Vorrechte gemessen werden.

Artikel S regelt das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in den Vertragsstaaten, unter dein üblichen Vorbehalt der dort geltenden Gesetze und Verordnungen..; , . . . . . .

Artikel 4 bestimmt, dass die Angehörigen jeder vertragschliessenden Partei auf dem Gebiete der andern nach dem Prinzip der Meistbegünstigung behandelt werden in allem, was ihre Berufsausübung und ihre Besteuerung betrifft.

Artikel 5 stipuliert, dass kein Land für seine Angehörigen, die im andern ihren Beruf ausüben wollen, mehr Rechte verlangen wird, als es selbst den Angehörigen der andern Partei gewährt.

Nach Artikel 6 gilt für die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren des einen Landes im andern der Grundsatz der Meistbegünstigung, ebenso für die Handelsreisenden. Ausgenommen sind selbstverständlich die Sonderbestimmungen für die Erleichterung des Grenzverkehrs und die Zollunionen.

Gemäss. Artikel 7 werden die beiden Parteien sobald als möglich Verhandlungen aufnehmen, um die Wirtschafts-
und Handelsbestimmungen des vorliegenden Vertrages ausführlicher zu regeln. Für diese Bestimmungen wird zugleich eine Kündigungsfrist von 6 Monaten festgesetzt ; der Best des Vertrages ist unkündbar und kann deshalb nur durch Übereinstimmung beider Parteien aufgehoben oder abgeändert werden.

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Nach Artikel 8 sollen Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Vertrages durch diplomatische Verhandlungen beigelegt werden und, wenn diese nicht innert 6 Monaten zum Ziele führen, durch ein Schiedsverfahren.

Artikel 9 schliesslicli setzt fest, dass der Vertrag möglichst rasch in Bern ratifiziert werden und an diesem Tage in Kraft treten soll.

Das Schlussprotokoll enthält zwei Erklärungen und Vorbehalte. Nach der ersten gelten die Angehörigen der indischen Staaten, die sich dem Dominion Indien angeschlossen haben oder noch anschliessen werden, als Angehörige Indiens im Sinne des Vertrages. Indien behält sich ferner vor, den Personen und Waren der Eepublik Burma oder des Königreichs Nepal besondere Vergünstigungen zu gewähren, ohne dass es dadurch verpflichtet wird, diese Präferenzen auf die Schweiz auszudehnen. Dies ist für uns annehmbar, da es sich um Nachbarstaaten Indiens handelt, die zudem wohl kaum als Konkurrenten für die schweizerischen Erzeugnisse betrachtet werden können.,; Von grösserer Bedeutung ist der zweite Vorbehalt. Nach diesem wird die Meistbegünstigungsklausel in Artikel 6 nicht verletzt durch Ein- und Ausfuhrkontrollen, die wegen Transferschwierigkeiten oder andern aussergewöhnlichen Umständen notwendig sind. Dies entspricht jedoch ständiger schweizerischer Praxis, nach der Transferfragen durch die Meistbegünstigungsklausel für den Handel nicht berührt werden.

Der Vertrag enthält die grundlegenden Bestimmungen eines Freundschafts-, Konsular- und Niederlassungsvertrages. Trotzdem ist er kürzer als manche der früher abgeschlossenen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass für die Ausarbeitung verhältnismässig wenig Zeit zur Verfügung stand. Die vertragschliessenden Parteien haben deshalb bewusst in summarischer Form nur das Wesentlichste festgelegt. Aus diesem Grunde haben sie sich vorbehalten, einzelne Sachgebiete später ausführlicher zu regeln.

Die Kürze bedeutet jedoch keineswegs, dass der Vertrag nicht wertvoll sei.

Alle wichtigen Grundsätze des Niederlassungsrechtes wurden geregelt. Angesichts der ausgezeichneten Beziehungen zu Indien dürfen wir hoffen, dass diese Grundsätze weitherzig ausgelegt werden, so dass weder die Schweizer in Indien noch die Inder in der Schweiz darunter leiden Werden, dass auf die Begehmg mancher Einzelfrage verzichtet wurde. Die
Erfahrungen der kommenden Jahre werden zeigen, wo Ergänzungen und Präzisierungen nützlich sein könnten.

Das Abkommen, das wir Ihnen hiermit zur Genehmigung vorlegen, bildet eine wertvolle Grundlage für. die weitere Entwicklung und Festigung der Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Wir bitten Sie deshalb, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses gntheissen zu wollen.

203 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichsten Hochachtung.

Bern, den 20. September 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident :.

Celio Der Bundeskanzler: Leimgruber

204 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Genehmigung des am 14. August 1948 abgeschlossenen Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Indien Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 20. September 1948, beschliesst:

Art. l Der Bundesrat wird ermächtigt, den am 14. August 1948 unterzeichneten Freundschafts- und Mederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Indien zu ratifizieren.

Art. 2 Dieser Beschluss untersteht den Bestimmungen von Artikel 89, Absatz 3, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung der Staatsverträge unter das Eeferendum.

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(Übersetzung)

Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Seiner Majestät dem König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Dominien jenseits der Meere, namens des Dominions Indien

Der Schweizerische Bundesrat und

Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Dominien jenseits der Meere, für das und namens des Dominions Indien, vom Wunsche geleitet, die Bande des Friedens und der Freundschaft, die seit jeher zwischen den beiden Staaten bestanden haben, zu festigen und die friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen unter ihnen zu entwickeln, haben beschlossen, diesen Vertrag abzuschliessen und dazu als Bevollmächtigte ernannt; . .

' .

· Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Armin Daeniker, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweiz in Indien und Seine, Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritanmen und · ; Irland: den Ehrenwerten Pandit Jawaharlal Nehru, Premierminister und Minister für Auswärtiges und für Beziehungen mit dem Commonwealth, die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer gut und in gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart haben: . Artikel l Zwischen der Schweiz und dem Dominion Indien wird ewiger Friede und unverbrüchliche Freundschaft bestehen.

206 Artikel 2 Jeder vertragschliessende Teil kann in den Städten, Häfen und Plätzen des andern Staates, an denen entsprechende Vertreter anderer Staaten residieren, und an jedem andern Ort, über den man sich verständigt, diplomatische Vertreter, Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten ernennen.

Die Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten werden das Bxequatur oder eine andere gültige Bewilligung für die Ausübung ihres Amtes erhalten. Die Eegierung, die ein Exequatur oder eine entsprechende Bewilligung erteilt, kann es, wenn nötig, widerrufen. Sie wird, wenn immer möglich, die Gründe des Widerrufs angeben.

Die erwähnten Personen werden unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit alle Bechte, Privilegien, Befreiungen und Immunitäten gemessen, die Vertretern gleichen Banges irgendeines andern Staates gewährt werden.

Artikel 3 Die Angehörigen einer vertragschliessenden Partei haben auf dem Gebiet der andern, unter Vorbehalt der dort geltenden Gesetze und Verordnungen, das Becht, sich niederzulassen und aufzuhalten, ein- und auszureisen und sich frei zu bewegen.

Artikel 4 Die Angehörigen einer vertragschliessenden Partei, die sich im Gebiet der andern aufhalten, werden in jeder Hinsicht so behandelt, dass sie ihr Gewerbe oder ihren Beruf ausüben, ihr Handels- oder Industrieunternehmen betreiben, dem erlaubten Handel und Verkehr obliegen können, gleich wie Angehörige der meistbegünstigten Nation, sofern sie sich an die geltenden Gesetze- und Vorschriften halten. Sie werden keine höheren oder anderen Steuern, Taxen oder Lasten irgendwelcher Art bezahlen müssen als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.

Artikel 5 Keine der vertragschliessenden Parteien wird je für ihre Angehörigen, die ein Gewerbe betreiben oder einen Beruf ausüben, irgendein Handels- oder Industrieunternehmen betreiben oder sich erlaubtem Handel und Verkehr hingeben, ausgedehntere Bechte verlangen, als sie selbst den gleicherweise tätigen Angehörigen der andern Partei gewährt.

Artikel 6 Die vertragschliessenden Parteien verpflichten sich, die Angehörigen und die Waren der andern Partei in allem, was die Handelsreisenden sowie die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren betrifft, gleich zu behandeln wie die Angehörigen und die Waren der meistbegünstigten Nation.

207 Die Vorrechte, die jetzt oder später benachbarten Ländern gewährt werden, um den Grenzverkehr zu erleichtern, und die Vorrechte aus bestehenden oder von einer Partei noch abzuschliessenden Zollunionen sind ausgeschlossen.

Artikel 7 Die vertragschliessendeu Parteien nehmen sobald als möglich Verhandlungen auf, um einen vollständigeren oder vollständigere Niederlassitngs- und Handelsverträge abzuschliessen, ;die unter anderem die in den Artikeln 3, 4, 5 und 6 erwähnten Gegenstände regeln werden. Unter Vorbehält eines solchen öder solcher Verträge bleiben die Artikel 8, 4. o und 6 dieses Vertrages noch 6 Monate nach dem Datum in Kraft, an dem eine Partei der anderen mitteilt; dass sie diese Artikel nicht mehr anwenden möchte.

.

Artikel 8 '.

Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrages sowie einzelner oder mehrerer seiner Artikel sollen in erster Linie durch Verhandlungen beigelegt werden und, wenn 6 Monate nach Beginn der Verhandlungen keine Einigkeit erzielt wird, durch ein Schiedsverfahren, das später durch allgemeine oder besondere Übereinkunft zwischen den Parteien festgelegt werden soll.

·,: Artikel 9 Dieser Vertrag soll ratifiziert werden und in Kraft treten am Tage des Austausches der Katifikationsurkunden, der sobald als möglich in Bern geschehen soll.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den vorliegenden Vertrag in französischer und englischer Sprache unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

So geschehen, in doppelter Ausfertigung, in New Delhi am vierzehnten August neunzehnhundertaehtundvierzig.

(gez.) Jawaharlal Nehru

(gez.) Armin Daeniker

208

Schlussprotokoll Bei der Unterzeichnung des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Seiner Majestät dem König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Dominien jenseits der Meere, namens des Dominions Indien, haben die unterzeichneten Bevollmächtigten folgende Vorbehalte und Erklärungen angebracht, die integrierende Bestandteile des Vertrages bilden: 1. Im Sinne dieses Vertrages gelten als Angehörige Indiens auch die Angehörigen der indischen Staaten, die sich dem Dominion Indien angeschlossen haben oder noch anschliessen werden.

Die Bestimmungen dieses Vertrages, die der Schweiz zusichern, dass ihre Angehörigen und Waren im Dominion Indien nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung behandelt werden, beziehen sich nicht auf besondere Vergünstigungen oder Präferenzen, die das Dominion Indien den Angehörigen oder Waren der Kepublik Burma oder des Königreichs Nepal gewährt oder gewähren wird.

2. Die Meistbegünstigungsklausel in Artikel 6 wird nicht verletzt durch Einund Ausfuhrkontrollen, die wegen Transferschwierigkeiten oder andern aussergewöhnlichen Umständen notwendig sind.

Das vorhegende Protokoll gilt ohne besondere Eatifikation als genehmigt und angenommen, sobald die Katifikationsurkunden für den Vertrag, dessen integrierenden Bestandteil es bildet, ausgetauscht sind.

So geschehen, in doppelter Ausfertigung, in New Delhi, am vierzehnten August neunzehnhundertachtundvierzig.

.) Jawaharlal Nehru

(gez.) Armin Daeniker

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 14. August 1948 abgeschlossenen Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Indien (Vom 20. September 1948)

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Jahr

1948

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3

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38

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5510

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23.09.1948

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200-208

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