08.029 Botschaft zur Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens sowie zu dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien vom 14. März 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zur Genehmigung der Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sowie zu dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den beiden beiliegenden Bundesbeschlüssen zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. März 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-0388

2135

Übersicht Mit der vorliegenden Botschaft beantragt der Bundesrat dem Parlament sowohl die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens von 1999 mit der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten als auch dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien. Von der Zustimmung zu beiden Vorlagen hängt für die Schweiz letztlich die Weiterführung des bilateralen Weges ab.

Die mit der EU abgeschlossenen sektoriellen bilateralen Abkommen («Bilaterale I») sind am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Das Abkommen über den freien Personenverkehr (FZA) ist das wichtigste dieser Abkommen, hat es doch bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen für unser Land.

Die zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossenen sektoriellen Abkommen wurden ­ mit Ausnahme des FZA ­ automatisch auf die zehn Staaten, die der EU am 1. Mai 2004 beigetreten waren, ausgedehnt. Die Ausweitung des FZA machte aufgrund seines «gemischten» Charakters (das FZA wurde abgeschlossen zwischen der Schweiz und der EG einerseits und ihren Mitgliedstaaten andererseits) Verhandlungen erforderlich, die am 19. Mai 2004 erfolgreich beendet wurden. Das Protokoll I zum FZA wurde am 26. Oktober 2004 unterzeichnet und am 25. September 2005 im Rahmen eines fakultativen Referendums vom Schweizervolk angenommen. Die Ausdehnung des FZA auf die erwähnten neuen Mitgliedstaaten ist in der Folge am 1. April 2006 in Kraft getreten.

Mit Ausnahme des Forschungsabkommens wurden sämtliche Verträge der Bilateralen I für eine anfängliche Dauer von sieben Jahren abgeschlossen. Sie verlängern sich auf unbestimmte Zeit, sofern die EG oder die Schweiz der anderen Vertragspartei vor Ablauf der anfänglichen Geltungsdauer (konkret vor dem 31. Mai 2009) nichts Gegenteiliges notifiziert. In Bezug auf das FZA beschlossen die eidgenössischen Räte, dass die Weiterführung mittels eines referendumsfähigen Bundesbeschlusses zu genehmigen sei. Eine allfällige Abstimmung muss somit vor Ende Mai 2009 stattfinden, damit im Falle der Nichtweiterführung eine rechtzeitige Notifizierung möglich wäre.

Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2007 hat die EU ihre fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Wie bereits bei den am 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten macht auch die Ausdehnung des FZA auf diese beiden Neumitglieder den Abschluss eines Protokolls zum FZA (Protokoll II)
erforderlich. Mit der am 29. Februar 2008 erfolgten Paraphierung des Protokolls konnten die Verhandlungen formell abgeschlossen werden. Die Unterzeichnung wird bis Mitte Mai 2008 erfolgen.

Die Abkommen der Bilateralen I sind rechtlich miteinander verknüpft. Wird eines dieser Abkommen gekündigt beziehungsweise nicht verlängert, so treten auch alle übrigen sechs Monate nach der entsprechenden Notifizierung automatisch ausser Kraft. Würde die Schweiz die Weiterführung des FZA ablehnen, so hätte dies somit weitreichende Auswirkungen auf das bilaterale Vertragswerk. Desgleichen würde

2136

die EU eine Ungleichbehandlung ihrer Bürgerinnen und Bürger über eine festgelegte Übergangsfrist hinaus nicht akzeptieren. Sollte die Schweiz die Ausdehnung des FZA ablehnen, so wäre damit zu rechnen, dass die EU das FZA kündigen würde.

Aufgrund der in den Bilateralen I enthaltenen «Guillotine-Klausel» hätte dies die Beendigung sämtlicher sektoriellen Abkommen der Bilateralen I zur Folge.

2137

Inhaltsverzeichnis Übersicht

2136

1 Ausgangslage 1.1 Rückblick 1.2 Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien 1.3 Rechtliche und politische Auswirkungen

2142 2142 2143 2143

2 Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens 2.1 Auswirkungen der Personenfreizügigkeit 2.1.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinne 2.1.1.1 Einwanderung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern 2.1.1.1.1 Einwanderung aus der EU-15/EFTA 2.1.1.1.2 Einwanderung aus der EU-10 2.1.1.1.3 Auswanderung von EU-Bürgerinnen und ­ Bürgern / Migrationssaldo 2.1.1.1.4 Auswirkungen der vollen Freizügigkeit seit dem 1. Juni 2007 2.1.1.1.5 EU-Dienstleistungserbringer in der Schweiz 2.1.1.2 Schweizerinnen und Schweizer in der EU 2.1.1.2.1 Auswanderung von Schweizerinnen und Schweizer in die EU 2.1.1.2.2 Schweizer Dienstleistungserbringer in der EU 2.1.2 Soziale Sicherheit 2.1.2.1 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 2.1.2.2 Kranken- und Unfallversicherung 2.1.2.3 Arbeitslosenversicherung 2.1.2.4 Familienzulagen 2.1.3 Diplomanerkennung 2.1.3.1 Interne Koordination 2.1.3.2 Externe Koordination 2.1.3.3 Bedeutung für Studierende und die Schweizer Bildungsinstitutionen 2.1.3.4 Zusammenfassung der Erfahrungen im Bereich Diplomanerkennung 2.1.4 Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit 2.1.4.1 Beschäftigte erwerbstätige Personen 2.1.4.2 Arbeitslosigkeit 2.1.5 Umsetzung der flankierenden Massnahmen 2.1.5.1 Allgemeines 2.1.5.2 Auswirkungen des Entsendegesetzes 2.1.5.2.1 Kontrolltätigkeit 2.1.5.2.2 Missbrauchsquoten 2.1.5.2.3 Sanktionen 2.1.5.2.4 Wirksamkeit der Sanktionen 2.1.5.2.5 Auswirkungen des FZA auf die Lohnentwicklung

2144 2144 2145 2145 2145 2147

2138

2148 2148 2150 2151 2151 2152 2153 2154 2154 2154 2155 2155 2155 2156 2156 2157 2157 2158 2159 2161 2161 2162 2162 2162 2163 2163 2163

2.1.6 Massnahmen zur Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen 2.1.6.1 Ausgangslage 2.1.6.2 Einzelheiten 2.1.6.3 Koordination mit den Vorlagen zum Freizügigkeitsabkommen 2.1.7 Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt 2.1.8 Verwaltung und Anwendung des FZA 2.1.8.1 Gemischter Ausschuss 2.1.8.2 Unterausschuss Sozialversicherungen 2.1.8.3 Unterausschuss Diplomanerkennung 2.1.9 Komitologieausschüsse 2.1.9.1 Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer 2.1.9.2 Koordinationsgruppe auf dem Gebiet der Anerkennung von Berufsqualifikationen 2.1.9.3 Ausschuss für die Anerkennung von Berufsqualifikationen 2.2 Weiterentwicklung des Abkommens 2.2.1 Inhaltliche Weiterentwicklung 2.2.1.1 Anpassungen seit Inkrafttreten des Abkommens 2.2.1.1.1 Soziale Sicherheit 2.2.1.1.2 Diplomanerkennung 2.2.1.2 Allfällige künftige Anpassungen 2.2.1.2.1 Freizügigkeit 2.2.1.2.2 Soziale Sicherheit 2.2.1.2.3 Diplomanerkennung 2.2.2 Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs 2.2.2.1 EU-Erweiterung von 2004 2.2.2.2 Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien 2.2.2.3 Allfällige weitere Ausdehnungen 2.3 Bedeutung der Weiterführung des Abkommens für die Schweiz 2.3.1 Rechtliche Auswirkungen 2.3.1.1 Internationales Recht 2.3.1.2 Nationales Recht 2.3.2 Wirtschaftliche und politische Bedeutung 2.3.3 Bedeutung der mitbetroffenen bilateralen Abkommen 2.3.3.1 Abkommen über das öffentlichen Beschaffungswesen 2.3.3.2 Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen 2.3.3.3 Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen 2.3.3.4 Abkommen über den Luftverkehr 2.3.3.5 Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse 2.3.3.6 Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit 2.3.3.7 Schengen/Dublin 2.4 Finanzielle und personelle Auswirkungen

2164 2164 2165 2166 2166 2168 2168 2168 2169 2169 2170 2170 2170 2171 2171 2171 2171 2172 2172 2172 2173 2173 2174 2174 2174 2175 2175 2175 2175 2177 2177 2179 2179 2179 2180 2181 2181 2182 2182 2183 2139

2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4

Freizügigkeit/Ausländerrecht Soziale Sicherheit Diplomanerkennung Flankierende Massnahmen

3 Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien 3.1 Allgemeines 3.1.1 Verhandlungsmandat 3.1.2 Verhandlungsverlauf 3.1.3 Politische Zustimmung 3.1.4 Verhältnis zum europäischen Recht 3.1.5 Verhandlungsergebnis 3.1.6 Aufbau des Protokolls 3.1.7 Inhalt des Protokolls 3.1.7.1 Schrittweiser Übergang zur Personenfreizügigkeit 3.1.7.2 Erwerb von Immobilien 3.1.7.3 Nicht kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen (weniger als 4 Monate) 3.1.7.4 Selbstständigerwerbende 3.1.7.5 Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer 3.1.8 Soziale Sicherheit 3.1.8.1 Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit 3.1.8.1.1 Ausgangslage 3.1.8.1.2 Ziel und Verlauf der Verhandlungen 3.1.8.2 Verhandlungsergebnisse 3.1.8.2.1 Allgemeines 3.1.8.2.2 Die Koordinierungsregeln und ihre Auswirkungen auf die schweizerischen Sozialversicherungen 3.1.8.2.3 Krankenversicherung 3.1.8.2.4 Alters- und Hinterlassenenversicherung 3.1.8.2.5 Berufliche Vorsorge 3.1.8.2.6 Arbeitslosenversicherung 3.1.8.2.7 Bedeutung von Anhang II des Protokolls II zum FZA für die Schweiz 3.1.9 Diplomanerkennung 3.1.9.1 Einführung 3.1.9.2 Ausdehnung des FZA im Bereich der Diplomanerkennung 3.1.9.3 Vorbehalt der Schweiz gegenüber der Anerkennung der Diplome von Hebammen sowie von Pflegefachpersonen im Bereich der allgemeinen Krankenpflege 3.1.9.4 Verhandlungsergebnis 3.2 Bedeutung der Ausdehnung der Freizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien für die Schweiz 3.2.1 Aus wirtschaftlicher und politischer Sicht 3.2.2 Integrationsmassnahmen 3.3 Anpassung des schweizerischen Rechts 3.3.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

2140

2183 2183 2184 2184 2185 2185 2185 2185 2186 2186 2187 2187 2187 2187 2189 2189 2190 2190 2191 2191 2191 2191 2191 2191 2192 2192 2192 2192 2193 2193 2193 2193 2194 2195 2195 2195 2195 2197 2198 2198

3.3.1.1 Ausländerrecht 3.3.1.2 Immobilienerwerb 3.3.2 Soziale Sicherheit 3.3.2.1 Bundesrecht 3.3.2.1.1 Allgemeine Umsetzung 3.3.2.1.2 AHV-Gesetz 3.3.2.2 Kantonales Recht 3.3.3 Diplomanerkennung 3.4 Auswirkungen 3.4.1 Finanzielle Auswirkungen 3.4.1.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinn 3.4.1.2 Soziale Sicherheit 3.4.1.2.1 Allgemeines 3.4.1.2.2 Krankenversicherung 3.4.1.2.3 Alters- und Hinterbliebenen- sowie Invalidenversicherung 3.4.1.2.4 Unfallversicherung 3.4.1.2.5 Arbeitslosenversicherung 3.4.1.2.6 Familienzulagen 3.4.1.3 Diplomanerkennung 3.4.2 Auswirkungen auf den Personalbestand 3.4.2.1 Personenfreizügigkeit im engeren Sinne 3.4.2.2 Soziale Sicherheit 3.4.2.3 Diplomanerkennung

2198 2198 2199 2199 2199 2200 2200 2200 2201 2201 2201 2201 2201 2201 2202 2202 2202 2203 2203 2203 2203 2204 2204

4 Vernehmlassungsergebnisse 4.1 Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens 4.2 Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien

2204 2205 2205

5 Verfassungsmässigkeit und fakultatives Referendum 5.1 Legislaturplanung 5.2 Weiterführung des Abkommens 5.2.1 Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit 5.2.2 Formale Umsetzungsmassnahmen 5.3 Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien 5.3.1 Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit 5.3.2 Rechtliche Umsetzungsmassnahmen

2206 2206 2206 2206 2206 2207 2207 2207

Bundesbeschluss zur Weiterführung des Abkommens zwischen der Schweiz einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Entwurf)

2209

Bundesbeschluss zur Genehmigung und Umsetzung des Protokolls über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz einerseits und der EU sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits auf Bulgarien und Rumänien (Entwurf)

2211

Protokoll zum Abkommen zwischen der Schweiz einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumänien

2223 2141

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Rückblick

Das am 21. Juni 19991 unterzeichnete Abkommen über die Freizügigkeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren damals 15 Mitgliedstaaten (EU-15)2 andererseits (FZA) ist am 1. Juni 2002 im Rahmen der Bilateralen I in Kraft getreten. Durch das FZA werden der gegenseitige Zugang zum Arbeitsmarkt sowie die Wohnsitznahme von EU-Staatsangehörigen in der Schweiz und von Schweizerinnen und Schweizern in der EU erleichtert. Ergänzt wird das Freizügigkeitsrecht durch Bestimmungen betreffend die zeitlich begrenzte, personengebundene Erbringung von Dienstleistungen, die Koordination der Sozialversicherungssysteme sowie die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen.

Nach einer Übergangszeit von fünf Jahren profitieren Staatsangehörige der EU-15 sowie von Zypern und Malta seit dem 1. Juni 2007 versuchsweise von der vollen Personenfreizügigkeit. Im Falle einer übermässigen Zunahme der Einwanderung aus den oben erwähnten Staaten kann die Schweiz aufgrund einer Schutzklausel («Ventilklausel») bis 2014 erneut Kontingente zur Kontrolle der Wanderungsbewegungen einführen.

Im Zuge der EU-Erweiterung von 2004 wurden die bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU automatisch auf die zehn neuen EUMitgliedstaaten (EU-10)3 ausgedehnt. Die einzige Ausnahme bildete aufgrund seines «gemischten» Charakters ­ geteilte Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft (EG) einerseits und ihrer Mitgliedstaaten andererseits ­ das FZA. Nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen musste für die Änderung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens bzw. der Vertragsparteien ein Zusatzprotokoll ausgehandelt werden. Dieses Protokoll I zum FZA wurde im Rahmen eines fakultativen Referendums am 25. September 2005 vom Schweizervolk angenommen und ist seit dem 1. April 2006 in Kraft.4 Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten unterstehen noch bis längstens 2011 den Übergangsfristen für den Zugang zum Arbeitsmarkt.

1

2

3 4

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

Zur EU-15 gehören Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien.

Zur EU-10 gehören Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.

Protokoll vom 26. Okt. 2004 zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union (AS 2006 995).

2142

1.2

Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien

Bei ihrem EU-Beitritt vom 1. Januar 2007 übernahmen die beiden neuen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien den gesamten Acquis communautaire. Diese Übernahme, welche die mit Drittstaaten abgeschlossenen Abkommen einschliesst, erfolgt bei Abkommen, für die ausschliesslich Gemeinschaftsorgane zuständig sind, automatisch. Hingegen bildet die Übernahme von Abkommen mit Drittstaaten, die gemäss EU-interner Kompetenzaufteilung innerhalb der EG sowohl von Gemeinschaftsorganen als auch von sämtlichen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden (sog. gemischte Abkommen), Gegenstand von Verhandlungen.

Mit Ausnahme des FZA wurden die Bilateralen I automatisch auf Bulgarien und Rumänien ausgedehnt. Das Abkommen über den freien Personenverkehr ist ein gemischtes Abkommen, das die Schweiz sowohl mit der EG als auch mit ihren damals 15 ursprünglichen Mitgliedstaaten abgeschlossen hat. Die Änderung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Abkommens war Gegenstand eines erneuten Beschlusses und von Verhandlungen. Nach Artikel 6 der EU-Rechtsakte über die Beitrittsvoraussetzungen liegt die Kompetenz zur Aushandlung und Genehmigung sämtlicher gemischter Abkommen beim Ministerrat.5 Demzufolge untersteht das Verhandlungsergebnis nicht den Genehmigungs- und Ratifizierungsverfahren der EU-Mitgliedstaaten. In der Schweiz hat hingegen das Parlament auf der Grundlage eines referendumsfähigen Bundesbeschlusses6 über die Ausdehnung des FZA zu befinden.

1.3

Rechtliche und politische Auswirkungen

Mit Ausnahme des Forschungsabkommens7 wurden sämtliche Verträge der Bilateralen I für eine anfängliche Dauer von sieben Jahren abgeschlossen. Sie verlängern sich auf unbestimmte Zeit, sofern die EG oder die Schweiz der anderen Vertragspartei vor Ablauf der anfänglichen Geltungsdauer (konkret vor dem 31. Mai 2009) nichts Gegenteiliges notifiziert. In Bezug auf das FZA beschlossen die eidgenössischen Räte, dass die Genehmigung der Weiterführung mittels eines referendumsfähigen Bundesbeschlusses zu genehmigen sei.8 Eine allfällige Abstimmung muss somit vor Ende Mai 2009 stattfinden, damit im Falle der Nichtweiterführung eine entsprechende Notifizierung rechtzeitig möglich wäre.

5 6

7 8

ABI L 157 vom 21.6.05 Seite 29.

Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 8. Okt. 1999 über die Genehmigung der sektoriellen Abkommen I: «Die Bundesversammlung entscheidet mit einem Bundesbeschluss, der dem Referendum untersteht, über: (...) b. die Ausdehnung des Abkommens über die Freizügigkeit auf Staaten, die bei dessen Genehmigung nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörten» (AS 2002 1527).

Die Geltungsdauer des Forschungsabkommens war auf die Dauer der damals laufenden, fünften Forschungsrahmenprogramme (1999-2002) beschränkt.

Bundesbeschluss vom 8. Okt. 1999 über die Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie gegebenenfalls ihren Mitgliedstaaten oder der Europäischen Atomgemeinschaft (BBl 1999 8764), Art. 2 Bst. a.

2143

Die Abkommen der Bilateralen I9 sind rechtlich miteinander verknüpft. Wird eines der Abkommen gekündigt bzw. nicht verlängert, so treten auch alle übrigen sechs Monate nach der entsprechenden Notifizierung automatisch ausser Kraft.10 Sollte die Schweiz die Weiterführung des FZA ablehnen, so hätte dies somit weitreichende Auswirkungen auf das bilaterale Vertragswerk insgesamt.

Detaillierte Ausführungen zum Vertragsinhalt der gesamten Bilateralen I finden sich in der entsprechenden Botschaft.11 Der Schwerpunkt der vorliegenden Botschaft liegt auf den Auswirkungen des FZA.

Betreffend die Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien unterbreitet der Bundesrat mit dieser Botschaft dem Parlament auch das Protokoll II zum FZA zur Genehmigung. Dieses Protokoll wurde von der Schweiz und der Europäischen Kommission am 29. Februar 2008 in Brüssel paraphiert und wird bis Mitte Mai 2008 unterzeichnet werden. Das Protokoll II zieht Anpassungen von 12 Bundesgesetzen nach sich.

Die EU würde eine Ungleichbehandlung ihrer Bürgerinnen und Bürger über eine festgelegte Übergangsfrist hinaus kaum akzeptieren können. Sollte die Schweiz die Ausdehnung des FZA ablehnen, so wäre damit zu rechnen dass die EU das FZA kündigen würde. Aufgrund der in Artikel 25 Absatz 4 FZA enthaltenen «GuillotineKlausel» hätte dies automatische die Beendigung sämtlicher sektorieller Abkommen der Bilateralen I zur Folge.

2

Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens

2.1

Auswirkungen der Personenfreizügigkeit

Die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit sind vielfältig. In dieser Botschaft werden lediglich die wichtigsten zusammengefasst. Wie der Bundesrat jedoch in seiner Antwort auf das Postulat (07.3184) der SVP-Fraktion vom 22. März 2007, «Auswirkungen der Personenfreizügigkeit. Bericht» angekündigt hat, werden die detaillierten Ergebnisse der Auswirkungen der Personenfreizügigkeit seit Inkrafttreten des Abkommens am 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2007 im vierten Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD), des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) analysiert werden.

Dieser Bericht soll Mitte April 2008 publiziert werden.

9

10 11

Konkret handelt es sich um folgende Verträge: Abkommen über den Luftverkehr, Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse, Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, Abkommen über gewisse Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens, Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit.

Eine spezielle Regelung gilt im Falle des Forschungsabkommens, siehe hierzu Fussnote 49.

Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG (BBL 1999 6128).

2144

2.1.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

2.1.1.1

Einwanderung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern

Das FZA sah für die Staaten der EU-15 eine fünfjährige Übergangsfrist vor. Während dieser Übergangsfrist kamen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus einem Staat der EU-15 oder der EFTA12 in den Genuss eines Einreise- und Zugangsrechts zum Arbeitsmarkt, wenn sie über einen Arbeitsvertrag verfügten und Kontingente vorhanden waren. Zudem galt bis zum 31. Mai 2004 die Einhaltung des Vorrangs der einheimischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Seit dem 1. Juni 2007 braucht es nur noch einen Arbeitsvertrag oder den Nachweis einer selbständigen Erwerbstätigkeit, um Zugang zum Arbeitsmarkt in der Schweiz zu erhalten. Wenn die Dauer dieses Vertrags mindestens 12 Monate beträgt oder der Nachweis einer effektiven selbstständigen Erwerbstätigkeit erbracht werden kann, wird eine fünf Jahre gültige Aufenthaltsbewilligung (B EG/EFTA) ausgestellt. Liegt ein Arbeitsvertrag unter 12 Monaten vor, so wird entsprechend der Dauer des Arbeitsvertrags nur eine Kurzaufenthaltsbewilligung (L EG/EFTA) erteilt. Diese Aufenthaltsbewilligungen können erneuert werden.

Eine ähnliche Übergangsfrist (Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen, Kontrolle des Vorrangs der einheimischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie steigende Kontingente) kann bis spätestens zum 30. April 2011 aufrechterhalten werden gegenüber den Ländern der EU-10, mit Ausnahme von Malta und Zypern, die der gleichen Regelung wie die Länder der EU-15 unterstehen.

2.1.1.1.1

Einwanderung aus der EU-15/EFTA13

Gegenüber den Staaten der EU-15 und der EFTA galten während den ersten fünf Jahren ab Inkrafttreten des FZA Kontingente. Diejenigen für Daueraufenthaltsbewilligungen (15 300 pro Jahr) wurden während der ganzen Übergangsphase jeweils in kurzer Zeit ausgeschöpft. Anhand der Zahlen betreffend die Einwanderung zwecks ständigem Aufenthalt (Bewilligung B-EG/EFTA und Niederlassungsbewilligung C-EG/EFTA) lassen sich gleichwohl gewisse Auswirkungen des FZA aufzeigen: Wie die untenstehenden Tabellen zeigen, hat, mit Ausnahme eines temporären Rückgangs im Verlauf des dritten Jahres, die Einwanderung von Personen aus der EU-15/EFTA mit einer Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung B EG/EFTA, ob erwerbstätig oder nicht, im Laufe der ersten fünf Jahre der Anwendung des FZA, d.h. zwischen Juni 2002 und Mai 2007, regelmässig zugenommen.

Andererseits nahm die Einwanderung aus Drittstaaten während der ganzen Beobachtungsphase seit Inkrafttreten des FZA, abgesehen vom letzten Jahr, ständig ab.

12

13

Ausser der Schweiz sind Norwegen, Island und Liechtenstein Mitglieder der EFTA. Der Personenverkehr zwischen den EFTA-Staaten ist weitgehend analog zum FZA im Anhang K des EFTA-Übereinkommens (SR 0.632.31) geregelt. Das EFTA-Übereinkommen ist allerdings rechtlich nicht mit dieser aktuellen Vorlage verknüpft (s. Ziff. 2.3.1.1).

Diese Daten stammen aus dem Observatorium zum Freizügigkeitsabkommen, dessen Analysen sich mit der Gesamtheit der Auswirkungen der Personenfreizügigkeit befassen.

Alle Personen, die in den Genuss der Personenfreizügigkeit kommen, sind in der Studie enthalten, nämlich die Staatsangehörigen der EU-15 und der EFTA. Da aus der EFTA nur eine verhältnismässig unbedeutende Anzahl Personen eingewandert ist, sind diese Werte auch ausschliesslich für das FZA mit der EU aussagekräftig.

2145

Zudem wurden die für Erwerbstätigen dieser Kategorie vorgesehenen Kontingente nicht ausgeschöpft. Insgesamt nahm die Einwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung im Laufe der ersten drei Jahre nach dem Inkrafttreten des FZA leicht ab, in den letzten beiden Jahren jedoch erneut zu.

Einwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung (Staatsangehörige der EU-15/EFTA sowie von Drittstaaten)14 Juni 00 ­ Mai 01

Juni 01 ­ Mai 02

Juni 02 ­ Mai 03

Juni 03 ­ Mai 04

Juni 04 ­ Mai 05

Juni 05 ­ Mai 06

Juni 06 ­ Mai 07

EU-15/EFTA Drittstaaten*

44 213 50 480

45 350 56 875

50 036 47 080

53 985 42 242

52 525 39 521

59 189 39 076

63 428 43 498

Total

94 693

102 225

97 116

96 227

92 046

98 265

106 926

Quelle: BFM(ZAR) * inkl. EU-10

Die Einwanderung von erwerbstätigen Personen aus der EU-15/EFTA, die im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung für weniger als ein Jahr sind (Bewilligung L-EG/EFTA), nahm im ersten Jahr nach Inkrafttreten des FZA zu, im Verlauf des zweiten und des dritten Jahres nahm sie ab und im vierten und fünften Jahr wieder zu, ohne jedoch den Stand vor dem Inkrafttreten des FZA zu erreichen. Der Ausschöpfungsgrad dieser Kontingente betrug im letzten Jahr der Übergangsfrist annähernd 97 %. Die während der Periode Juni 2004 bis Mai 2005 festgestellte Abnahme erklärt sich teilweise durch das Inkrafttreten der Meldepflicht für Personen, die sich weniger als 90 Tage pro Kalenderjahr in der Schweiz aufhalten.

Die Zunahme der Einwanderung von Kurzaufenthaltern aus Drittstaaten erklärt sich insbesondere durch die Beschäftigung von Stagiaires aus Osteuropa, zum Beispiel während der Erntezeit, für die sogenannte «Sonderkontingente» erteilt wurden.

Einwanderung der nichtständigen ausländischen Wohnbevölkerung (Staatsangehörige der EU-15/EFTA und von Drittstaaten)15 Juni 00 ­ Mai 01

Juni 01 ­ Mai 02

Juni 02 ­ Mai 03

Juni 03 ­ Mai 04

Juni 04 ­ Mai 05*

Juni 05 ­ Mai 06*

Juni 06 ­ Mai 07*

EU-15/EFTA Drittstaaten*

106 125 10 134

112 774 10 902

118 945 13 734

103 722 13 512

83 313 15 385

93 217 17 994

104 136 23 595

Total

116 259

123 676

132 679

117 234

98 698

111 211

127 731

* ohne der Meldepflicht unterstehende Personen Quelle: BFM(ZAR) * inkl. EU-10 14

15

Zur ständigen ausländischen Wohnbevölkerung gehören die Inhaberinnen und Inhaber einer B- oder C-Bewilligung sowie Personen, die mehrere Kurzaufenthaltsbewilligungen beantragen und sich somit länger als 12 Monate in der Schweiz aufhalten. Diese Zahlen betreffen sowohl Erwerbstätige als auch Nichterwerbstätige Personen, die sich bis zu 12 Monaten in der Schweiz aufhalten (L-Bewilligung), ohne die Personen, die der Meldepflicht unterstehen.

2146

In den beiden Jahren vor dem Inkrafttreten des FZA nahm die Zahl der Grenzgänger pro Jahr im Durchschnitt um 7,5 % (+10 800 p.a.) zu. Seit Inkrafttreten des Abkommens nahm diese Zuwachsrate ab und war während fast vier Jahren im Schnitt auf 2,8 % (+4700 p.a.) stabil. Als sich im zweiten Halbjahr 2006 die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder verstärkte, konnte eine neuerliche deutliche Zunahme der Beschäftigung von Grenzgängern festgestellt werden. Im zweiten Quartal 2007 belief sich aufgrund der guten Konjunkturlage die Anzahl der Grenzgänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit gemäss Grenzgängerstatistik auf 195 724 (+13 875 oder 7,6 % gegenüber dem 2. Quartal 2006).

2.1.1.1.2

Einwanderung aus der EU-10

Wie die untenstehende Tabelle zeigt, hatte das Inkrafttreten des FZA für die Staaten der EU-10 am 1. April 2006 gewisse Auswirkungen auf die Einwanderung aus diesen Ländern zur Folge. So waren zum Beispiel die Gesuche um Kurzaufenthaltsbewilligungen relativ zahlreich: Im ersten vollen Kontingentsjahr (Juni 2006 bis Mai 2007) wurden 73 % der 15 800 zur Verfügung stehenden Kontingente vergeben.

Eine starke Nachfrage wird, aufgrund der saisonalen Schwankungen, jeweils insbesondere für die Monate April und Mai erwartet. Im Vergleich dazu waren in diesem Zeitraum die Gesuche um Aufenthaltsbewilligungen B EG/EFTA weniger zahlreich: Nur 57 % der 1700 zur Verfügung stehenden Kontingente wurden vergeben. In der aktuellen Kontingentsperiode (Stand Ende Februar 2008) waren von 2200 verfügbaren Bewilligungen B EG/EFTA 71% und von 19 200 verfügbaren Kurzaufenthaltsbewilligungen 45% ausgeschöpft. Die gestiegene Nachfrage ist Spiegelbild der anhaltend starken Wirtschaftsentwicklung. Nebst Arbeitskräften für Landwirtschaft, Gastronomie, Hotellerie und Tourismus dürften vermehrt auch Hochqualifizierte in technischen Bereichen nachgefragt werden. Diese erhalten im Gegensatz zu den zuvor genannten Branchen mehrheitlich eine Bewilligung B EG/EFTA.

Einwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung (Staatsangehörige der EU-10)16

EU-10

Juni 00 ­ Mai 01

Juni 01 ­ Mai 02

Juni 02 ­ Mai 03

Juni 03 ­ Mai 04

Juni 04 ­ Mai 05

Juni 05 ­ Mai 06

Juni 06 ­ Mai 07

2447

2785

2154

2207

2091

2635

3812

Quelle: BFM(ZAR)

Der Anteil der Staatsangehörigen aus der EU-10 an der in der Schweiz wohnhaften ausländischen Bevölkerung ist jedoch schwach. Ende 2007 belief er sich auf 1,5 % bzw. 23 804 Personen mit dauerndem Aufenthalt. 13 400 Staatsangehörige aus der EU-10 übten in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit aus, was 1,5 % der ständigen erwerbstätigen ausländischen Bevölkerung entspricht.

16

Zur ständigen ausländischen Wohnbevölkerung gehören die Inhaber einer B- oder C-Bewilligung sowie die Personen, die mehrere Kurzaufenthaltsbewilligungen beantragen und sich somit länger als 12 Monate in der Schweiz aufhalten. Diese Zahlen betreffen sowohl Erwerbstätige als auch Nichterwerbstätige.

2147

2.1.1.1.3

Auswanderung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Migrationssaldo

Im ersten Jahr der Anwendung des Abkommens, d.h. vom 1. Juni 2002 bis zum 31.

Mai 2003, betrug die Auswanderung von Staatsangehörigen der EU-15/EFTA 30 302 Personen gegenüber 33 721 Personen für den gleichen Zeitraum ­ ohne FZA ­ im Jahr zuvor, was einer Abnahme von 10 % entspricht. Danach blieb sie während einem Jahr stabil, nahm danach aber wieder zu. Zwischen dem zweiten und dem fünften Jahr der Anwendung des FZA stieg die Auswanderung von jährlich 30 250 auf 42 304 Personen, d.h. um fast 40 %. Im Vergleich dazu blieb die Auswanderung von Staatsangehörigen von Drittstaaten mit 16 000­17 000 Personen pro Jahr praktisch stabil. Was die Staatsangehörigen aus der EU-10 anbelangt, so hat sich die Auswanderung, die seit 2002 langsam zugenommen hat, während der letzten Kontingentsperiode (Juni 2006 bis Mai 2007) mit einer Zunahme von ca. 40 % beschleunigt und beläuft sich auf 1244 Personen. Grundsätzlich kann somit gesagt werden, dass die Rückwanderungsfluktuation bei europäischen Einwanderern relativ stark ausgeprägt ist.

Demzufolge hat, wie die untenstehende Tabelle zeigt, der Migrationssaldo der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz seit 2002 ständig abgenommen, ab Juni 2005 nahm er erneut zu und im fünften Jahr wieder leicht ab.

Migrationssaldo der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nach Nationalitätengruppen Juni 00 ­ Mai 01

Juni 01 ­ Mai 02

Juni 02 ­ Mai 03

Juni 03 ­ Mai 04

Juni 04 ­ Mai 05

Juni 05 ­ Mai 06

Juni 06 ­ Mai 07

EU-15/EFTA EU-10 Drittstaaten*

7 638 1 329 29 783

11 629 1 632 36 487

18 797 988 28 177

22 848 1026 23 314

19 602 779 19 663

24 800 1 333 18 894

20 970 2 433 20 995

Total

38 750

49 748

47 962

47 188

40 044

45 027

44 398

* ohne EU-10 Quelle: BFM(ZAR)

2.1.1.1.4

Auswirkungen der vollen Freizügigkeit seit dem 1. Juni 2007

In den ersten sieben Monaten seit der Einführung der vollen Personenfreizügigkeit (Aufhebung der Kontingentierung per 1. Juni 2007) gegenüber den Staaten der EU-15, Zypern, Malta und der EFTA (EU-17/EFTA) wurden Erwerbstätige aus diesen Staaten insgesamt 56 208 ehemals kontingentierte Aufenthaltsbewilligungen B ausgestellt. In der Vorjahresperiode waren es aufgrund der Kontingentierung lediglich 11 475 B-Bewilligungen. Gleichzeitig ging die Anzahl der in dieser Periode ausgestellten Kurzaufenthaltsbewilligungen L gegenüber der Vorjahresperiode von 64 550 auf 35 541 zurück. Eine Analyse der ausgestellten B-Bewilligungen zeigt, dass rund 62 % derselben auf bereits zuvor im Schweizer Arbeitsmarkt erwerbstätige ehemalige Kurzaufenthalter und Grenzgänger entfallen, die ihre 2148

Aufenthaltsbewilligung umgewandelten bzw. ihren Wohnsitz in die Schweiz verlagerten. Mit einer L- oder B-Bewilligung effektiv neu in den Schweizer Arbeitsmarkt eingetreten sind in den ersten sieben Monaten seit Ende der Kontingentierung rund 48 000 Personen. In der Vorjahresperiode waren es rund 43 000 Personen.17 Bei den ehemaligen Kurzaufenthaltern, die ihre L-Bewilligung in eine B-Bewilligung umgewandelt haben, handelt es sich insbesondere um Personen, welche die materiellen Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung B (überjähriges oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber in der Schweiz) bereits vor dem 1. Juni 2007 erfüllt haben, aus Kontingentsgründen aber keine entsprechende Bewilligung erhielten. Seit der Aufhebung der Kontingentierung besteht bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung B.

Entsprechend hat die Nachfrage nach Kurzaufenthaltsbewilligungen mit der Aufhebung der Kontingentierung abgenommen.

Laut Schätzungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) auf Basis der provisorischen Rohdaten des Zentralen Ausländerregisters hat die gesamte ausländische Wohnbevölkerung aus der EU 17/EFTA (Kurzaufenthalter, Aufenthalter und Niedergelassene mit oder ohne Erwerbstätigkeit) im Jahre 2007 um 3,2% zugenommen. Im Jahre 2006 lag diese Zunahme bei 2,7%. Dieses im Jahre 2007 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt nur leicht höhere Wachstum ist das Ergebnis einer um 5,1% gewachsenen ständigen ausländischen Wohnbevölkerung18 bei gleichzeitigem Rückgang der nichtständigen ausländischen Wohnbevölkerung19 um 24,5%. Es kam folglich zu einer Verlagerung zugunsten der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung, deren Anteil an der gesamten ausländischen Wohnbevölkerung um 1,7 Prozentpunkte auf 95,2% anstieg.

Das Wachstum der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung bzw. der Rückgang des Bestandes der nichtständigen ausländischen Wohnbevölkerung erfolgte primär zwischen Juni und Dezember 2007, d.h. nach der Einführung der vollen Freizügigkeit gegenüber der EU-17/EFTA. Die Entwicklung bei der gesamten ausländischen Wohnbevölkerung widerspiegelt die bei den ausgestellten Bewilligungen festgestellte Verschiebung von der Kurzaufenthaltsbewilligung L zur Aufenthaltsbewilligung B.

Die Einführung der vollen Personenfreizügigkeit führte daher im Ergebnis
dazu, dass viele bereits in den Schweizer Arbeitsmarkt integrierte, von der Wirtschaft gefragte und zumeist gut qualifizierte Arbeitskräfte ihren Aufenthaltsstatus verbessern konnten. Der erleichterte Zugang zur Aufenthaltsbewilligung B steigert die Attraktivität der Schweiz gerade bei denjenigen international umworbenen Fachkräften, die allenfalls durch die in vielen Alltagssituationen auftretenden Unannehmlichkeiten einer Kurzaufenthaltsbewilligung abgeschreckt würden.

17

18

19

Aussagen zur Anzahl Personen aus der EU-17/EFTA, die seit Juni 2007 neu als Grenzgänger in der Schweiz erwerbstätig wurden, können erst mit der Veröffentlichung der Grenzgängerstatistik des BFS gemacht werden. Zahlen zum 4. Quartal 2007 werden für Mai 2008 erwartet. Grenzgängerbewilligungen waren bereits vor dem 1. Juni 2007 kontingentsfrei.

Zur ständigen ausländischen Wohnbevölkerung gehören Niedergelassene (Bewilligung C), Aufenthalter (Bewilligung B) und überjährige Kurzaufenthalter (Bewilligung L).

Zur nichtständigen ausländischen Wohnbevölkerung gehören die unterjährigen Kurzaufenthalter (Bewilligung L).

2149

Den wesentlichsten Einfluss auf die Einwanderung aus der EU-17/EFTA hatte die gute Wirtschaftsentwicklung mit der entsprechenden Nachfrage nach Arbeitskräften.

Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Gemäss BFS ist die Beschäftigung in der Schweiz auch im dritten Quartal 2007 stark gewachsen: Die vollzeitäquivalente Beschäftigung stieg gegenüber dem Vorjahresquartal um 2,7%. Die Beschäftigung expandierte dabei sowohl im sekundären wie auch im tertiären Sektor. Auch die Beschäftigungsaussichten für das vierte Quartal waren gemäss Beschäftigungsbarometer des BFS weiterhin positiv. Dass vor allem gut und bestqualifizierte Arbeitskräfte aus der EU, darunter vorab aus Deutschland, einwandern, entspricht dem Bedarf unserer Wirtschaft.

2.1.1.1.5

EU-Dienstleistungserbringer in der Schweiz

Die im FZA vorgesehene gegenseitige Zulassung zum Arbeitsmarkt wird durch eine teilweise Liberalisierung des personenbezogenen, grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs ergänzt. In Bereichen, in denen ein spezielles Dienstleistungsabkommen zwischen der Schweiz und der EG/EFTA besteht oder in Zukunft abgeschlossen wird, darf die gestützt auf diese Abkommen erfolgende Dienstleistungserbringung nicht durch Bestimmungen des FZA verhindert werden. Das gilt beispielsweise. beim Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen oder bei den Abkommen über den Luft- und den Landverkehr.20 Gemäss dem FZA wird einem Dienstleistungserbringer das Recht eingeräumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreitet.21 Seit dem 1. Juni 2004 benötigen selbständige Dienstleistungserbringer sowie entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den EU-15-Mitgliedstaaten für einen Aufenthalt bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr keine Bewilligung mehr. Es besteht aber eine vorgängige Meldepflicht. Dienstleistungserbringer aus den EU-10-Staaten kommen seit dem 1. April 2006 ­ mit Ausnahme gewisser Branchen ­ ebenfalls in den Genuss dieser Regelung.22 Die Zahl der meldepflichtigen Dienstleistungserbringer aus der EU-1723 nahm in den vergangenen Jahren deutlich zu. Im Jahr 2006 lag die Anzahl der Dienstleistungserbringer aus diesen Staaten (46 594) um 15 % über dem entsprechenden Jahreswert von 2005 (40 593).24 Die Werte von Januar bis Dezember 2007 zeigen eine erneute Zunahme um 14 858 Personen, was unter anderem auf die gut laufende Konjunktur zurückzuführen ist. Im Jahr 2006 entsprach der Anteil an gemeldeten 20 21 22

23

24

Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 FZA.

Art. 5 Abs. 1 FZA.

Die Erbringung von Dienstleistungserbringungen in die Schweiz im Garten- und Landschaftsbau in der Schweiz sowie von sonstigen gärtnerischen Dienstleistungen, im Baugewerbe/Bau, im Bewachungs- und Sicherheitsdienst (Detekteien, Wach- und Sicherheitsdienste) sowie im Reinigungsgewerbe (Reinigung von Gebäuden, Strassen und Verkehrsmitteln) bleiben für Unternehmen mit Sitz in der EU-10 bis längstens 30. April 2011 bewilligungspflichtig (Nace-Codes: 01.41, 45.1 bis 4, 74.60, 74.70). Für alle anderen Branchen gilt eine Meldepflicht. Für Dienstleistungserbringer aus Zypern und Malta gilt diese Meldepflicht, analog zur EU-15, für alle Branchen.

Als EU-17 bezeichnet man die EU-15 plus Zypern und Malta. Dienstleistungserbringer aus Zypern und Malta werden denjenigen aus der EU-15 seit dem 1. April 2006 gleichgestellt und sind seither in die Analyse miteinbezogen.

Quelle: Statistik BFM.

2150

Dienstleistungserbringern aus der EU-825 ungefähr einem Anteil von 1,6 % (764) der Gesamtzahl an Dienstleistungserbringungen aus der EU-25. Die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus der EU-8 bis zu 90 Arbeitstagen im Kalenderjahr ist allerdings erst seit dem 1. April 2006 nicht mehr bewilligungspflichtig und nunmehr dem Meldeverfahren unterstellt.26 In den ersten neun Monaten des Jahres 2007 ist ihr Anteil auf 3,9 % angewachsen.

Rund 83 % der Dienstleistungserbringer aus der EU waren im ersten Halbjahr 2007 als entsandte Arbeitnehmende in der Schweiz gemeldet. Die restlichen 17 % der gemeldeten Dienstleistungen wurden durch Selbständigerwerbende erbracht. Für Dienstleistungserbringer, die länger als 90 Arbeitstage Dienstleistungen in der Schweiz erbringen, muss das Bewilligungsverfahren beschritten werden. Aufgrund der sehr guten Konjunkturlage mussten deshalb in den letzten beiden Jahren für europäische Dienstleistungsunternehmen je rund 2000 kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen erteilt werden.

Die Anzahl Arbeitstage der meldepflichtigen Dienstleistungserbringer nach Einsatzkanton variiert recht stark. Tendenziell scheinen grenznahe Kantone höhere Anteile aufzuweisen.27 Die meisten Arbeitstage wurden in den vergangenen Jahren zudem im Baugewerbe, gefolgt vom Industrie- und Handwerkssektor erbracht. Etwas geringer war der Anteil im eigentlichen Dienstleistungssektor. Grenzüberschreitende Dienstleistungen in der Landwirtschaft waren in den letzten drei Jahren verhältnismässig gering.

Die Einführung des Meldeverfahrens per 1. Juni 2004 hat die Erbringung von Dienstleistungen in der Schweiz vereinfacht. Dies hat mitunter zur genannten Zunahme an unterjährigen Aufenthaltern geführt.

2.1.1.2

Schweizerinnen und Schweizer in der EU

2.1.1.2.1

Auswanderung von Schweizerinnen und Schweizer in die EU

Während in Bezug auf die Einwanderung von EU-Staatsangehörigen in die Schweiz genaue statistische Erhebungen vorliegen, ist dies in Bezug auf die schweizerische Auswanderung in den EU-Raum nicht der Fall. Eine Kennzahl, die diesbezügliche Schätzungen zulässt, ist die Entwicklung der Anzahl der bei den Schweizer Vertretungen in den Mitgliedstaaten der EU-15 sowie von Drittstaaten neu immatrikulierten Schweizerinnen und Schweizer.28

25 26 27 28

Als EU-8 bezeichnet man die EU-Beitrittsstaaten von 2004 ohne Zypern und Malta.

Ausnahmen siehe Fussnote 22.

Bericht zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen zur Freizügigkeit im Personenverkehr: 1. Jan. 2006 bis 30. Juni 2007. SECO. 3. und 15. Okt. 2007 Seite 11.

Die Anmeldung bei der entsprechenden Schweizer Vertretung ist nicht in allen Staaten obligatorisch. Zudem wurden bei den folgenden Angaben lediglich Schweizer Bürgerinnen und Bürger ohne EU-Zweitpass berücksichtigt, da entsprechende Doppelbürgerinnen und Doppelbürger das FZA tendenziell weniger in Anspruch nehmen müssen. Die 2004 beigetretenen 10 EU-Mitgliedstaaten werden zudem nicht berücksichtigt, da das Interesse an einem Auslandaufenthalt in diesen Ländern bzw. an einer Auswanderung in diese Länder bisher bescheiden ist.

2151

In den vier Jahren vor Inkrafttreten des FZA (1998­2001) wurden insgesamt 4229 Schweizerinnen und Schweizer neu in einem Staat der EU-15 immatrikuliert, im gleichen Zeitraum 3074 Nur-Schweizerinnen und ­Schweizer in einem Land ausserhalb der EU-15. In den vier Jahren nach Inkrafttreten des FZA (2003­2006) wurden 5244 Schweizer Bürgerinnen und Bürger in der EU-15 neu immatrikuliert, 2447 ausserhalb der EU-15. Während die Neuimmatrikulationen in den EU-15-Ländern um gegen 25 % zugenommen haben, haben sie für Länder ausserhalb der EU-15 im gleichen Zeitraum um 20 % abgenommen.

Diese Zunahme, obwohl sie bestimmt nicht monokausal zu erklären ist, ist statistisch auffällig genug, um das FZA als wichtigen Grund für die genannte Entwicklung zu bezeichnen ­ offenbar wurde das Abkommen effektiv genutzt bzw. war die EU für Schweizer Emigrantinnen und Emigranten (zumindest für diejenigen ohne Doppelbürgerschaft) wesentlich attraktiver. Diese Aussage wird gestützt durch die Tatsache, dass der Auswanderungsdienst des Bundesamtes für Migration (BFM) in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme der Anfragen zu einem Auslandaufenthalt in der EU verzeichnet hat.

Das FZA hat zudem erhebliche Vorteile für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits in einem Mitgliedstaat der EU lebenden Schweizerinnen und Schweizer29, indem es ihnen in gewissen Fällen erhebliche Erleichterungen (z.B. in den Bereichen Sozialversicherungen und Immobilienerwerb) gebracht hat.

Insgesamt lässt sich sagen, dass schweizerische Staatsangehörige problemlos von den im Abkommen verankerten Rechten Gebrauch machen konnten. Punktuell auftretende (und der Verwaltung gemeldete) Schwierigkeiten konnten in den meisten Fällen im Rahmen der bestehenden Kontakte (Auslandvertretungen) behoben werden.

2.1.1.2.2

Schweizer Dienstleistungserbringer in der EU

Während in Bezug auf EU-Dienstleistungserbringer in der Schweiz genaue statistische Erhebungen vorliegen, ist dies in Bezug auf die schweizerischen Dienstleistungserbringer im EU-Raum nicht der Fall. Es gibt Hinweise darauf, dass Schweizer Dienstleistungserbringer in den EU-Staaten bisweilen mit praktischen Problemen zu kämpfen haben.30 Die Schwierigkeiten denen sich Schweizer Unternehmen gegenübersehen, wurden indessen bis heute nur selten durch konkrete Beispiele illustriert.

Nach Kenntnis der Verwaltung hängen sie teilweise mit verschiedenen indirekt diskriminierenden Forderungen gewisser Staaten der EU zusammen, zum Beispiel betreffend das Versicherungsobligatorium oder die Einreichung verschiedener Zertifikate. Diese Probleme sind auch innerhalb der EU bekannt, weshalb die Richtlinie 2005/36/EG erlassen wurde (siehe Ziff. 2.2.1.2.3). Die Bundesverwaltung steht bezüglich dieser Punkte in engem Dialog mit den betroffenen Berufsverbänden, um Lösungen zu finden.

Die Dienstleistungserbringer sind auch von der Diplomanerkennung betroffen, wenn die Ausübung der Tätigkeit, die sie vorübergehend in einem EG-Mitgliedstaat ausüben wollen, den Besitz eines bestimmten Diploms voraussetzt (reglementierte 29 30

Am Stichtag 31. Dez. 2002 waren 358 347 Schweizer Bürgerinnen und Bürger in der EU-15 immatrikuliert, davon 99 424 Nur-Schweizerinnen und -Schweizer.

Siehe z.B. Mo Robbiani 06.3379.

2152

Berufe). Das FZA sieht für die Dienstleistungserbringer keine Befreiung von der Pflicht vor, ihr Diplom anerkennen zu lassen. Eine diesbezügliche parlamentarische Motion der WAK SR (05.3473) wurde Ende 2005 überwiesen. Sie verlangt im Wesentlichen die Vereinfachung des Verfahrens zur Erbringung des Nachweises der Berufsausübung in der Schweiz durch Dienstleistungserbringer. Der Bundesrat hat die Annahme der Motion beantragt, damit festgestellt werden kann, in wiefern die Tätigkeiten der Schweizer Dienstleistungserbringer in der EU erleichtert werden können.

2.1.2

Soziale Sicherheit

Im Bereich der sozialen Sicherheit wendet die Schweiz mit gewissen Anpassungen die Koordinationsbestimmungen der Verordnungen (EWG) 1408/7131 und 574/7232 an. Diese Regelung und ihre Auswirkungen für die Schweiz wurden im Detail präsentiert in der Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vom 23. Juni 199933.

Die Anwendung dieser Regelungen hat sich als insgesamt positiv herausgestellt. Die Hindernisse für die Personenfreizügigkeit, die mit den verschiedenen nationalen Sozialversicherungssystemen zusammenhängen, konnten grösstenteils beseitigt werden. Der Schutz durch die Sozialversicherungen der Schweizerinnen und Schweizer in der EU und für EU-Staatsangehörige in der Schweiz hat sich verbessert. Die Zusammenarbeit mit den Institutionen der Staaten der EU hat sich intensiviert, und es findet ein regelmässiger Austausch statt, um die Koordination zu optimieren. Auf die punktuellen Anwendungsprobleme wird in den folgenden Unterkapiteln zu den einzelnen Sozialversicherungen hingewiesen.

Für alle Versicherungszweige ist die Grundsatzfrage nach der anzuwendenden Gesetzgebung von Belang. Damit eine Person nicht gleichzeitig den Gesetzgebungen zur sozialen Sicherheit mehrerer Staaten untersteht, enthalten die erwähnten EG-Verordnungen eine Reihe von Bestimmungen, die es erlauben, den Staat zu bestimmen, dem eine Person unterstellt werden muss. Diese Regelung betrifft alle Versicherungsbereiche. Sie widerspiegelt die Vielfalt der Situationen auf dem Arbeitsmarkt und erlaubt es, Versicherungslücken, sowie doppelte Unterstellungen, Umgehung der Gesetzgebung oder Missbräuche zu verhindern. Diese Regelung ist komplex und ihre Anwendung nicht immer einfach, insbesondere im Falle von Personen, die ihre Tätigkeit in mehreren Staaten ausüben. Sie hat jedoch den grossen Vorteil, homogen zu sein und für alle Staaten zu gelten. Der Administrationsaufwand im Zusammenhang mit dieser Regelung hat insgesamt zugenommen, aber im Gegenzug haben Unternehmen und Vollzugsorgane weniger parallel zu führende Einzelverfahren.

31

32

33

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern; in der letzten gemäss Abkommen über den freien Personenverkehr in Kraft befindlichen Fassung.

Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern; in der letzten gemäss Abkommen über den freien Personenverkehr in Kraft befindlichen Fassung.

BBl 1999 6128

2153

2.1.2.1

Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung

Schweizerinnen und Schweizer kommen in den Genuss eines breiteren Zugangs zu Leistungen der EU-Staaten als mit den früheren zwischenstaatlichen Abkommen mit einzelnen dieser Staaten. Die multilaterale Koordination funktioniert gut, und die Schweiz hat sich dem grenzüberschreitenden Informationsnetz dank den von den betroffenen Institutionen erbrachten Anstrengungen angeschlossen. Die Verfahren wurden für alle Staaten vereinheitlicht. Die standardisierten Formulare erleichtern den Datenaustausch und die Bearbeitung der Leistungsgesuche. Die Versicherten wenden sich an eine einzige Institution, welche die Verbindung mit den betroffenen ausländischen Organen sicherstellt.

2.1.2.2

Kranken- und Unfallversicherung

Die internationale Leistungsaushilfe wird effizient verwaltet dank der schweizerischen Verbindungsstelle im Bereich Krankenversicherung, der gemeinsamen Einrichtung KVG, die zu diesem Zweck geschaffen wurde. Schweizerinnen und Schweizer haben ohne Diskriminierung und ohne Anwendung höherer Tarife Zugang zu Behandlungen in der EU. Die Einführung der Europäischen Krankenversicherungskarte hat die Verfahren und das Vorgehen erleichtert. Die Verspätungen bei der Rückvergütung gewisser Leistungen seitens einiger Staaten haben jedoch zu einer Erhöhung der Kosten im Zusammenhang mit den Zinsen zulasten des Bundes geführt. Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die eine beschleunigte Rückvergütung zwischen den Staaten vorsehen, haben es ermöglicht, die Situation zu verbessern.

Die obligatorische Versicherung für im Ausland Versicherte wird von den Schweizer Versicherern ohne grössere Schwierigkeiten durchgeführt. Die Möglichkeit für gewisse Versicherte, die Befreiung von der Schweizer Krankenversicherung zu beantragen und für eine Versicherung in ihrem Wohnstaat zu optieren (Optionsrecht), ist zwar in der Anwendung für die Versicherer und Kontrollorgane komplex, funktioniert aber zur vollen Zufriedenheit der Betroffenen. Die Ausrichtung von Prämienverbilligungen für Versicherte, die im Ausland wohnen, hat keine Schwierigkeiten gebracht und auch nicht die anfänglich geschätzten Kosten nach sich gezogen (vgl. Ziff. 2.4.2).

2.1.2.3

Arbeitslosenversicherung

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung hat das FZA das Recht zum Export der Arbeitslosenentschädigung für maximal drei Monate und die Totalisierung der Versicherungsperioden eingeführt. Die Erfahrungen der ersten fünf Jahre der Anwendung des Abkommens haben gezeigt, dass die zusätzlichen Kosten unter Kontrolle geblieben sind und die Schätzungen nicht überschritten haben (vgl.

Ziff. 2.4.2). Es kam nicht zu einer Welle von arbeitslosen Stellensuchenden: Zwischen Juni 2003 und 2006 suchten nur 400 arbeitslose Personen pro Jahr Arbeit in der Schweiz, und durchschnittlich 750 in der Schweiz registrierte Stellensuchende suchten Arbeit in einem EU-Mitgliedstaat (Leistungsexport).

2154

2.1.2.4

Familienzulagen

Die Koordination erlaubt es, den Staat zu bestimmen, der die Leistungspflicht zu tragen hat, wenn der Arbeitsstaat nicht auch der Wohnsitzstaat ist. Ausgleichszulagen sind vorgesehen im Fall von Anspruchskonkurrenz in zwei oder mehreren Staaten, um so eine ungerechtfertigte Leistungskumulation zu vermeiden. Dieses System hat zweifellos zu einer gerechteren Verteilung der Lasten geführt.

2.1.3

Diplomanerkennung

Die Diplomanerkennung ist eines der Instrumente, das eine effektive Arbeitnehmerfreizügigkeit überhaupt ermöglicht. Dieses System der Anerkennung weist mehrere Besonderheiten auf. Erstens ist es technisch sehr komplex; es benötigt eine intensive Begleitung seitens der verschiedenen betroffenen Behörden in der Schweiz und eine umfangreiche Information der Schweizer Bürgerinnen und Bürger sowie der Schweizer Unternehmen. Für das gute Funktionieren ist zudem eine intensive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen schweizerischen Stellen, mit den EU-Mitgliedstaaten und der EG unumgänglich. Zudem ist die Teilnahme am europäischen System zur Anerkennung von Qualifikationen auch von entscheidender Bedeutung für die Schweizer Bildungsinstitutionen (vgl. Ziff. 2.1.3.3).

Die Diplomanerkennung betrifft nur die sogenannten reglementierten Berufe, d.h.

diejenigen, für deren Ausübung im Empfangsstaat ein bestimmtes Diplom notwendig ist. Die Schweiz hat das sektorielle System der Anerkennung übernommen (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Hebammen, Krankenpfleger, Architekten), das allgemeine System (anderen Berufe und Richtlinie 1999/42/EG) sowie die Richtlinien, die auf Rechtsanwälte anwendbar sind.

2.1.3.1

Interne Koordination

Die interne Koordination wurde zusammen mit den Vertretern der Kantone (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und der Gesundheitsdirektoren [GDK], Konferenz der Kantonsregierungen [KdK], Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK]) und mit den betroffenen Ämtern sowie mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) sichergestellt. Oft erfolgte sie über direkte Kontakte mit der betroffenen Instanz, aber es fanden auch gemeinsame Plenarsitzungen statt. In Zukunft ist vorgesehen, diese Sitzungen weiterzuführen, insbesondere um verschiedene übergreifende Fragen im Zusammenhang mit der Anerkennung von Diplomen zu regeln (z. B. Sprachkenntnisse, Umsetzung von Ausgleichsmassnahmen, Verfassen von Anerkennungsentscheiden) und die Praxis der verschiedenen Behörden zu vereinheitlichen.

Insgesamt anerkennt die Schweiz in Anwendung des FZA im Durchschnitt 4450 Diplome pro Jahr auf der Grundlage von Anhang III des FZA (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie [BBT]: 350 Gesuche; EDK: 400 Gesuche; SRK: 2000 Gesuche; Bundesamt für Gesundheit [BAG]: 1700 Gesuche).

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Umsetzung des Anerkennungssystems in der Schweiz mit den gleichen Problemen konfrontiert war wie diejenige in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten. Ausgleichsmassnahmen bestehen für alle gängigen Berufe; 2155

diese sind jedoch schwieriger zu organisieren für Berufe, bei denen die Anerkennungsgesuche selten sind, da manchmal für einen einzigen Kandidaten Ausbildungen geschaffen werden müssen. Es muss jedoch präzisiert werden, dass die Anwendungsfälle der EG-Richtlinie zur Diplomanerkennung umso seltener sind, je niedriger die Zahl der in der Schweiz reglementierten Berufe ist.

2.1.3.2

Externe Koordination

In den bilateralen Kontakten mit den Behörden der EU-Mitgliedstaaten konnte festgestellt werden, dass das FZA in den meisten Fällen gut angewendet worden ist.

Wenn sich punktuelle Probleme ergaben, war es dank den bilateralen Kontakten meist möglich, das betreffende Dossier zufriedenstellend zu regeln (bezüglich der Beziehungen zur Europäischen Kommission siehe Ziff. 2.1.8.3).

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungen ein grundsätzliches Problem besteht: Das FZA sieht für Dienstleistungserbringer keine Befreiung von der Pflicht zur Diplomanerkennung vor.34 Ende 2005 wurde zu diesem Thema die oben (Ziff. 2.1.1.2.2) erwähnte Motion der WAKSR (05.3473) überwiesen. Das Problem besteht darin, dass die in den Richtlinien zur Diplomanerkennung vorgesehenen Fristen gemäss den betroffenen Verbänden zu lange sind und mit einer effektiven Dienstleistungserbringung nicht vereinbar erscheinen. Eine Verbesserung dieser Situation wird mit der Übernahme der Richtlinie 2005/36/EG erwartet.

2.1.3.3

Bedeutung für Studierende und die Schweizer Bildungsinstitutionen

Die Möglichkeit, eine Diplomanerkennung in der EU zu erhalten und so im Ausland arbeiten zu können, ist für Schweizer Studierende und Lernende von grösster Bedeutung. Auf dem Arbeitsmarkt ist Auslandserfahrung in vielen Bereichen stark gefragt, entsprechend wichtig ist sie für junge Schweizer Akademikerinnen und Akademiker sowie Berufsleute. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der Entwicklung des Schweizer Arbeitsmarktes hin zu hochqualifizierten Dienstleistungsberufen dürfte ihre Bedeutung weiter zunehmen.

Das europäische Diplomanerkennungssystem hat auch eine sekundäre Funktion von beträchtlicher Bedeutung: Es ist essenziell für die Schweizer Bildungsinstitutionen und insbesondere für die Fachhochschulen. Es scheint nämlich, dass die Anerkennung der Schweizer Diplome ein Instrument zur Förderung des Bildungsplatzes Schweiz ist. Die von gewissen sektoriellen Berufen betroffenen Schulen (Ausbildungen HF und FH Pflege, Ausbildung FH Hebammen, Ausbildungen FH und ETH Architektur) legen alle sehr grossen Wert darauf, dass ihre Diplome in der EU anerkannt sind. Es geht um ihre Positionierung im europäischen Bildungssystem.

34

Eine solche Befreiung ist in der neuen Richtlinie 2005/36/EG unter den in Art. 7 dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen vorgesehen. Diese Richtlinie ist im Zeitpunkt der Abfassung der vorliegenden Botschaft noch nicht in den Anhang des FZA aufgenommen worden.

2156

Die Teilnahme am europäischen Diplomanerkennungssystem hatte aber auch zur Folge, dass gewisse Ausbildungswege unter Druck gerieten. Die Möglichkeit, Ausbildungen im Ausland zu absolvieren, die manchmal kürzer und weniger teuer sind als in der Schweiz, verstärkt den Wettbewerb, warf aber auch berechtigte Fragen bei gewissen Schweizer Anbietern auf. Um die Qualität der Schweizer Ausbildungen beibehalten zu können, müssen die betroffenen Behörden zwingend weiterhin die Gesuche um Anerkennung von ausländischen Diplomen minutiös prüfen und die durch die EG-Richtlinien vorgesehenen Ausgleichsmassnahmen strikte anwenden können.

2.1.3.4

Zusammenfassung der Erfahrungen im Bereich Diplomanerkennung

Die Diplomanerkennung der EU entspricht den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und des Bildungsplatzes Schweiz. Dennoch muss anerkannt werden, dass ihre Einführung unerwartete Auswirkungen auf Schweizer Ausbildungsgänge hatte. Dieser Frage muss auch in Zukunft höchste Beachtung geschenkt werden.

Obwohl Anhang III FZA seit fünf Jahren angewendet wird, bleiben immer noch viele Punkte zu regeln, sowohl intern auf der Ebene der praktischen Umsetzung des Abkommens als auch extern mit der Europäischen Kommission (vgl. Ziff. 2.1.8.3 und 2.2.1.2.3.). Umsetzung, Nachverfolgung und Entwicklung des Anhangs III zum FZA werden die beteiligten Partner weiterhin stark herausfordern, ob es sich nun um Bundesbehörden, kantonale Behörden oder um Berufsverbände handelt.

2.1.4

Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit

Beim Inkrafttreten des FZA am 1. Juni 2002 befand sich die Schweiz in einer konjunkturell schwachen Phase, und der Bedarf nach Arbeitskräften stagnierte. Die konjunkturelle Erholung zeichnete sich ab dem zweiten Quartal 2003 ab, aber ihre positiven Auswirkungen auf das Beschäftigungswachstum waren erst spät spürbar.

Offensichtlich haben die Unternehmen die erste Phase der Erholung gemeistert, ohne ihren Personalbestand zu erhöhen. Dazu kam, dass das Wirtschaftswachstum grösstenteils auf Branchen beruhte, die in Bezug auf die Produktivität grosse Fortschritte machten (insbesondere Industrie und Finanzen). Erst im zweiten Halbjahr 2005, als die Beschäftigung in die Expansionsphase kam, erhielt der Arbeitsmarkt starke Impulse. Der Herbst 2005 war gekennzeichnet durch einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit, nachdem sich die Arbeitslosenquote seit zwei Jahren praktisch ohne Unterbruch auf hohem Niveau stabilisiert hatte. Zwischen 2005 und 2007 sank die Arbeitslosenquote im jährlichen Durchschnitt von 3,8 % auf 2,8 %.

Ende des Jahres 2007 betrug die saisonbereinigte Arbeitslosenquote noch 2,6 %.

2157

2.1.4.1

Beschäftigte erwerbstätige Personen

Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) nahm die Zahl der beschäftigten erwerbstätigen Personen zwischen dem zweiten Quartal 2003 und dem zweiten Quartal 2007 um 4,0 % (+159 000) zu. Während die Zunahme der Erwerbstätigkeit bei den Schweizerinnen und Schweizern 3,1 % (+97 000) betrug, war sie bei Staatsangehörigen aus Drittstaaten bedeutend höher, nämlich +5,3 % (+17 000), erst recht aber bei den Staatsangehörigen aus der EU-15/EFTA, nämlich +9,0 % (+45 000). Trotzdem ist es falsch, auf eine Verdrängung der schweizerischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schliessen: Eine Analyse nach Berufsgruppen zeigt, dass Ausländerinnen und Ausländer aus der EU-15/EFTA35 in den Bereichen, wo auch Stellen für Schweizerinnen und Schweizer geschaffen wurden, leichter eine Stelle fanden. Quantitativ betrachtet war die Beschäftigungszunahme bei den Staatsangehörigen der EU-15/EFTA zwischen 2003 und 2007 am bedeutendsten bei den sogenannten akademischen Berufen (+24 000), bei den Technikern und gleichrangigen Berufen (+10 000) sowie bei den Führungskräften (+6000). Bei diesen drei Gruppen war die Entwicklung der Beschäftigung höher als der Durchschnitt, und der Anteil an Personen ohne Beschäftigung lag im Durchschnitt tiefer als derjenige bei anderen Berufskategorien. Hingegen war bei den meisten Berufen, bei denen nur eine schwache Entwicklung oder sogar ein Rückgang stattfand, wie bei den Bürokräften und den kaufmännischen Angestellten (­3000), den Anlagenund Maschinenbedienern (+1000) oder den Hilfsarbeitskräften (+1000), keine merkliche Zunahme der erwerbstätigen Personen aus der EU-15/EFTA zu verzeichnen.

35

Gemäss dem Observatoriumsbericht über den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU; dieses Kapitel konzentriert sich auf die Angehörigen der EU-15-/EFTA-Mitgliedstaaten.

2158

Berufliche Tätigkeit der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nach Hauptberufskategorien (ISCO) und Nationalitäten; Veränderungen zwischen 2003 und 2007 (im 2. Quartal jeden Jahres) Absolute Veränderung in 1000

CH/ Drittstaaten

Relative Veränderung

EU-15/ EFTA

Total

Total

Führungskräfte 9 Akademische Berufe 54 Techniker und gleichrangige Berufe 60 Bürokräfte, kaufmännische Angestellte ­58 Dienstleistungs- und Verkaufsberufe 9 Fachkräfte in der Landwirtschaft ­3 Handwerks- und verwandte Berufe 33 Anlagen- und Maschinenbediener 3 Hilfsarbeitskräfte 7

6 24 10 ­3 6 3 ­4 (1) (1)

15 78 70 ­61 15 0 30 4 8

6.2 % 11.8 % 8.6 % ­11.5 % 2.8 % ­0.2 % 5.1 % 1.9 % 3.4 %

Total erwerbstätige Personen*

45

159

4.0 %

114

* Inkl. erwerbstätige Personen ohne Angabe zu ihrem Beruf. Die Werte in Klammern sind statistisch nicht gewährleistet.

Quelle: BFS (SAKE)

Die Tatsache, dass die aus der EU-15/EFTA eingewanderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor allem die einheimischen Arbeitskräfte in denjenigen Bereichen ergänzen, in denen die Beschäftigung von Schweizerinnen und Schweizern ebenfalls zugenommen hat, zeigt, dass die einheimischen Arbeitskräfte nicht ausreichen, um die betreffenden Arbeitsplätze zu besetzen. Dieser Aspekt widerlegt die Befürchtungen, dass Einwanderer aus der EU-15/EFTA einheimische Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt verdrängen. Hingegen hat sich die Annahme bestätigt, dass die Arbeitskräfte aus der EU-15/EFTA dazu beitragen, den chronischen Mangel an qualifiziertem Personal zu decken.

2.1.4.2

Arbeitslosigkeit

Es konnte kein klares Anzeichen eines Einflusses des FZA auf die Arbeitslosigkeit festgestellt werden. Die Arbeitslosenquoten bei Schweizerinnen und Schweizern, Staatsangehörigen der EU-15 und solchen von Drittstaaten haben sich weitgehend proportional entwickelt. Dies zeigt sich insbesondere in der gegenwärtigen Wachstumsphase: Zwischen Oktober 2005 und Oktober 2007 haben die entsprechenden

2159

Arbeitslosenquoten um 31 % (Schweizerinnen und Schweizer), 25 % (EU-15)36 und 27 % (Drittstaaten) abgenommen. Im Zeitraum 2000­2006 war die Arbeitslosenquote der Staatsangehörigen aus der EU-15 bzw. von Drittstaaten um den Faktor 1,7 bzw. 3,7 höher als diejenige der Schweizerinnen und Schweizer. Diese Zahlen zeigen, dass die Schweizerinnen und Schweizer weniger von Arbeitslosigkeit bedroht sind als Ausländerinnen und Ausländer, und dass die Staatsangehörigen der EU-15 besser im Arbeitsmarkt integriert sind als jene von Drittstaaten.

In den Branchen, die nach Inkrafttreten des Abkommens eine starke Zunahme der Einwanderung verzeichneten, wies die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen aber auch keine Überraschungen auf. Dies galt für die Landwirtschaft, die Baubranche, die Hotellerie, die Immobilienbranche, den Beratungssektor, die Informatik, Forschung und Entwicklung, Bildung sowie für sonstige Dienstleistungen. Nur die Hotellerie verzeichnete im Verlauf des zweiten und des dritten Jahres der Geltung des FZA eine etwas höhere Arbeitslosenquote als die, welche ganz allgemein die Arbeitswelt betraf. Von Juni 2002 bis Dezember 2006 war die durchschnittliche Quote in der Hotellerie 2,6 mal höher als die allgemeine Arbeitslosenquote, d.h.

leicht höher als gerade vor dem Inkrafttreten des FZA. Verglichen mit dem mehrjährigen Durchschnitt vor dem Inkrafttreten des FZA ist die relativ hohe Arbeitslosenquote im Bereich der Hotellerie jedoch nichts Aussergewöhnliches. In den Jahren 1992­2001 war die Arbeitslosenquote in diesem Sektor im Schnitt 2,7-mal höher als der Durchschnitt aller Branchen. Heute sinkt die Arbeitslosigkeit in der Hotellerie im Gleichschritt mit dem allgemeinen Rückgang der Arbeitslosigkeit: Zwischen Oktober 2005 und Oktober 2007 hat sie um 31 % abgenommen, gegenüber 29 % insgesamt.

In den letzten Jahren wies die Entwicklung der Arbeitslosigkeit schwache regionale Unterschiede auf. In den meisten Deutschweizer Kantonen ist die Arbeitslosenquote gesunken, zuerst leicht seit 2003, dann immer deutlicher seit 2006. In der Westschweiz hat sie jedoch bis Mitte des Jahres 2005 und im Tessin bis Ende 2005 weiter zugenommen. Im Durchschnitt lag die Arbeitslosenquote in diesen beiden Regionen zwischen Juni 2002 und Dezember 2006 um 46 % bzw. 27 % höher als der nationale Durchschnitt. Insbesondere
die Genferseeregion gehört zu den von der zunehmenden Einwanderung aus der EU-15/EFTA am meisten betroffenen Regionen; eine Korrelation zwischen diesen beiden Faktoren kann somit nicht ganz ausgeschlossen werden. Andererseits lag die Arbeitslosenquote in diesen beiden Regionen bereits vor dem Inkrafttreten des FZA deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Ein Vergleich mit früheren Phasen erlaubt es auch hier festzuhalten, dass die relativ hohe Arbeitslosenquote in diesen beiden betroffenen Regionen im Verlauf der viereinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des FZA nichts Überraschendes ist. In den 1990er-Jahren zum Beispiel war die Arbeitslosenquote im Tessin um 58 % höher als die allgemeine Arbeitslosigkeit, in der Genferseeregion um 55 %. Nichts deutet darauf hin, dass das Niveau der strukturellen Arbeitslosigkeit nach dem Inkrafttreten des FZA gestiegen ist. Wenn man den Zeitraum 2000­2005 mit dem Zeitraum 1997­1999 vergleicht, hat die sogenannte nichtkonjunkturelle Arbeitslosigkeit sogar abgenommen. Abschliessend kann aus Sicht der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit festgehalten werden, dass die mit der Anwendung des FZA gemachten Erfahrungen zeigen, dass der Markt von den neuen Bedingungen, die sich ihm 36

Die Abnahme der Arbeitslosenquote von Staatsangehörigen der EU-15 wird in der offiziellen Statistik etwas zu niedrig eingeschätzt, da der Zunahme der erwerbstätigen Bevölkerung nicht Rechnung getragen wird.

2160

eröffnet haben, profitiert hat. Auf dem Arbeitsmarkt findet weder eine Verdrängung der Schweizerinnen und Schweizer zugunsten der Staatsangehörigen der EU-15/EFTA statt noch eine Zunahme der Arbeitslosigkeit. Die gute Arbeitsmarktsituation der vergangenen zwei Jahre ist allen Untergruppen der erwerbstätigen Bevölkerung zugute gekommen.

2.1.5

Umsetzung der flankierenden Massnahmen

2.1.5.1

Allgemeines

Im Zuge der schrittweisen Einführung des freien Personenverkehrs gegenüber den Staaten der EU-15 ist die vorgängige Kontrolle der Einhaltung der üblichen Lohnund Arbeitsbedingungen als Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung am 1. Juni 2004 weggefallen. Zum Schutz gegen die missbräuchliche Unterschreitung der in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen durch ausländische Erwerbstätige sind parallel mit der zweiten Phase der Personenfreizügigkeit am 1. Juni 2004 die flankierenden Massnahmen in Kraft getreten, mit dem Ziel, Lohnund Sozialdumping zu verhindern. Im Hinblick auf die Ausdehnung der Freizügigkeit auf die zehn neuen EU-Staaten wurden Verbesserungen der flankierenden Massnahmen beschlossen, die am 1. April 2006 in Kraft getreten sind.

Das heutige System der flankierenden Massnahmen besteht aus Massnahmen auf individueller Ebene (z.B. Sanktionen gegen fehlbare ausländische Arbeitgeber) und auf genereller Ebene (z.B. die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [GAV]). Sie umfassen dabei insbesondere drei Punkte: ­

Das Entsendegesetz37 und die dazugehörige Verordnung38 legen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen für Arbeitnehmende fest, die von einem ausländischen Arbeitgeber im Rahmen einer Dienstleistung in die Schweiz entsendet werden. Die Einhaltung der Mindestbedingungen wird anhand von stichprobeweise durchgeführten Kontrollen überprüft.

­

Im Fall von wiederholter missbräuchlicher Unterbietung können die in einem GAV enthaltenen Bestimmungen über Mindestlöhne und Arbeitszeiten leichter für allgemeinverbindlich erklärt oder es können durch befristete Normalarbeitsverträge Mindestlöhne zwingend vorgeschrieben werden.

­

Auf Stufe Bund und in den Kantonen sind tripartite Kommissionen eingesetzt worden (bestehend aus Vertretern von Behörden, Arbeitgebern und Gewerkschaften). Sie beobachten den Arbeitsmarkt, untersuchen verdächtige Situationen und versuchen zu vermitteln. Zudem beantragen sie den zuständigen kantonalen Behörden im Falle von wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von GAV oder das Erlassen von zwingenden Normalarbeitsverträgen.

Die tripartiten Kommissionen kontrollieren alle Arbeitsverhältnisse ausserhalb von allgemeinverbindlich erklärten GAV. Die paritätischen Kommissionen, bestehend 37

38

Bundesgesetz vom 8. Okt. 1999 über die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen, SR 823.20.

Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, SR 823.201.

2161

aus Vertretern der Sozialpartner, kontrollieren die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten GAV. Am 1. September 2007 existierten 62 allgemeinverbindlich erklärte GAV.

Eine Detaildarstellung der flankierenden Massnahmen ist im Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) vom 27. September 2007 über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen zur Freizügigkeit im Personenverkehr (1. Jan. 2006 bis 30. Juni 2007) zu finden.

2.1.5.2

Auswirkungen des Entsendegesetzes

Die Umstellung von vorgängiger genereller Kontrolle im Verfahren für eine Arbeitsund Aufenthaltsbewilligung auf nachträgliche, stichprobenweise durchgeführte Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen stellte eine grosse Herausforderung für die mit dem Vollzug betrauten Kantone bzw. für die tripartiten und paritätischen Kommissionen dar. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten in der Anfangsphase funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Vollzugsorganen zwischenzeitlich gut.

Seit Inkrafttreten der flankierenden Massnahmen wurde in regelmässigen Abständen ein Bericht über deren Umsetzung erstellt. Bis heute wird daraus ersichtlich, dass die Kontrollaktivitäten stark zugenommen haben. Als positiv zu bewerten ist, dass in den ersten drei Jahren bei der überwiegenden Mehrheit der überprüften Arbeitsverhältnisse die in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten wurden. Interessante Zahlen liefert insbesondere der Bericht des SECO über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen vom 27. September 2007.

2.1.5.2.1

Kontrolltätigkeit

Insgesamt wurden während der Periode vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2007 31 243 Kontrollen durchgeführt. Gegenüber 2005 ist damit eine Zunahme der Kontrolltätigkeit um 80 % festzustellen. Dies dürfte auch auf die Zunahme der Anzahl Inspektoren auf 153 Personen zurückzuführen sein, welche die Kontrollen in den Branchen mit und ohne allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge durchführen.

2.1.5.2.2

Missbrauchsquoten

Gemäss den Angaben der Kantone bzw. kantonalen tripartiten Kommissionen liegt die Quote der vermuteten oder festgestellten Verstösse gegen die Mindestlöhne in Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten GAV oder gegen die üblichen Lohnbedingungen in Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärte GAV bei 8 % der kontrollierten Entsendebetriebe und bei 8 % der kontrollierten Schweizer Arbeitgeber.

Die Kontrollen wurden auf sogenannte Risikobranchen fokussiert. Nach den Erhebungen der paritätischen Kommissionen liegt die Verstossquote in den Bereichen mit allgemeinverbindlich erklärten GAV hingegen mit durchschnittlich 26 % deutlich höher. Ein direkter Vergleich mit den Verstossquoten im Jahr 2005 ist nicht

2162

möglich, da sich der Vollzug und die Erfassung von Verstössen und Missbräuchen in einigen Kantonen markant verändert haben.

2.1.5.2.3

Sanktionen

Von den insgesamt 5112 verhängten Administrativsanktionen betraf ein grosser Teil Verstösse von ausländischen Entsendebetrieben gegen die Meldepflicht, wobei Verwarnungen an Betriebe rund die Hälfte der Sanktionen ausmachten (2833 bzw.

55 % der Administrativsanktionen). Insgesamt ist eine Zunahme von 57 % gegenüber 2005 festzustellen. Zu den staatlichen administrativen Sanktionen kommen die Sanktionen aus allgemeinverbindlich erklärten GAV hinzu; es handelt sich dabei um Konventionalstrafen (gegen 566 Betriebe) und um die Auferlegung der Kontrollkosten (gegen 399 Betriebe).

Neben der rein zahlenmässigen Zunahme ist eine Tendenz von eher geringfügigen Sanktionen (Verwarnungen, Bussen wegen Meldeverstössen) zu härteren Sanktionen (Bussen wegen Lohn- und anderen Verstössen sowie Sperren) festzustellen.

2.1.5.2.4

Wirksamkeit der Sanktionen

Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Sanktionen wurde in erster Linie auf die Anzahl wiederholter Verstösse durch denselben Arbeitgeber zurückgegriffen. Der Publikation der Liste von Arbeitgebern, die nach dem Entsendegesetz sanktioniert wurden, ist ebenfalls eine präventive Wirkung zuzuschreiben.

Gemäss Angaben der Kantone bzw. der tripartiten Kommissionen ist der wiederholte Verstoss gegen die gesetzlichen Vorgaben in Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärten GAV von ca. 11 % im Jahre 2005 auf 6 % im Jahre 2006 zurückgegangen. In Branchen mit allgemeinverbindlich erklärtem GAV betraf es gemäss Angaben der paritätischen Kommissionen nur gerade 22 Fälle.

2.1.5.2.5

Auswirkungen des FZA auf die Lohnentwicklung

Neben den Erhebungen im Rahmen der flankierenden Massnahmen ist die Lohnentwicklung ein aussagekräftiger Indikator über die Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommen auf den schweizerischen Arbeitsmarkt, insbesondere bei den niedrigeren Löhnen. Im dritten Bericht des Observatoriums vom 29. Mai 2007 zum FZA wurde die allgemeine Lohnentwicklung anhand des Lohnindexes und aufgrund der sogenannten Lohnstrukturerhebung untersucht.

Die relativ geringe Entwicklung des Lohnindexes bei den Nominallöhnen von durchschnittlich 1,1 % zwischen 2003 und 2006 widerspiegelt die schwache Arbeitsmarktentwicklung in dieser Phase. Eine differenzierte Betrachtung nach Branchen anhand des Lohnindexes bringt keine eindeutigen Erkenntnisse. Unter den Branchen, bei denen am ehesten eine gewisse Ausweitung des Arbeitsangebots durch Zuwanderung zu erwarten wäre, gibt es sowohl solche mit überdurchschnittlicher (sonstige Dienstleistungen, Gastgewerbe) als auch solche mit unterdurch-

2163

schnittlicher Lohnentwicklung (Baugewerbe, Unterrichtswesen). Ein lohndämpfender Einfluss des FZA ist somit nicht feststellbar.

Die zweite Datenquelle ist die Lohnstrukturerhebung, die alle zwei Jahre durchgeführt wird. Gemäss diesen Zahlen ist der Medianwert oder Zentralwert des standardisierten Bruttolohns über alle Branchen des privaten Sektors zwischen 2002 und 2006 um 4,3 % gewachsen. Überdurchschnittlich angestiegen sind dabei die Löhne an den äusseren Enden der Lohnverteilung (10 %-Quantil: +5,4 % und 90 %-Quantil +7,5 %). Damit hat sich die Lohnschere bei den höchsten Einkommen weiter geöffnet, während es bei den tiefsten Lohnklassen eine Annäherung an den Medianlohn gegeben hat. Diese Verschiebung innerhalb der Einkommensklassen deutet darauf hin, dass die tieferen Einkommen unter dem FZA zumindest nicht allgemein unter Druck geraten sind.

Neben der allgemeinen Lohnentwicklung interessiert vor allem auch, ob die zusätzliche Zuwanderung in unteren Einkommensklassen lohndämpfende Effekte hätte.

Deshalb sind die Veränderungen am unteren Ende der Lohnverteilung (10 %-, 25 %Quantil) besonders zu beachten. Wie bei der allgemeinen Lohnentwicklung gemäss Lohnindex liess sich anhand der Daten der Lohnstrukturerhebungen 2002 und 2004 vorläufig kein systematischer Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Zuwanderung in gewissen Branchen und der entsprechenden Lohnentwicklung feststellen. Erst künftige, spezifische und detailliertere Analysen über den Zeitraum 2002 bis 2006 werden ermöglichen, eventuelle negative Auswirkungen auf das Lohnniveau festzustellen.

2.1.6

Massnahmen zur Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen

2.1.6.1

Ausgangslage

Die Notwendigkeit und Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit wird heute von allen Seiten anerkannt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass mit den flankierenden Massnahmen ein griffiges Instrumentarium zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping in der Schweiz zur Verfügung steht.

Sie werden auch nach der Weiterführung und Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens notwendig sein. Nach Abschluss der Aufbau- und Ausbauphase herrscht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass keine grundlegenden Neuerungen der flankierenden Massnahmen mehr notwendig sind. Im Vorfeld der Vernehmlassung der beiden Vorlagen hat die Arbeitnehmerseite auf gewisse Mängel im Vollzug der Massnahmen hingewiesen. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Arbeitnehmerund Arbeitgeberseite, der Kantone und des Bundes hat anschliessend den Handlungsbedarf und Massnahmen diskutiert, mit denen der Vollzug optimiert werden könnte. Mit den nachfolgend dargestellten Massnahmen wird den von der Arbeitnehmerseite im Vernehmlassungsverfahren vorgebrachten Anliegen teilweise Rechnung getragen. Neue flankierende Massnahmen sind nicht vorgesehen.

2164

2.1.6.2

Einzelheiten

Die diskutierten Massnahmen umfassen drei Bereiche, wovon der wichtigste den Ausbau der Kontrolltätigkeit betrifft. Ferner wird das Informationsangebot im Internet über die schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen verbessert und gewisse Lücken im Informationsaustausch zwischen den Behörden und Kontrollorganen geschlossen.

a)

Nach Artikel 7a des Entsendegesetzes müssen die Kantone eine ausreichende Zahl von Inspektoren zur Verfügung stellen, welche die Kontrollaufgaben nach dem Entsendegesetz und die Arbeitsmarktbeobachtungen durchführen.

In Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen werden die Kontrollen zur Einhaltung der GAV-Bestimmungen durch paritätische Kommissionen resp. den von ihnen eingesetzten Inspektoren wahrgenommen. Insgesamt sind in der Schweiz 153 Inspektoren zur Kontrolle des Arbeitsmarktes tätig. Ein Schwerpunkt der Kontrollen liegt bei den Entsandten. Gleichzeitig werden auch die Anstellungsbedingungen bei schweizerischen Unternehmungen kontrolliert. Innerhalb dieses Bereichs wird ein besonderes Augenmerk auf sensible Branchen gelegt, d.h. Branchen, in denen das Risiko von Lohndumping vergleichsweise höher liegt. Die Aufteilung der Kontrollen auf Branchen und Arbeitnehmerkategorien liegt in erster Linie im Ermessen der Kantone, damit sie die wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Eigenheiten in ihrem Gebiet berücksichtigen können.

Gleichzeitig kann aber auch die nationale tripartite Kommission gewisse Kontrollschwerpunkte festlegen.

Im Zuge der schrittweisen Liberalisierung der Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zu den neuen EU-Staaten und mit den erhöhten Rekrutierungsmöglichkeiten in den neuen EU-Staaten wird auch der Kontrollbereich in der Schweiz ausgedehnt. Würde man die Anzahl durchzuführender Kontrollen dabei gleich hoch belassen, ergäbe sich mit der Zeit eine Ausdünnung der Kontrollen. Um die Dichte der Kontrollen beizubehalten, muss folglich die Anzahl erhöht werden. Es rechtfertigt sich daher, ab 2010 die jährliche Anzahl Kontrollen von heute 22 500 um 20 Prozent zu erhöhen. Damit steigt die Zahl auf jährlich 27 000 Kontrollen.

Zudem ist geplant, dieses quantitative Ziel in verbindlicher Form festzulegen. Künftig soll der Bundesrat über die Vorgabe der Kontrollen entscheiden. In die Verordnung über die in Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Entsendeverordnung) wird daher eine entsprechende Bestimmung eingefügt.

b)

Die Beschaffung von Informationen über die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz wird von den Arbeitgebern, insbesondere auch den ausländischen, oft als aufwändig empfunden. Deshalb wird der Bund eine Internet-Plattform einrichten, auf welcher die Mindestlöhne und andere Informationen über die Schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen in benutzerfreundlicher Weise abrufbar sind.

c)

Kurzfristige Stellenantritte bis zu 90 Tagen im Kalenderjahr bei einem Schweizer Arbeitgeber unterliegen einem einfachen Meldeverfahren an den Kanton. Es fehlt jedoch eine rechtliche Grundlage, welche den Kantonen die Weiterleitung der Meldungen an die Kontrollorgane erlaubt. Dadurch 2165

erschwert sich die Kontrolltätigkeit für die paritätischen und tripartiten Kommissionen, namentlich in Branchen, wo kurzfristige Beschäftigungen häufig sind. Diese Lücke soll geschlossen werden, indem in der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs (VEP) eine entsprechende Grundlage eingefügt wird.

Analog dem Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit (BGSA) sollen die Arbeitsmarktbehörden verstärkt mit den Sozialversicherungen zusammenarbeiten können. Im Vordergrund steht die Bekanntgabe von Daten der Arbeitslosenkassen an die Kontrollorgane. Wenn eine Kasse entdeckt, dass ein Arbeitgeber auffallend tiefe Löhne zahlt, soll sie die tripartite oder paritätische Kommission informieren dürfen, damit diese die Situation abklären können. Um den datenschutzrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zu genügen, braucht es einerseits eine Grundlage zur Datenbekanntgabe im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG), andererseits auch eine entsprechende Zweckbestimmung im Entsendegesetz. Die rechtliche Umsetzung dieser Massnahme erfolgt im Rahmen der laufenden Revision des AVIG.

Die Obergrenze der Verwaltungsbussen gemäss Artikel 9 Absatz 1 EntsG liegt auf Grund von Artikel 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStR) bei Fr. 5000.­ pro Fall. Verschiedentlich wurde dies als zu tief und daher wenig abschreckend bemängelt. Bei einer Revision des VStR wird deshalb eine Erhöhung eingebracht werden. Die Bussenobergrenze im Entsendegesetz könnte dann entsprechend erhöht werden.

2.1.6.3

Koordination mit den Vorlagen zum Freizügigkeitsabkommen

In verschiedenen Vernehmlassungsantworten wurde die Einbindung der Verbesserung der flankierenden Massnahmen in die beiden Vorlagen zum Freizügigkeitsabkommen verlangt, und teilweise wurde die Zustimmung zu den Vorlagen von der Umsetzung der Massnahmen abhängig gemacht. Wie oben dargelegt, werden die gesetzlichen Anpassungen in der laufenden AVIG-Revision respektive in der nächsten Revision des Verwaltungsstrafrechts integriert. Die rechtlichen Anpassungen auf Verordnungsebene werden bis zum Inkrafttreten der Vorlagen zum Freizügigkeitsabkommen vorgenommen.

2.1.7

Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt Koller39

Die Lex wurde am 8. Oktober 1999 an das FZA angepasst.40 Diese ist am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Durch die Gesetzesänderung wurden Angehörige der EU-Mitgliedstaaten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, für jeglichen Grundstückerwerb (Art. 5 Abs. 1 Bst. a) und EU-Grenzgänger für den Erwerb einer Zweitwohnung in der Region ihres Arbeitsortes (Art. 7 Bst. j) von der Bewilli39 40

SR 211.412.41 Am 14. Dezember 2001 erfolgte zudem die Anpassung an die Änderung des EFTA-Übereinkommens vom 21. Juni 2001.

2166

gungspflicht befreit. Darüber hinaus waren keine anderen Anpassungen dieses Gesetzes erforderlich.

Die Erfahrungen mit dem freien Personenverkehr in den EU-15-Staaten haben gezeigt, dass die Wanderungsströme zwischen den Mitgliedstaaten eher gering sind und sowohl den Arbeitsmarkt wie den Immobilienmarkt nur am Rande beeinflussen.

Ausnahmen lassen sich jedoch in flächenmässig kleineren Staaten wie Luxemburg und Irland feststellen, die auf längere, starke Wachstumsphasen zurückblicken. Dem Bund liegen im Bereich des Immobilienerwerbs nur wenige statistische Angaben und Auswertungen für den Zeitraum seit dem Inkrafttreten des FZA vor. Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat eine Studie in Auftrag gegeben, die im Juli 2007 abgeschlossen und im September 2007 publiziert wurde.41 Nach dieser Studie ist die Veränderung der Einwanderungsstruktur auf dem Wohnungsmarkt in der Schweiz erst punktuell spürbar. Die Einwanderung von primär gut qualifizierten Arbeitskräften konzentriert sich auf die wirtschaftlich schnell wachsenden Agglomerationen. Aufgrund ihrer räumlichen Konzentration und ihrer Einkommensprofile (vor allem gut qualifizierte Arbeitskräfte) führt die Einwanderung aus der EU dort teilweise zu Verknappungstendenzen und damit verbundenen Preissteigerungen, insbesondere bei überdurchschnittlichen Wohnobjekten an attraktiver Lage. Teilweise kann dies auch zu Verdrängungseffekten gegenüber der einheimischen Bevölkerung führen. Dies hat in den betroffenen Gebieten in allen Marktsegmenten eine Anpassung des Preises nach oben zur Folge. Die Einwanderer besitzen zwar weniger Wohneigentum als die einheimische Bevölkerung, bei den Zugezogenen aus der EU-15 wurde jedoch ein deutlicher Anstieg der Personen mit selbstbewohntem Wohneigentum von 15 % (1996) auf 24 % (2006) verzeichnet.42 Zudem sind regionale Unterschiede feststellbar. Die Entwicklung seit 2002 lässt den Schluss zu, dass sich der beschriebene Trend vor allem in der Genferseeregion und in Stadt und Agglomeration Zürich zeigt. Etwas geringer fällt diese Tendenz in Basel aus, das bereits vor der Einführung der Personenfreizügigkeit eine liberale Einwanderungspolitik verfolgte.

Prospektiv ist davon auszugehen, dass sich die Einwanderung bei anhaltend guter konjunktureller Lage in der Schweiz in Zukunft eher noch erhöhen und der Druck auf
attraktive Wohnsegmente daher in den wichtigsten Agglomerationen des Landes tendenziell weiterhin ansteigen wird. Vorderhand dürfte einer ansteigenden Nachfrage allerdings durch eine Angebotssteigerung begegnet werden können. Sollte dies einmal nicht mehr genügen, so müssten Massnahmen im Rahmen der Wohnbauförderung des Bundes ins Auge gefasst werden. Andererseits sind die Regelungen des Mietrechts für die Preise auf dem Wohnungsmarkt ebenfalls bestimmend. Der Entwurf der Revision des Obligationenrechts, der vom EVD am 27. Februar 2008 in die Vernehmlassung geschickt wurde, sieht die Abschaffung des gegenwärtigen kostenbasierten Systems und die Einführung einer Indexierung der Mieten vor. Das neue Recht sollte zu einer massvolleren Entwicklung der Mietpreise führen, die resultierenden Erhöhungen wären eher moderat.

41

42

Zentrum für Wirtschaftspolitik an der Zürcher Hochschule Winterthur/Meta-Sys AG, Personenfreizügigkeit und Wohnungsmarkt, Zürich/Winterthur, 20.7.2007. Siehe www.bwo.admin.ch (Dokumentation/Publikation/Forschungsberichte).

Diese Definition entspricht nicht der üblicherweise verwendeten Wohneigentumsquote, bei welcher der Anteil der Haushalte im selbstbewohnten Eigentum gemessen wird.

2167

2.1.8

Verwaltung und Anwendung des FZA

Artikel 14 FZA setzt einen Gemischten Ausschuss ein, der für die Verwaltung und die ordnungsgemässe Anwendung dieses Abkommens verantwortlich ist. Zur Erfüllung seiner Aufgabe kann er bei Bedarf die Einsetzung von Arbeitsgruppen beschliessen (Art. 14 Abs. 6 FZA).

2.1.8.1

Gemischter Ausschuss

Der Gemischte Ausschuss erleichtert den Informationsaustausch und die Konsultationen zwischen den Vertragsparteien und bemüht sich, Streitigkeiten zu regeln, die ihm unterbreitet werden. Im Rahmen seiner Tätigkeiten ist er gehalten, Empfehlungen abzugeben und in den im Abkommen vorgesehenen Fällen Beschlüsse zu fassen (vgl. Ziff. 2.2). Er besteht aus Vertretern der Vertragsparteien und beschliesst einvernehmlich.

Die Schweizer Delegation im Gemischten Ausschuss FZA wird vom BFM geleitet, das Integrationsbüro (IB) ist mitverantwortlich. Vertreten sind auch die Mission der Schweiz bei der Europäischen Union sowie die Kantone und die für die behandelten Themen zuständigen Ämter (insbesondere SECO, BBT, Bundesamt für Sozialversicherungen [BSV], Direktion für Völkerrecht [DV]). Die EU-Delegation steht unter der Leitung der Generaldirektion für Aussenbeziehungen der Europäischen Kommission. Je nach Traktanden nehmen zudem jeweils Fachleute anderer Generaldirektionen und Vertreter einzelner Mitgliedstaaten an den Sitzungen teil.

Seit dem Inkrafttreten des Abkommens ist der Gemischte Ausschuss einmal jährlich, das heisst bisher sechsmal, zusammengetreten. Das Gremium hat sich als wertvolle Plattform erwiesen, um konkreten Anliegen politisches Gewicht zu verleihen. Die Thematisierung gewisser Anwendungsprobleme im Gemischten Ausschuss hat zu deren schnelleren Behebung beigetragen. Als Beispiel seien die bessere formaljuristische Umsetzung des FZA in das nationale Recht einzelner EU-Mitgliedstaaten sowie die Rückzahlung ausstehender Beträge im Bereich der KrankenversicherungsLeistungsaushilfe genannt. Darüber hinaus wurde der Gemischte Ausschuss genutzt, um sich gegenseitig über interne Entwicklungen zu informieren. Hierzu gehörte jeweils auch die Übergabe der schweizerischen Einwanderungsstatistiken gemäss Artikel 10 Absatz 6 FZA. Ein zentrales Traktandum stellte zudem jeweils die EUinterne Weiterentwicklung des einschlägigen Acquis und die Frage nach einer allfälligen entsprechenden Anpassung des FZA dar. Tatsächlich erweist sich der dynamische Charakter des Gemeinschaftsrechts als vertrags- und verwaltungstechnische Herausforderung. Die Anhänge II und III wurden seit Inkrafttreten des FZA dreimal durch Beschluss des Gemischten Ausschusses angepasst (s. Ziff. 2.2.1.1), weitere Aktualisierungen sind absehbar (s. Ziff. 2.2.1.2).

2.1.8.2

Unterausschuss Sozialversicherungen

Im Bereich der sozialen Sicherheit wurde eine Arbeitsgruppe gemäss Artikel 14 Absatz 6 FZA eingesetzt. Es wurde ein Unterausschuss geschaffen und die Arbeitsmethoden wurden bestimmt. Der Unterausschuss hielt überdies zuhanden des

2168

Gemischten Ausschusses fest, dass das zweite Anpassungspaket betreffend Anhang II zum FZA angenommen werden könne.

Da das FZA ein statisches und sektorielles Abkommen darstellt, das nicht den gesamten einschlägigen Acquis communautaire enthält, werden in diesem Unterausschuss substanzielle Fragen zur Relevanz neuer Rechtsakte für die Schweiz diskutiert.

Da die Schweiz ebenso wie die EFTA-/EWR-Staaten als Beobachterin an den Sitzungen der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (CASSTM) und ihrer Untergruppen teilnimmt, findet die gegenseitige Information über Entwicklungen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung im Allgemeinen in diesem Rahmen statt.

2.1.8.3

Unterausschuss Diplomanerkennung

Der Gemischte Unterausschuss «Diplomanerkennung» ist eine Arbeitsgruppe im Sinne von Art. 14 Abs. 6 FZA. Er trifft sich zwei- bis dreimal pro Jahr, um technische Punkte zu diskutieren im Zusammenhang mit dem Anhang III FZA und periodischen Änderungen desselben. Die Schweizer Delegation wird vom BBT geleitet; je nach Tagesordnung setzt sich die Schweizer Delegation zudem aus Vertretern des IB, der Schweizer Mission, der Kantone oder der betroffenen Ämter zusammen. Die Europäische Kommission wird vertreten durch das Referat Reglementierte Berufe der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen.

Diese Treffen sind wichtig, da sie es erlauben, zwischen den Mitgliedern der EU und der Schweiz über die konkrete Anwendung von Anhang III zu diskutieren. Der Unterausschuss ist ein unabdingbares Instrument für die gute Umsetzung des Anhangs III FZA. Er erlaubt einen regelmässigen und effizienten Dialog mit der Europäischen Kommission, auch wenn diese aufgrund der grossen Zahl der Dossiers, die sie auf europäischer Ebene beschäftigen, nicht immer die gewünschte Verfügbarkeit aufbringt. Die Diskussionen erlauben es zum Beispiel, die Dossiers vorzubereiten, die den Mitgliedstaaten präsentiert werden, Änderungen von Anhang III FZA zu planen und Anwendungsfragen des Abkommens im Zusammenhang mit dem Verständnis des europäischen Systems der Diplomanerkennung zu regeln.

2.1.9

Komitologieausschüsse43

Der Vollständigkeit halber wird hier kurz auf die Zusammenarbeit mit der EU und ihren Mitgliedstaaten im Rahmen der für die Freizügigkeit relevanten Komitologieausschüsse eingegangen. Die Teilnahme der Schweiz in der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer sowie der Koordinierungsgruppe für die Anerkennung der Hochschuldiplome war bereits in der Schlussakte 43

System der Verwaltungs- und Expertenausschüsse innerhalb der EU, die das Ziel haben, bei der Durchführung von EU-Rechtsakten durch die Europäische Kommission die Überwachung dieser Durchführungsbefugnisse durch den Rat sicherzustellen. In diesen Durchführungsausschüssen kooperieren Kommissionsbeamte (die den Vorsitz innehaben) mit mitgliedstaatlichen Delegierten (in der Regel Vertreter der nationalstaatlichen Ministerien und ausgewiesene Experten).

2169

zu den Bilateralen I vorgesehen. Der Einbezug in diese Gremien ergänzt die Aktivitäten des Gemischten Ausschusses und trägt massgeblich zu einer effizienten Anwendung des Abkommens bei.

2.1.9.1

Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer

Dieser Ausschuss befasst sich mit der Koordination und deren praktischen Problemen und debattiert über die Aktualisierung von Verordnungen innerhalb der EU.

Der Beobachterstatus erlaubt es den Schweizer Experten, sich aktiv an den Debatten des Ausschusses zu beteiligen, jedoch ohne Stimmrecht. Dieses Forum ist äusserst nützlich, um die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts zu verfolgen, Probleme vorwegzunehmen, die sich für die schweizerische Gesetzgebung stellen könnten, und enge Kontakte mit den Spezialisten der verschiedenen Länder zu knüpfen.

Zahlreiche heikle Punkte konnten mit den Experten am Rande der Sitzungen diskutiert und geregelt werden (z.B. Einführung der Europäischen Krankenversicherungskarte, Unterstellungsfälle, Rückvergütung von Krankenleistungen).

2.1.9.2

Koordinationsgruppe auf dem Gebiet der Anerkennung von Berufsqualifikationen

Die Schweiz nimmt als Beobachterin an der Koordinationsgruppe auf dem Gebiet der Anerkennung von Berufsqualifikationen teil. Es handelt sich um eine Expertengruppe, eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 19. März 2007. Dieses Komitee, das die in der Schlussakte der Bilateralen I erwähnte Koordinierungsgruppe für die Anerkennung der Hochschuldiplome ersetzt, hat zum Ziel, die Auslegung der Richtlinie 2005/36/EG44 zu präzisieren, die Europäische Kommission bei der Umsetzung zu unterstützen und ganz allgemein einen Dialog zwischen den Mitgliedstaaten herzustellen, um die berufliche Mobilität zu erleichtern.

Die Teilnahme an den Sitzungen dieser Koordinationsgruppe ist für die Schweiz von grosser Bedeutung. Sie erlaubt es, wertvolle Informationen über das Funktionieren der Richtlinien zur Diplomanerkennung und zu deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten zu erhalten. Zudem ermöglicht die Teilnahme, Vertreter der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zu treffen und Anwendungsprobleme im Zusammenhang mit Anhang III des FZA zu behandeln.

2.1.9.3

Ausschuss für die Anerkennung von Berufsqualifikationen

Dieser Ausschuss ist ein Komitologieausschuss, der durch die Richtlinie 2005/36/EG geschaffen wurde. Die Schweiz nimmt daran ebenfalls mit Beobachterstatus teil. Die in der genannten Richtlinie aufgezählten Aufgaben des Ausschusses 44

Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Sept. 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22 bis 142.

2170

bestehen vor allem darin, die Anhänge der Richtlinie zu ändern (insbesondere die Ausbildungsanforderungen für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte, Krankenpfleger, Hebammen und Architekten) und zur Schaffung von gemeinsamen beruflichen Plattformen im Sinne von Artikel 15 der Richtlinie 2005/36/EG Stellung zu nehmen.

2.2

Weiterentwicklung des Abkommens

2.2.1

Inhaltliche Weiterentwicklung

Artikel 18 FZA regelt die Revision des Abkommens. Wünscht eine Vertragspartei eine solche Revision so unterbreitet sie dem Gemischten Ausschuss hierzu einen Vorschlag. Die Änderung des Abkommens tritt nach Abschluss der jeweiligen internen Genehmigungsverfahren in Kraft. Änderungen der Anhänge II und III werden ­ nach erfolgter interner Genehmigung ­ vom Gemischten Ausschuss beschlossen und treten sofort nach Beschlussfassung in Kraft. Bis heute wurden zwei Anpassungen des Anhangs II sowie eine Aktualisierung von Anhang III vorgenommen. Das Abkommen selbst sowie Anhang I blieben mit Ausnahme der erfolgten Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs (vgl. Ziff. 2.2.2.) bisher unverändert.

2.2.1.1

Anpassungen seit Inkrafttreten des Abkommens

2.2.1.1.1

Soziale Sicherheit

Mit Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses (AS 2004 1277) wurde Anhang II des FZA erstmals aktualisiert. Dabei wurden einerseits die Änderungen des europäischen Koordinationsrechts seit Unterzeichnung des Abkommens berücksichtigt (Prorata-Berechnung der Waisenrente, Einbezug der Beamtensysteme, Beschlüsse der EU-Verwaltungskommission usw.); andererseits wurden die Einträge in Anhang VI der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 betreffend die Anwendung der schweizerischen Rechtsvorschriften präzisiert (u.a. Optionsrecht in der Krankenversicherung, Erhalt des Versichertenstatus in der Invalidenversicherung), um der Entwicklung des innerstaatlichen Rechts Rechnung zu tragen und die Anwendbarkeit des Abkommens zu erleichtern.

Die zweite und bisher letzte Anpassung wurde mit dem Beschluss Nr. 1/2006 des Gemischten Ausschusses vorgenommen (AS 2006 5851). Sie betraf den Ersatz von Papierformularen durch die Europäische Krankenversicherungskarte, die Vereinfachung der Verfahren und die Angleichung der Ansprüche in der Krankenversicherung. Die Schweiz hätte ohne Übernahme dieser Neuerungen beim europäischen System der Leistungsaushilfe in der Krankenversicherung nicht mehr mitwirken können. Die Anwendung unterschiedlicher Regelungen hätte die Leistungsaushilfe beeinträchtigt und wäre für Versicherer und Versicherte undurchschaubar geworden.

Deshalb wurden diese Neuerungen in der Praxis bereits seit dem 1. Juni 2004, dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens innerhalb der EU, angewendet. Ferner wurde einer Reihe von Anpassungen der Durchführungsverordnung (Nr. 574/72) infolge von Änderungen von Rechtsvorschriften und Zuständigkeiten in den EU-Mitgliedstaaten Rechnung getragen.

2171

Bei den bisherigen Anpassungen handelte es sich um technische Aktualisierungen, die für das Funktionieren des multilateralen Koordinationsrechts unumgänglich waren. Diese Anpassungen brachten keine wesentlichen neuen Verpflichtungen für unser Land mit sich und verlangten keine innerstaatlichen Gesetzesänderungen.

2.2.1.1.2

Diplomanerkennung

Seit dem 1. Juni 2002 wurde Anhang III im Jahr 2004 einmal geändert (AS 2004 4203), insbesondere um die Richtlinien 99/42/EG (Anerkennung auf der Grundlage der Berufserfahrung) und 2001/19/EG (Modernisierung des Anerkennungssystems) und das Architektur-Diplom der Università della Svizzera italiana (USI), damit dieses in der EU automatisch anerkannt wird, aufzunehmen.

2.2.1.2

Allfällige künftige Anpassungen

2.2.1.2.1

Freizügigkeit

Anlässlich des fünften Treffens des Gemischten Ausschusses (2006) wurde zum erstenmal die Diskrepanz zwischen den Bestimmungen des Abkommens (statisch) und dem Acquis communautaire (dynamisch) erwähnt, wie sie insbesondere durch das Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie 2004/38/EG über die Unionsbürgerschaft45 am 30. April 2006 verursacht wird. Diese Richtlinie konsolidiert den ganzen Bereich des Zugangs- und Aufenthaltsrechts der Unionsbürger, welcher zuvor durch zwei Verordnungen und neun Richtlinien geregelt war. Sie verändert die Rechte der Bürger der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf die Personenfreizügigkeit beträchtlich und gewährt ihnen, daher der Name der Richtlinie, eine veritable Unionsbürgerschaft. Diese gilt im Rahmen des Familiennachzuges zu einem Unionsbürger auch für Drittstaatsangehörige. Ebenfalls übernimmt die Unionsbürgerrichtlinie vor ihrer Verabschiedung ergangene Rechtssprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH). Sofern zur Anwendung des FZA Begriffe des Gemeinschaftsrechtes herbeigezogen werden, wird die vor dessen Unterzeichnung ergangene massgebende Rechtssprechung des EuGH berücksichtigt (Art. 16 Abs. 2 Anhang I FZA). In Entscheiden der Jahre 2003 und 200446 befand das Bundesgericht (BG), dass die Tatsache, dass das FZA nur Teile der vier Freiheiten der EU betrifft, die Übernahme gewisser Grundprinzipien der EU, so etwa der Unionsbürgerschaft, verhindert. Es hat hingegen angefügt, dass die Behörden die nach der Unterzeichnung des FZA ergangene Rechtssprechung des EuGH in jenen Fällen berücksichtigen können, in denen diese lediglich eine Präzisierung einer vor dem FZA ergangenen Rechtssprechung darstellt.

45

46

Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77 berichtigt in ABl. L 229 vom 29.6.2004, S. 35).

BGE 130 II 1, 137

2172

Der Gemischte Ausschuss hat nicht die Kompetenz, den Wortlaut des Abkommens und seines Anhang I, der die Rechte der Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie denjenigen der EU regelt, zu ändern. Nur eine Revision des Abkommens im Sinne von dessen Artikel 18, die den eidgenössischen Räten zur Genehmigung zu unterbreiten wäre, könnte diese zwischen dem Acquis communautaire und dem Freizügigkeitsabkommen zurzeit bestehende Diskrepanz beseitigen. Die Übernahme dieser Richtlinie über die Unionsbürgerschaft wird erst dann abschliessend geprüft bzw. in die Wege geleitet werden, wenn das Genehmigungsverfahren zur Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens abgeschlossen ist.

2.2.1.2.2

Soziale Sicherheit

Ziel in diesem Bereich ist es, das gute Funktionieren der derzeitigen Koordination beizubehalten, indem die Entwicklungen des Gemeinschaftsrechts beachtet werden.

Es geht zum Beispiel darum, die Auswirkungen der in der EU vorgenommenen Modernisierung der Koordinationsregeln im Bereich der sozialen Sicherheit zu analysieren. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 wird schliesslich durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ersetzt werden. Solange ihre Durchführungsverordnung (welche die Verordnung [EWG] Nr. 574/72 ersetzen sollte) noch nicht verabschiedet ist, ist es schwierig, die genaue Tragweite der neuen Verordnung abzuschätzen. Die grossen Züge sind bekannt und zeigen, dass es sich in erster Linie um eine Konsolidierung und Modernisierung der Koordinationsgrundsätze handelt, welche die Schweiz im Rahmen des FZA bereits anwendet.

Ganz allgemein werden die neuen Koordinationsbestimmungen von der Schweiz übernommen werden, wenn dies für das gute Funktionieren des FZA notwendig ist und den von diesem vorgesehenen Anwendungsverfahren entspricht.

2.2.1.2.3

Diplomanerkennung

Anhang III des FZA sollte im Idealfall alle ein bis zwei Jahre geändert werden, um der Entwicklung der Ausbildungen sowohl in der Schweiz als auch in der EU Rechnung zu tragen. Dieser Rhythmus konnte bisher nicht eingehalten werden. Die Anpassungen erfolgen nicht immer problemlos. Aufgrund der statischen Natur des FZA besteht immer eine zeitliche Verschiebung zwischen dem Zeitpunkt, in dem Diplome für neue Ausbildungsgänge ausgestellt werden, und dem Zeitpunkt, in dem die Diplome in den Anhang III des FZA aufgenommen werden.

Eine Aktualisierung sollte im Laufe des Jahres 2008 stattfinden, um die neue Ausbildung «Bachelor FH in nursing», die medizinische Spezialisierung in Infektiologie und in einem zweiten Schritt den «Master FH in Architektur» aufzunehmen. Auch die Richtlinie 2005/36/EG soll im Laufe des Jahres 2008 in den Anhang III übernommen werden. Diese Richtlinie sieht im Wesentlichen die Zusammenfassung von 15 Richtlinien zu einem einzigen Text vor, ferner die teilweise Liberalisierung der Dienstleistungserbringung, die Möglichkeit für die Berufsverbände, die auf europäischer Ebene vertreten sind, gemeinsame Plattformen zu schaffen und die Vereinfachung der administrativen Zusammenarbeit. Sie übernimmt im Wesentlichen das heutige System, wobei die teilweise Liberalisierung der Dienstleistungserbringungen

2173

die grundlegende Neuerung darstellt. Das Inkrafttreten dieser Richtlinie für die Schweiz wurde noch nicht festgelegt.

2.2.2

Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs

Im Zuge der EU-Erweiterungen von 2004 und 2007 wurde der Geltungsbereich der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG (bzw. Euratom) grundsätzlich automatisch auf die entsprechenden, neuen EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt.

Das FZA bildete dabei aufgrund seines gemischten Charakters eine Ausnahme: In den entsprechenden Beitrittsverträgen wurde festgehalten, dass im Falle des FZA Verhandlungen mit der Schweiz zu führen seien, wobei die Verhandlungskompetenz an die Europäische Kommission delegiert wurde. Zudem wurde der EU-Ministerrat zur Genehmigung der Protokolle ermächtigt. Dies hat zur Folge, dass die beiden Protokolle zur Ausdehnung des FZA auf die mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten trotz der geteilten Zuständigkeit nicht den nationalen Genehmigungs- und Ratifikationsverfahren der EU-Mitgliedstaaten unterlagen bzw. unterliegen. Es ist davon auszugehen, dass auch bei allfälligen künftigen Ausdehnungen des FZA dieses Vorgehen gewählt wird. Auf schweizerischer Seite muss die Ausdehnung aber jeweils vom Parlament mit referendumsfähigem Bundesbeschlusses genehmigt werden (vgl. Ziff. 5.3).

2.2.2.1

EU-Erweiterung von 2004

Infolge der Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 wurde das Freizügigkeitsabkommen durch ein Protokoll (Protokoll I) ergänzt, das die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs mit den 10 neuen EU-Staaten regelt. Dieses Protokoll trat am 1. April 2006 in Kraft. Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten, die der EU im Jahre 2004 beigetreten sind, unterstehen noch bis längstens 2011 den Übergangsfristen für den Zugang zum Arbeitsmarkt.47 Diese arbeitsmarktlichen Beschränkungen umfassen den Inländervorrang, die vorgängige Kontrolle der Lohnund Arbeitsbedingungen sowie jährlich ansteigende Kontingente für Kurzaufenthalts- und Aufenthaltsbewilligungen. Die im Abkommen vorgesehene besondere Schutzklausel («Ventilklausel») kommt auch gegenüber den Angehörigen der neuen Mitgliedstaaten zur Anwendung. Sie ermöglicht es der Schweiz, bis zum 31. Mai 2014 einseitig wieder Höchstzahlen einzuführen, falls die Zuwanderung von Arbeitskräften ein im Abkommen festgelegtes Mass übersteigt.

2.2.2.2

Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien

Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2007 hat die EU ihre fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Wie für die Staaten, die am 1. Mai 2004 beigetreten sind, braucht es für die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens über 47

Ausgenommen sind Staatsangehörige von Zypern und Malta, die bereits heute (analog zu Staatsangehörigen der EU-15) versuchsweise von der vollen Personenfreizügigkeit profitieren.

2174

den freien Personenverkehr auf diese beiden neuen Mitgliedstaaten den Abschluss eines (zweiten) Protokolls zum FZA (s. Kap. 3 dieser Botschaft für weitere Einzelheiten).

2.2.2.3

Allfällige weitere Ausdehnungen

Zurzeit verhandelt die Europäische Kommission mit Kroatien und der Türkei über einen EU-Beitritt. Die Länder des westlichen Balkans sind potenzielle Beitrittskandidaten. Aussagen zu Dauer und Ausgang der bereits aufgenommenen Verhandlungen sind gegenwärtig jedoch nicht möglich. Für die Personenfreizügigkeit und weitere sensible Bereiche behält sich die EU vor Übergangsfristen, Ausnahmen oder dauerhafte Schutzklauseln in Betracht zu ziehen. Die entsprechenden EU-internen (Übergangs-)Regelungen dürften als Anhaltspunkte auch in Zukunft für die Schweiz von Bedeutung sein. Aufgrund der geschilderten Ausgangslage können zurzeit keine gesicherten Aussagen darüber gemacht werden, wann, für welche Länder und unter welchen Voraussetzungen eine weitere Ausdehnung des FZA anstehen wird.

2.3

Bedeutung der Weiterführung des Abkommens für die Schweiz

Das FZA ist unbestrittenermassen eines der wichtigsten Abkommen der Bilateralen I, mit den übrigen Abkommen dieses Pakets ist es durch eine sogenannten «Guillotine-Klausel» verbunden (vgl. Ziff. 2.3.1.1). Seine Weiterführung ist daher für die weitere Anwendung der 7 Abkommen von 1999 entscheidend und äusserst wichtig für die Wahrung der Interessen unseres Landes, sowohl in juristischer als auch in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht.

2.3.1

Rechtliche Auswirkungen

Im Falle einer Weiterführung des FZA würde grundsätzlich der derzeitige, mit dem FZA zusammenhängende Rechtsbestand weitergeführt.48 Eine Nichtweiterführung des FZA hätte hingegen Konsequenzen auf völkerrechtlicher und auf landesrechtlicher Ebene.

2.3.1.1

Internationales Recht

Das FZA enthält in Artikel 25 Absatz 4 die sogenannte «Guillotine-Klausel». Diese sieht vor, dass die Nichtverlängerung oder die Kündigung des FZA die übrigen 6 Abkommen der Bilateralen I ausser Kraft setzt, und zwar 6 Monate nach Erhalt der Notifikation über die Nichtverlängerung oder über die Kündigung. Entsprechende Klauseln sind auch in den Schlussbestimmungen der übrigen Bilateralen Abkommen I enthalten.

48

Vorbehalten werden müssen an dieser Stelle allfällige Anpassungen des nationalen Rechts im Zuge allfälliger Anpassungen und Veränderungen des FZA.

2175

Konkret würden mit dem Wegfall des FZA folgende Abkommen hinfällig: ­

Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens;

­

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen;

­

Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen;

­

Abkommen über den Luftverkehr;

­

Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse;

­

Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit;49

Der Wegfall des FZA sowie der übrigen Abkommen der Bilateralen I könnte lediglich punktuell durch die Reaktivierung älterer, zwischenstaatlicher Verträge abgefedert werden. Der Wegfall der Abkommen würde auf jeden Fall zu einer weitreichenden Rechtsunsicherheit führen.

Die Nichtverlängerung des FZA hätte auch Konsequenzen für das Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (nachfolgend Schengen-Assoziierungsabkommen50). Das in diesem Rahmen geschaffene System ist eng an das Bestehen des freien Personenverkehrs geknüpft. Ohne diesen würde die Umsetzung schwierig. Von daher besteht auch eine indirekte Verbindung zwischen einer allfälligen Nichtverlängerung des FZA und den Abkommen Schengen/Dublin, die zum Paket der Bilateralen Abkommen II gehören.

Falls das FZA nicht verlängert werden sollte, wäre das Übereinkommen vom 4. Januar 196051 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (nachfolgend EFTA-Übereinkommen) mit unseren EFTA-Partnern weiterhin anwendbar.

Obwohl dieses Übereinkommen in Folge des Abschlusses der Bilateralen I revidiert wurde, enthält es keine Bestimmung, die eine Verbindung zu diesen herstellen würde. Dies bedeutet, dass in den Bereichen der Bilateralen I eine erhebliche Asymmetrie zwischen unseren vertraglichen Beziehungen zu den EFTA-Mitgliedstaaten einerseits und zu denjenigen der EG andererseits entstehen würde, da der Rechtsbestand der Bilateralen I im Verhältnis der Schweiz zu Norwegen, Island und Liechtenstein weiter bestünde.

49

50 51

Das in den Bilateralen I enthaltene Forschungsabkommen war auf die Dauer der damals laufenden, 5. Forschungsrahmenprogramme (FRP) beschränkt. Der nun laufende Nachfolgevertrag zur Teilnahme an den 7. FRP (2007­2013) fällt nicht mehr unter die Guillotineklausel. Der EU-Beschluss zur Genehmigung des aktuellen Forschungsabkommens sieht allerdings vor, dass dieses bei einer Kündigung bzw. Nichtverlängerung eines der Abkommen der Bilateralen I nicht mehr erneuert werden soll.

SR 0.360.268.1; BBl 2004 6447 ff.

SR 0.632.31

2176

2.3.1.2

Nationales Recht

Mit einer Weiterführung des FZA entsteht kein Handlungsbedarf im Bereich der nationalen Gesetzgebung.52 Hingegen müssten bei einer Kündigung grundsätzlich für alle bundes- und kantonalrechtlichen Vorschriften, die im Rahmen der Genehmigung der Bilateralen I geändert wurden53, Rückanpassungen erfolgen. Dies gilt nicht nur für die Bestimmungen, die das FZA betreffen, sondern aufgrund der «GuillotineKlausel» (vgl. Ziff. 1.3) auch für diejenigen, die im Zuge der übrigen Abkommen der Bilateralen I geändert wurden. Konkret wären rund 20 Bundesgesetze betroffen.

Allerdings wäre im Einzelfall zu prüfen, ob eine Rückanpassung erfolgen oder aber ­ falls dies im Interesse der Schweiz läge ­ die Bestimmungen einseitig beibehalten werden sollten.

2.3.2

Wirtschaftliche und politische Bedeutung

Das FZA ist ­ zusammen mit dem Freihandelsabkommen von 197254 ­ das wirtschaftlich bedeutsamste bilaterale Abkommen der Schweiz. Es trägt massgeblich zur Stärkung eines der wesentlichsten Standortvorteile des Wirtschaftsplatzes Schweiz bei, nämlich ihres flexiblen, mobilen und international attraktiven Arbeitsmarktes.

Schweizer Unternehmen profitieren in zweifacher Hinsicht vom FZA. Einerseits erleichtert es die Entsendung von Schweizer Personal in die EU-Staaten (z.B. zur Montage und Wartung von Anlagen), andererseits verbessert es die Chancen, geeignetes Personal in ausreichender Zahl rekrutieren zu können.

Die Schweizer Volkswirtschaft ist auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Jede fünfte erwerbstätige Person in der Schweiz ist ausländischer Nationalität. Dies gilt sowohl für ausgebildete Fachkräfte, die in der Schweiz knapp und international umworben sind, als auch für weniger qualifiziertes Personal. Der europäische Arbeitsmarkt bietet ein vergleichbares Qualifikationsprofil wie der schweizerische sowie den Vorteil der kulturellen und geografischen Nähe. Angesichts einer Bevölkerungszahl von rund 493 Millionen Einwohnern in den 27 EU-Staaten55 steigert das FZA das Rekrutierungspotenzial für die einheimischen Unternehmen um ein Vielfaches.

Die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber Europa fördert das Wirtschaftswachstum, indem es die Gefahr von Kapazitätsengpässen und inflationärer Lohnentwicklung aufgrund von Personalmangel und den Druck zur Auslagerung von Fertigungsschritten mildert. Ohne Personenfreizügigkeit wäre der jüngste Wirtschaftsaufschwung nach übereinstimmender Ansicht von Bundesrat und Sozialpartnern nicht im gleichen Ausmass und mit derselben Nachhaltigkeit möglich gewesen.

Mittelfristig wird ein offener Arbeitsmarkt umso wichtiger, als das Angebot inländischer Arbeitskräfte aus demografischen Gründen zurückgehen wird.

Durch diese internationale Öffnung des Arbeitsmarktes wird der Produktionsstandort und Werkplatz Schweiz nachhaltig gestärkt. Davon profitieren auch die Schwei52 53 54 55

Vorbehalten werden müssen an dieser Stelle allfällige Anpassungen des nationalen Rechts im Zuge allfälliger Aktualisierungen und Veränderungen des FZA.

BBI 1999 6128 SR 0.632.402 Gemäss Eurostat-Erhebung für das Jahr 2006.

2177

zer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wie erste Erfahrungen mit dem FZA zeigen, geht der Zustrom von Arbeitskräften aus dem EU-Raum nicht auf Kosten der Beschäftigung einheimischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (vgl. Ziff.

2.1.4).

Eine einseitige Öffnung des Arbeitsmarktes stellt keine Alternative dar: Zum einen wird die gewünschte Mobilität der Arbeitskräfte nur erreicht, wenn auch die «flankierenden» Bereiche der Diplomanerkennung und der Sozialversicherungen lückenlos geregelt sind. Insbesondere der letztgenannte Bereich könnte nicht einseitig, sondern lediglich zusammen mit den einzelnen EU-Mitgliedstaaten geregelt werden, was die (Neu-)Verhandlung entsprechender zwischenstaatlicher Abkommen erfordern würde. Ausserdem sind schweizerische Unternehmen darauf angewiesen, bei Bedarf Personal ins Ausland entsenden zu können. Schliesslich würde der erschwerte Zugang zum EU-Arbeitsmarkt schweizerische Staatsangehörige in eine im Vergleich zum Status quo massiv verschlechterte Lage versetzen, zumal sie den freien und gleichberechtigten Zugang zum EU-Arbeitsmarkt sowie die Möglichkeit, sich zu erleichterten Bedingungen in der EU niederzulassen, verlieren würden.

Die Weiterführung des FZA sichert die bilateralen Beziehungen mit der EU als Ganzes und damit den für die Schweizer Wirtschaft existenziell wichtigen Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Die EU ist mit Abstand der bedeutendste Wirtschaftspartner der Schweiz. Jeden dritten Franken verdient die Schweiz auf dem europäischen Markt. Der bilaterale Warenhandel ist in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt um jährlich 5 % gewachsen. Der wirtschaftliche Austausch (Waren und Dienstleistungen) erreicht mittlerweile ein Volumen von einer Milliarde Franken pro Tag. 80 % ihrer Importe und 62 % ihrer Exporte wickelt die Schweiz mit der EU ab; beim Dienstleistungsverkehr und bei den Direktinvestitionen dominiert der europäische Markt in ähnlicher Weise. Lehnt die Schweiz die Weiterführung des FZA ab, so gefährdet sie damit ihren privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt und schwächt den eigenen Wirtschaftsstandort nachhaltig.

Die Bedeutung des FZA geht allerdings über seinen ökonomischen Wert hinaus, da die Personenfreizügigkeit eine der vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes darstellt.

Die Verlängerung dieses Abkommens
entspricht einer Bestätigung des Willens der Schweiz, in ihren Beziehungen zur EU den bilateralen Weg weiterzuführen. Dies dient der Wahrung der Interessen des Landes und ist vom Schweizervolk bereits mehrmals bestätigt worden. Abgesehen von den bereits aufgezeigten völkerrechtlichen Implikationen sind bei einer Nichtweiterführung dieses politisch wichtigen Abkommens negative Auswirkungen auf die Verlängerung anderer bzw. die Aushandlung neuer Abkommen nicht auszuschliessen. Der bilaterale Weg und die Europapolitik des Bundesrates insgesamt wären grundsätzlich in Frage gestellt. Mit der EU müssten neue Lösungen gefunden werden, die nicht so vorteilhaft sein könnten, wie die bisher erreichten. Die Beziehungen zum Hauptpartner der Schweiz auf allen Ebenen würden stark beeinträchtigt. Daraus ergäbe sich ganz allgemein eine rechtliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheit, die den Interessen der Schweiz schwer schaden würde.

2178

2.3.3

Bedeutung der mitbetroffenen bilateralen Abkommen

Da das FZA in direktem (Bilaterale I) oder indirektem (Schengen/Dublin) Zusammenhang zu anderen Abkommen steht, soll kurz aufgezeigt werden, welcher Mehrwert sich für die Schweiz aus diesen Verträgen ergibt und wie die Situation bei deren Wegfall aussähe.

2.3.3.1

Abkommen über das öffentlichen Beschaffungswesen

Das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen ermöglicht schweizerischen Anbietern einen diskriminierungsfreien Zugang zu Aufträgen von EU-Unternehmen in den Bereichen Wasser- und Energieversorgung, Stadt- und Regionalverkehr und Eisenbahnen. Damit erhalten schweizerische Wirtschaftsakteure dank transparenten Verfahren Zugang zum bedeutenden EU-Markt. Gleichzeitig wird der Wettbewerb auf dem schweizerischen Markt öffentlicher Aufträge, auch auf Gemeindeebene, verstärkt.

Ein Ausserkrafttreten des Abkommens würde den Wegfall der über die WTOVerpflichtungen betreffend das öffentliche Beschaffungswesen hinausgehenden Liberalisierungen in diesem Bereich bedeuten. Neben der damit verbundenen Einschränkung des Marktzugangs für Schweizer Anbieter würde die Schweiz ihren Beobachterstatus im Beratenden Ausschuss der EU-Mitgliedstaaten über das öffentliche Beschaffungswesen und damit ein wichtiges Instrument der Informationsbeschaffung, der Konsultation und der unbürokratischen Problemlösung einbüssen.

2.3.3.2

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen

Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen baut technische Handelshemmnisse im Handel mit Industrieerzeugnissen zwischen der Schweiz und der EU ab. Es bringt für wichtige Wirtschaftszweige wie Maschinen-, Pharma- und Medizinprodukte sowie die Telekommunikationsbranche wesentliche Erleichterungen. Ein Wegfall des Abkommens hätte negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft: Der vereinbarte Marktzugang für die 15 im Abkommen geregelten Produktbereiche würde entfallen.

Unternehmen, die ihre Produkte heute aufgrund einer Prüfung oder Zertifizierung durch eine im Rahmen des Abkommens anerkannte schweizerische Konformitätsbewertungsstelle exportieren können, müssten diese bei einer von der EG anerkannten Stelle einholen. Für die betroffenen Exportunternehmen entstünden dadurch nicht nur höhere Kosten, sondern auch Verzögerungen beim Markteintritt neuer Produkte im EU-Raum. In gewissen Branchen käme es zu Verlagerungen der Produktion und/oder der Distribution ins Ausland und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen in der Schweiz.

Bei den Einfuhren dürfte der Druck zunehmen, ausländische Prüfungen und Zertifizierungen nicht mehr anzuerkennen, was die Importe verteuern und die Wettbewerbsintensität auf dem Binnenmarkt verringern könnte. Schweizerische Konformitätsbewertungsstellen würden Teile ihrer Kundschaft verlieren, da ihre Prüfungen 2179

und Zertifizierungen in der EG bzw. im EWR nicht mehr anerkannt würden. Es ist anzunehmen, dass ungefähr ein Drittel der heute über 700 in der Schweiz akkreditierten Konformitätsbewertungsstellen vom nationalen Markt allein nicht überleben könnten. Dies hätte nicht nur einen beträchtlichen Knowhow-Verlust im Bereich der Forschung und Entwicklung zur Folge, sondern würde sich auch nachteilig auf den Vollzug von Produktvorschriften ­ namentlich bei der nachträglichen Kontrolle (Marktüberwachung) ­ auswirken. Da gleichzeitig der vertraglich gesicherte Zugang der schweizerischen Behörden zu Informationen der EG im Bereich der Produktvorschriften entfiele, würde der Vollzug der schweizerischen Produktvorschriften stark erschwert, was mit beträchtlichen Nachteilen für Importeure, Händler sowie die Konsumentinnen und Konsumenten verbunden wäre.

2.3.3.3

Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen

Das Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrarabkommen) hat den Austausch von Agrarprodukten der EU in ausgewählten Bereichen erleichtert und intensiviert. Ein Wegfall des Abkommens hätte den Verlust verschiedener Präferenzen seitens der EG zugunsten der Schweiz zur Folge. Bei gewissen Produkten, die zurzeit präferenziell behandelt werden (z.B. Käse56), wären bedeutende Exportinteressen betroffen. Gleichzeitig würden auch die schweizerischen Präferenzen zugunsten der EG wegfallen. Die Preise der betroffenen Agrarprodukte würden für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten entsprechend steigen.

Im nichttarifären Bereich würde in verschiedenen Bereichen die Beseitigung technischer Handelshemmnisse rückgängig gemacht, so zum Beispiel bei Pflanzenschutzund Futtermitteln, Saatgut, Wein und Spirituosen sowie bei Bioprodukten.

In Bezug auf Weine und Spirituosen würde der gegenseitige Schutz von geografischen Herkunftsangaben und traditionellen Bezeichnungen wegfallen. In diesem Fall dürften einerseits die (weniger weitreichenden und nur mit einigen der EU-Mitgliedstaaten abgeschlossenen) bilateralen Abkommen zum gegenseitigen Schutz von geografischen Bezeichnungen und andererseits der Briefwechsel zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der amtlichen Weinkontrolle57 reaktiviert werden.

Das Ausserkrafttreten des Veterinäranhangs zum Agrarabkommen hätte zur Folge, dass die zwischen der EU und der Schweiz bestehenden Regelungen und Erleichterungen im grenzüberschreitenden Verkehr mit Tieren und tierischen Produkten wegfallen würden. Beim Export von Tieren und tierischen Produkten (insbesondere Käse) würden kostentreibende Hürden wieder aufgebaut (Wiedereinführung der Zeugnispflicht und der vollständigen grenztierärztlichen Untersuchungen).

Bei einem Ausserkrafttreten des Agrarabkommens würden somit der Handel zwischen der Schweiz und der EU erschwert, die Grenzkontrollen mit zusätzlichem Personal und bereits abgeschafften Zeugnissen wieder eingeführt und dadurch die Administrations- und Investitionskosten beträchtlich erhöht.

56 57

Seit dem 1. Juni 2007 gilt zwischen der Schweiz und der EU für Käse Freihandel.

SR 0.817.423

2180

2.3.3.4

Abkommen über den Luftverkehr

Das bilaterale Abkommen über den Luftverkehr (LVA) hat den Schweizer Fluggesellschaften auf gegenseitiger Basis den Zugang zum liberalisierten Luftverkehrsmarkt in Europa geöffnet. Dank der Erteilung der Verkehrsrechte und dem Diskriminierungsverbot wurden die Schweizer Fluggesellschaften ihren europäischen Konkurrentinnen gleichgestellt. So dürfen sie die Destinationen, die Tarife, oder auch die eingesetzten Maschinen frei wählen. Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten hat das Abkommen zudem die Übernahme von Linien, die von der Swiss aufgegeben wurden, durch europäische Fluggesellschaften und die Entwicklung von Billigfluglinien erleichtert.

Vor dem Inkrafttreten des LVA hatte die Schweiz eine grosse Anzahl mehr oder weniger liberaler Abkommen mit fast allen EU-Mitgliedstaaten separat abgeschlossen. Diese Abkommen wurden nicht gekündigt und wären erneut anwendbar, wenn das LVA nicht mehr bestünde. Die Wettbewerbsbedingungen für Schweizer Fluggesellschaften wären aber deutlich schlechter und die Vorteile der gegenseitigen Öffnung der Märkte für die Konsumentinnen und Konsumenten zunichte gemacht. Die Teilnahme der Schweiz an der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und am einheitlichen europäischen Luftraum, die im Rahmen des Luftverkehrsabkommens vereinbart wurde, wäre ebenfalls in Frage gestellt.

2.3.3.5

Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse

Das Bilaterale Landverkehrsabkommen liberalisiert, mit Ausnahme des Binnentransports, den Güter- und Personenverkehr auf der Strasse und verbessert den gegenseitigen Zugang zu den Netzen der Bahngesellschaften für den Gütertransport.

Es legt zudem die Modalitäten für eine koordinierte Verkehrspolitik zwischen der Schweiz und der EU fest und stellt die vertragliche Grundlage für die Erhebung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) dar, deren Einnahmen zur Finanzierung der Entwicklung der Bahninfrastrukturen in der Schweiz beitragen. Im Gegenzug hat die Schweiz eine Erhöhung der Gewichtslimite von 28 auf 40 Tonnen für zugelassene Lastwagen im Verkehr auf Schweizer Strassen akzeptiert. Mit dem Landverkehrsabkommen, der LSVA und den 40-Tonnen-Fahrzeugen hat der jährliche alpenquerende Schwerverkehr 2006 im Vergleich zum Jahr 2000 um 16 % abgenommen, während in den 1990er-Jahren die Zahl jährlich um ungefähr 7 % zugenommen hatte.

Vor dem Inkrafttreten des Landverkehrsabkommens waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten im Strassenbereich im Allgemeinen durch zwischenstaatliche Abkommen geregelt. Diese waren unterschiedlich liberal, und manche sahen sogar Kontingente vor.58 Diese Abkommen wurden nicht gekündigt und wären erneut anwendbar, wenn das Landverkehrsabkommen nicht mehr weiter bestünde. Die EU könnte es jedoch wahrscheinlich nicht mehr akzeptieren, dass ihre Unternehmen in der Schweiz höhere Strassengebühren zu entrichten hätten 58

Das Transitabkommen Schweiz-EG von 1992 wurde für eine beschränkte Dauer abgeschlossen und seine Anwendbarkeit endete 2005 (Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr auf Strasse und Schiene AS 1993 1197).

2181

als in den meisten ihrer Mitgliedstaaten. Sie könnte Ausgleichsmassnahmen ergreifen, unter denen vor allem die Schweizer Transporteure in der EU zu leiden hätten.

Die Verkehrspolitik der Schweiz müsste überdacht werden, ebenso die Finanzierung ihrer Infrastrukturen.

2.3.3.6

Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit

Durch das im Rahmen der Bilateralen I abgeschlossene Assoziationsabkommen im Bereich der Forschung erhält die Schweiz einen gleichberechtigten Zugang zur wichtigsten europäischen Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technologie. Konkret ermöglicht das Abkommen Schweizer Forschenden, Instituten und Unternehmen u.a. den Zugang zu allen Aktionen der EU-Forschungsrahmenprogramme (FRP) und erlaubt es ihnen, Projekte als «Koordinatoren» sowohl einzubringen als auch zu leiten. Zudem erhalten sie Zugang zu den Ergebnissen der anderen Projekte der FRP. Gemäss einer eingehenden und unabhängigen Evaluation hat sich die bisherige integrale Teilnahme an den FRP bewährt.59 Die direkte Teilnahme würde bei einem Wegfall des FZA mit etwas Verzögerung ebenfalls hinfällig.60 Es ist nicht bekannt, ob die EU der Schweiz eine erneute projektweise Teilnahme gewähren würde. Diese wäre auf alle Fälle mit gewichtigen Nachteilen verbunden: Schweizer Projektteile wären nur zugelassen, wenn dies im Interesse der EU-Länder wäre, Initiativen für gemeinsame Projekte wären nicht mehr möglich und der Informationsfluss in die Schweiz wäre stark behindert. Schweizerische Forschungspartner wären zudem einem erheblich grösseren administrativen Aufwand ausgesetzt.

2.3.3.7

Schengen/Dublin

Mit dem FZA können sich Schweizer Bürgerinnen und Bürger oder EU-Staatsangehörige in einem der Vertragsstaaten niederlassen und arbeiten, sofern sie die dafür notwendigen Bedingungen erfüllen. Die Assoziierungsabkommen Schengen/Dublin ergänzen das FZA insofern, als sie den Reiseverkehr innerhalb des «Schengen-Raums», der durch die Personenfreizügigkeit intensiviert wird, ohne Sicherheitseinbussen vereinfachen. Vor diesem Hintergrund werden die Personenkontrollen an den Binnengrenzen (Grenzen zwischen Schengen-Staaten) grundsätzlich aufgehoben. Im Gegenzug werden aber eine Reihe flankierender Massnahmen eingeführt, die die innere Sicherheit stärken (Ausbau der Aussengrenzkontrollen sowie der grenzüberschreitenden Polizei- und Justizzusammenarbeit) und zu einer lastenteiligen Asylpolitik (Dubliner Zuständigkeitsregelung) beitragen. Eine Aufkündigung des FZA würde die Umsetzung und Anwendung der Assoziierungsabkommen Schengen/Dublin gefährden, zumal diese den freien Personenverkehr implizit voraussetzen. Die mit den beiden Abkommen verbundenen Vorteile (bei59

60

S. hierzu die Botschaft vom 13. Sept. 2006 zur Finanzierung der Beteiligung der Schweiz an den Programmen der EU in den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration in den Jahren 2007­2013, BBl 2006 8107, Ziff. 1.2.9 ff.

Die einzige Ausnahme bildet die schweizerische Teilnahme am Fusionsforschungsprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft, die in einem separaten und unbefristeten Abkommen geregelt wird (SR 0.424.11). Dieses könnte von der EU allerdings aus «Konsequenzgründen» gekündigt werden.

2182

spielsweise das für den Tourismus wichtige Schengen-Visum) kämen somit nicht mehr zum Tragen.61

2.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

2.4.1

Freizügigkeit/Ausländerrecht

Die Weiterführung des FZAdürfte zu keinen finanziellen oder personellen Auswirkungen führen.

2.4.2

Soziale Sicherheit

Bei den Sozialversicherungen wurde insgesamt mit jährlichen Kosten von maximal rund 424 Millionen Franken gerechnet (siehe Botschaft zu den Bilateralen I62). Die effektiven jährlichen Mehrkosten auf dem Gebiet der Sozialversicherungen sind jedoch bedeutend geringer ausgefallen. Sie betrugen im Jahr 2006 240 Millionen Franken (inkl. Kosten für die am 1. Juli 2005 neu eingeführte Mutterschaftsentschädigung). Der effektive Anteil des Bundes63 beläuft sich auf 34 Millionen Franken (geschätzt 96,8 Mio. Fr.64), derjenige der Kantone auf 6,3 Millionen Franken (geschätzt 35,7 Mio. Fr.), gemäss Verteilschlüssel des neuen Finanzausgleichs.

Die effektiven jährlichen Mehrkosten bei der AHV/IV (Umgestaltung des Teilrentensystems zu einem Pro-rata-System, Export der IV-Viertelsrente) übertrafen die Schätzungen (127 Mio. anstelle von 105 Mio. Fr.). Dies ist auf die Zunahme der Zahl der Bezügerinnen und Bezüger sowie auf die zwischenzeitlichen Rentenerhöhungen zurückzuführen. Die Zusatzbelastung bei der Krankenversicherung ist hingegen deutlich geringer ausgefallen als erwartet (9,2 Mio. anstelle von 9665 Mio.

Fr.). Bei der Arbeitslosenversicherung wurden die geschätzten Zusatzkosten für Kurzaufenthalter ebenfalls unterschritten (71,6 Mio. anstelle von 210 Mio. Fr).66 Die effektiven Auswirkungen auf den Personalbestand sind mit einem Bedarf an 80 Stellen (davon 70 bei der Schweizerischen Ausgleichskasse, die anderen aufgeteilt auf BSV, BAG und SECO) anstelle der geschätzten 162 Stellen bescheidener ausgefallen als erwartet.

Die Sozialversicherungen profitieren vom freien Personenverkehr. Die Einwanderer aus den EU-Mitgliedstaaten sind mehrheitlich Personen im erwerbsfähigen Alter, die das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen sowie Rentnerinnen verbessern. Sie zahlen mehr Beiträge an die AHV/IV als sie Leistungen beziehen. Im Jahr 2005 zahlten die Staatsangehörigen aus den EU-Staaten 20 % der gesamten Lohnbeiträge,

61 62 63 64 65

66

S. hierzu Botschaft zu den Bilateralen II, BBl 2004 5965, Ziff. 2.6.

BBl 1999 6128 Ziff. 311.1 Ohne Arbeitslosenversicherung (ALV) Ohne ALV In der Botschaft von 1999 (BBl 1999 6128 ff) wurden 95 Mio. Fr veranschlagt. Mit der Änderung des KVG vom 6. Okt. 2000 entstanden dem Bund zusätzliche Aufgaben, deren Kosten auf 1 Milo. Fr. geschätzt wurden.

EU-Bürgerinnen und ­Bürger mit Daueraufenthaltsbewilligung hatten bereits vor Inkrafttreten des FZA Anrecht auf Arbeitslosengelder.

2183

während sie nur 16 % der von der AHV und der IV ausgerichteten Rentensumme bezogen.

Überdies wohnt nur ein Viertel der AHV/IV-Rentenbezüger mit Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats in der Schweiz. Die Mehrheit der Einwanderer verlässt nämlich die Schweiz, nachdem sie hier Beiträge geleistet haben. Sie können keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigung der AHV/IV, Sozialhilfe usw.), die nur in der Schweiz ausgerichtet werden, geltend machen und beanspruchen das Budget der sozialen Sicherheit in diesem Bereich nicht.

Mit der Weiterführung des Abkommens könnte das Ende der Übergangsfrist für die Arbeitslosenversicherung (am 31. Mai 2009) zusätzliche Kosten verursachen, um die Inhaberinnen und Inhaber einer Kurzaufenthaltsbewilligung zu entschädigen.

Diese Kosten werden allerdings kompensiert durch den Wegfall der Retrozession der Grenzgängerbeiträge. Diese Massnahme wird es der Arbeitslosenversicherung ermöglichen, ungefähr 200 Millionen Franken pro Jahr einzusparen.

Auch wenn ein Ausblick betreffend künftiger finanzieller und personeller Auswirkungen schwierig ist, ist davon auszugehen, dass sich die Kosten und Einnahmen im bisherigen Rahmen bewegen werden.

2.4.3

Diplomanerkennung

Im Bereich der Diplomanerkennung weist die Botschaft von 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG (Ziff. 311.17)67 keine spezifischen Kosten aus. Eine Aufstockung der Ressourcen in diesem Bereich ist jedoch zu erwägen, da zum einen der bereits existierende zusätzliche Aufwand für die Verwaltung (Behandlung spezifischer Anfragen, insbesondere seitens der Berufsverbände, Notifizierung neuer schweizerischer Berufstitel, Anzahl der Koordinationssitzungen) unterschätzt wurde. Ferner ist vorgesehen, im Laufe des Jahres 2008 die Richtlinie 2005/36/EG in den Anhang III des FZA aufzunehmen. Die Übernahme dieses Rechtsakts wird einen zusätzlichen Bedarf an Personalressourcen mit sich bringen. Die benötigten Ressourcen werden im Rahmen der erwähnten Anpassung von Anhang III des FZA beantragt.

2.4.4

Flankierende Massnahmen

Die Erhöhung der Kontrolldichte im Rahmen der flankierenden Massnahmen um 20% wird ab dem Jahre 2010 zu einer Erhöhung der Beteiligung des Bundes an die Tätigkeit der Inspektoren in der Grössenordnung von 1­2 Mio. Fr. führen. Die Erstellung der Internetplattform wird einmalige Kosten in der Grössenordnung von 0,5 Mio. Fr. auslösen und 1­2 zusätzliche Personen erforderlich machen. Das EVD wird diese Mehrkosten nach Möglichkeit intern kompensieren.

67

BBl 1999 6128 Ziff. 311.17

2184

3

Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien

3.1

Allgemeines

Das Protokoll II ist von der Schweiz und der Europäischen Kommission am 29. Februar 2008 in Brüssel paraphiert worden und wird bis Mitte Mai 2008 unterzeichnet. Zusammen mit dem Protokoll unterbreitet der Bundesrat dem Parlament die erforderlichen Anpassungen von insgesamt zwölf Bundesgesetzen.

3.1.1

Verhandlungsmandat

Während das Verhandlungsmandat der EU am 5. Mai 2006 vom Ministerrat gutgeheissen wurde, hat der Bundesrat das Verhandlungsmandat der Schweiz am 22. Mai 2007 verabschiedet. Nach einer Vernehmlassung bei der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und den Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte wurden die Verhandlungen am 10. Juli 2007 eröffnet und mit der Paraphierung am 29. Februar 2008 offiziell beendet.

Die Verhandlungen konzentrierten sich einerseits auf den Beginn des Übergangsregimes (zwei Jahre, plus drei Jahre, plus zwei Jahre, Aufrechterhaltung der bestehenden Arbeitsmarktbeschränkungen), und andererseits auf die Geltungsdauer der spezifischen Schutzklausel, welche die Wiedereinführung von Kontingenten auch nach Ablauf der Übergangsfrist ermöglicht.

Dem Verhandlungsmandat des Bundesrates zufolge sollten die Verhandlungen über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens zu einer Realisierung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und den beiden neuen EU-Mitgliedstaaten führen, die sich an der Regelung orientiert, wie sie gegenüber den am 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten anwendbar ist. Diesbezüglich musste ein Übergangsregime, das hinsichtlich der Fristen der gegenwärtigen Regelung entspricht, als Minimallösung erachtet werden. Zudem verlangte das Verhandlungsmandat eine angemessene Anwendbarkeit der Spezialklausel (spezifische Schutzklausel), die im Falle übermässiger Einwanderungszahlen die Möglichkeit der Wiedereinführung von Begrenzungsmassnahmen vorsieht.

3.1.2

Verhandlungsverlauf

Die Verhandlungen wurden formell am 10. Juli 2007 in Brüssel eröffnet. Bis zur Paraphierung des Protokolls II zum FZA fanden insgesamt fünf Verhandlungsrunden statt.

In Bezug auf das anzuwendende Übergangsregime und dessen Geltungsdauer konnte rasch eine Einigung gefunden werden. Es wurde vereinbart, ein separates Übergangsregime auf die beiden Staaten anzuwenden, welches ähnlich ausgestaltet ist, wie dasjenige für die Staaten, die der EU am 1. Mai 2004 beigetreten sind.

Die EU forderte ursprünglich den zeitlichen Beginn der Übergangsfristen rückwirkend auf das Beitrittsdatum der beiden Staaten zur EU, d.h. den 1. Januar 2007. Sie bot zudem eine spezifische Schutzklausel von 3 Jahren an. Die Schweiz forderte ihrerseits ursprünglich einen Beginn der Übergangsfristen ab Inkrafttreten des Pro2185

tokolls II und eine spezifische Schutzklausel von 5 Jahren. Im Sinne eines Kompromisses einigte man sich, den Beginn der Übergangsfrist, während der die Schweiz ihre bisherigen arbeitsmarktlichen Beschränkungen (Inländervorrang, Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen, progressive Erhöhung der Kontingente) weiterführen kann, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls II festzulegen. Die Geltungsdauer der spezifischen Schutzklausel wurde auf drei Jahre festgelegt. Damit wird der Schweiz die Möglichkeit eingeräumt, im Falle einer übermässigen Einwanderung von Angehörigen dieser beiden Staaten während des genannten Zeitraums wieder Kontingente einzuführen.

Die Einigung wurde erleichtert durch die hohe Bereitschaft Bulgariens und Rumäniens, die mit der Schweiz bereits abgeschlossenen Rückübernahmeabkommen unter Berücksichtigung der vollständigen Umsetzung des Schengen / Dublin Besitzstands auszubauen. Dass die Frage der Rückübernahmeabkommen am Ende von der Personenfreizügigkeit getrennt wurde, war erst recht gerechtfertigt, als ein bedeutender Rückgang bulgarischer und rumänischer Asylgesuche festzustellen war.

3.1.3

Politische Zustimmung

In politischer Hinsicht wurden die Verhandlungen am 30. Januar 2008 mit der von Bulgarien und Rumänien abgegebenen Zustimmung abgeschlossen.

Gemäss einer einseitigen Erklärung im Protokoll II verpflichtet sich die Schweiz, für die Zeitspanne zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten des Protokolls gegenüber den beiden neuen Mitgliedstaaten in der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) folgende autonome Höchstzahlen festzulegen: a.

Jahresaufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligung): 282

b.

Kurzaufenthaltsbewilligungen (L-Bewilligung): 1006

Ausserdem sieht die einseitige Erklärung vor, gestützt auf die geltende Praxis 2011 Kurzaufenthalter (Aufenthalt von höchstens vier Monaten) ohne Anrechnung an die Kontingente zuzulassen. Bis zum Inkrafttreten des Protokolls II unterstehen die Zulassungs- und Aufenthaltsvoraussetzungen für Angehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten weiterhin dem Ausländerrecht (AuG/VZAE). Indessen steht es der Schweiz frei, weitere ausländerrechtliche Liberalisierungsmassnahmen zu ergreifen.

Die erwähnten Höchstzahlen werden mit reinen Anpassungen der VZAE im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Protokolls festgelegt.

3.1.4

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Protokoll II zum FZA regelt die Ausdehnung des Abkommens von 1999 über den freien Personenverkehr (abgeschlossen zwischen der Schweiz einerseits und der EG sowie den damaligen 15 EU-Mitgliedstaaten andererseits).

2186

3.1.5

Verhandlungsergebnis

Das Ergebnis der Verhandlungen wurde im Protokoll II zum Freizügigkeitsabkommen festgehalten, welches integraler Bestandteil des FZA ist. Am Ende der Übergangsperiode werden die Staatsangehörigen von Bulgarien und Rumänien in der Schweiz in den Genuss derselben Behandlung kommen wie diejenigen der übrigen Vertragsparteien. Die ausgehandelten Fristen und Kontingente garantieren eine kontrollierte Öffnung des Arbeitsmarktes.

3.1.6

Aufbau des Protokolls

Das Protokoll II ist weitgehend ähnlich aufgebaut wie das Protokoll I. Der Hauptteil regelt die Übergangsperiode im Hinblick auf die vorübergehende Weiterführung der nationalen arbeitsmarktlichen Beschränkungen (Kontingente, Inländervorrang und Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen). Anhang I betrifft die Übergangsmassnahmen betreffend den Erwerb von Grundstücken und Zweitwohnungen.

Anhang II regelt die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Das Protokoll II enthält ausserdem einen allgemeinen Verweis darauf, dass die Vertragsparteien gegenseitig das im FZA vorgesehene System der Diplomanerkennung anwenden wollen. Anhang III zum FZA ist Gegenstand gegenwärtig laufender Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Kommission; es geht darin um die Übernahme der Richtlinie 2005/36/EG. Die Ausdehnung der Diplomanerkennung auf Bulgarien und Rumänien wird im Zuge der Übernahme dieser Richtlinie durch den mit dem FZA eingesetzten Gemischten Ausschuss vorgenommen.

Mit dem Abschluss des Protokolls II zum Abkommen über den freien Personenverkehr werden Bulgarien und Rumänien Vertragsparteien des Abkommens. Folglich ergibt sich aus diesem Protokoll die Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs des FZA auf diese beiden Staaten. In den Bereichen, die vom Protokoll II nicht abgedeckt werden, kommen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls II die Regelungen des Basisabkommens zur Anwendung.

Das Protokoll II tritt am ersten Tag des ersten Monats, der auf die Hinterlegung der letzten Genehmigungsurkunde folgt, in Kraft (Art. 7) und bildet einen integralen Bestandteil des Abkommens (Art. 4). Es gilt für dieselbe Dauer und zu denselben Bedingungen wie das Abkommen (Art. 8).

3.1.7

Inhalt des Protokolls

3.1.7.1

Schrittweiser Übergang zur Personenfreizügigkeit

Die Schweiz kann während maximal sieben Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls II für dauerhafte Aufenthalte und Kurzaufenthalte von Staatsangehörigen Bulgariens und Rumäniens die arbeitsmarktlichen Beschränkungen aufrechterhalten. Diese Beschränkungen betreffen den Vorrang der inländischen Arbeitskräfte, die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen und die ansteigenden Jahreskontingente.

Die Übergangsfristen sind in Artikel 2 des Protokolls II festgelegt. In einer ersten Phase von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls kann die Schweiz gegenüber Staatsangehörigen der beiden neuen EU-Mitgliedstaaten sämtliche arbeits2187

marktlichen Beschränkungen aufrechterhalten. Vor Ablauf dieser ersten Phase wird die Schweiz dem Gemischten Ausschuss zum FZA68 einen Bericht vorlegen und ihm mitteilen, ob sie die Anwendung der arbeitsmarktlichen Beschränkungen während einer zweiten Phase von zusätzlichen 3 Jahren beibehalten will oder nicht.

Im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Protokolls II und dem Endpunkt der zweiten Übergangsphase (während der ersten 5 Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls II) wird die Schweiz erwerbstätigen Angehörigen der beiden neuen EU-Mitgliedstaaten ansteigende Jahreskontingente für Kurzaufenthalts- und Aufenthaltsbewilligungen zur Verfügung stellen. Die entsprechenden Zahlen wurden auf der Basis der Kontingente des Protokolls I proportional zur Bevölkerungszahl Rumäniens und Bulgariens berechnet. Konkret sind dies:

1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr

Aufenthaltsbewilligungen (B EG/EFTA)

Kurzaufenthaltsbewilligungen (L EG/EFTA)

362 523 684 885 1046

3620 4987 6355 7722 9090

Stellt sich 5 Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls II heraus, dass auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt oder in der Schweizer Wirtschaft ernsthafte Störungen auftreten oder dass solche aufzutreten drohen, so können die arbeitsmarktlichen Beschränkungen während zwei weiteren Jahren beibehalten werden. In diesem Fall wären für Aufenthalts- und Kurzaufenthaltsbewilligungen die folgenden Kontingente verfügbar:

6. Jahr 7. Jahr

Aufenthaltsbewilligungen (B EG/EFTA)

Kurzaufenthaltsbewilligungen (L EG/EFTA)

1126 1207

10 457 11 664

Gestützt auf die spezifische Schutzklausel hat die Schweiz zudem die Möglichkeit, im Falle eines übermässigen Anstiegs der Einwanderungszahlen bis zu 10 Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls ohne Retorsionsmassnahmen seitens der EU erneut Höchstzahlen einzuführen.

Entsprechend Art. 10 Abs. 5 und 5a FZA sind die Übergangsbestimmungen des Protokolls II, speziell der Inländervorrang und die Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen, nicht auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Selbstständige anwendbar, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls II bereits zur Erwerbstätigkeit auf dem Gebiet der Vertragsparteien berechtigt sind. Sie haben, gemäss FZA, insbesondere ein Recht auf geographische und berufliche Mobilität und auch einen Anspruch auf Familiennachzug nach den Bestimmungen des FZA.

Inhaberinnen und Inhaber einer unterjährigen Aufenthaltsbewilligung haben ein 68

Betreffend den gemischten Ausschuss FZA siehe Ziff. 2.1.8.1.

2188

Recht auf deren Erneuerung; die Ausschöpfung der Kontingente kann ihnen gegenüber nicht geltend gemacht werden. Inhaberinnen und Inhaber einer Jahresaufenthaltsbewilligung oder einer überjährigen Aufenthaltsbewilligung haben automatisch ein Recht auf Verlängerung der Bewilligung. Diese Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden verfügen folglich ab Inkrafttreten des Protokolls II über die in den Bestimmungen des FZA, namentlich dessen Artikel 7, verankerten Rechte im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit.

3.1.7.2

Erwerb von Immobilien

Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Bulgarien beziehungsweise Rumänien wurden diesen Ländern Übergangsmassnahmen im Bereich des Erwerbs von Grundstücken und Zweitwohnungen zugebilligt. Innerhalb einer gewissen Frist können die beiden neuen EU-Mitgliedstaaten ein Verbot oder Beschränkungen solcher Ankäufe durch ausländische Personen, die nicht in Bulgarien bzw. in Rumänien wohnen, aufrechterhalten oder nötigenfalls einführen. Für landwirtschaftliche Grundstücke beträgt die Frist 7 Jahre, für Zweitwohnungen 5 Jahre.

Die Schweiz übernimmt diese für die Übergangszeit vorgesehenen Beschränkungen im Rahmen des Protokolls II (Anhang I) vollständig, ohne sich gleiche Massnahmen vorzubehalten. Es handelt sich folglich nicht um Regelungen auf Gegenseitigkeit.

Indessen gelten für Angehörige der beiden neuen EU-Mitgliedstaaten, genauso wie für Staatsangehörige der EU-25, beim Kauf von Immobilien in der Schweiz die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; SR 211.412.41 [Lex Koller] genannt). Eine Anpassung des BewG an das Protokoll II ist nicht nötig. Nach dem geltenden BewG ist der Erwerb von Zweit- und Ferienwohnungen bewilligungspflichtig und kontingentiert, und eine Bewilligung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden. Nach Artikel 25 Absatz 1 Anhang I FZA sind jedoch Angehörige der EU Vertragsparteien, die in der Schweiz Wohnsitz haben, für jeglichen Erwerb von Grundstücken von der Bewilligungspflicht befreit. Der Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken durch Personen im Ausland unterliegt zwar nicht mehr den Beschränkungen der «Lex Koller»; jedoch schränkt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) seinerseits den Erwerb von Grundstücken durch den Grundsatz des «Selbstbewirtschafters» ein, der auch für schweizerische Staatsangehörige gilt, sodass Ankäufe durch Personen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten sozusagen unmöglich sind, weil diese Staaten nicht Nachbarstaaten der Schweiz sind.

3.1.7.3

Nicht kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen (weniger als 4 Monate)

Die Schweiz kann für Personen, die sich bis 4 Monate in der Schweiz aufhalten, die in Artikel 23 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) verankerten Voraussetzungen sowie den Inländervorrang und die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen während der gesamten Übergangsperiode aufrechterhalten. Dies bedeutet, dass nur beruflich gut 2189

qualifizierte Arbeitnehmende, die der schweizerische Arbeitsmarkt benötigt, ohne Anrechnung an die Höchstzahlen eine Kurzaufenthaltsbewilligung bis zu 4 Monaten erhalten.

Umgekehrt werden Inhaberinnen und Inhaber einer Kurzaufenthaltsbewilligung, welche die Voraussetzungen nach Artikel 23 AuG nicht erfüllen, nur zugelassen, wenn ihre Bewilligung an die in Ziffer 3.1.7.1 erwähnten Kontingente angerechnet wird.

3.1.7.4

Selbstständigerwerbende

Seit dem 1. Januar 2007 kommen Selbstständigerwerbende aus den neuen EU-Mitgliedstaaten in den Genuss der Niederlassungsfreiheit in der EU. Die EU-Beitrittsakte für die neuen Mitgliedstaaten sieht für diese Kategorie von Erwerbstätigen keine Übergangsfrist vor. In der Schweiz werden Selbstständigerwerbende aus Bulgarien und Rumänien gleich behandelt wie Angehörige der 10 Mitgliedstaaten, die der EU 2004 beigetreten sind. Sie werden nach dem Inkrafttreten des Protokolls II nur während der ersten Phase der Übergangsregelung, d.h.

während zwei Jahren, den im Protokoll festgelegten Höchstzahlen unterstellt.

Anschliessend können sie sich auf dem Arbeitsmarkt völlig frei bewegen: Der Inländervorrang und die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen sind auf sie nicht anwendbar.

3.1.7.5

Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer

Das Protokoll II sieht wie das FZA eine Teilliberalisierung der Dienstleistungserbringung vor. In den Branchen, in denen zwischen der Schweiz und der EU ein spezielles Dienstleistungsabkommen abgeschlossen wurde, darf die Erbringung von Dienstleistungen nicht aufgrund von Bestimmungen des Protokolls II erschwert werden. Dies gilt etwa für das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen oder für das Abkommen über den Luft- oder Landverkehr. Das Protokoll II garantiert Personen, die in Anwendung dieser Abkommen Dienstleistungen erbringen, das Recht auf Einreise und Aufenthalt für die ganze Dauer ihrer Tätigkeit (Dienstleistungserbringung).

Ausserdem gibt das Protokoll Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern (Arbeitnehmer oder Selbstständigerwerbende) das Recht, sich in einen Gaststaat zu begeben, um dort Dienstleistungen von begrenzter Dauer (90 Arbeitstage im Kalenderjahr) zu erbringen. Auf die nachstehend aufgeführten Branchen sind bis spätestens zum Ende der Übergangsfrist der Inländervorrang und die Kontrollen der Lohnund Arbeitsbedingungen anwendbar: ­

Baugewerbe: Bauhauptgewerbe (Hoch- und Tiefbau) und Baunebengewerbe

­

Gartenbau

­

Reinigungsgewerbe in Industrie und Haushalt

­

Bewachungs- und Sicherheitsdienst

Gleichzeitig können in diesen Branchen die Qualifikationsvoraussetzungen nach Artikel 23 AuG während der ganzen Dauer der Übergangsperiode verlangt werden.

2190

Während die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer dieser Branchen weiterhin bewilligungspflichtig sind, unterstehen diejenigen der übrigen Branchen nur der Meldepflicht.

3.1.8

Soziale Sicherheit

3.1.8.1

Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

3.1.8.1.1

Ausgangslage

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Bereich der sozialen Sicherheit sind gestützt auf das FZA mit den 15 damaligen EU-Staaten seit Juni 2002 und mit den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten seit April 2006 über die diesbezüglichen Koordinationsnormen der EU geregelt. Letztere sind in den Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (materiellrechtliche Bestimmungen) und 574/72 (Durchführungsbestimmungen) enthalten und betreffen alle klassischen Versicherungszweige (Krankheit - inkl. Nichtberufsunfälle - sowie Mutterschaft, Invalidität, Alter, Tod [Hinterlassenenleistungen], Berufsunfälle und Nichtberufskrankheiten, Arbeitslosigkeit und Familienzulagen). «Koordination» bedeutet, dass die Vertragsstaaten bei der Anwendung ihrer Sozialversicherungsgesetze gewisse gemeinsame Grundsätze (z.B.

Verbot jeglicher Diskriminierung im Zusammenhang mit der Nationalität, Auszahlung von Leistungen ins Ausland, Totalisierung der Versicherungszeiten, um das Erfordernis der minimalen Versicherungsdauer zu erfüllen, Leistungsaushilfe im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung) beachten müssen, im Übrigen aber die Freiheit haben, ihr Landesrecht nach ihren eigenen Bedürfnissen zu gestalten.

Die Koordinationsregeln und die strukturellen Besonderheiten des FZA sind in der Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der Bilateralen I beschrieben69.

3.1.8.1.2

Ziel und Verlauf der Verhandlungen

Die Verhandlungen zielten darauf ab, Bulgarien und Rumänien in die zwischen der Schweiz und der EG bereits bestehende Koordinierung der Sozialversicherungssysteme zu integrieren. Diese Koordinierung musste sich an die Regeln halten, die schon mit den bisherigen 25 Mitgliedstaaten der EU vereinbart worden waren. Die Anpassungen mussten sich auf diejenigen Bereiche beschränken, für die schon im FZA spezifische Regelungen vorgesehen waren.

3.1.8.2

Verhandlungsergebnisse

3.1.8.2.1

Allgemeines

Aufgrund des Protokolls II werden Bulgarien und Rumänien Vertragsparteien des FZA; sie werden im Anhang II zum FZA (soziale Sicherheit) erwähnt. Die EG-Verordnung über den Beitritt von Bulgarien und Rumänien ist in der im Anhang II aufgeführten Liste des Acquis communautaire aufgeführt, und die Anhänge der Verordnungen (EWG) 1408/71 und 574/72 werden durch die Einfügung dieser 69

BBl 1999 6128

2191

beiden Staaten ergänzt. Das mit Bulgarien bereits abgeschlossene zwischenstaatliche Abkommen über soziale Sicherheit wird sistiert (Art. 20 FZA) und überall dort, wo das FZA denselben Bereich regelt, durch die Koordinierungsregeln des FZA ersetzt.

Es bleibt auf Fälle anwendbar, die vom FZA nicht erfasst werden. Die Regeln zur Koordinierung der sozialen Sicherheit werden ab Inkrafttreten des Protokolls II uneingeschränkt angewendet; ausgenommen sind die Übergangsbestimmungen der Arbeitslosenversicherung.

3.1.8.2.2

Die Koordinierungsregeln und ihre Auswirkungen auf die schweizerischen Sozialversicherungen

Das Koordinierungsrecht der EG und seine Auswirkungen auf die schweizerischen Sozialversicherungen sind in der Botschaft zur Genehmigung der Bilateralen I70 im Einzelnen kommentiert worden. Anhang II zum FZA ist seither durch zwei Beschlüsse des Gemischten Ausschusses geändert worden: Beschluss Nr. 2/200371 vom 15. Juli 2003 und Beschluss Nr. 1/200672 vom 6. Juli 2006. Nachfolgend werden nur die von der Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien betroffenen Bestimmungen des FZA erläutert.

3.1.8.2.3

Krankenversicherung

Bulgarien und Rumänien wünschten die mit gewissen Staaten vereinbarten besonderen Regelungen73 nicht anzuwenden; somit sind die gewöhnlichen Koordinierungsregeln anwendbar.

3.1.8.2.4

Alters- und Hinterlassenenversicherung

Das FZA verpflichtet die Schweiz, Angehörigen der Vertragsparteien gemäss dem Grundsatz der Gleichbehandlung den Beitritt zur fakultativen AHV/IV zu gestatten.

Bei der Revision der freiwilligen Versicherung hat das Parlament beschlossen, für Personen, die in den EU-Staaten wohnhaft sind, die Möglichkeit des Beitritts zu dieser Versicherung aufzuheben. Diese Bestimmung ist deshalb ab Inkrafttreten des Protokolls II auch auf die neuen EU-Mitgliedstaaten anwendbar. Für bereits versicherte Personen ist eine Übergangsregelung vorgesehen, die derjenigen entspricht, welche seit dem Inkrafttreten des FZA angewendet wird.

3.1.8.2.5

Berufliche Vorsorge

Gemäss Regelung im FZA ist seit dem Ablauf einer fünfjährigen Übergangsfrist (d.h. seit dem 1. Juni 2007) die Barauszahlung der Austrittsleistung der obligatorischen Versicherung im Zeitpunkt, in dem die versicherte Person die Schweiz ver70 71 72 73

BBl 1999 6128, Ziff. 273.22 und 273.23 AS 2004 1277 AS 2006 5851 BBl 1999 6128 Ziff. 273.232

2192

lässt, nicht mehr möglich, wenn die versicherte Person in einem EU-Mitgliedstaat obligatorisch einer Rentenversicherung angeschlossen ist. Für Bulgarien und Rumänien wird diese Regelung ab Inkrafttreten des Protokolls II gelten.

3.1.8.2.6

Arbeitslosenversicherung

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung gelten die Bestimmungen, welche die Schweiz gegenwärtig auf die Staatsangehörigen der EU-25 anwendet, auch für die Staatsangehörigen von Bulgarien und Rumänien. Es wurde eine siebenjährige Übergangsfrist ausgehandelt, die den Übergangsfristen für die EU-15 und die EU-10 ähnlich ist. Während dieser Frist sind arbeitslose bulgarische und rumänische Staatsangehörige im Besitz einer Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L EG/EFTA) nicht berechtigt, die in einem andern EU-Staat angesammelten Versicherungszeiten anrechnen zu lassen, um in der Schweiz Arbeitslosengelder zu beziehen. Umgekehrt werden die Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die sie in der Schweiz einbezahlt haben, an ihr Herkunftsland zurücküberwiesen.

3.1.8.2.7

Bedeutung von Anhang II des Protokolls II zum FZA für die Schweiz

Die zwischen dem schweizerischen System der sozialen Sicherheit und den entsprechenden Systemen der neuen EU-Mitgliedstaaten geschaffene Koordinierung vereinheitlicht und verbessert den sozialversicherungsspezifischen Schutz der in diesen Staaten lebenden Schweizerinnen und Schweizer sowie den entsprechenden Schutz der in der Schweiz lebenden Angehörigen der neuen Mitgliedstaaten.

3.1.9

Diplomanerkennung

3.1.9.1

Einführung

Mit ihrem Beitritt zur EU nehmen Bulgarien und Rumänien voll und ganz am europäischen System der Diplomanerkennung teil. Die Richtlinien 2006/100/EG und 2006/101/EG enthalten die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen für die Diplomanerkennung, welche aufgrund des Beitritts von Bulgarien und Rumänien angepasst werden müssen. Diese Rechtsgrundlagen werden auch in Anhang III zum FZA aufgenommen werden.

Die auf die Anerkennung der Diplome anwendbaren EG-Richtlinien beschreiben die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats gestützt auf ihre bescheinigte Ausbildung eine reglementierte Berufstätigkeit ausüben können, d.h. eine Berufstätigkeit, die Inhaberinnen und Inhabern staatlich anerkannter Diplome vorbehalten ist.

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind im Bereich der Anerkennung der beruflichen Qualifikationen in Entwicklung begriffen, weil parallel zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien die Schweiz und die Europäische Kommission (nebst anderen Einträgen) über die Aufnahme der Richtlinie 2005/36/EG in den Anhang III zum FZA verhandeln. Folglich sollte sich 2193

zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls II zu Bulgarien und Rumänien die zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten anwendbare Diplomanerkennung bereits nach der Richtlinie 2005/36/EG richten. Das Verfahren zur Aufnahme der Richtlinie 2005/36/EG in den Anhang III zum FZA ist im Zeitpunkt der Abfassung dieser Botschaft noch nicht abgeschlossen. Es ist aber vorgesehen, dies noch vor Inkrafttreten des Protokolls II zum Abschluss zu bringen.

3.1.9.2

Ausdehnung des FZA im Bereich der Diplomanerkennung

Anhang III FZA verweist auf mehrere Systeme der Anerkennung von Diplomen (allgemeines Anerkennungssystem, sektorielles Anerkennungssystem sowie die auf Berufserfahrung gestützte Anerkennung), welche die Rechte der schweizerischen Bürgerinnen und Bürger sowie der EU-Bürgerinnen und Bürger regeln. Diese Systeme finden Anwendung auf die reglementierten Berufe. Mit der Aufnahme der Richtlinie 2005/36/EG in Anhang III zum FZA wird dieser für die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen im Rahmen zeitlich begrenzter Dienstleistungserbringungen gemäss FZA ebenfalls gelten.

Die Ausdehnung des FZA auf Bulgarien und Rumänien im Bereich der Diplomanerkennung erfolgt konkret durch die Übernahme der Richtlinien 2006/100/EG und 2006/101/EG in Anhang III FZA. Erstere ändert eine grosse Anzahl bereits in Anhang III aufgenommener Richtlinien74 sowie die Richtlinie 2005/36/EG. Die Richtlinie 2006/101/EG ändert die Richtlinien 74/556/EWG und 74/557/EWG über die Verteilung von Giftstoffen, die ebenfalls in den Anhang III zum FZA übernommen wurden.

Die Richtlinien 2006/100/EG und 2006/101/EG sehen im Wesentlichen die Teilnahme Bulgariens und Rumäniens am System vor, das durch die im vorhergehenden Absatz genannten Richtlinien begründet wird. Für das sektorielle Anerkennungssystem listen sie diejenigen Titel auf, welche die Schweiz automatisch anerkennen müsste.

74

namentlich die Richtlinien 89/48/EWG, 92/51/EWG und 99/42/EG, welche durch die Richtlinie 2001/19/EG über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise geändert wurde, sowie die sektoriellen, auf Rechtsanwälte anwendbaren Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG, die auf Ärzte anwendbare Richtlinie 93/16/EWG, die auf die Krankenschwestern und Krankenpfleger für allgemeine Krankenpflege anwendbaren Richtlinien 77/452/EWG und 77/453/EWG, die auf praktizierende Zahnärzte anwendbaren Richtlinien 78/686/EWG und 78/687/EWG, die auf Tierärzte anwendbaren Richtlinien 78/1026/EWG und 78/1027/EWG, die auf Hebammen anwendbaren Richtlinien 80/154/EWG und 80/155/EWG, die auf Apotheker anwendbaren Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG und die auf Architekten anwendbare Richtlinie 85/384/EWG.

2194

3.1.9.3

Vorbehalt der Schweiz gegenüber der Anerkennung der Diplome von Hebammen sowie von Pflegefachpersonen im Bereich der allgemeinen Krankenpflege

Die detaillierten Informationen zu den rumänischen und bulgarischen Diplomen in den Bereichen Krankenpflege und Hebammen liegen erst seit Kurzem vor und werden zurzeit von den zuständigen Stellen (BBT, Rotes Kreuz) geprüft. Ein allfälliger einseitiger Vorbehalt der Schweiz wird dem Protokoll II vor dessen Unterzeichnung in Form einer Erklärung angefügt.

3.1.9.4

Verhandlungsergebnis

Bei den Verhandlungen über die Aufnahme der Richtlinie 2005/36/EG in den Anhang III zum FZA wurde beschlossen, gleichzeitig auch die Richtlinien 2006/100/EG und 2006/101/EG aufzunehmen. Die Richtlinien 2006/100/EG und 2006/101/EG sollten voraussichtlich noch vor dem Inkrafttreten des Protokolls II in den Anhang III zum FZA aufgenommen werden. Dadurch werden Verzögerungen in Folge eines zweiten Änderungsverfahrens gleich nach Inkrafttreten des Protokolls II verhindert.

Da Anhang III zum FZA nicht über das Protokoll II, sondern über ein anderes Verfahren im Rahmen des mit dem FZA eingesetzten Gemischten Ausschusses zum FZA geändert wird, enthält das Protokoll II nur einen allgemeinen Verweis auf den Umstand, dass die Vertragsparteien gegenseitig auch das im FZA vorgesehene System zur Diplomanerkennung anwenden und Anhang III entsprechend anwenden wollen. Die zwischen der Schweiz und Bulgarien sowie Rumänien vereinbarten Bestimmungen zur Diplomanerkennung werden nicht mit Datum des entsprechenden Entschlusses des Gemischten Ausschusses FZA rechtskräftig, sondern erst zum Zeitpunkt, in dem das Protokoll II in Kraft tritt.

3.2

Bedeutung der Ausdehnung der Freizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien für die Schweiz

3.2.1

Aus wirtschaftlicher und politischer Sicht

Der Abschluss der Bilateralen I mit der EU hat der Schweiz den Zugang zum europäischen Binnenmarkt erleichtert. Damit stehen ihr weitgehend die gleichen Vorteile offen wie den Mitgliedstaaten der EU. Die seit dem Inkrafttreten des FZA und namentlich seit der Einführung der vollständigen Personenfreizügigkeit (1. Juni 2007) gegenüber den EU-15 und den EFTA Staaten sowie Zypern und Malta gemachten Erfahrungen sind unter Kapitel 2.1 behandelt worden.

Die Ausdehnung des FZA auf Bulgarien und Rumänien liegt auf der Linie der Europa- und Migrationspolitik des Bundesrates. Prognosen über die Einwanderung von Angehörigen dieser beiden Staaten und deren Auswirkung auf den Arbeitsmarkt sind verhältnismässig schwierig. Daher sind die Übergangsphase inklusive die arbeitsmarktlichen Beschränkungen und die ausgehandelte spezielle Schutzklausel von besonderer Bedeutung.

2195

Dank der Ausdehnung der sieben Abkommen der Bilateralen I auf Bulgarien und Rumänien hat die Schweiz Zugang zum wiederum erweiterten EU-Binnenmarkt, was für unser Wirtschaftswachstum wichtig ist. Dieser Schritt ermöglicht einen privilegierten Zugang zu den potenziellen Konsumentinnen und Konsumenten der beiden Staaten. Dank dem Protokoll II werden die schweizerischen Unternehmen die gleichen Chancen haben wie ihre Konkurrenz in der EU, notwendige Arbeitskräfte in Bulgarien und Rumänien zu rekrutieren. Aufgrund der Flexibilität des schweizerischen Arbeitsmarktes ist zu erwarten, dass unsere Wirtschaft von dem in den beiden neuen Mitgliedstaaten verfügbaren Arbeitskräftepotential profitieren wird.

In einer ersten Zeit ist es äusserst wichtig, die gegenwärtig geltenden Arbeitsmarktkontrollen (Kontingente, Inländervorrang, Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen) während maximal 7 Jahren ab dem Inkrafttreten des Protokolls II aufrechterhalten zu können. Die ausgehandelten Höchstzahlen sollen einen plötzlichen Anstieg der Einwanderungszahlen verhindern und damit auf dem Arbeitsmarkt ein Gleichgewicht aufrechterhalten. Deshalb werden die Zahlen im Verlauf der Übergangsperiode schrittweise von 362 auf 1207 Einheiten im Falle der Aufenthaltsbewilligungen und von 3620 auf 11664 Einheiten im Falle der Kurzaufenthaltsbewilligungen ansteigen. Zudem hat die Schweiz die Möglichkeit, gestützt auf die in Artikel 10 FZA vorgesehene Schutzklausel während zehn Jahren nach dem Inkrafttreten des Protokolls II wieder Höchstzahlen einzuführen. Die tatsächliche Nutzung der Kontingente wird eng mit der konjunkturellen Entwicklung zusammenhängen.

Während der Übergangsperiode auf dem Arbeitsmarkt spielen der Inländervorrang und die Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen eine grosse Rolle. Diese Massnahmen sind geeignet, einen Lohndruck gegenüber den einheimischen Arbeitnehmenden zu verhindern. Zudem sind die am 1. Juni 2004 in Kraft getretenen flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit, die sowohl für schweizerische wie auch für ausländische Arbeitnehmende gelten, 2006 verschärft worden. Sie ermöglichen es, einem Lohn- und Sozialdumping vorzubeugen und schützen den schweizerischen Beschäftigungsmarkt insgesamt.

Im Bereich der Sozialversicherungen werden die zusätzlichen Belastungen voraussichtlich beschränkt
sein. Die AHV könnte aufgrund der zunehmenden Einwanderung von Personen im erwerbsfähigen Alter kurz- oder mittelfristig sogar mit vorwiegend positiven Auswirkungen rechnen. Insgesamt dürfte sich die Ausdehnung des Abkommens positiv auf den schweizerischen Arbeitsmarkt und die Schweizer Wirtschaft auswirken. Je höher das Qualifikationsniveau der eingewanderten Arbeitnehmer ausfällt, desto mehr tragen diese zur Wertschöpfung bei und desto positiver werden die Folgen für die gesamte Wirtschaft sein. Die verschiedenen während der Übergangsphase anwendbaren Regelungen sowie die flankierenden Massnahmen zum FZA sind ein wirksamer Schutz gegen eine unkontrolliert zunehmende Zuwanderung und deren allfälligen negativen Auswirkungen auf die inländischen Arbeitsbedingungen. Blickt man etwas weiter in die Zukunft, so ist darauf hinzuweisen, dass gemäss entsprechendendemografischen Prognosen die Einführung der vollständigen Freizügigkeit für diese neuen EU-Mitgliedstaaten in einer Zeit erfolgen wird, in der die Schweiz mit einem gewissen Rückgang ihrer erwerbstätigen Bevölkerung rechnen muss.

Eine Nichtrealisierung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und Bulgarien sowie Rumänien würde zu einem Ungleichgewicht der vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den 27 EU-Mitgliedstaaten führen. Die EU stellt für alle ihre Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Binnenmarkt dar und würde es kaum 2196

zulassen, dass die Angehörigen gewisser Mitgliedstaaten, abgesehen von zeitlich beschränkten zwischen den Vertragsparteien ausgehandelten Übergangsbestimmungen , anders behandelt würden als die übrigen EU-Angehörigen. Die EU könnte das FZA kündigen würde; was gemäss der «Guillotine-Klausel»l nach Artikel 25 Absatz 4 FZA auch das Ende der übrigen 6 1999 abgeschlossenen sektoriellen Abkommen bedeuten würde. Die Folgen für unsere Wirtschaft wären gravierend.

3.2.2

Integrationsmassnahmen

Die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Mitgliedstaaten wirft die Frage auf, inwieweit sich allenfalls ein Bedarf nach zusätzlichen Integrationsmassnahmen ergibt.

Mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über Ausländerinnen und Ausländer (AuG) wurden mit den Artikeln 4 sowie 53­58 erstmals die Grundsätze und Zuständigkeiten der Integrationspolitik in einem Bundesgesetz festgelegt. Integration wird als ein Prozess definiert, an dem sowohl die schweizerische als auch die ausländische Bevölkerung beteiligt sind. Von den Zugewanderten wird verlangt, dass sie die Werte der Bundesverfassung achten, die Gesetze einhalten und sich um ihre Integration bemühen, namentlich am Arbeitsleben teilnehmen und eine Landessprache erlernen. Von der schweizerischen Bevölkerung wird Offenheit vorausgesetzt. Ziel der Integration ist, dass Ausländerinnen und Ausländer gleichberechtigt am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilhaben können. Es ist die Aufgabe des Staates, rechtliche und strukturelle Barrieren abzubauen, die den Integrationsprozess hemmen können. Das Personenfreizügigkeitsabkommen stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar, da es weitgehend eine rechtliche Gleichstellung von EU-Angehörigen bringt.

Das AuG gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EU, ihre Familienangehörigen sowie für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in einem dieser Staaten ihren Wohnsitz oder Sitz haben nur so weit, als das Freizügigkeitsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthält oder dieses Gesetz günstigere Bestimmungen vorsieht (Art. 2 Abs.2 AuG). Nicht anwendbar sind Bestimmungen zur Integration, die sich auf die Erteilung bzw.

Nichterteilung oder Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen beziehen (Art. 54 Abs.1 AuG). Angehörige der EU- und EFTA-Mitgliedstaaten können demnach nicht zum Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses verpflichtet werden. Zudem dürfen keine besonderen Zulassungsbedingungen für Personen, die eine religiöse Betreuungstätigkeit ausüben oder als Lehrkräfte für heimatliche Sprache und Kultur arbeiten, aufgestellt werden.

Hingegen sind die Bestimmungen des AuG über die Integration auch für Angehörige der EU- und EFTA-Mitgliedstaaten namentlich im Bereich der
Integrationsförderung vorteilhafter als die Regelungen des FZA. Integrationsförderung erfolgt grundsätzlich als Querschnittaufgabe in den bestehenden Regelstrukturen durch die koordinierte Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Gemeinden, Sozialpartnern, Nichtregierungsorganisationen und Ausländerorganisationen.

Der Bundesrat hat am 22. August 2007 ein Paket von mehr als 45 konkreten Massnahmen zur Behebung von Integrationsdefiziten verabschiedet. Dieser Aktionsplan, der von den verschiedenen zuständigen Ämtern und Departementen unter der Feder2197

führung des BFM entwickelt worden ist, setzt prioritär auf Sprachförderung, Bildung und Arbeit. Weitere Projekte fallen in die Bereiche Raumplanung und Wohnen (Quartierentwicklung), Sport und Gesundheit, Gewalt- und Rassismusprävention.

Sondermassnahmen können ergriffen werden, wenn eine spezielle Förderung notwendig erscheint. Die vom EJPD festgesetzte Prioritätenordnung für die Jahre 2008­2011 sieht denn auch eine Unterstützung von 14 Millionen Franken jährlich (ab 2009: 16 Mio. Franken) für Projekte in den Schwerpunkten Sprache und Bildung, Fachstellen Integration sowie Modellvorhaben vor.

Der Bedarf an Integrationsangeboten ist namentlich abhängig vom Bildungsniveau, von beruflichen Qualifikationen und von den Kenntnissen einer Landessprache. Ein 2004 im Vorfeld der ersten EU-Erweiterung auf die mittel- und osteuropäischen Länder im damaligen Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) erstellter Bericht hielt fest, dass die Bevölkerung dieser Staaten ein mit der schweizerischen Bevölkerung vergleichbares Ausbildungsniveau aufweist. Zudem dürften knapp die Hälfte über Kenntnisse der deutschen oder der französischen Sprache verfügen. Folglich werden Sprach- und Integrationskurse für einen Teil der Zuwanderer notwendig sein. Diese können im Rahmen der bestehenden Integrationsangebote abgedeckt werden. Der möglichst frühzeitige Erwerb von Kenntnissen der am Wohnort gesprochenen Landessprache ist eine unerlässliche Voraussetzung für die soziale Integration (Verständigung, Kontakte zur einheimischen Bevölkerung, Verminderung von Konflikten im Zusammenleben), wie auch für die Integration in den Arbeitsmarkt.

3.3

Anpassung des schweizerischen Rechts

3.3.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

3.3.1.1

Ausländerrecht

Im Ausländerrecht ist keine Anpassung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) erforderlich, da die Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereichs aufgrund der Formulierung von Artikel 2 Absatz 2 AuG automatisch berücksichtigt ist.

Das AuG ist auf EU-Angehörige nur anwendbar, wenn das FZA, einschliesslich der verschiedenen Protokolle, keine abweichenden Bestimmungen beziehungsweise das Gesetz eine günstigere Rechtsstellung vorsieht. Folglich ist das AuG auch auf diese Kategorie von Personen nur noch subsidiär anwendbar. Artikel 2 Absatz 2 AuG gewährleistet, dass ihre Rechtsstellung nicht ungünstiger sein darf als diejenige der übrigen ausländischen Personen (Meistbegünstigungsprinzip). Dieser Grundsatz ist auch in Artikel 12 des FZA festgehalten, wonach günstigere Bestimmungen des nationalen Rechts weiterhin anwendbar sind.

3.3.1.2

Immobilienerwerb

In der «Lex Koller» (BewG; SR 211.412.41) sind keine Anpassungen nötig.

2198

3.3.2

Soziale Sicherheit

3.3.2.1

Bundesrecht

3.3.2.1.1

Allgemeine Umsetzung

Damit die im FZA enthaltenen Koordinierungsregeln in Übereinstimmung mit dem Landesrecht anwendbar sind und zuwiderlaufenden Gesetzesbestimmungen vorgehen, hält jedes Sozialversicherungsgesetz ausdrücklich fest, dass dieses Abkommen und die darin bezeichneten Rechtsakte anwendbar sind (vgl. Botschaft zur Genehmigung der Bilateralen I)75. Diese sogenannten Verweisbestimmungen werden in jedem der betroffenen Gesetze dahingehend ergänzt, dass diese Regeln auch auf die neuen EU-Mitgliedstaaten und deren Staatsangehörige Anwendung finden.

Das FZA wird nicht automatisch auf neue EU-Mitgliedstaaten angewendet. Da eine Ausdehnung dieses Abkommens in der Regel erst nach einer gewissen Zeit anwendbar ist, stimmt der Begriff «Mitgliedstaat der EU» nicht immer mit dem im FZA verwendeten Begriff «Mitgliedstaat» überein. Um jeglichem Missverständnis dieser Art vorzubeugen, ist es angezeigt, in die nationalen Gesetzgebungen eine Definition dieses Begriffs aufzunehmen. Dieser Zusatz stellt sicher, dass sich der verwendete Begriff nur auf die im FZA genannten EU-Mitgliedstaaten bezieht.

Diese Änderungen betreffen die folgenden Gesetzesbestimmungen:

75

­

Artikel 153a des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10);

­

Artikel 80a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20);

­

Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30);

­

Artikel 89a Absätze 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40);

­

Artikel 25b Absätze 1 und 3 des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993 (FZG; SR 831.42);

­

Artikel 95a des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10);

­

Artikel 115a des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20);

­

Artikel 28a des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 1952 (EOG; SR 843.1);

­

Artikel 23a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG; SR 836.1);

BBl 1999 6128 Ziff. 275.211

2199

­

Artikel 24 des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (FamZG; SR 836.2);

­

Artikel 83 Abs. 1 Bst. nbis und Artikel 121 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 (AVIG; SR 873.0).

Die spezifischen Änderungen des AHVG werden in den nachfolgenden Ziffern detailliert dargestellt.

3.3.2.1.2

AHV-Gesetz

Freiwillige Versicherung: Anlässlich der Revision der fakultativen AHV/IV hat das Parlament beschlossen, für Personen, die im EU-Raum wohnhaft sind, die Möglichkeit des Beitritts zu dieser Versicherung aufzuheben. Sobald das Abkommen auf Bulgarien und Rumänien anwendbar ist, wird die freiwillige Versicherung auch in diesen Staaten aufgehoben. Gleich wie bei der letzten Ausdehnung des FZA auf die 10 neuen EU-Mitgliedstaaten ist für ansässige Personen aus Bulgarien und Rumänien, die gegenwärtig freiwillig AHV-versichert sind, eine neue Übergangsbestimmung ins AHVG aufzunehmen (vgl. Botschaft vom 1. Okt. 2004 zur Genehmigung des Protokolls zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG, Ziff. 5.2.1.2). Gemäss Absatz 1 dieser Übergangsbestimmung bleiben Personen, die ab Inkrafttreten des Protokolls II der freiwilligen Versicherung in Bulgarien oder Rumänien unterstellt waren, während höchstens 6 aufeinanderfolgender Jahre versichert. Personen, die im Zeitpunkt der Gesetzesrevision das 50. Altersjahr überschritten haben, können bis zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt ihrer Pensionierung versichert bleiben. Absatz 2 regelt die Fürsorgeleistungen für schweizerische Staatsangehörige. Leistungen, die schon vor dem Inkrafttreten dieser Änderungen bezogen wurden, werden weiterhin ausbezahlt, solange die Einkommensvoraussetzungen erfüllt sind. Die Beträge werden aber nicht mehr erhöht.

3.3.2.2

Kantonales Recht

Hinsichtlich der Umsetzung der Koordinierungsregeln im kantonalen Recht kann auf die entsprechenden Erläuterungen in der Botschaft zur Genehmigung der Bilateralen I76 verwiesen werden.

3.3.3

Diplomanerkennung

Auf Bundesebene sind einige Anpassungen der Erlasse, in denen das FZA übernommen wurde, erforderlich. Es handelt sich vor allem um den Anhang zum Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) und um die Verordnung vom 27. Juni 2007 über Diplome, Ausbildung, Weiterbildung und Berufsausübung in den universitären Medizinalberufen (SR 811.112.0).

76

BBl 1999 6128 Ziff. 275.22

2200

3.4

Auswirkungen

3.4.1

Finanzielle Auswirkungen

3.4.1.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinn

Das Protokoll II zieht im Bereich der Personenfreizügigkeit im engeren Sinne keine finanziellen Folgen nach sich.

3.4.1.2

Soziale Sicherheit

3.4.1.2.1

Allgemeines

Mit ungefähr 6000 Personen (Stand 31.12.2006) ist der Bestand der in der Schweiz wohnhaften Angehörigen der beiden neuen Mitgliedstaaten bescheiden; dasselbe gilt für die im Register der Zentralen Ausgleichskasse in Genf erfassten Versicherten (Okt. 2007: 6532 bulgarische und 13 045 rumänische Staatsangehörige).

Aufgrund der progressiven Öffnung des Arbeitsmarktes bis hin zur vollständigen Freizügigkeit nach Ablauf der Übergangsfrist könnten diese Zahlen ansteigen. Ist die vollständige Freizügigkeit erst einmal eingeführt, so sind ihre Auswirkungen und auch die Kostenentwicklung schwer abzuschätzen, da sie von zahlreichen Faktoren abhängen. Die nachfolgenden Zahlen sollen die möglichen finanziellen Auswirkungen aufzeigen. Ganz allgemein ist zu präzisieren, dass im Vergleich zu den jährlichen Gesamtausgaben der schweizerischen Sozialversicherungen sowie in Anbetracht der vergleichsweise bescheidenen Zahl der betroffenen Personen die finanziellen Auswirkungen begrenzt sein werden. Ebenso haben die finanziellen Auswirkungen dieser Ausdehnung im Verhältnis zu den Kosten, die heute durch die Umsetzung des FZA verursacht werden, wenig Bedeutung. Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass sich die Ankunft ausländischer Arbeitskräfte auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt positiv auf diejenigen Sozialversicherungszweige auswirkt, die nach dem Umlageverfahren finanziert werden. Da indessen die Beitrags- und Prämienzahlungen früher oder später zum Bezug von Leistungen berechtigen, steht zu erwarten, dass die Koordinierung unseres Sozialversicherungssystems mit den entsprechenden Systemen der neuen Mitgliedstaaten für die Versicherungen insgesamt zu leicht erhöhten Ausgaben führen wird. Im Übrigen dürfen die finanziellen Auswirkungen auf das schweizerische System der sozialen Sicherheit nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr sind sie im umfassenden Kontext der Vorteile, die der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft aus dem FZA ziehen, zu sehen.

3.4.1.2.2

Krankenversicherung

Zinsen auf Leistungsvorschüsse, die als Sachleistungsaushilfe gewährt werden, gehen zulasten des Bundes. Das zuständige Organ, die Gemeinsame Einrichtung KVG, schätzt die diesbezüglichen jährlichen Zusatzkosten auf 120 000 Franken. Die Prämienverbilligungen zugunsten von Versicherten, die in den beiden neuen Mitgliedstaaten leben, dürften dem Bund und den Kantonen nur unwesentliche Zusatzkosten verursachen.

2201

3.4.1.2.3

Alters- und Hinterbliebenen- sowie Invalidenversicherung

Wie erwähnt, wirkt sich die durch die Ausdehnung des FZA ermöglichte Ankunft ausländischer Arbeitskräfte auf Sozialversicherungen, die wie die AHV/IV nach dem Umlageverfahren finanziert werden, vorerst einmal positiv aus.

Die zu einem späteren Zeitpunkt anfallenden Zusatzkosten werden grundsätzlich durch die Auszahlung von AHV-/IV-Renten ins Ausland verursacht. Im Falle Bulgariens ist die Auszahlung der Renten ins Ausland schon im bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit vorgesehen. Künftig werden die Renten auch für rumänische Staatsangehörige exportiert und die Rückzahlung der AHV-Beiträge wird aufgehoben. In einer ersten Phase (von 30 bis 40 Jahren) ist mit Einsparungen zu rechnen, die einerseits auf die Aufhebung der Beitragsrückzahlungen zurückzuführen sind und andererseits auf den Umstand, dass die Summe der eingenommenen Beiträge höher ist als die Summe der ausbezahlten Renten. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die auf der Grundlage des derzeitigen Versichertenbestandes geschätzten jährlichen Kosten progressiv den Betrag von 10,1 Mio. Franken erreichen (Altersund Hinterbliebenenrenten [inkl. Kinderrenten]: 7,7 Mio.; IV-Renten [inkl. Kinderrenten]: 2,4 Mio.). Der Bund übernimmt von dieser Gesamtsumme 2.5 Millionen; der Rest wird durch die Versicherungen und die Mitgliederbeiträge finanziert.

Was die Zusatzkosten für exportierte Viertelsrenten betrifft, so zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass sie vernachlässigt werden können. Die Hilflosenentschädigungen der AHV sind künftig auch an in der Schweiz wohnhafte Bezugsberechtigte auszuzahlen, die eine bulgarische oder rumänische Rente beziehen. Diese Fälle dürften zahlenmässig begrenzt und die damit verbundenen Kosten daher unbedeutend sein.

Die Aufhebung der Karenzzeit für Ergänzungsleistungen dürfte sich insgesamt im Rahmen minimaler Zusatzkosten bewegen, da Nutzniesserinnen und Nutzniesser ausländischer Renten nur in die Schweiz kommen können, wenn sie über genügende finanzielle Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen.

3.4.1.2.4

Unfallversicherung

Im Bereich der Unfallversicherung gehen die auf Leistungsvorschüssen, die in den EU-Mitgliedstaaten als Sachleistungsaushilfe gewährt werden, erhobenen Zinsen zu Lasten des Bundes. Im Hinblick auf die beiden neuen Mitgliedstaaten dürften die zusätzlich anfallenden Kosten jedoch vernachlässigbar sein. Den allfälligen Mehraufwand für Entschädigungen in Fällen von Berufskrankheiten einzuschätzen, ist nicht möglich. Bisherige Erfahrungen im Rahmen des FZA liefern nicht genug Anhaltspunkte, um diese Kosten beziffern zu können.

3.4.1.2.5

Arbeitslosenversicherung

Die bisherigen Erfahrungen mit der EU-15 und der EU-10 haben gezeigt, dass die seinerzeit erwarteten Arbeitslosenversicherungskosten nicht eintrafen. Deshalb ist auch im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen EU-Mitgliedstaaten kein nennenswerter Anstieg der Arbeitslosenversicherungskosten zu befürchten. Dies umso weniger, als die Schweiz den neuen Mitgliedstaaten 2202

namentlich im Bereich der Kurzaufenthaltsbewilligungen nur geringe Kontingente garantiert. Nimmt man als Berechnungsgrundlage die Kontingente des ersten Anwendungsjahres des Protokolls II, so dürften sich die Nettozusatzkosten (zusätzliche Ausgaben minus zusätzlich eingenommene Beiträge) in der Höhe von 3,5 Millionen Franken bewegen. Bei Ablauf der Übergangsfrist, wenn die Kontingente für Aufenthaltsbewilligungen einen Stand von 1207 Einheiten und die Kontingente für Kurzaufenthaltsbewilligungen einen Stand von 11 664 Einheiten erreicht haben werden, könnten sich die Nettozusatzkosten auf ca. 12,5 Millionen Franken belaufen. In diesen Zahlen eingeschlossen sind die Rückzahlungen der Arbeitslosenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unterjährigem Arbeitsvertrag an die Herkunftsstaaten (d.h. ca. 1,5 Mio. Fr. zu Beginn und 5,5 Mio. Fr. am Ende der Übergangsperiode).

3.4.1.2.6

Familienzulagen

Bundesrecht: Haushaltszulagen, die an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Landwirtschaft ausbezahlt werden, deren Familie sich in einem der neuen Mitgliedstaaten aufhält, werden ebenfalls exportiert. Die damit verbundenen finanziellen Folgen werden jedoch sehr gering sein, weil einerseits die Zahl der Betriebe in diesem Sektor abnimmt und andererseits die Einstellung von Arbeitnehmern aus diesen neuen Staaten in den meisten Fällen auf Kosten von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten erfolgen dürfte.

Kantonale Familienzulagen: Da entsprechende Daten fehlen, können allfällige Zusatzkosten im Bereich der kantonalen Familienzulagen nicht geschätzt werden.

3.4.1.3

Diplomanerkennung

Aufgrund der Zunahme der Zahl von Anerkennungsgesuchen sowie der Komplexität der Dossiers ist es denkbar, dass mit dem Inkrafttreten des Protokolls II für das BBT ein zusätzlicher personeller Ressourcenbedarf entsteht (Siehe dazu 3.4.2.3).

3.4.2

Auswirkungen auf den Personalbestand

Die mit der Umsetzung des Protokolls II verbundenen zusätzlichen Aufgaben werden grundsätzlich vom derzeit in den betroffenen Departementen beschäftigten Personal bewältigt.

3.4.2.1

Personenfreizügigkeit im engeren Sinne

Die Mehrarbeit, die mit der Umsetzung des Abkommens und der im Hinblick auf die Koordinierung mit den beiden neuen EU-Mitgliedstaaten angeordneten Vollzugsmassnahmen anfällt, erfordert die Schaffung einer zusätzlichen Stelle im BFM, die im Rahmen des gegenwärtigen Personalbestandes realisiert werden muss.

2203

3.4.2.2

Soziale Sicherheit

Das Protokoll II erweitert unsere internationalen Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit nur geringfügig. Ein zusätzlicher Aufwand an Verwaltungsarbeit ist weder bei den Versicherungseinrichtungen noch beim Bund zu erwarten.

Die Schweizerische Ausgleichskasse und die IV-Stelle für im Ausland lebende Versicherte, zwei mit der Umsetzung der internationalen Übereinkommen über soziale Sicherheit betraute Einrichtungen, die zugleich als Verbindungsorgane funktionieren, benötigen eine zusätzliche Stelle. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Prämienverbilligung für Rentenbezügerinnen und -bezüger sowie deren Familienmitglieder ortet die Gemeinsame Einrichtung KVG keinen zusätzlichen Stellenbedarf; dasselbe gilt für die Erfüllung der übrigen Aufgaben, die ihr nach Artikel 18 Absätze 2bis­2quater KVG übertragen sind (Entscheide über die Gesuche um Befreiung von der Versicherungspflicht, Zuweisung an einen Versicherer von Amtes wegen, Unterstützung, der Kantone bei der Umsetzung der Prämienverbilligung).

3.4.2.3

Diplomanerkennung

Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien dürfte im Hinblick auf die Anerkennung der Diplome zu einem mässig erhöhten Personalbedarf führen, da mit einer steigenden Zahl von Anerkennungsgesuchen zu rechnen ist.

Obwohl die Freizügigkeit in einer ersten Phase durch Kontingente begrenzt wird, sind bulgarische und rumänische Staatsangehörige ab Inkrafttreten des Protokolls II berechtigt, um Anerkennung ihres Diploms zu ersuchen. Tatsächlich wird es, wie schon bei der Ausdehnung auf die EU-Beitrittsstaaten von 2004, nicht nötig sein, dass Personen, die ein Diplomanerkennungsgesuch stellen wollen, über eine Kontingentseinheit verfügen. Allenfalls benötigte, zusätzliche personelle Ressourcen werden im Zusammenhang mit der anstehenden Aktualisierung von Anhang III FZA beantragt werden.

4

Vernehmlassungsergebnisse

Am 23. Januar 2008 wurde das Vernehmlassungsverfahren über die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (FZA) eröffnet. Das schriftlich durchgeführte Verfahren dauerte bis am 27. Februar 2008. Im Rahmen der Vernehmlassung äusserten sich die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), einzelne Kantonsregierungen und Städte, die politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft sowie weitere am FZA interessierte Organisationen.

2204

4.1

Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens

Die Vernehmlasser äussern sich grossmehrheitlich und unter Verweis auf die wirtschaftliche und europapolitische Bedeutung des FZA positiv zur Weiterführung des Abkommens. Sie erachten diese als wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Fortsetzung des bilateralen Weges. Gewisse Vernehmlassungsteilnehmer des linken und des rechten politischen Spektrums teilen die positive Bilanz des Bundesrates in Bezug auf das Abkommen allerdings nur partiell.

Zwei Parteien (SP, CSP) sowie mehrere Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen machen zudem ihre Unterstützung für die Vorlage von einer Verstärkung der flankierenden Massnahmen (FLAM) abhängig. Auch etliche der übrigen Vernehmlasser erachten eine Verstärkung der Massnahmen als wünschenswert. Drei Parteien (SVP, AUNS, EDU) verlangen ein obligatorisches Referendum, bzw. behalten sich das Ergreifen des fakultativen Referendums vor. Verschiedene Vernehmlasser der politischen Mitte und der Rechten sowie die KdK sprechen sich zudem explizit gegen eine Verstärkung der flankierenden Massnahmen im Zusammenhang mit der Weiterführung des FZA aus.

4.2

Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien

Mit einigen wenigen Ausnahmen beurteilen alle Vernehmlassungsteilnehmer die im Protokoll II zum FZA erreichten Verhandlungsergebnisse positiv und betonen die Bedeutung der Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien für Wirtschaft und Arbeitsmarkt der Schweiz. Begrüsst werden speziell das im Protokoll vorgesehene Übergangsregime, insbesondere die arbeitsmarktlichen Zugangsbeschränkungen und die Möglichkeit einer Wiedereinführung von Kontingenten während zusätzlicher 3 Jahre (spezifische Schutzklausel). Gemäss den Vernehmlassungsteilnehmern vereinfacht das Protokoll die Rekrutierungsverfahren für Arbeitskräfte aus diesen beiden Ländern und ermöglicht eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit und Flexibilität des Schweizer Arbeitsmarktes. Es sichert den Schweizer Unternehmen einen neuen Exportmarkt mit einer Bevölkerung von 30 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten. Die Ausdehnung des Abkommens wird als Chance für die Schweiz angesehen, indem sie eine Weiterführung des ­ vom Schweizervolk mehrfach bestätigten ­ bilateralen Weges darstellt. Eine Ablehnung des Protokolls würde zu einer schwerwiegenden Destabilisierung unserer Beziehungen mit der EU führen und hätte beträchtliche negative wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge.

Wie bei der Weiterführung des FZA, verbinden vierschiedene Stellungnahmen auch die Unterstützung für dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien mit der Forderung nach einer Verstärkung der flankierenden Masnahmen.

Sowohl die SVP als auch die EDU verlangen ein obligatorisches Referendum oder behalten sich das Recht vor, vom fakultativen Referendum Gebrauch zu machen.

2205

5

Verfassungsmässigkeit und fakultatives Referendum

5.1

Legislaturplanung

In der Botschaft vom 23. Januar 200877 über die Legislaturplanung 2007­2011 wird die Botschaft über die Genehmigung der Weiterführung des Personenfreizügigkeitsabkommens und dessen Ausdehnung auf die beiden neuen Mitgliedstaaten unter Ziffer 4.5.1 (Ziel 13) als Geschäft im Rahmen der Leitlinien der Regierungspolitik aufgeführt.

5.2

Weiterführung des Abkommens

5.2.1

Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit

Das Abkommen von 1999 wurde zwischen der Schweiz einerseits und der EG und den damals 15, später 25, EU-Mitgliedstaaten andererseits für eine anfängliche Dauer von 7 Jahren abgeschlossen. Vor Ablauf von 7 Jahren hat die Schweiz die Möglichkeit, sich zur Weiterführung des Abkommens zu äussern78, während die EU das Abkommen stillschweigend weiterführen wird. Die Bundesversammlung hat in Artikel 2 Buchstabe a des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1999 zu den Bilateralen I79 entschieden, dass die Weiterführung des FZA durch einen referendumsfähigen Bundesbeschluss erfolgen soll.

Mit der ausdrücklichen, spezifisch auf das FZA bezogenen Anordnung im Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1999 wurde von der Bundesversammlung die künftige Verfassungsfrage antizipiert und die Entscheidung über die Fortführung des FZA als Akt der staatsvertraglichen Rechtsetzung im Sinne der Artikel 54 Absatz 1 BV und 166 Absatz 2 BV qualifiziert, die als hinreichend wichtig beurteilt wurde, um dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt zu werden. Die Bundesversammlung geht davon aus, dass diese Entscheidung sinngemäss den Vorgaben von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV genügen solle.

Die Weiterführung des FZA wird deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

5.2.2

Formale Umsetzungsmassnahmen

Im Falle einer Weiterführung des FZA sind keine weiteren Umsetzungsmassnahmen erforderlich. Eine Notifikation an die Vertragsparteien des FZA hat gemäss Artikel 25 Absatz 2 FZA nur dann zu erfolgen, wenn die Schweiz das Abkommen nicht weiterführt.

77 78 79

BBl 2008 753 Art. 25 Abs. 2 FZA; Erklärung der Schweiz in der FZA-Schlussakte; Botschaft über die Bilateralen I, BBl 1999 6128 ff., Ziff. 147.1.

AS 2002 1527

2206

5.3

Ausdehnung des Abkommens auf Bulgarien und Rumänien

5.3.1

Genehmigungsbeschluss und Verfassungsmässigkeit

Der Genehmigungsbeschluss sieht die für die Umsetzung des Abkommens erforderlichen Gesetzesänderungen vor. So können im Referendumsfall das Protokoll II und die Gesetzesänderungen dem Volk gleichzeitig zur Abstimmung vorgelegt werden.

Die Bundesverfassung sieht in Artikel 141a Absatz 2 die Möglichkeit vor, bei völkerrechtlichen Verträgen, die dem fakultativen Referendum unterstehen, die der Umsetzung eines Vertrages dienenden Gesetzesänderungen in den Genehmigungsbeschluss aufzunehmen. Entsprechend ist der Genehmigungsbeschluss verfassungsgemäss.

Die Verfassungsmässigkeit des Beschlussentwurfs zur Genehmigung des Protokolls II zum FZA stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, der dem Bund in den auswärtigen Angelegenheiten eine weitgehende Zuständigkeit einräumt und ihn ermächtigt, mit anderen Staaten Verträge abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung des Bundesbeschlusses ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 BV unterstehen internationale Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtssetzende Rechtsbestimmungen enthalten, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, dem fakultativen Referendum.

Das Protokoll II sieht die Ausdehnung des zwischen der Schweiz einerseits und der EG und den 25 EG-Mitgliedstaaten andererseits abgeschlossenen Abkommens von 1999 über den freien Personenverkehr vor. Dieses ist kündbar und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Hingegen macht die Umsetzung des Protokolls die Änderung mehrerer Bundesgesetze erforderlich.

Im Übrigen sieht Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1999 zur Genehmigung der Bilateralen I (AS 2002 1527) vor, dass die Bundesversammlung mit einem Bundesbeschluss, der dem fakultativen Referendum untersteht, über die Ausdehnung des Abkommens über die Freizügigkeit auf Staaten, die bei dessen Genehmigung nicht zur EU gehörten, zu entscheiden hat.

Deshalb werden das Protokoll II und die seiner Umsetzung dienenden Gesetzesänderungen gestützt auf Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV gleichzeitig dem fakultativen Referendum unterstellt.

5.3.2

Rechtliche Umsetzungsmassnahmen

Die Umsetzung des Protokolls II erfordert die Anpassung von 12 Bundesgesetzen: ­

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10);

­

Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20);

2207

­

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30);

­

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40);

­

Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG; SR 831.42);

­

Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10);

­

Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20);

­

Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952 (EOG; SR 843.1);

­

Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG; SR 836.1);

­

Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (FamZG; SR 836.2);

­

Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 (AVIG; SR 837.0);

­

Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61).

Die Änderungen der oben genannten Bundesgesetze erfolgen gestützt auf die Artikel 95, 104, 110, 111, 112, 113, 114, 117, 121 und 196 Ziff. 11 BV.

2208