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Bundesblatt 114. Jahrgang

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Bern, den 6. September 1962

Band II

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart (Vom 28. August 1962) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiemit eine Botschaft samt Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses vom 21. September 1942 (BS 4, 252) über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart zu unterbreiten.

Die Änderung dieses Beschlusses erweist sich als notwendig, damit der Beitrag an den Kanton Graubünden von jährlich 20 000 Franken zur Wahrung der kulturellen und sprachlichen Eigenart seiner Talschaften italienischer Sprache erhöht werden kann.

I. Einleitung Italienisch Graubünden umfasst eine Bodenfläche von rund 935 km2 (Bergeil 252 km2, Bezirk Moesa 491 km2, Puschlav 192 km2), was ungefähr ein Fünftel der Gesamtoberfläche des Kantons Graubünden ausmacht. Nach der Volkszählung 1960 sind in den «Valli» 13 914 Personen wohnhaft; das sind 9,4 Prozent der Gesamteinwohner des Kantons. Die drei voneinander völlig abgetrennten Gebiete, in die Italienisch Graubünden zerfällt, sind geographisch Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. II.

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nach dem Tessin (Bezirk Moesa) bzw. nach Italien (Bergeil und Puschlav) orientiert und mit dem übrigen Kantonsteil nur durch Passübergänge verbunden, woraus sich die Hinwendung zum italienischen Sprachkreis erklärt. Alle drei Gebiete haben sich aber schon im 15. Jahrhundert politisch mit Graubünden vereinigt (Bergeil und Puschlav als Glieder des Gotteshausbundes, Misox als Glied des Grauen Bundes) und ein vom übrigen italienischen Sprachkreis verschiedenartiges Eigenleben entwickelt.

Die Bewilligung jährlicher Bundessubventionen an den Kanton Tessin zur Wahrung und Förderung seiner kulturellen und sprachlichen Eigenart gab jeweils Anlass, auch die italienisch sprechenden Täler des Kantons Graubünden mit einem jährlichen Beitrag zu berücksichtigen. Im Bundesbeschluss vom 24. März 1931 (AS 1931, 345), durch den dem Kanton Tessin eine Subvention von 60 000 Pranken pro Jahr zugesprochen wurde, fanden die italienischen Talschaften Graubündens allerdings noch keine Erwähnung, doch bewilligten seinerzeit die eidgenössischen Eäte auf dem Wege eines Budgetbeschlusses für die Wahrung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Eigenart der italienischen Talschaften des Kantons Graubünden einen jährlichen Beitrag in der Höhe des zehnten Teils der Subvention zugunsten des Kantons Tessin, also 6000 Franken. Im Zuge der Sparmassnahmen des Bundes in den Dreissigerjahren erfuhr dieser Beitrag entsprechend der Kürzung der Subvention an den Kanton Tessin zunächst eine Reduktion auf 5000, dann auf 4500 Franken. Als im Jahre 1937 der Kanton Tessin um eine wesentliche Erhöhung der Bundessubvention ersuchte, stellte die Regierung des Kantons Graubünden dazu fest, dass Zugeständnisse inbezug auf dieses Begehren auch seinem italienisch sprechenden Kantonsteil zugute kommen müssten, da sich dieser in der gleichen, ja, in mancher Hinsicht ungünstigeren Lage befinde als der Kanton Tessin. Mit dem eingangs erwähnten Bundesbeschluss vom 21. September 1942 wurde den beiden Begehren in dem Sinne entsprochen, dass der Beitrag an den Kanton Tessin ab 1943 auf jährlich 225 000 Franken erhöht und dem Kanton Graubünden zur Wahrung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Eigenart seiner Talschaften italienischer Sprache ein jährlicher Beitrag von 20 000 Franken bewilligt wurde. Zugunsten des Kantons Graubünden wurde im
Bundesbeschluss ausserdem auch zur Wahrung der Eigenart der rätoromanischen Talschaften eine Subvention und zwar in der Höhe von 10 000 Franken pro Jahr verankert. In der dazu gehörenden Botschaft vom 24. April 1942 (BB1 1942, 264) wies der Bundesrat darauf hin, dass sich der erwähnte Beitrag von 20 000 Franken für Italienisch Graubünden nicht nur aus Gründen der Gleichbehandlung mit dem Kanton Tessin rechtfertige, sondern auch in Anerkennung der lobenswerten und unermüdlichen Anstrengungen der Bürger dieser Täler für die Erhaltung ihrer sprachlichen und kulturellen Eigenart im Leben des Kantons und der Eidgenossenschaft. Diese Anstrengungen hätten sich unter schwierigen Verhältnissen in einer weit zerstreuten und im allgemeinen wenig begüterten Bevölkerung durchzusetzen. Bis heute haben sämtliche im Bundesbeschlussvom 21. September 1942 vorgesehenen Beiträge keine Änderung erfahren.

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Gemäss den im erwähnten Erlass festgelegten Bestimmungen beschliesst der Kleine Eat des Kantons Graubünden alljährlich nach Anhören der in Frage kommenden Sprachvereinigungen über die Verteilung des Bundesbeitrages von 20 000 Franken und unterbreitet seinen Beschluss dem Departement des Innern zuhanden des Bundesrates zur Genehmigung. In gleicher Weise gelangen auch die 10 000 Franken für die Talschaften rätoromanischer Sprache zur Verwendung.

Von den 20 000 Franken zugunsten italienisch sprechender Täler Graubündens ist bisher der wesentlichste Teil der Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» zur Verfügung gestellt worden. Der Eest ging jeweils an die «Società culturale di Bregaglia» und von Fall zu Fall mit kleineren Summen an weitere Institutionen bzw. Werke im Sinne der Zweckbestimmung des Beitrages. So wurde die Subvention für das Jahr 1961 wie folgt verwendet: Franken Franken

«Pro Grigioni Italiano» für die einzelnen Sektionen für den Fonds «Artisti e Studiosi» für die Publikation «Dono di Natale» für den Fonds« Guide Välligiane» «Società culturale di Bregaglia» «Almanacco di Mesolcina e Calanca» «Circolo Amici della Svizzera Italiana» (CASI), Chur . . .

Total

8500 3500 2000 2000

16000 2500 1 200 300 20 000

Bei der «Pro Grigioni Italiano» handelt es sich um einen im Jahre 1918 gegründeten Verein gemäss Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, der Sektionen und Einzelmitglieder umfasst und sich gemäss Artikel 2 der Statuten zum Ziele gesetzt hat, Massnahmen zur Verbesserung der kulturellen Verhältnisse in den italienisch-bündnerisehen Tälern zu fördern und deren Stellung im Kanton Graubünden, in der italienischen Schweiz und in der Eidgenossenschaft zu festigen. Die Vereinigung ist politisch und konfessionell neutral und hat ihren Sitz in Chur. Neben dem oben erwähnten Anteil von jährlich 16 000 Franken aus der Bundessubvention von 20 000 Franken erhält die Vereinigung vom Kanton Graubünden noch jährlich 5000 Franken. Sodann unterstützt insbesondere die Stiftung «Pro Helvetia» regelmässig mit jährlich 6000 Franken zwei Publikationen der .Vereinigung, nämlich das Jahrbuch «Almanacco dei Grigioni» und die « Quaderni grigioni italiani».

Wenn die Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» als solche die italienische Sprache und Kultur in sämtlichen italienisch sprechenden Tälern Graubündens zu fördern sucht und alle Massnahmen unterstützt, die im gemeinsamen Interesse dieser Täler liegen, so sind ihre Sektionen Moesa (für das Calancatal und das Misox), Poschiavo und Brusio nur in den betreffenden Bezirken tätig; die «Società culturale di Bregaglia» führt im Bergell Veranstaltungen durch.

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In einer gemeinsamen Eingabe vom I.September 1961 haben nun die Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» und die «Società culturale di Bregaglia» um eine Erhöhung des Bundesbeitrages für die Talschaften italienischer Sprache des Kantons Graubünden von bisher 20 000 auf 60 000 Franken pro Jahr ersucht. Der Kleine Rat des Kantons leitete die Eingabe mit der Bitte um wohlwollende Prüfung an unsere Behörde weiter und bemerkte, dass er das Gesuch als berechtigt erachte, vor allem mit Rücksicht auf die Ausdehnung der Tätigkeit der beiden Organisationen, die angesichts der Bevölkerungsverschiebungen in den Talschaften als dringend bezeichnet werden müsse.

II. Bisherige und neue Aufgaben der Sprachenvereinigungen in den Talschaften italienischer Sprache des Kantons Graubänden A. Bisherige Aufgaben Die Vereinigungen «Pro Grigioni Italiano», ihre Sektionen sowie die «Società culturale di Bregaglia» suchen ihre Ziele zu erreichen durch die Herausgabe von Publikationen, die Förderung von Schriftstellern und bildenden Künstlern, durch Massnahmen zur Erhaltung des Kunstgutes und der Kunstdenkmäler, durch Veranstaltungen von Vorträgen, Sprachkursen usw., die Unterstützung von Musik- und Theatergruppen, die Förderung von Bibliotheken, vor allem aber durch das Bestreben, in der Bevölkerung das Bewusstsein einer Verpflichtung gegenüber dem Kanton und der ganzen Schweiz zur Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Eigenart wachzuhalten. Die ausserhalb der Täler in Basel, Bellinzona, Bern, Chur, Genf, Lugano und Zürich gegründeten Sektionen der «Pro Grigioni Italiano» tragen durch die Durchführung von Kunstausstellungen, Vorträgen usw. ihrerseits zur Förderung von Kultur und Sprache von Italienisch Graubünden bei.

1. Publikationen. Schon kurz nach ihrer Gründung schuf die Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» für die Talschaften das Jahrbuch «Almanacco dei Grigioni», eine reichhaltige Publikation, die in jedes Haus von Italienisch Graubünden gelangt und über alle Lebensbereiche der Talschaften orientiert, insbesondere aber literarische und der Kunst gewidmete Beiträge enthält.

Seit 1931 erscheint ferner vierteljährlich die Zeitschrift « Quaderni grigioni italiani», die auf je etwa 80 Seiten über die Geschichte sowie über das kulturelle und wirtschaftliche Leben von Italienisch Graubünden berichtet und damit der Bevölkerung
ihre engere Heimat näherbringt. Die. Zeitschrift verschafft auch den Talbewohnern Gelegenheit, die Ergebnisse eigener, meist historischer und kunsthistorischer Forschungen zu publizieren. In der Form von Auszügen -aus den « Quaderni» ist in den vergangenen dreissig Jahren eine stattliche Reihe von Publikationen erschienen, unter denen wir nur einige der letzten drei Jahre nennen möchten (die Namen der Verfasser sind in Klammern beigefügt) : - 1959 Le Prose e le Poesie di Felice Menghini (Brunetti Ferrini/Barghigiani), -- 1959 Augusto Giacometti in nuova prospettiva (Zala Romerio),

245 - 1959 Intorno all'Autore degli affreschi di Santa Maria del Castello a Mesocco (B. Boldini), - 1960 Lo sterminio delle Streghe nella Valle Poschiavina (Olgiati Gaudenzio), - 1960 Studio sulla Organizzazione Amministrativa della Valle Mesolcina (F.E. Tagliabue), - 1960 Le Figure Femminili nell'Orlando Furioso (B. Franciolli), - 1960 Fernando Lardelli mosaicista e pittore (Pool Franco), - 1960 Maria del Castello a Mesocco (E. Boldini), - 1961 La Chiesa di San Pietro e San Paolo a Mesocco (W. Sulzer/Turk-Vilhar).

Schliesslich ist das alljährlich erscheinende, etwa 40 Seiten umfassende Büchlein «Dono di Natale» zu erwähnen, das für die Schüler von Italienisch Graubünden bestimmt ist.

Unter den einmaligen Veröffentlichungen verdienen die Eegesten der Archive der Talschaften besondere Beachtung. Bisher sind die Eegesten des Calancatales, des Misox und des Puschlav erschienen. In Vorbereitung sind die Eegesten der Archive des Bergells.

Die Herausgabe zahlreicher Publikationen, die von Angehörigen der Talschaften verfasst sind oder Italienisch Graubünden zum Gegenstand haben, ist von der «Pro Grigioni Italiano» bisher unterstützt worden. Auch durch die Veranstaltung periodischer literarischer Wettbewerbe fördert die Vereinigung das Schaffen der einheimischen Schriftsteller. Ferner führt sie Kurse und Vorträge in italienischer Sprache durch.

2. Kunst und Denkmalpflege. Um der Bevölkerung der Talschaften das Schaffen ihrer bildenden Künstler näher zu bringen, veranstaltet die «Pro Grigioni Italiano» Kunstausstellungen. In grösserem Eahmen fand eine solche im Jahre 1960 in Poschiavo statt.

Der Plan der Schaffung von'Kulturzentren ist soweit Wirklichkeit geworden, als dank der Unterstützung durch den Kanton und «Pro'Grigioni Italiano» in San Vittore (Misox) im Palazzo des Architekten Giovanni Antonio Viscardi (1645-1714) und in Stampa (Bergell) in der Ciäsa Grande der ehemaligen Familie Stampa solche Zentren entstehen konnten, in denen u. a. Kulturgüter aus der Vergangenheit der «Valli» aufbewahrt werden. Die Stiftung, welche das Zentrum in San Vittore betreut, hat sich auch die Pflege des Kunstgutes im Misox und Calancatal zur Aufgabe gemacht; bisher liess sie Türme, Fresken und andere Kunstdenkmäler restaurieren. In Poschiavo steht die Einrichtung eines Museums in einem der charakteristischen Gebäude,
das zuvor restauriert werden soll, bevor.

B. Neue Aufgaben Dem Ausbau der beiden Kulturzentren in San Vittore und in Stampa sowie der Schaffung eines Zentrums in Poschiavo kommt für die Erhaltung und Förderung der kulturellen Eigenart Italienisch Graubündens grösste Be-

246 deutung zu. Es ist in Aussicht genommen, jedes dieser Zentren mit einer Bibliothek und einem Lesezimmer zu versehen, ferner mit einem Baum für permanente oder periodische Ausstellungen.

Die Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» möchte ferner die bisher mit grossem Erfolg in Chur durchgeführten Italienischkurse für Erwachsene auf andere Orte des Kantons ausdehnen. Diese Kurse bezwecken, die anderssprachigen Bündner-den Talschaften näherzubringen und sie für die Probleme dieses Kantonsteils zu interessieren. Die Notwendigkeit von Italienischkursen für Anderssprachige macht sich aber mehr und mehr auch in den Talschaften selbst bemerkbar, vor allern im Bergeil und im Misox, wo der Kraftwerkbau die Zahl der Zugezogenen beträchtlich vermehrt hat.

Weitere Aufgaben stellen sich auf publizistischem 'Gebiete. Nach der Veröffentlichung der Regesten der Archive der Talschaften stellt sich das Problem der Herausgabe der mittelalterlichen .Gemeindestatuten, ferner der Veröffentlichung jener in den Archiven aufbewahrten Dokumente, die für die Geschichte der Täler von besonderem Wert sind. Mit diesen Veröffentlichungen hofft die «Pro Grigioni Italiano» das Interesse der Bevölkerung für die Vergangenheit der Talschaften und im weiteren für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Eigenart zu wecken. Als Abschluss und Krönung der Einzelstudien wäre die Herausgabe einer Geschichte Italienisch Bündens erwünscht. Angesichts der landschaftlichen Umwandlungen durch Industrie, Strassen- und Kraftwerkbauten, durch die charakteristische Namen, welche zum geistigen Erbe der engeren Heimat gehören, zum raschen Verschwinden gebracht werden, stellt sich die Aufgabe einer Topographie der einzelnen Dörfer. Auf dem Publikationsprogramm der «Pro Grigioni Italiano» figurieren ferner Kunstführer der Talschaften sowie Volksliedersammlungen, die für die Wiederbelebung der Volksbräuche eine Voraussetzung sind.

Die fortschreitende Teuerung stellt die Herausgabe der beiden Periodika «Almanacco dei Grigioni» und « Quaderni grigioni italiani», die dank der Unterstützung durch die Stiftung «Pro Helvetia» bisher auf einem beachtlichen Niveau gehalten werden konnten, vor immer neue Probleme. Die «Pro Grigioni Italiano» möchte ferner das Büchlein «Dono di Natale» den Schülern in den Talschaften und auch den Kindern von Italienisch
Bündnern, die ausserhalb der Talschaften wohnen, kostenlos abgeben können - es musste bisher bezahlt werden -, als ein wirkliches Geschenk, das die Liebe zur Heimat wecken soll.

Die Theater- und Musikgruppen, die die lokale Folklore pflegen, bedürfen einer vermehrten Unterstützung. Auch möchte die «Pro Grigioni Italiano» die bedeutungsvollen literarischen Wettbewerbe, die in den letzten Jahren nicht mehr genügend finanziert werden konnten, zwecks vermehrter Förderung des eigenen Schrifttums intensivieren.

Bisher war es der «Pro Grigioni Italiano» nicht möglich, ihren ausserhalb der Talschaften bestehenden Sektionen Beiträge auszurichten. Angesichts der Bedeutung dieser Sektionen als Künder der kleinen bündnerischen Sprachgruppe

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in der übrigen Schweiz und als Bindeglied zwischen der Talbevölkerung und den ausserhalb der Täler lebenden Bürgern wird eine kräftigere Unterstützung der Tätigkeit dieser Sektionen als unerlässlich bezeichnet. Auch wären vermehrte Zusammenkünfte der an der Erhaltung von Kultur und Sprache von Italienisch Graubünden besonders interessierten Persönlichkeiten wünschbar.

III. Das Gesuch der Sprachvereinigungen Die Sprachvereinigungen weisen in ihrer Eingabe vom September 1961 darauf hin, dass sie infolge der stetig fortschreitenden Teuerung mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung der Talschaften nicht mehr erfüllen können. Besonders die publizistische Tätigkeit beanspruche gegenüber früher bedeutend grössere Mittel. Ferner seien die Ausgaben für die Vortragstätigkeit der Sektionen der «Pro Grigioni Italiano» und der «Società culturale di Bregaglia» wesentlich gestiegen. Die Belieferung der Bibliotheken in den Talschaften mit neuen Büchern begegne wachsenden Schwierigkeiten; der Betrag, der vor 15 Jahren noch für 10 bis 12 Bände genügte, reiche heute kaum mehr zum Ankauf von 2 Büchern aus.

Schliesslich erschwere die Teuerung die Tätigkeit der beiden Sprachvereinigungen auch auf allen übrigen Gebieten sehr empfindlich.

Ausser der Bundessubvention, dem jährlichen Beitrag des Kantons Graubünden und den von der Stiftung «Pro Helvetia» geleisteten Unterstützungen, gehen der «Pro Grigioni Italiano» und der «Società culturale di Bregaglia» von den einzelnen Gemeinden der Talschaften noch gewisse Beiträge zu, die aber ausnahmslos für den Ausbau bzw. die Entstehung der Museen oder für den Denkmalschutz beansprucht werden. Von den Mitgliederbeiträgen, die von Sektion zu Sektion verschieden sind, erhält die Zentralkasse der «Pro Grigioni Italiano» pro Mitglied l Franken, d.h. gesamthaft etwa 1000 Franken jährlich.

Das Budget der Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» für das Jahr 1962 rechnet bei Gesamtausgaben von 24 500 Franken mit einem Defizit von 3000 Franken. Das Budget für das Jahr 1963 sieht bei Gewährung einer erhöhten Bundessubvention von 60 000 Franken ein Total von Einnahmen und Ausgaben im Betrag von 71 000 Franken vor, wobei sich die Ausgaben wie folgt verteilen : Franken

Beiträge an die Sektionen Talmuseen Herausgabe der « Quaderni grigioni italiani» Herausgabe des «Almanacco dei Grigioni» Herausgabe der Schrift «Dono di Natale» Förderung von Künstlern und Forschern

28 000 6000 8000 3000 2000 4 000 Übertrag

51 000

248 Franken

Übertrag Herausgabe einer «Storia del Grigioni Italiano» (Bereitstellung einer I.Kate) Publikation einer Volksliedersammlung (Bereitstellung einer l. Kate) Bibliotheken Publikation der Kunstführer der Täler Aktion zugunsten von Italienisch Graubünden ausserhalb der Täler Italienischkurse Verwaltungsspesen und Herausgabe des «Bollettino» (Organ der Vereinigung) Total

51 000 1500 l 500 4000 2000 2 000 2 000 7 000 71000

IV. Würdigung der Eingabe Einer Zunahme der Gesamtbevölkerung des Kantons Graubünden im Zeitraum von 1950 bis 1960 von 10 358 Personen steht eine Abnahme der Bevölkerung der Talschaften italienischer Sprache von 77 Personen gegenüber.

Auf 29 Gemeinden Italienisch Graubündens weisen im Vergleich zu 1950 13 leichte Zunahmen auf, während 16 zum Teil beträchtliche Abnahmen der Einwohnerzahl zu verzeichnen haben, so z.B. Poschiavo (--234) und Brusio (--110).

Aus diesen Zahlen geht deutlich hervor, dass viele Einwohner - es dürfte sich dabei besonders um jüngere Leute handeln - aus den Talschaften in andere Landesteile mit besseren Einkommensverhältnissen abwandern, ein Beweis auch dafür, dass Italienisch Graubünden trotz eines gewissen Auflebens deiIndustrie im unteren Misox wirtschaftlich zu den am wenigsten begünstigten Gegenden unseres Landes zählt. Die Sprachvereinigungen, die sich die Wahrung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Eigenart der Talscbaften zum Ziele gesetzt haben, sind daher auf eine finanzielle Hilfe von aussen angewiesen. Nur wenn diese Hilfe in ausreichendem Masse erfolgt, sind sie in der Lage, die als .notwendig erachteten Aufgaben zu erfüllen.

Das Aktionsprogramm der Vereinigung «Pro Grigioni Italiano», ihrer Sektionen sowie der «Società culturale dei Bregagh'a» kann als durchaus zweckmässig bezeichnet werden. Die schon bisher erfüllten und die neuen Aufgaben dürften geeignet sein, das italienische Sprachgut und die damit verbundene Kultur der Talschaften zu erhalten und zu fördern, im Interesse unseres ganzen so vielgestaltigen Landes.

Das Ansteigen der finanziellen Bedürfnisse der Sprachvereinigungen hat seine Ursache einmal in der allgemeinen Teuerung - die Kosten gewisser Aktionen, z.B. der Vortragstätigkeit, haben sich seit 1942 mehr als verdoppelt -, dann in der Notwendigkeit eines weiteren Ausbaues einzelner Tätigkeitsgebiete, wobei vor allem die Schaffung der sehr bedeutungsvollen Kulturzentren bzw.

Talmuseen erwähnt seien.

249 Weder in der Botschaft vom 24. April 1942 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 1942 werden an die Ausrichtung der Beiträge an die Kantone Tessin und Graubünden besondere Bedingungen geknüpft. Es können daher nun nicht bei der Änderung des Bundesbeschlusses einzig dem Kanton Graubünden bestimmte Verpflichtungen hinsichtlich seiner eigenen Leistungen überbunden werden. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Kanton Graubünden zur Förderung des Schulwesens und der Kultur des italienischsprachigen Kantonsteils beträchtliche Aufwendungen erbringt. Neben den jährlich wiederkehrenden Ausgaben, unter denen wir die Führung einer speziellen italienischen Abteilung innerhalb des Lehrerseminars in Chur, die Durchführung besonderer Sprachkurse für die Lehrer des italienischsprachigen Kantonsteils und die Leistung besonderer Beiträge für das Proseminar in Roveredo erwähnen möchten, hat der Kanton immer wieder mit grösseren einmaligen Aufwendungen zu rechnen, z.B. für die Herausgabe von Lehrmitteln in italienischer Sprache. Was die zukünftigen Aufgaben betrifft, so ist speziell auf die Schaffung von Sekundärschulen in den italienisch sprechenden Talschaften hinzuweisen. Der besonderen Belastung des Kantons durch die italienischsprachigen Schulen wurde denn auch auf dem Gebiete der Unterstützung der öffentlichen Primarschulen durch den Bund Rechnung getragen. Schon anlässlich der am 15.März 1930 erfolgten Revision des einschlägigen Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 fanden die sprachlichen Verhältnisse in den Kantonen Graubünden und Tessin besondere Berücksichtigung. Das heute gültige Gesetz vom 19. Juni 1953 (AS 1953, 947) geht noch erheblich weiter. Im Rahmen der Primarschulsubvention beläuft sich der Sprachzuschlag für den Kanton Graubünden zur Zeit auf 15 Franken für jedes 7- bis 15jährige Kind italienischer und auf 30 Franken für jedes 7- bis 15jährige Kind rätoromanischer Sprache.

Dennoch hat sich der Kleine Rat des Kantons Graubünden bereit erklärt, zuhanden des bündnerischen Grossen Rates eine Vorlage betreffend eine Erhöhung des bisherigen jährlichen Beitrages an die Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» von 5000 auf 15 000 Franken auszuarbeiten. Der Kantonsbeitrag würde somit ebenfalls eine Verdreifachung erfahren. Der «Pro Grigioni Italiano» wäre diese Mehrleistung sehr willkommen,
hat sie doch darauf hingewiesen, dass sie auch bei einer Erhöhung des Bundesbeitrages auf 60 000 Franken nicht alle als notwendig erachteten Aufgaben erfüllen könnte.

Wie schon unter Ziffer I erwähnt, hat der Kleine Rat des Kantons Graubünden bisher den Bundesbeitrag von 20 000 Franken nicht in vollem Umfange der Vereinigung «Pro Grigioni Italiano» und der «Società culturale di Bregaglia» überwiesen, sondern gewisse kleinere Beträge für andere Bedürfnisse im Rahmen der Zweckbestimmung verwendet. Da das Gesuch um Erhöhung der Bundesleistung von den Sprachvereinigungen ausgegangen ist, erachten wir es als gegeben, dass der ganze Mehrbetrag von 40 000 den erwähnten beiden Sprachvereinigungen zugeht.

250 Bei Berücksichtigung aller Aspekte kommen wir zum Schlüsse, dass eine Erhöhung des Bundesbeitrages an den Kanton Graubünden zur Wahrung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Eigenart der Talschaften italienischer Sprache um 40 000 Franken, d.h. von bisher 20 000 auf 60 000 Franken gerechtfertigt ist.

V. Der Entwurf zu einem Bundesbeschluss Die Erhöhung des Beitrages zugunsten von Italienisch Graubünden hat eine Änderung von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe a des Bundesbeschlusses vom 21. September 1942 zur Voraussetzung.

Was den im gleichen Beschluss verankerten Beitrag von jährlich 225 000 Franken an den Kanton Tessin betrifft, so hat dessen Erziehungsdepartemont das Departement des Innern mit Schreiben vom 17. April 1962 davon in Kenntnis gesetzt, dass der Kanton bei Anlass der jetzigen Änderung des Bundesbeschlusses vom 21. September 1942 eine Erhöhung der Leistung zu seinen Gunsten nicht begehre. Inbezug auf die Unterstützung der Talschaften rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden durch den Bund, für die im erwähnten Beschluss jährlich 10 000 Franken vorgesehen sind, ist darauf hinzuweisen, dass mit Bundesbeschluss vom 25. September 1958 (BEI 1958, II, 809) der jährliche Beitrag an die Ligia Eomontscha/Lia Eumantscha von 50 000 auf 100 000 Franken erhöht worden ist, so dass auch in dieser Hinsicht der Bundesbeschluss vom 21. September 1942 keiner Änderung bedarf.

Wir beantragen, den revidierten Bundesbeschluss auf den I.Januar 1963 in Kraft zu setzen.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28.August 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler : Ch. Oser

251 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Änderung des Bundesbeschlusses über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vorn 28. August 1962, beschliesst :

Der Bundesbeschluss vom 21. September 19421) über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart wird wie folgt geändert : Art. 4, Abs. l, Buchstabe a Dem Kanton Graubünden wird bewilligt : a. ein jährlicher Bundesbeitrag von 60 000 Franken zur Wahrung der kulturellen und sprachlichen Eigenart seiner Talschaften italienischer Sprache.

II Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt am I.Januar 1963 in Kraft.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

!) BS 4, 252.

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