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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreifend die Unterstützung der Stiftung Schweizerische Volksbibliothek (Vom 2. November 1948)

Herr i Präsident!

: Hochgeehrte Herren!

Zum Zwecke der.geistigen, sittlichen und beruflichen Hebung aller Volkskreise unseres Landes leitete die Vereinigung Schweizerischer Bibliothekare im Jahre 1919 die Gründung einer Schweizerischen Volksbibliothek.in die Wege.

Die im Jahre 1920 als Stiftung gegründete Institution konnte zu Beginn des Jahres 1921 ihre Tätigkeit aufnehmen. Als Grundlage standen ihr zunächst die Bücher (ca. 40 000 Bände) und Kisten (300 Stück) der vom Armeestab während des Aktivdienstes 1914--1918 geschaffenen Soldatenbibliothek zur Verfügung. Heute beträgt ihr Bücherbestand ca. 200 000 Bände, Der Vielgestalt unseres Landes entsprechend, hat die Volksbibliothek ihre Arbeit dezentralisiert und den Versand von Wanderbüchereien mit .unterhaltender und belehrender (allgemein bildender) Literatur -- unter Einschluss der in den letzten Jahren geschaffenen Jugendbüchereien -- sieben Kreisstellen in Bellinzona, Bern, Chur, Freiburg, Lausanne, Luzern und Zürich anvertraut, die in ihrer Tätigkeit der sprachlichen und kulturellen Eigenart der betreffenden Landesgegenden gebührend Beatmung tragen. Die Berufs- und Fachliteratur dagegen wird von .der Hauptstelle in Bern gesammelt und verwaltet und von dort aus an die einzelnen Benutzer im ganzen Lande bandweise ausgeliehen.

Wenn1 auch die Tätigkeit der Volksbibliothek stets in erster Linie darauf gerichtet war, der Landbevölkerung wertvolle geistige Nahrung zu vermitteln, so zeigte sich doch immer wieder, dass z. B. auch in den Kantonshauptorten die dort bestehenden kantonalen und lokalen Bibliotheken nicht ausreichen, um den Legehunger der Einwohnerschaft zu stillen, und dass diese daher auch die Dienste der Volksbibliothek dankbar in Anspruch nimmt. Als ständige Benutzer der Volksbibliothek kommen im übrigen hauptsächlich Wohlfahrtshäuser, Gemeinde- und Soldatenstuben, Jugend- und Volksbibliotheken, Pfarrämter, Lesevereine, Schulen, Ferienkolonien, Anstalten und Firmen in Betracht. Unter den zivilen Bestellern nahmen in den letzten Jahren aber auch die Flüchtlings- und Bückwandererheime sowie die Militärinternierten einen ansehnlichen Platz ein. Gemäss einer seinerzeit mit dem eidgenössischen Militär-, département getroffenen vertraglichen Abmachung ist die Volksbibliothek

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überdies verpflichtet, unserer Armee jederzeit unentgeltlich als Soldatenbibliothek zu dienen. Was im Frieden lediglich eine kleine Nebenarbeit bedeutete, für welche die Schweizerische Nationalspende der Volksbibliothek einen jährlichen Beitrag von durchschnittlich Fr. 2000--8000 gewährte (in den letzten Jahren beläuft er sich auf rund Fr. 15 000 pro Jahr) wurde während des vergangenen Aktivdienstes zu einer Hauptaufgabe von ungeahntem Ausmass, indem die Volksbibliothek alle Truppenteile, Soldatenstuben und Sanitätsanstalten im ganzen Lande mit Lesestoff zu versorgen hatte. Der Versand derartiger Soldatenbüchereien belief sich in den Jahren 1989--1945 auf ca.

14 000 Kisten mit insgesamt gegen 500 000 Bänden. Die Bewältigung dieser ausserordentlichen Aufgabe wurde der Volksbibliothek durch einen einmaligen Beitrag der Arbeitsgemeinschaft Pro Helvetia in der Höhe von Fr. 25 000 (1940) und ganz besonders durch namhafte ausserordentliche Zuschüsse der Nationalspende in der Höhe von insgesamt gegen Fr. 550 000 ermöglicht.

Es liegt im Wesen gemeinnütziger Unternehmungen, dass sie sich nur dann selbst erhalten können, wenn sie von Anfang an über, ein Vermögen verfügen, dessen Ertrag die Eückschläge der Betriebsrechnungen zu decken vermag. Diese Voraussetzung ist jedoch bei der Volksbibliothek nicht erfüllt.

Zur Deckung ihrer laufenden Ausgaben verfügt sie über einen jährlichen Bundesbeitrag, der sich gemäss Bundesbeschluss vom 23. Juni 1921 auf maximal Fr. 60 000 beläuft, sowie über regelmässige Zuwendungen von Seiten der Kantone und einer Anzahl von Gemeinden, Vereinen, Firmen und Einzelpersonen. Durch ausgesprochen sparsames Haushalten gelang es der Volksbibliothek bis vor kurzem, Einnahmen und Ausgaben einigermassen im Gleichgewicht zu halten.

Dabei stellten die erwähnten grosszügigen Zuschüsse der Nationalspende u. a.

auch im Hinblick auf'die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Personal wie auf die Notwendigkeit einer ständigen Erneuerung und Ergänzung der stark beanspruchten Bibliotheksbestände eine entscheidende Hilfe dar. Mit Beendigung des Aktivdienstes hörten auch die ausserordentlichen finanziellen Leistungen der Nationalspende auf. Gegenwärtig befindet sich die Volksbibliothek in einer überaus prekären Lage, indem die Beiträge von Bund, Kantonen, Gemeinden, Vereinen, Firmen und
Einzelpersonen sich im wesentlichen seit Jahren gleichblieben, während die Ausgaben der Stiftung infolge der Teuerung andauernd stiegen. Die Betriebsrechnung der Volksbibliothek für das Jahr 1947 schliesst denn auch erstmals mit einem Defizit, das sich bei Fr.. 189 644.80 Einnahmen und Fr. 226 736.10 Ausgaben auf Fr. 37091.80 beläuft. Es konnte durch eine Entnahme aus dem Betriebsfonds ausgeglichen werden, wodurch dieser aber auf ca. Fr. 10 000 reduziert wurde. Dieser Betrag macht neben den ca. Fr. 8000 des Reservefonds zur Zeit das gesamte Barvermögen der Stiftung aus. Das Defizit der Eechnung für 1948 wird noch höher sein, und der provisorische Voranschlag für 1949 sieht einen Fehlbetrag! von Fr. 103 000 vor. Es steht demnach ausser Frage, dass das Unternehmen ohne eine den veränderten Verhältnissen entsprechende rasche Erhöhung der Beiträge von Bund, Kantonen und Gemeinden ernstlich gefährdet wäre. Auf diese Not-

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Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren hat im Hinblick auf diese Sachlage vor : kurzem beschlossen, den Kantonsregierungen eine Erhöhung ihrer Beiträge an die Volksbibliothek dringend zu empfehlen, und zwar in dem Sinne, dassi als allgemeines Mass 2 Kappen pro Kopf der Bevölkerung der Berechnung zugrunde gelegt werden möchten. Der gute Wille zu einer Mehrleistung der Kantone, in deren, Zuständigkeit das Volksbibliothekswesen als Teil des Bildungswesens ja in erster Linie gehört, scheint vorhanden zu sein, wobei allerdings erwartet wird, : dass auch der Bund sich entschliesse, seinen jährlichen Beitrag angemessen zu erhöhen. Dagegen haben die vom Stiftungsrat der Volksbibliothek an Industrie- und Handelskreise gerichteten Gesuche um private Hilfe bisher nicht den gewünschten Widerhall gefunden, da in diesen Kreisen die Auffassung vorherrscht, der Unterhalt, einer allen Landesteileri und Volksgruppen dienenden Bildungsanstalt sei nicht in erster Linie Aufgabe der privaten Wohltätigkeit, sondern der öffentlichen Hand.

Mehr als je kommt es heute darauf an, dass die Schweiz ihr Augenmerk nicht nur auf die Förderung materieller Werte richtet, sondern auch ihre geistigen Werte zu wahren und zu mehren sucht. Der Pflege des guten Buches kommt dabei 'besondere Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang muss übrigens erwähnt werden, dass die Verbreitung guter Literatur auch ein wichtiges positives Mittel im Kampf gegen die Schundliteratur, deren ungünstiger Einüuss vor allem auf Jugendliche die Öffentlichkeit in letzter Zeit in vermehrtem Masse beschäftigt, darstellt. Da eine Gefährdung der Schweizerischen Volksbibliothek, die sich mit Erfolg für das gute Buch einsetzt, nicht wohl verantwortet werden könnte, drängt sich eine Erhöhung der vor mehr als 25 Jähren1 auf Fr. 60 000 festgesetzten und seither, abgesehen von einer vorübergehenden Eeduktion, unverändert gebliebenen jährlichen Bundesleistung auf Fr. 100 000 auf. Die Volksbibliothek wird im übrigen genötigt sein, auch in Zukunft alljährlich eine mindestens gleich hohe Summe aus andern Quellen aufzubringen.

Gestützt auf
vorstehende Ausführungen empfehlen wir Ihnen, den angeschlossenen Entwurf durch Ihre Gutheissung zum Beschluss zu erheben.

Wir nehmen die Gelegenheit wahr, um Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern. ' Bern, den 2. November 1948.

·, Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Celio Der Bundeskanzler: Leimgruber

680 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Unterstützung der Stiftung Schweizerische Volksbibliothek

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. November 1948, beschliesst : Art. l Der Stiftung Schweizerische Volksbibliothek wird an die Betriebskosten ein Beitrag zugesichert, der im Höchstbetrag von Fr. 100 000 jährlich in den Voranschlag des Bundes einzustellen ist, unter der Voraussetzung, dass mindestens ein gleich hoher jährlicher Betrag von, der Stiftung aus andern Quellen aufgebracht wird.

Art. 2

Dieser Beschluss hebt den Bundesbeschluss vom 23. Juni 1921 betreffend die Unterstützung der Stiftung «Schweizerische Volksbibliothek» auf.

Er tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft, Der Bundesrat ist mit der Vollziehung beauftragt.

8209

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Unterstützung der Stiftung Schweizerische Volksbibliothek (Vom 2. November 1948)

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04.11.1948

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