zu 07.492 Parlamentarische Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer Bericht vom 12. August 2008 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 19. September 2008

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 12. August 2008 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates betreffend Schutz und Nutzung der Gewässer nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. September 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-2055

8079

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Schreiben vom 22. August 2008 unterbreitet die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) dem Bundesrat den Entwurf der Parlamentarischen Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer (07.492) zur Stellungnahme. Der Entwurf stellt einen indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» dar.

Die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» wurde am 3. Juli 2006 mit 161 836 Stimmen eingereicht. Der Bundesrat hat am 8. Juni 2007 beschlossen, dem Parlament zu beantragen, die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» ohne Gegenentwurf dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Er anerkannte in seiner Botschaft aufgrund des heutigen Zustands der Gewässer den grossen Handlungsbedarf, vertrat jedoch die Auffassung, dass diese Defizite im Rahmen der geltenden Gesetze behoben werden sollen.

Am 6. Juni 2007 hat Ständerat Simon Epiney eine Motion (07.3311. Epiney. Renaturierung von Fliessgewässern. Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser») eingereicht. Diese fordert vom Bundesrat einen Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser», in welchem die Finanzierung von Renaturierungen durch einen Zuschlag von 0,1 Rappen pro Kilowattstunde auf die Übertragungskosten der Hochspannungsnetze sichergestellt werden soll. Der Ständerat wollte der Volksinitiative einen indirekten Gegenentwurf gegenüberstellen und stimmte der Motion zu. Der Nationalrat hat am 6. Dezember 2007 dieser Motion ebenfalls zugestimmt.

Die UREK-S hat anschliessend mittels parlamentarischer Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer (07.492) einen indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» erarbeitet. In der breiten Vernehmlassung sind die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen auf grosse Zustimmung gestossen. Nur zwei Kantone, die Schweizerische Volkspartei und einzelne Organisationen waren der Ansicht, dass es keinen Gegenentwurf brauche. Die Vorlage wurde am 12. August 2008 von der UREK-S bereinigt und mit 10:0 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden des Ständerates verabschiedet. Gleichzeitig wurde der Bundesrat zur Stellungnahme eingeladen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Allgemeine Überlegungen

Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf zur Verbesserung des Zustands der Gewässer nie bestritten, war jedoch der Meinung, dass die Anliegen der Initiantinnen und Initianten mit den heutigen Gesetzen realisiert werden könnten. Nach Annahme der Motion Epiney im Parlament und nachdem die Arbeit der UREK-S in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen ist, stellt sich der Bundesrat nicht mehr gegen einen Gegenentwurf. Er stellt fest, dass sowohl die Interessen des Schutzes als auch diejenigen der Nutzung der Gewässer in der Vorlage ausgewogen berücksichtigt werden.

8080

Der Bundesrat beurteilt den vorliegenden Gegenentwurf generell wie folgt: ­

Im Gegensatz zur Volksinitiative beschränkt sich der Gegenentwurf auf die Revitalisierung der wichtigsten 4000 km der insgesamt 15 000 km verbauten und eingeengten Gewässer. Durch diese planerische Priorisierung werden ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und tiefere Gesamtinvestitionen erreicht.

­

Die Verminderung der negativen Auswirkungen von Schwall und Sunk bei Wasserkraftwerken soll durch bauliche Massnahmen erreicht werden.

Dadurch werden die Produktion von Strom, insbesondere von Spitzenbeziehungsweise Regelstrom und somit die Versorgungssicherheit des Landes nicht beeinträchtigt. Die Volksinitiative hingegen will eine rasche, konsequente Sanierung der Wasserkraft, womit auch betriebliche Massnahmen, welche mit grossen finanziellen Einbussen und einer Schwächung der Stromversorgungssicherheit gleichzusetzen wären, erfolgen müssten.

­

Die Massnahmen im Bereich Geschiebereaktivierung berücksichtigen einerseits die Anliegen der Volksinitiative, andererseits aber auch die Anliegen der Gewässernutzung sowie des Hochwasserschutzes.

­

Die Vorlage lässt ausserdem im Bereich der Restwasserbestimmungen eine gewisse Mehrnutzung zu, ohne die ökologischen Funktionen der Gewässer zu stark zu beeinträchtigen.

2.2

Stellungnahme des Bundesrates zu einzelnen Änderungsvorschlägen

Der Bundesrat begrüsst den ganzheitlichen Ansatz bei der Festlegung der Gewässerräume für die Revitalisierung von Gewässern, die Hochwasserschutzmassnahmen und die Wassernutzungen. Dies ist nicht nur für die Revitalisierung wichtig, sondern stärkt gleichzeitig den Hochwasserschutz, was vor dem Hintergrund des Klimawandels von besonderer Bedeutung ist.

Die Revitalisierungspflicht beschränkt sich auf prioritäre Massnahmen, die einen grossen Nutzen für die Natur, die Naherholung und den Tourismus haben.

Für die Ausweitung der Gewässersohlen im Rahmen von Revitalisierungen würden insgesamt ca. 2000 ha Landwirtschaftsland beansprucht (jährlich etwa 30 ha). Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese geringen Flächen dort, wo sie gemäss Sachplan Fruchtfolgeflächen diesen zugeordnet sind, kompensiert oder, wenn dies nicht möglich ist, aus dem Sachplan entlassen werden müssen. Die für die Sicherstellung des Gewässerraums extensiv zu bewirtschaftenden insgesamt etwa 20 000 ha Landwirtschaftsland sind mit dem Sachplan Fruchtfolgeflächen vereinbar, da sie bei Bedarf innerhalb relativ kurzer Zeit wieder intensiv nutzbar gemacht werden können.

Der Bundesrat begrüsst auch die auf bauliche Massnahmen beschränkte Sanierung der negativen Auswirkungen von Schwall und Sunk der Wasserkraft und dass diese baulichen Massnahmen im Einzugsgebiet des Gewässers aufeinander abgestimmt und so geplant werden sollen, dass Synergien genutzt werden können. Dadurch werden wichtige Nachteile der klimaneutralen Wasserkraft beseitigt und die Belastung der Gewässer und deren Landschaften stark reduziert, was die touristische 8081

Attraktivität unseres Landes ebenfalls fördert. Diese Investitionen in die Sanierung der Wasserkraft erhöhen den Wert des produzierten Stromes, weil er damit die hohen Anforderungen an Ökostrom erfüllt.

Die materiellen Flexibilisierungen bei den Restwasserbestimmungen werden ebenfalls begrüsst, weil damit jährlich 100­250 GWh Mehrproduktion erwartet werden kann, ohne dass dadurch die ökologischen Funktionen der Gewässer gross beeinträchtigt würden.

Die Verschiebung der Zuständigkeit zur Genehmigung der Schutz- und Nutzungsplanung (SNP) vom Bundesrat zu der für das Hauptverfahren zuständigen Behörde lehnt der Bundesrat jedoch aus folgenden Gründen ab: Die Ausnahmeregelung betreffend SNP ist sehr offen und flexibel formuliert und enthält insbesondere keine klaren Kriterien betreffend Kompensation und damit keine konkreten Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme. Durch die Genehmigung konnte der Bundesrat bisher sicherstellen, dass der Verfassungsauftrag der Sicherung angemessener Restwasserbestimmungen erfüllt werden kann. Dies wäre ohne die Genehmigungspflicht nicht mehr in jedem Fall gewährleistet. Ausserdem dient die bundesrätliche Genehmigung der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit und verhindert, dass Gerichte anhand unklarer Kriterien die Rechtmässigkeit einer SNP beurteilen müssen. Mit der Verhinderung von Gerichtsverfahren dient die bundesrätliche Genehmigungspflicht auch der Effizienz des Verfahrens der SNP.

Bezüglich Finanzierung der Sanierungsmassnahmen in den Bereichen Schwall/ Sunk, Geschiebe und Fischgängigkeit ist der Bundesrat der Ansicht, dass den Inhabern von Wasserkraftanlagen zur Wahrung ihrer wohlerworbenen Rechte die vollständigen Kosten der Massnahmen von der nationalen Netzgesellschaft erstattet werden sollten.

2.3

Stellungnahme des Bundesrats zu den finanziellen Auswirkungen der Vorlage im Bereich Revitalisierungen

Die Revitalisierungen sollen gemäss Vorschlag zu durchschnittlich 65 Prozent (d.h.

40 Millionen Franken pro Jahr) durch ordentliche Bundesmittel finanziert werden.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Subvention von «durchschnittlich» 65 Prozent zu hoch ist. Ein hoher Subventionsanteil scheint ihm dort gerechtfertigt, wo es bei den prioritären Revitalisierungen v.a. um die Wahrnehmung nationaler Interessen geht (Erhalt und Förderung der Biodiversität). Unbestritten ist, dass ein hoher Subventionssatz zielführend ist, weil der Druck, Revitalisierungen durchzuführen, im Vergleich zu anderen Aufgaben eher klein ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Bund die Verbauungen der Gewässer durch seine frühere Landgewinnungs- und Wasserbaupolitik mitverantwortet. Der Bundesrat vertritt jedoch die Auffassung, dass ein Subventionssatz von 65 Prozent den Maximalsatz darstellen muss. Damit ist auch die Kongruenz zum Hochwasserschutz geschaffen, wo der maximale Subventionssatz ebenfalls 65 Prozent beträgt. Die Abgrenzung des Subventionstatbestandes «Revitalisierung von Gewässern» zu demjenigen des «Hochwasserschutzes» wird nach Auffassung des Bundesrates auf Verordnungsebene zu konkretisieren sein.

8082

Die für die Finanzierung der Revitalisierungen notwendigen zusätzlichen Bundesmittel von 40 Millionen Franken pro Jahr beurteilt der Bundesrat wie folgt: Angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe stellt sich der Bundesrat nicht prinzipiell gegen die neue Aufgabe. Er verweist aber darauf, dass auch bei einer verbesserten finanziellen Situation des Bundes die Ausgaben restriktiv zu handhaben sind, um Einnahmen und Ausgaben auf Dauer im Gleichgewicht zu halten. Die Vorlage hat für den Bundeshaushalt jedoch nichtfinanzierte Mehrausgaben von jährlich 40 Millionen Franken zur Folge, da diese Aufgaben nicht durch Verzicht auf andere Ausgaben kompensiert werden können. Zudem sollen neu Abgeltungen des Bundes an die Planungsaktivitäten der Kantone ausgerichtet werden, was eine weitere Belastung des Bundeshaushaltes von insgesamt 5 Millionen Franken zur Folge hat. Weil es sich um neue Subventionsbestimmungen handelt, die unter die Ausgabenbremse fallen, muss das Parlament mit der gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV dafür notwendigen Mehrheit in beiden Räten dieser Ausgabe zustimmen.

Zudem verweist der Bundesrat darauf, dass diese neue Aufgabe für den Bund und die Kantone auch personelle Konsequenzen haben wird. Auf Stufe Bund sind für die Beurteilung der Beitragsgesuche und die Beratung der Kantone für die Revitalisierungen und die Sanierung der Wasserkraft 5 Vollzeitstellen erforderlich.

2.4

Zusammenfassung der Stellungnahme des Bundesrates und Antrag

Der Bundesrat unterstützt die Stossrichtung des Berichts der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) vom 12. August 2008 und stimmt auch den darin vorgeschlagenen Rechtsänderungen mit drei Ausnahmen zu: ­

Der Bundesrat beantragt, Artikel 32 Buchstabe c GSchG in Bezug auf die Verschiebung der Genehmigung der Schutz- und Nutzungsplanung (SNP) vom Bundesrat zu der für das Hauptverfahren zuständige Behörde nicht zu ändern.

­

Der Bundesrat beantragt, Artikel 15abis EnG (Minderheitsantrag) so zu ändern, dass die nationale Netzgesellschaft im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Umwelt und dem betroffenen Kanton sowie nach Anhörung des Konzessionärs diesem die vollständigen Kosten für den Entzug seiner wohlerworbenen Rechte der Sanierungsmassnahmen in den Bereichen Schwall/Sunk, Geschiebe und Fischgängigkeit erstattet.

­

Der Bundesrat beantragt, die Höhe der Bundessubvention von Gewässerrevitalisierungen gemäss Artikel 62b Absatz 2 GSchG solle nicht «durchschnittlich 65 Prozent der Kosten», sondern «bis zu 65 Prozent der Kosten» betragen.

8083

8084