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Bundesblatt 100. Jahrgang,

Bern, den 28. Oktober 1948.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 28 Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli * de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss über Beiträge des Bundes an die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge (Vom 22. Oktober 1948) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

I.

Seit jeher haben Flüchtlinge in der Schweiz Zuflucht gesucht. Wenn immer die Verhältnisse es erlaubten, standen ihnen die Tore offen. Das Schweizervolk hat sich eine Ehre daraus gemacht, Verfolgten, die des Asyls würdig sind, Schutz zu bieten.

Auch die letzten Jahre haben unserm Land unter erschwerten Umständen wiederum Flüchtlinge gebracht. Während es in frühern Zeiten meistens Flüchtlinge aus unsern Nachbarländern gewesen waren, deren Eigenart uns vertraut ist, haben zwei Weltkriege und die dazwischenliegende politisch gespannte Zeit Menschen aus aller Welt in unser Land verschlagen. Die Mehrzahl von ihnen konnte später allerdings wieder weiterziehen. Eine im Vergleich zu unserer Einwohnerschaft erhebliche Mahl Schriften- und Staatenloser lebt aber heute noch unter uns.

Wenn man sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges vielleicht der Hoffnung hatte hingeben können, die durch die Ereignisse der letzten Jahre entwurzelten Menschen Würden bald wieder eine bleibende Heimstätte finden und die Bewohner unseres Kontinentes hätten nicht so bald wieder Anlass, vor politischer Verfolgung zu fliehen, sah man sich in dieser Erwartung schmerzlich enttäuscht. Noch leben Hunderttausende von entwurzelten Menschen in Lagern und behelfsmässigen Unterkünften und warten sehnlichst auf die MögBundesblatt. 100. Jahrg. Bd. III.

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liclikeit, sich irgendwo eine neue Existenz und eine bleibende Heimstätte aufzubauen. Bevor ihnen noch wirksam und durchgreifend geholfen werden kann, flüchten anderswo wiederum Menschen aus ihrer Heimat, um sich vor politischer Verfolgung zu retten, und vermehren täglich die Zahl der Flüchtlinge.

Auch in die Schweiz kommen solche. 'Ihre Zahl ist vorläufig nicht gross, jedenfalls im Vergleich zum Flüchtlingszustrom während des Krieges nicht bedeutend. Etwas zahlreicher sind schon die Ausländer, die in ordentlicher Weise früher eingereist sind oder noch einreisen, nach Ablauf dès Aufenthaltszweckes jedoch nicht zurückkehren können, weil sich inzwischen die politischen Yerhältnisse in ihrem Heimatstaat grundlegend geändert haben. Die unsichere politische Lage im Ausland kann jedoch jeden Tag eine starke Vermehrung der Flüchtlinge bringen, die um Asyl nachsuchen. Es dürften zur Hauptsache neue Flüchtlinge sein, die durch die politischen Ereignisse seit dem Waffenstillstand zur Flucht aus ihrer Heimat veranlasst worden sind.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass das Schweizervolk bereit ist, auch weiterhin Flüchtlinge aufzunehmen, solange die Möglichkeiten und die Hilfsmittel unseres Landes es erlauben. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Zuflucht suchenden Ausländer des Asyls würdig und bereit sind, sich den schweizerischen Gepflogenheiten und Verhältnissen anzupassen. Es wurden zwar auch Stimmen laut, die die Zahl der heute noch in der Schweiz lebenden Flüchtlinge nicht vermehrt sehen möchten. Sie weisen darauf hin, dass Ausländer, die vielleicht in ihren entfernten Heimatländern gefährdet sein mögen, es nicht immer in unsern Nachbarländern seien. Wenn auch diese Überlegung für einzelne zutreffen mag, ist sie doch nicht ohne weiteres für alle gültig. Auch darf nicht vergessen werden, dass unsere nördlichen und östlichen Nachbarn bereits eine Übergrosse Zahl von Flüchtlingen beherbergen, obschon diese Völker am stärksten unter den Kriegsereignissen gelitten haben.

II.

In früheren Jahrhunderten waren es die Kantone, die Flüchtlinge aufnahmen und für sie sorgten. Die Kantone haben damals beträchtliche Mittel für die Flüchtlingsfürsorge aufgewendet. Als die Hugenotten in unserm Lande Schutz suchten, wurden die Gesamtkosten auf die reformierten Kantone im Verhältnis zur Bevölkerungszahl verteilt. Die Lasten waren gewaltig. Bern z.B.

gab jahrelang einen Fünftel der Staatseinkünfte zur Unterstützung der Flüchtlinge aus.

Seit 1848 griff mehr und mehr der Bund ein..Vorerst erhielt er eine negative Kompetenz. Die Bundesverfassung von 1848 gab ihm das Eecht, Fremde aus dem schweizerischen Gebiet auszuweisen, die die innere oder äussere Sicherheit des Landes gefährdeten. Später konnte er auch einen Kanton verhalten, einen politischen Flüchtimg auf seinem Gebiet zu dulden. Noch grösser wurde der Einfluss des Bundes, als nach dem ersten Weltkrieg die Fremdenpolizei eidgenössisch geregelt wurde.

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Als im Verlauf des zweiten Weltkrieges, vor allem im Spätsommer 1942, die Zureise von Flüchtlingen ein immer grösseres Ausmass annahm, erklärten sich die Kantone ausserstande, das Problem zu bewältigen. Der Bund musste einspringen und die Leitung der Asylpolitik in die Hände nehmen. Von nun an bestimmte vorwiegend er, wer als Flüchtling Aufnahme finden soll. Der Bund nahm sich aber auch, zusammen mit der privaten Flüchtlingshilfe, der Flüchtlinge an und sorgte für ihre Unterkunft und ihren Unterhalt (vergleiche Bundesratsbeschluss vom 12. März 1943 über die Unterbringung von Flüchtlingen). Die Lasten, die dem Bund aus der Flüchtlingsfürsorge heute noch erwachsen, sind immer noch beträchtlich; so mussten 1947 noch Fr. 6897477 ausgegeben werden. Da eine Eeihe dieser Flüchtlinge dauernd soll da bleibenkönnen, werden dem Bund noch auf viele Jahre hinaus beträchtliche Kosten erwachsen.

Als Ende 1945 der Euf nach Bückgabe der Kompetenzen an die kantonalen Behörden erscholl, schien der Augenblick gekommen, auch über die allfällige Aufnahme neuer Flüchtlinge vorerst die.Kantone bestimmen ,zu lassen. Die Kantone sollten in erster Linie entscheiden können, ob. sie solche Ausländer aufnehmen wollen. Vorbehalten blieb nur der Entscheid der schweizerischen Bundesanwaltschaft für Ausländer, die der engern Umschreibung des politischen Flüchtlings entsprachen. Das Bestimmungsrecht über die Zulassung solcher Ausländer bringt aber auch die Pflicht mit sich, für die Aufgenommenen zu sorgen, wenn sie mittellos sind. Den Kantonen entstanden deshalb Kosten* vor allem auch während des PrüfungsVerfahrens. Als besonders :stossend empfanden die Kantone, dass sie während der Zeit bezahlen sollten, während der die Bundesanwaltschaft einen Fall prüfte. Da oft langwierige Erhebungen notwendig sind, können sich solche Prüfungen über Monate hinaus erstrecken, so dass unter Umständen recht erhebliche Kosten entstehen.

Die Kantone wandten sich deshalb an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und ersuchten um Übernahme der Kosten- Das Departement kann aber nur Kosten übernehmen, zu deren Übernahme es durch Eechtssatz berechtigt und verpflichtet ist. Abgesehen von zwei bestimmten genau umschriebenen Ausnahmen besteht eine solche Ermächtigung nur für Ausländer, die gemäss Artikel 14, Absatz 2, des Bundesgesetzes über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer interniert sind. Der Bund trägt die Kosten der fremdenpolizeilichen Internierung, soweit die betreffenden Ausländer nicht über eigene Mittel verfügen oder Dritte für die Kosten aufkommen. Der Ausdruck Internierung bedeutet dabei nicht die Einweisung in eine Anstalt, sondern bloss die fremdenpolizeiliche Grundlage der Anwesenheit eines Ausländers in der Schweiz, der nicht eine kantonale fremdenpolizeiliche Anwesenheitsbewilligung besitzt. Diese Ausländer unterstützt die Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- .und Polizeidepartements, soweit sie nicht arbeiten und ihren Unterhalt selbst verdienen können oder Dritte für .sie aufkommen.

; ' Der Bund kann ferner Ausländer unterstützen, die früher: den Flüchtlingsoder Emigrantenvorschriften unterstanden sind und denen das dauernde Ver-

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bleiben in der Schweiz gestattet worden ist (vergleiche Bundesbeschluss vom 16. Dezember 1947 über Beiträge des Bundes an die Unterstützung von bedürftigen Emigranten und Flüchtlingen).

Als letzte Ausnahme wäre schliesslich noch der Bundesbeschluss über die Unterstützung von Flüchtlingen aus der russischen Revolutionszeit zu erwähnen.

Auf Grund dieses Beschlusses unterstützt der Bund immer noch etwas mehr als hundert ehemalige Bussen, die seinerzeit nicht nach Bussland haben zurückkehren können und in der Folge in unserm Land in Not geraten sind.

Andere Möglichkeiten zur Unterstützung von Ausländern haben die Bundesbehörden nicht. Wenn sich nicht Private bedürftiger Ausländer annehmen oder deren Heimatstaaten für die Kosten aufkommen, müssen die Kantone einspringen.

Für gewöhnliche Zeiten ist das auch durchaus richtig. Die Kantone entscheiden über die Zulassung der Fremden und gewähren ihnen Aufenthalt.

Sie müssen deshalb auch für die Lasten aufkommen, die-ihnen aus ihrer Autonomie im Gebiete der Fremdenpolizei und aus etwaiger Unvorsichtigkeit bei ihrer Ausübung erwachsen. Daran muss grundsätzlich festgehalten werden.

Anders ist es aber bei Ausländern, die ohne ausdrückliche Ermächtigung einer kantonalen Behörde eingereist sind und das Land nicht wiederum verlassen können. Es ist in diesen Fallen oft durchaus zufällig, in welchen Kanton ein solcher Ausländer gelangt. Vor allem die Grenzkantone sind einem verstärkten Druck solcher Ausländer ausgesetzt. Diese Kantone empfinden es deshalb auch als ungerecht, wenn sie nun allein oder vorwiegend für diese Ausländer aufkommen sollten.

Es liegt auf der Hand, dass die Kantone in der Aufnahme von Flüchtlingen, deren Unterhalt nicht zum vornherein schon gesichert ist, zurückhaltend sind, wenn sie damit rechnen müssen, die Unterstützungslasten au tragen. Das ist an sich durchaus verständlich, um so mehr, als die Lasten ohnehin recht ungleich verteilt sind. Eine Asylpolitik aber, die vorwiegend von finanziellen Überlegungen beeinflusst ist, kann zu keinem erfreulichen und unserer Tradition würdigen Ergebnis führen. Ein Flüchtling, der Aufnahme sucht und der des Entgegenkommens würdig ist, soll nicht deshalb in eine ungünstigere Lage kommen, weil die Kantone nicht zahlen wollen und der Bund nicht zahlen kann. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden,
dass der Entscheid über die Aufnahme eines Flüchtlings nicht vorwiegend von finanziellen Überlegungen beeinflusst wird. Ohne dass sich der Bund in erheblichem Masse an den Unterstützungslasten beteiligt, ist heute leider keine Lösung des Problems möglich.

III.

Man hätte daran denken können, wiederum die Internierung der neu einreisenden Flüchtlinge zu verfügen. Damit hätte der Bund vom Augenblick der Internierung an die allfälligen Kosten zu übernehmen. Eine solche Lösung wäre denkbar. Sie hätte aber wesentliche Nachteile. Einmal bestände Unklar-

449 heit, wer die Kosten zu tragen hätte vom Augenblick der Einreise des Flüchtlings an bis zum Beschluss der. Internierung. Gerade diese Zeitspanne kann aber kritisch werden, insbesondere wenn das Prüf ungs verfahr en sich in die Länge zieht. Vorn kantonalen Standpunkt aus ist es nur schwer verständlich, dass der Kanton für den Unterhalt eines Ausländers sorgen soll, dessen Zulassung in Bern geprüft und entschieden wird. Der Bundesrat könnte allerdings verfügen, dass solche Ausländer vom Moment der Aktenüberweisung an die Bundesbehörde als interniert gelten, vorbehaltlich .des spätem formellen Beschlusses. Eine solche Verfügung könnte aber wohl nur'als ;vorübergehende Notlösung in Betracht kommen.

Eine weitere unerwünschte Konsequenz dieser Lösung würde darin liegen, dass der Bund allein für den betreffenden Ausländer aufkommen müsste. Vor allem: wären! die in der Flüchtlingshilfe interessierten privaten Kreise viel schwerer zu einer Mitbeteiligung zu gewinnen.

Der schwerste Nachteil bestände unseres Erachtens aber darin, dass der Bund nun allein in allen Belangen für den betreffenden Ausländer verantwortlich wäre und in jeder Beziehung für ihn sorgen müsste. Wie für die früheren Flüchtlinge, die interniert werden mussten, hätte der Bund wiederum für Unterkunft und für Arbeit für die ihm anvertrauten Schützlinge au sorgen.

Die Kantone, die internierte Flüchtlinge mehr oder weniger als exterritorial betrachten, sind oft in der Erteilung ihrer Zustimmung zum Zuzug und zur Arbeitsaufnahme solcher Flüchtlinge sehr zurückhaltend. Da die Kantone ihnen keine Bewilligung erteilt haben, stehen sie ihnen nicht so nahe, dass sie sich positiv und intensiv mit ihrem Schicksal befassen würden.

Ein solcher Zustand steht aber im Widerspruch zur Bundesverfassung (Art. 69*er), wonach die Kantone die Entscheidung über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer nach Massgabe des Bundesrechts treffen.

Es kommt dazu, dass diese Lösung an sich nicht passend scheint. Es wird eine rechtliche Konstruktion herbeigezogen, die ursprünglich eigentlich für andere Fälle vorgesehen war, um überhaupt die Anwesenheit zu uns geflüchteter Ausländer regeln zu können. Eine solche Konstruktion muss aber insbesondere für Leute, die nicht näher mit der Materie vertraut sind und namentlich für die betroffenen Flüchtlinge unbillig
erscheinen.

Die Internierung neu zugereister Flüchtlinge, die an sich theoretisch möglich wäre, hätte also wesentliche Nachteile, die aus verschiedenen Gesichtspunkten vermieden werden sollten. Wenn aber der Weg der Internierung nicht zweckmässig ist, muss eine neue gesetzliche Grundlage für die Beteiligung des Bundes geschaffen werden.

Man hätte an einen Bundesbeschluss denken können, der die ganze oder teilweise Vergütung:der Kosten, die den Kantonen aus der Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, vorgesehen hätte. Da die Polizeidirektionen der Kantone an einer ausserordentlichen Konferenz im Februar dieses Jahres mündlich und nachher in einem Exposé schriftlich ausdrücklich jede Mitbeteiligung an

450 den Unterstützungslasten abgelehnt haben, hätte im Beschluss jedoch zum vorneherein die völlige Übernahme der Kosten durch den Bund vorgesehen werden müssen. Ein Subventionsbeschluss, der nicht auch eigene Leistungen des Subventionsempfängers vorsieht, wäre aber kaum eine glückliche Lösung gewesen. Wenn schon die Kantone sich an der Unterstützung nicht beteiligen wollen, ist es wohl zweckmässiger, eine andere Eegelung vorzusehen.

Seit Jahren schon beteiligten sich die privaten Flüchtlingshilfsorganisationen, die in der Zentralstelle für Flüchtlingshilfe in Zürich zusammengeschlossen sind, in hervorragender Weise an der Unterstützung der Flüchtlinge.

Soweit die Flüchtlinge eine ordentliche Anwesenheitsbewilligung haben und die Polizeiabteilung nicht unterstützen kann, kommen die Flüchtlingshilfsorganisationen allein für die bedürftigen Flüchtlinge auf. Sie nehmen sich aber auch der internierten Flüchtlinge an, betreuen sie und leisten wesentliche Beiträge.

Mehr und mehr hat sich im Verlaufe der letzten Jahre die Praxis herausgebildet, dass die Polizeiabteilung und die Flüchtlingshilfe sich in der Unterstützung von bedürftigen Flüchtlingen teilen. Die Polizeiabteilung leistet der den Flüchtling betreuenden Organisation eine ziffernmässig begrenzte Gutsprache für die volle Unterstützung oder einen Beitrag daran. Die Hilfsorganisation bezahlt die Unterstützung aus und nimmt sich des Flüchtlings sonst in allen Belangen an.

Das System hat sich im allgemeinen bewährt. Es entspricht der Methode, die auch in England seit Jahren angewandt wird. Für jeden Schilling, den die private Flüchtlingshilfe in England auslegt, bezahlt die englische Eegierung einen gleich hohen Betrag.

Die Zentralstelle für Flüchtlingshilfe und die ihr angeschlossenen Flüchtlingshilfsorganisationen haben sich spontan und ausdrücklich bereit erklärt, sich auch der neuen Flüchtlinge annehmen zu wollen. Die Flüchtlingshilfswerke verweisen mit Eecht auf ihre langjährige Erfahrung in der Flüchtlingsbetreuung und ihre Verpflichtung hin, auch diesen neuen Flüchtlingen zu helfen. Da aber die Mittel der privaten Hilfsorganisationen beschränkt sind und sie nach wie vor weitgehende Verpflichtungen gegenüber den frühern Flüchtlingen zu erfüllen haben, sind sie nicht in der Lage, die Last der Unterstützung der neuen Flüchtlinge allein zu
tragen, jedenfalls dann nicht, wenn die Zahl der neuen Flüchtlinge sich in der nächsten Zeit vergrössern sollte.

Nachdem sich die privaten Flüchtlingshilfswerke in ihrer Aufgabe bewährt haben, besteht kein Anlass, sie nicht auch mit der neuen Aufgabe zu betrauen.

Da sie die finanziellen Lasten nicht allein tragen können, muss der Bund ihnen allerdings einen Teil der Auslagen vergüten. Die Hilfswerke glaubten, die Hälfte der Unterstützungskosten übernehmen zu können unter der Voraussetzung, dass der Flüchtlingszustrom nicht grössere Ausmasse annimmt. Der Beschlussesentwurf, den wir Ihnen zu unterbreiten die Ehre haben, stützt sich auf dieses Anerbieten der privaten Flüchtlingshüfe und sieht das Unterstützungssystem vor, von dem oben die Eede war und das sich in der Praxis bisher schon bewährt hat.

451 : IV.

Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, bildete die Zureise neuer Flüchtlinge Anlass, Ihnen einen Beschlussesentwurf über die Unterstützung bedürftiger Flüchtlinge zu unterbreiten. In einem ersten Entwurf war deshalb ein Stichtag vorgesehen, wonach für die Bundeshilfe nur Ausländer in Frage kämen, die nachher eingereist sind. Die weitere Prüfung hat dann aber ergeben, dass das nicht: zweckmässig wäi;e. Jeder solche Stichtag wäre willkürlich und würde unvermeidlich Ungerechtigkeiten und Härten mit sich bringen. Zudem lässt sich nicht einfach auf das Einreisedatum abstellen, da viele dieser Ausländer früher eingereist sind, später wegen der Ereignisse in ihrem Heimatland nicht mehr zurückkehren konnten und damit zu Flüchtlingen geworden sind.

Es bestände aber kein Grund, solche Ausländer ungünstiger izu behandeln als neu zugereiste.

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Dazu kommt ein weiteres Moment, das für eine nicht allzu enge Umschreibung des Personenkreises spricht, der für die Unterstützung in Frage kommt.

Seit Inkrafttreten des Bimdesratsbeschlusses vom 7. März 1947 über Änderungen der fremdenpolizeilichen Regelung und zum Teil schon vorher haben die Bundesbehörden nach Möglichkeit die Normalisierung des Anwesenheitsverhältnisses der Kriegs- und Vorkriegsflüchtlinge, die sich noch in der Schweiz aufhalten, angestrebt. Der Erfolg der langwierigen Bemühungen, die noch fortgesetzt, werden, ist unverkennbar. Gegen 7000 Flüchtlinge und Emigranten sind im Laufe der letzten Jahre'aus dem Emigranten- und Flüchtlingsstatut entlassen worden und haben eine ordentliche kantonale Aufenthalts- oder Toleranzbewilligung erhalten. Dagegen fällt es immer schwerer, bei den rund 7000 Ausländern, die heute noch dem Emigranten- oder Flüchtlingsstatut unterstehen, die Normalisierung zu erreichen, da die Kantone immer zurückhaltender werden. Der Hauptgrund dafür liegt in der Befürchtung, allenfalls später diese Ausländer unterstützen zu müssen. In der Tat haben manche dieser Emigranten und Flüchtlinge nur dank der ausserordentlich günstigen Konjunktur Arbeit gefunden. Eine verhältnismässig nur geringe Verschlechterung des Arbeitsmarktes hätte ziemlich sicher zur Folge, dass die weniger qualifizierten Arbeitskräfte unter ihnen ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Für die aus. der Internierung Entlassenen müssten die Kantone
die Unterstützungslasten .übernehmen, wenn nicht die private Flüchtlingshilfe wiederum einspringt. Diese wird sich ihrer früheren Schützlinge wohl nach Möglichkeit annehmen, solange und soweit ihre Mittel reichen. Wenn aber die Zahl grösser werden sollte, wäre die private Hilfe nicht mehr in, der Lage, die Last allein zu tragen. Die Befürchtung der Kantone, dann allenfalls einspringen zu müssen, ist deshalb nicht grundlos. Sollen in der Normalisierung des Anwesenheitsverhältnisses der internierten Flüchtlinge weitere wesentliche Fortschritte erzielt werden, müssen die Kantone wenigstens teilweise von der Tragung des Bisikos, diese Ausländer allenfalls später unterstützen zu müssen, entlastet 1 werden. Das scheint auch angemessen und gerecht zu sein; denn die Normalisierung des Anwesenheitsverhältnisses sollte ja nicht vor allem die Entlastung

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des Bundes zuungunsten der Kantone zur Folge haben. Es ginge vielmehr darum, die Anwesenheit der Flüchtlinge und Emigranten, die noch nicht ausreisen können, in einer für sie angemessenen Weise zu regeln. Es sollte ihre Eechtsstellung möglichst derjenigen anderer Ausländer angepasst werden. Es ist deshalb angezeigt, dass der Bund auch nach der erfolgten Normalisierung noch helfen kann. Das kann in der Weise geschehen, dass der Personenkreis, der für die Bundeshilfe in Frage kommen soll, nicht auf neu zugereiste Flüchtlinge beschränkt, sondern auch auf solche Fälle ausgedehnt wird.

Die Zentralstelle für Flüchtlingshilfe hat in einer wohlbegründeten Eingabe insbesondere auch hierauf hingewiesen und eine Fassung vorgeschlagen, die im wesentlichen mit einigen redaktionellen Änderungen in Art. l übernommen worden ist. Der Zeitpunkt der Einreise eines Ausländers spielt demnach keine Eolle. Wesentlich ist nur die Frage, ob er bedürftig ist und glaubhaft machen kann, dass er wegen der Gefahr politischer Verfolgung nicht in den Heimat- oder Herkunftsstaat zurückkehren kann. Die Bundesbeiträge werden jedoch nur so weit und so lange ausgerichtet, als dem Flüchtling die Weiterreise nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der Bund ist ferner nicht v e r p f l i c h t e t , Beiträge auszurichten. Es steht vielmehr in seinem Ermessen, ob er es tun will. Er wird insbesondere dort die Beitragsleistung ablehnen können, wo die Tragung der Unterstützungslast einer Hilfsorganisation allein oder dem Kanton zugemutet werden kann. Letzteres ganz besonders einem bedürftig gewordenen Flüchtling gegenüber, der seit Jahren im Kanton gewohnt hat und mit ihm verbunden ist. Auch wird die jüdische Flüchtlingshilfe für den Unterhalt jüdischer Flüchtlinge aufkommen müssen, die rituell leben und deshalb nur schwer in den Arbeitsmarkt eingeordnet werden können.

V.

Der Umfang der Belastung, die dem Bund durch diesen Beschluss erwachsen wird, lässt sich zum voraus fast nicht abschätzen. Alles hängt von der weiteren Entwicklung ab. Vor allem ist nicht vorauszusehen, wie viele Flüchtlinge noch bei uns Asyl suchen werden. Je. nach den politischen Entwicklungen im Ausland wird der Drang zur Flucht in die Schweiz grösser oder kleiner sein.

Solange die politische Lage in unsern unmittelbaren Nachbarländern einigermassen stabil bleibt oder
nicht ungünstiger wird, wird nicht mit einem Massenzustrom gerechnet werden müssen.

Unsicher ist aber auch die Frage, inwieweit die aufgenommenen Flüchtlinge unterstützt werden müssen. Solange die Arbeitsmarktlage günstig bleibt und neu zureisende Flüchtlinge in der Eegel vorübergehend bis zur Weiterreise Beschäftigung in der schweizerischen Wirtschaft finden, braucht nicht mit einer massiven Unterstützung gerechnet zu werden.

Die Arbeitsmarktlage ist aber auch von ausschlaggebender Bedeutung für die früheren aus dem Flüchtlingsstatut entlassenen Flüchtlinge. Solange für Schweizerbürger genügend Arbeit vorhanden ist, werden auch diese früheren .

453 Flüchtlinge Arbeit finden. Bei einem Bückgang der Konjunktur besteht aber die Gefahr, dass diese ihren Arbeitsplatz verlieren und dass sie, da sie zumeist nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert sind, der privaten oder öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fallen. In einem solchen Fall könnten die Leistungen, die auf Grund des vorliegenden Bundesbeschlusses ausgerichtet werden, einen erheblichen'Umfang annehmen.

Eine Umfrage bei den Flüchtlingshilfsorganisationen hat ergeben, dass sich bis Ende Juli 320 neue Flüchtlinge bei den Hilfswerken gemeldet haben. 151 sind nach dem 1. Januar 1948, 53 in den Jahren 1946 und 1947 und 116 vor 1946 eingereist; Davon standen Ende Juli noch 79 in der Betreuung der Caritas, 69 des · Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes, 3 des Schweizerischen Kirchlichen Hilfskomitees für evangelische Flüchtlinge, 63 des Verbandes··· der schweizerischen jüdischen Flüchtlingshilfen und 4 des Christlichen Friedensdienstes.

.Insgesamt 87 von ihnen mussten im Juli 1948 unterstützt werden, nämlich 33 von der Caritas, 42 vom Arbeiterhilfswerk, 3 vom Evangelischen Hilfskomitee, 6 von der jüdischen Flüchtlingshilfe und 3 vom Christlichen Friedensdienst.

: .· Die Unterstützungsansätze waren sehr verschieden. Für die einen genügte eine kleine Naturai- oder Barunterstützung, zum Teil als einmalige Hilfe, für andere war die volle Unterstützung während kürzerer oder längerer Zeit notwendig. Im Durchschnitt wurden im Monat pro unterstützten Flüchtling rund Fr. 157 bezahltyfür alle zusammen im Juli Fr. 13 686. Nach den .Bestimmungen :des Entwurfes müsste der Bund davon die Hälfte übernehmen, also Fr. 6843.

. - Sofern sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern und unter der Annahme, dass im allgemeinen gleichviel unterstützungsbedürftige Flüchtlinge neu zureisen wie wegreisen oder in der Wirtschaft untergebracht werden und nicht mehr unterstützt werden müssen, dürfte die monatliche Belastung des Bundes sich auf ungefähr Fr. 7000 belaufen. Ein jährlicher Aufwand von Fr. 84 000 zur Unterstützung dieser neuen Flüchtlinge könnte als bescheiden angesehen werden.

Es wäre aber wohl etwas gewagt, nur mit diesem günstigen Fall zu rechnen.

Wir dürfen nicht ohne weiteres mit der jetzigen verhältnismässigen Stabilität der Einreisen und vor allem des Arbeitsmarktes rechnen. Wir müssen vielmehr den
Fall voraussetzen, dass die Einreisen zunehmen -- ohne dass sie zu einem Massenzustrom zu fuhren brauchen ·--, dass die Arbeitsmarktlage sich verschlechtert und die neu Einreisenden nicht mehr Arbeit finden sowie frühere Flüchtlinge ihre bisherige Beschäftigung aufgeben müssen. In diesem Fall würde die Belastung sofort erheblich steigen. Nehmen wir .an, dass pro Monat 100 unterstützungsbedürftige Flüchtlinge neu einreisen und dass 400 bis 500 frühere Flüchtlinge ihre Stelle verlieren und für einige Zeit wieder der Wohltätigkeit zur Last fallen, dann mussten vielleicht im Jahresdurchschnitt gegen 1000 Menschen unterstützt werden. Bei einem mittleren Unterstützungsansatz von ungefähr Fr. 180 pro Kopf und Monat (für Ehepaare mit oder ohne Kinder wird der Ansatz entsprechend der Familienzusammensetzung weniger betragen)

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wäre mit einer Totalunterstützungssumme von Fr. 180 000 pro Monat zu rechnen, wovon der Bund die Halite, also Fr. 90000 zu übernehmen hätte.

Das würde auf das ganze Jahr berechnet Fr. l 080 000 ausmachen.

Die tatsächliche Belastung dürfte also zwischen 84 000 Franken und einer Million Franken hegen, sofern nicht ausserordentliche Entwicklungen alle Prognosen über den Haufen werfen. Wenn die Einreise yon neuen Flüchtlingen in gleichem Masse wie heute weitergeht und der Arbeitsmarkt sich nicht plötzlich unvorhergesehen stark verschlechtert, sollte die Belastung sich allerdings nicht weit von der untern Grenze entfernen.

Bei ausserordentlichen Ereignissen im Ausland und einer damit verbundenen Massenflucht in die Schweiz nrüsste auf ein anderes System gegriffen werden. Die Flüchtlingshilfsorganisationen wären nicht mehr in der Lage, einen plötzlichen grossen Ansturm zu bewältigen und sich der einzelnen Flüchtlinge anzunehmen. Wie während des Krieges müsste der Bund wiederum Kollektivunterkünfte organisieren, wo die Flüchtlinge vorübergehend Aufnahme finden könnten. Der Bund hätte auch die entstehenden Kosten zu tragen.

Einem solchen Notstand 'könnte nur durch ausserordentliche Massnahmen begegnet werden, für die nicht im Rahmen dieses Beschlusses Vorsorge getroffen werden kann.

VI.

Der vorliegende Beschlussesentwurf steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem Beschluss vom 16. Dezember 1947 über Beiträge des Bundes an die Unterstützung bedürftiger Emigranten und Flüchtlinge in der Schweiz, der nur für solche Ausländer gilt, denen auf Grund des Vollmachtenbeschlusses vom 7. März 1947 das dauernde. Verbleiben in der Schweiz (Dauerasyl) gestattet worden ist. Der Beschlussesentwurf soll den Beschluss über die «Finanzierung des Dauerasyls» in keiner Weise ändern oder aufheben.

VII.

Zu den einzelnen Bestimmungen des Bundesbeschlusses gestatten wir uns folgendes anzubringen: ad Arl..l: Da der Bund mit dem Beschluss nur die Unterstützung von Flüchtlingen, nicht von Ausländern allgemein subventionieren will, ist es logisch, dass die Subventionen nur ausbezahlt werden so weit und so lange, als dem Flüchtling die Weiterreise nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Wenn aber die Verhältnisse die Eückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat oder die Auswanderung in ein anderes Land ermöglichen, werden keine Bundesgelder mehr zur Unterstützung solcher Ausländer zur Verfügung gestellt werden können. Andererseits sollen aber nicht nur Beiträge an die Aufwendungen für den Lebensunterhalt, sondern auch an die Weiterreisekosten und eventuell die berufliche Bildung oder Umschulung der Flüchtlinge ausgerichtet werden, sofern ihnen dadurch das spätere Fortkommen erleichtert wird. Auch dieser

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Bundesbeschìuss geht davon aus, dass die in der Gefahr aufgenommenen Flüchtlinge verpflichtet bleiben, das Land wiederum zu verlassen, sobald das ihnen zumutbar ist, es sei denn, dass im Einzelfall eine andere fremdenpolizeiliche Verfügung getroffen worden ist. In diesem Fall könnten aber nicht mehr Unterstützungen im Bahmen dieses Bundesbeschlusses ausgerichtet werden.

Schwierigkeiten bereitet jeweilen die Frage, ob es zumutbar sei oder nicht, eine gegebene Ausreisemöglichkeit zu benützen. Der Entscheid hängt von den allgemeinen Verhältnissen, und den besondern Voraussetzungen im Einzelfall ab. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieses Beschlusses eine, zum voraus für alle Fälle gültige Umschreibung der Nichtzumutbarkeit aufzustellen. Jedenfalls kann nicht allein auf die subjektive Meinung der Unterstützten abgestellt werden. Die Bundesbehörden werden wie bisher in Fühlung mit den Kantonen und den privaten Hilfsorganisationen generell oder im Einzelfall einen gerechten und angemessenen Entscheid suchen müssen.

ad Art. 2: Wie bereits erwähnt worden ist, haben die Kantone leider abgelehnt, auch nur einen Teil der entstehenden Kosten zu übernehmen. Trotz dieser grundsätzlichen Ablehnung kann der Bundesrat nicht glauben, dass die Kantone damit jede Mitwirkung bei der Lösung dieser Fragen versagen wollen.

Er darf vielmehr hoffen, dass sich eine Eeihe von Kantonen eingedenk ihrer Tradition doch noch bereitfinden wird, mitzuhelfen. Beiträge der Kantone oder Gemeinden müssten gemäss Art. 2 auf den Bundesbeitrag angerechnet werden.

In Abs. 2 wird dem Bundesrat die Ermächtigung erteilt, die Leistungen des Bundes allenfalls zu erhöhen, wenn es den Hilfswerken trotz aller Bemühungen nicht mehr möglich ist, ihren Anteil beizubringen. Die Hilfswerke verfügen nur über die Gelder, die ihr die jährlichen Sammlungen einbringen oder die sie sonst von ihren Gönnern erhalten. Zum Teil erhalten sie auch Mittel aus dem Ausland. Wenn die Mittel der Zentralstelle erschöpft sind oder nicht mehr ausreichen, wird der Bund notgedrungen seine Beiträge erhöhen müssen. Das wird aber nicht geschehen, solange der Nachweis nicht erbracht ist, dass sich die Hilfswerke bis zum Äussersten angestrengt haben. Es darf nicht vergessen werden, dass die Hilfswerke neben der Unterstützung der neuen Flüchtlinge im Rahmen dieses
Bundesbeschlussentwurfes noch weitergehende Verpflichtungen aus der Unterstützung der früheren Flüchtlinge, vor allem auch derjenigen, denen das dauernde Verbleiben gestattet worden ist, zu erfüllen haben. Solange die Zahl der neuen Flüchtlinge keine allzu grossen Ausmasse annimmt und die meisten von ihnen, wie bisher, zur Arbeit eingesetzt werden können, werden die Flüchtlingshilfswerke jedoch ihren beschränkten Verpflichtungen aus diesem Bundesbeschluss bestimmt nachkommen können.

ad Art. 3: Artikel 3 schreibt einen selbstverständlichen Grundsatz vor.

Solange Dritte für einen Flüchtling aufkommen, werden weder die Hilfswerke noch der Bund Unterstützungen ausrichten; ebenso nicht an Flüchtlinge, die sich weigern, eine ihnen zumutbare Arbeit zu übernehmen.

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ad Art. 4: Man hätte meinen Können, dass eine solche Vorschrift nicht notwendig sei. Frühere Erfahrungen zeigen aber, dass dieser Appell -- -der Bund kann im Eahmen dieses Beschlusses keine verbindlichen Normen in bezug auf die Steuererhebung durch die Kantone festlegen -- durchaus zweckmässig und angezeigt ist. Es darf erwartet werden, dass die Kantone von Flüchtlingen, die von der privaten Hilfe und vom Bund unterstützt werden, nicht Steuern oder Aufenthaltsgebühren beziehen.

ad Art. 5: Neu eingereiste Flüchtlinge müssen zur Prüfung ihrer Angaben vorerst zur Verfügung der Behörden gehalten werden. Es ist nicht immer möglich, sie sofort in die Betreuung einer Hilfsorganisation zu übergeben. Die Kantone empfinden es aber als ungerecht, für den Flüchtling sorgen und für die Kosten aufkommen zu müssen, während der Fall von den zuständigen Bundesbehörden geprüft wird. Da das Prüfungsverfahren sich unter Umständen einige Zeit hinausziehen kann, entstehen möglicherweise nicht unerhebliche Kosten. Es wäre unbillig, sie ausschliesslich dem Kanton zur Last fallen zu lassen, in den der Flüchtling eingereist ist. Das würde für die Grenzkantone eine ausserordentliche Belastung bedeuten. Da aber auf freiwilliger Basis kaum eine Verteilung auf die andern Kantone möglich ist und verfassungsmässig ein Zwang nicht ausgeübt werden kann, musste in Artikel 5 die Übernahme durch den Bund vorgesehen werden. Die Kantone müssen allerdings die Kosten so lange tragen, bis die Akten bei den Bundesbehörden eingegangen sind. Da es sich um eine verhältnismässig kurze Zeitspanne handelt und es vom Verhalten der kantonalen Behörden abhängt, wie lange sie bemessen wird, darf die Übernahme dieser ersten Kosten dem Kanton zugemutet werden.

ad Art. 6: Seitdem sich die Zentralstelle für Flüchtlingshilfe in hervorragender Weise der Betreuung der Flüchtlinge annimmt, ist ihr vorn Bund, wie übrigens auch vom Kanton Zürich, ein jährlicher Beitrag an die Verwaltungskosten ausgerichtet worden. Im Laufe des Krieges hatte die Zentralstelle, die Dachorganisation aller Flüchtlingshilfswerke ist, ihren Betrieb ausbauen müssen.

Der Bundesbeitrag wurde deshalb wesentlich, erhöht. Obschon mit dem Bückgang der Zahl der Flüchtlinge auch die Zentralstelle ihre Verwaltung wiederum einschränken konnte, blieben ihr nach wie vor und voraussichtlich
für noch lange Zeit wesentliche Aufgaben, die, wenn sie nicht von ihr erfüllt würden, wenigstens teilweise von den Behörden übernommen werden müssten. Von besonderer Bedeutung wird die Tätigkeit der Zentralstelle auch im Eahmen dieses Beschlusses sein. Das Bestehen einer Zentrale wird die Aufgaben der Behörden wesentlich erleichtern und vereinfachen. Es rechtfertigt sich deshalb, der Zentralstelle auch in Zukunft einen "Beitrag an die Verwaltungskosten auszubezahlen, dessen Höhe jeweilen auf dem Budgetweg festgelegt werden soll. Wesentlich ist dabei auch das Postulat, dass die von der Zentralstelle gesammelten Gelder vor allem zur Unterstützung bedürftiger Flüchtlinge und nach Möglichkeit nicht für Verwaltungsspesen verwendet werden sollen. Wenn die privaten Geldgeber die Gewissheit haben, dass.ihre Beiträge wirklich den

457 bedürftigen Flüchtlingen zukommen und nicht irgendwie in der Verwaltung aufgehen, werden sie, wie die Erfahrung zeigt, eher bereit sein, weiterhin beizusteuern.

ad Art. 7: Artikel 7 sieht Strafbestimmungen für das Erschleichen von Leistungen im Sinne des Beschlusses vor. Es hat sich gezeigt, dass leider auch unter Flüchtlingen, wenn auch selten, Unterstützungsbetrug vorkommt. Der blosse Entzug der weiteren Unterstützung ist oft nicht ohne weiteres und sofort möglich, weshalb Strafbestimmungen namentlich mit ihrer generalprävenierenden Wirkung notwendig sind.

ad Ari. 8: Es ist an und für sich eine Selbstverständlichkeit, dass zu Unrecht bezogene Leistungen zurückerstattet werden müssen und dass die unterstützten Ausländer die erhaltenen Beiträge zurückzahlen, wenn sie nachträglich in den Besitz von Mitteln gelangen oder ihr Verdienst ausreichend erscheint. Da nicht alle jeweilen an diese selbstverständliche Pflicht denken, ist es notwendig, - sie im Bundesbeschluss festzuhalten.

ad Art. 9: Im Bundesbeschluss selbst werden die Organisationen, denen der Bund Beiträge für die Unterstützung von Flüchtlingen ausrichten kann, nicht erwähnt. Vor allem kommen dafür die Zentralstelle für Flüchtlingshilfe und die ihr angeschlossenen Hilfswerke in Betracht. Das Justiz- und Polizeidepartement wird hierüber die nötigen Bestimmungen erlassen.

Im übrigen wird der Vollzug des Beschlusses keine besondern Schwierigkeiten bereiten, weil, wie früher erwähnt worden ist, mit diesem System bereits Erfahrungen gesammelt worden sind.

ad Art. 10: Der Beschluss wird auf fünf Jahre befristet in der vielleicht etwas optimistischen Hoffnung, dass bis zu diesem Zeitpunkt die internationalen Verhältnisse den zu uns gekommenen Flüchtlingen die Bückkehr in ihr Heimatland oder die Weiterreise anderswohin erlauben.

Wir haben die Ehre, Ihnen aus den dargelegten Erwägungen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über Beiträge des Bundes an die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge zur Annahme zu empfehlen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 22. Oktober 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Celio Der Vizekanzler: Ch. Oser

458

(Entwurf)

Bundesbeschluss über

Beiträge des Bundes an die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. Oktober 1948, beschliesst:

Art. l Der Bund kann den privaten Flüchtlingshilfsorganisationen für ihre Aufwendungen an den Lebensunterhalt und die Weiterreisekosten der von ihnen betreuten bedürftigen Flüchtlinge in der Schweiz Beiträge leisten.

Die Beiträge werden nur so weit und so lange ausgerichtet, als dem Flüchtling weder die Eückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat, noch die Weiterreise anderswohin möglich oder zumutbar ist.

Soweit die Flüchtlingshilfsorganisationen durch die berufliche Bildung oder Umschulung den Flüchtlingen die spätere Weiterreise erleichtern, können auch an solche Aufwendungen Beiträge bezahlt werden.

Art. 2 Der Bund vergütet den Hilfswerken in der Hegel die Hälfte der mit seiner Zustimmung ausgerichteten Unterstützungen. Allfällige Beiträge der Kantone und Gemeinden zur Unterstützung dieser Flüchtlinge werden auf den Bundesbeitrag angerechnet.

Der Bundesrat ist indessen ermächtigt, diese Leistungen zu erhöhen, wenn es den Hilfswerken trotz allen Bemühungen nicht möglich ist, ihren Anteil aufzubringen.

Art. 3 Der Bund richtet keine Beiträge an Leistungen aus, die an Flüchtlinge gemacht werden, die arbeiten und, eine Arbeitsbewilligung erhalten könnten, aber sich nicht um Arbeit bemühen, oder wenn Verwandte oder Freunde für sie aufkommen können.

459

Art. 4 Von Flüchtlingen, für deren Unterhalt den Hilfsorganisationen im Sinne dieses Beschlusses Beiträge bezahlt werden, sollen keine Aufenthaltsgebühren oder Steuern erhoben werden.

Art. 5 Der Bund vergütet den Kantonen die Auslagen aus öffentlichen Mitteln für Unterkunft und Verpflegung eines Flüchtlings vom Eingang der Akten bei der zuständigen Bundesbehörde an bis zum Entscheid über die Aufnahme oder Bückweisung oder die Übernahme der Betreuung durch eine Flüchtlingshilfsorganisation.

Art. 6 · Der Bundesrat wird ermächtigt, der Zentralstelle für Flüchtlingshilfe einen angemessenen jährlichen Beitrag an ihre Verwaltungskosten auszurichten. Die Höhe des Beitrages wird auf dem Budgetweg festgesetzt.

Art. 7

;

Wer vorsätzlich durch unwahre oder unvollständige Angaben für sich oder einen andern Leistungen im Sinne dieses Beschlusses erwirkt oder zu erwirken versucht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 10 000 bestraft. Verfolgung und Beurteilung liegt den Kantonen ob.

Zu Unrecht bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten.

Ebenso sind Beiträge, die zu bestimmten Zwecken ausgerichtet worden sind, ganz oder zum Teil zurückzuerstatten, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Leistungen gewährt wurden, nachträglich dahihgefallen sind und der Begünstigte zur Bückerstattung in der Lage ist.

Die Bückforderung der Leistungen wird, soweit sie zumutbar ist, ferner vorbehalten, wenn der Ausländer nachträglich in den Besitz von Mitteln gelangt oder sein Verdienst ausreichend erscheint.

, Bückzahlungen werden anteilsmässig zwischen Bund, Hilfsorganisation und allenfalls Kantonen verteilt.

:

Art. 9

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt. Das Justiz- und Polizeidepartement kontrolliert die richtige Verwendung der ausbezahlten Bundesbeiträge und erlässt, im Einvernehmen mit dem Finanz- und Zolldepartement, die zur Durchführung notwendigen Bichtlinien, die namentlich die Flüchtlingshilfsorganisationen, denen Beiträge ausbezahlt werden können, den Kreis der zu unterstützenden Personen, den Umfang der Unter-

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Stützungsleistungen und das einzuschlagende Verfahren im Verkehr mit den Kantonen und privaten Hilfswerken festlegen sollen.

Die Bundesbeiträge werden durch die Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ausgerichtet. Gegen deren Verfügung kann innert 30 Tagen an das Justiz- und Polizeidepartement rekurriert werden, das in letzter Instanz entscheidet.

Art. 10 Der Beschluss gilt für fünf Jahre und tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss über Beiträge des Bundes an die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge (Vom 22. Oktober 1948)

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Jahr

1948

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

43

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5523

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.10.1948

Date Data Seite

445-460

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