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Bundesblatt

74. Jahrgang.

Bern, den 9. August 1922.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken Im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Erhebung einer einmaligen Vermögensabgab (Art. 42bis der Bundesverfassung).

(Vom 1. August 1922.)

Einleitung.

Am 13. September 1921 reichte die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei der Schweiz dem Bundesrate die Unterschriften von 87,535 Schweizerbürgern zur Initiative betreffend die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe ein.

Durch ihre Beschlüsse vom 28. März und 5. April 1922 erwahrten die beiden Räte das Zustandekommen der Initiative und überwiesen sie dem Bundesrate mit der Einladung, ihnen einen Bericht über die Frage zu erstatten. Das Volksbegehren hat folgenden Wortlaut: Der Bundesverfassung wird folgender Artikel 42bis eingefügt: 1. Der Bund erhebt eine einmalige Vermögensabgabe zu dem Zwecke, sich, den Kantonen und den Gemeinden die Erfüllung der sozialen Aufgaben zu ermöglichen.

2. Abgabepflichtig sind die natürlichen und die juristischen Personen.

3. Von der Entrichtung der Abgabe sind befreit: a. der Bund und die Kantone und ihre Anstalten und Betriebe sowie die unter ihrer Verwaltung stehenden Spezialfonds, die Schweizerische Nationalbank, die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und die Schweizerische Alkohol Verwaltung ; b. die Gemeinden sowie die andern öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten für das Vermögen, das als solches oder mit seinem Ertrag öffentlichen Zwecken dient; Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. II.

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e. die übrigen Körperschaften und Anstalten für das Vermögen, das als solches oder mit seinem Ertrag Kultusoder Unterrichtszwecken oder der Fürsorge für Arme und Kranke sowie für Alter und Invalidität oder andern ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient.

Abgabepflichtig ist das gesamte Vermögen nach Abzug der Schulden. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Ziffern 5, 6 und 9.

Als abgabepflichtiges Vermögen natürlicher Personen gilt nicht der Hausrat bis auf einen Betrag von 50,000 Fr.

Als abgabepflichtiges Vermögen juristischer Personen gelten nicht : a) das einbezahlte Grund- oder Stammkapital, b) die Rücklagen für ausschliesslich gemeinnützige oder Wohlfahrtszwecke, deren Verwendung zu solchen Zwecken gesichert ist.

Für die Veranlagung der Vermögensabgabe wird das Vermögen von Ehegatten, die nicht dauernd voneinander getrennt leben, zusammengerechnet.

Für die persönliche und sachliche Abgabeipflicht und die Einschätzung ist der 31. Dezember 1922 als Stichtag massgebend.

Abgabepflichtig ist bei natürlichen und juristischen Personen nur der den Betrag von 80,000 Fr. übersteigende Teil des Vermögens.

Der abgabefreie Betrag erhöht sich bei Familien : a) filidie Ehefrau um 30,000 Fr.; b) für jedes minderjährige Kind um 10,000 Fr.

Für die natürlichen Personen beträgt die Vermögensabgabe für die ersten angefangenen oder vollen

Fr.

vom Hundert 50,000 des abgabepflichtigen Vermögens 8 f ü r d i e nächsten 50,000 ,, ,, ,, 1 0 angefangenen oder vollen 100,000 ,, ,, ,, 1 2 200,000 ,, ,, ,, H ,, ,, 300,000 ,, ,, ,, 1 6 400,000 ,, ,, ,, 18 600,000 ,, ,, 20 ,, 1,000,000 ,, ,, ,, 22 ,, 1,000,000 ,, ,, ,, 2 4 ,, 1,000,000 ,, ,, ,, 2 f t ,, 2,000,000 ,, ,, ,, 2 8

919 für die nächsten Fr.

vom Hundert angefangenen oder vollen 2,000,000 des abgabepflichtigen Vermögens 30 ,, 2,000,000 ,, ,, ,, 3 2 ,, 2,000,000 ,, ,, ,, 34

,, ,,

11.

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2,000,000 2,000,000 2,000,000 3,000,000 3,000,000 3,000,000 3,000,000

·,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

37 0 43 46 49 5 2 5 6 4

für alle weiteren Beträge .

.

.60 Für juristische Personen beträgt die Vermögensabgabe 10 vorn Hundert des abgabepflichtigen Vermögens.

Die Vermögensabgabe ist vom I.Januar 1923 an mit 6 vom Hundert zu verzinsen.

Die Vermögensabgabe kann in einem Betrage oder innert drei Jahren in jährlichen Tilgungsraten entrichtet werden.

Nachweislich selbst gezeichnete Obligationen oder Kassascheine des Bundes werden zu einem zu bestimmenden Kurse an Zahlungsstatt genommen.

Durch Bundesgesetz wird bestimmt, ob und unter welchen Bedingungen Obligationen von Kantonen und Gemeinden und andere Vermögenswerte an Zahlungsstatt genommen werden.

Ebenso kann der Abgabepflichtige verpflichtet werden, Wertpapiere und andere Vermögenswerte an Zablungsstatt abzuliefern.

Die Fälle dieser Naturalabgabe wie die Bewertuhgsgrundsätze werden durch Bundesgesetz festgelegt.

Veranlagung und Bezug der Vermögensabgabe erfolgt nach Weisung und unter Aufsicht des Bundes durch die Kantone.

Die Kosten werden von Bund, Kantonen und Gemeinden entsprechend ihrem Anteil am Ertrag der Vermögensabgabe getragen.

Die Bundesversammlung stellt nach Annahme des Verfassungsartikels durch dringlichen Bundesbeschluss diejenigen Vorschriften auf, welche eine volle steuerliehe Erfassung des in Wertpapieren liegenden Vermögens sichern und die Kapitalflucht ins Ausland verhindern.

Auf einen bestimmten Termin ist namentlich die Abstempelung der Wertpapiere durch den Staat zu ordnen.

Bei Wertpapieren, die der Abstempelung entzogen werden, erlischt die Zahlungspflicht des betreffenden Schuldners.

920 16. Die Selbsttaxation ist obligatorisch.

Alle natürlichen und juristischen Personen sind der Steuerbehörde gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Insbesondere sind die Geldinstitute verpflichtet, sich allen Kontrollmassnahmen der Einschätzungsorgane y,u unterziehen.

17. Unter welchen Voraussetzungen eine Revision der Einschätzung erfolgen kann, bestimmt das Gesetz.

18. Die Kantone und die Gemeinden erhalten je 20 vom Hundert der in ihrem Gebiet eingehenden Abgabebeträge, Nachsteuern, Zinsen und Bussen. Die übrigen 60 vom Hundert fallen dem Bund zu.

19. Nach Erhebung der einmaligen Vermögensabgabe tritt dieser Verfassungsartikel wieder ausser Kraft.

Einige Bemerkungen zum Texte der Initiative.

Zu wiederholten Malen lässt sich ein bedauerlicher Mangel an Übereinstimmung zwischen dem deutschen und französischen Texte feststellen. So heisst beispielsweise ,,Vermögensabgabe11 französisch ,,prélèvement sur la fortune" und nicht ,,impôt sur la fortune" ; dem Ausdruck ,,impôt unique" kommt in der Sprache der Finanzwissenschaft ein Sinn zu, der nichts gemein hat mit ,,prélèvement unique sur la fortune"; ,,natürliche Person" ist mit ,,personne physique" und nicht mit ,,personne naturelle" zu übersetzen, ,,Stichtag" nicht mit ,,délai de rigueur" ; ,,Wertpapier" heisst ,,papier-valeur", nicht ,,titre".

Besonders mangelhaft ist die Übersetzung des deutschen Textes in § 13, Absatz 3. Der Ausdruck ,,principe de mise en valeur" ist rätselhaft; auf jeden Fall ist er nicht gleichbedeutend mit ,,Bewertungsgrundsatz", welches Wort mit ,,principe d'évaluation" hätte übersetzt werden sollen.

].

Allgemeines.

Sowohl im Wesenskern der Initiative, wie in der äussern Schale der einzelnen Durchführungsbestimmungen kommt ein ausgeprägtes Sozialisierungsbestreben zum Ausdruck : Dem Staate soll das Recht verliehen werden, zu seinen Gunsten einen Teil des privaten Vermögens einzuziehen. Der Ertrag dieser Abgabe soll nicht etwa den Voranschlag der Eidgenossenschaft erleichtern, sondern zur Verwirklichung gewisser sozialpolitischer Postulate dienen.

921 Dieses Projekt ist von solcher wirtschaftlicher, finanzieller, sozialer und politischer Tragweite, dass sich eine gewissenhafte Prüfung unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten aufdrängt.

Seine Ruckwirkungen sowohl auf die finanzielle Lage der Eidgenossenschaft, wie auch auf diejenige der Kantone und Gemeinden, müssen untersucht werden.

Die Vermögensabgabe ist keine neue fiskalische Massnahme.

Die Weltgeschichte lehrt, dass manche Völker im Altertum und in der Neuzeit sich ihrer in grossen Krisen bedienten, jedoch stets als eines letzten Mittels, zu dem man nur in Stunden höchster finanzieller Not Zuflucht nimmt. Im Anhange geben wir eine gedrängte Darstellung der -Geschichte dieser Einrichtung in den Gesetzgebungen der letzten Jahre. Als lehrreiche Beispiele zeigen uns die anderswo gemachten Erfahrungen besser als die scharfsinnigsten theoretischen Überlegungen, wie diese fiskalische Massnahme und ihre Wirkungen zu beurteilen sind.

Die ausserordentliche Vermögensabgabe hat ihre Verteidiger sowohl bei den Anhängern des herrschenden Wirtschaftssystems, wie auch bei den Sozialisten gefunden. Die einen empfehlen sie als ein kräftig und rasch wirkendes Mittel zur Tilgung der Kriegsschulden ; die andern sehen in ihr vor allem das Mittel zu einem politischen Zwecke. Aber überall, wo die Vermögensabgabe, trotz der in ihrem Gefolge unvermeidlich auftretenden wirtschaftlichen Störungen, Zustimmung gefunden hat, geschah es, weil man sie als die letzte Rettung, als die allein übriggebliebene Möglichkeit der Gesundung und das einzige Mittel zur Vermeidung des Staatsbankerottes betrachtete.

Die Vermögensabgabe kann als Mittel zur raschen Tilgung der öffentlichen Schulden ins Auge gefasst werden. Es ist denn auch nicht zu verwundern, dass verschiedene Staaten, die der Krieg in finanzielle Bedrängnis gestürzt hat, wohl oder übel bei ihr Zuflucht nahmen. Aber alle diejenigen Länder, die dieses kräftige Mittel verwendeten, haben es ohne Ausnahme in der Absicht getan, ihre riesigen und unerträglichen Schulden rasch zu vermindern. Sie suchten eine Erleichterung der die Volkswirtschaft lähmenden Bürde und erstrebten ferner eine Ermässigung der dauernden Steuerlasten, die den Handel und die Industrie in zunehmendem Masse bedrängten. Vor das Dilemma gestellt : wirtschaftlicher Ruin und Staatsbankerott oder
Vermögensabgabe, zogen sie in der Hoffnung, der Katastrophe zu entgehen, die teilweise Einziehung der privaten Vermögen vor. Von zwei Übeln wählten sie das kleinere.

922 Von vorneherein ist festzuhalten, dass die finanzielle Lage der Schweiz uns nicht vor diese Wahl stellt. Weiter unten werden wir noch zeigen, dass, wenn auch die eidgenössische Staatsschuld für unser kleines Land sehr drückend ist, uns eine normale Verzinsung und Tilgung doch möglich ist, ohne dass wir zu einer so gewaltsamen Massnahme wie die Konfiskation des Vermögens greifen müssen. Unter der Voraussetzung, dass wir die Rückzahlung auf etwa 50 Jahre verteilen -- was eine sehr annehmbare Lösung ist -- sind wir imstande, die Tilgung auf normalem Wege zu erreichen. Jene Notwendigkeit, auf die man sich in den andern Ländern beruft, ist also bei uns nicht vorhanden. Und obgleich dieser Beweggrund überall, wo man zur Vermögensabgabe griff, entscheidend, war, sucht die sozialdemokratische Partei der Schweiz diese wirtschaftlich und politisch schwerwiegende Massnahme nicht auf diese Weise zu rechtfertigen. Sie schlägt vielmehr vor, den Ertrag der Vermögensabgabe zu sozialen Aufgaben zu verwenden.

Die Anhänger der Abgabe betonen, dass das der Volkswirtschaft als ganzes zur Verfügung stehende Kapital durch die Vermögensabgabe nicht geschmälert werde, weil nur eine Vermögensverschiebung platzgreife, insoferne die vom Steuerpflichtigen einbezahlten Beträge auf dem Umwege über die Staatskasse zu den Staatsgläubigern zurückkehrten. Diese Überlegung stimmt aber nur für den Fall, dass die Abgabe zur Schuldentilgung benützt wird, was die Initiative nicht beabsichtigt. Eine Reihe von Gründen, die zugunsten der Vermögensabgabe vorgebracht werden, fällt daher dahin. Nach dem sozialistischen Projekte ist denn auch eine Verminderung der Zinsverpflichtungen und eine entsprechende Erleichterung in der dauernden Steuerbelastung ausgeschlossen. Zudem stellt sich die Initiative der allgemeinen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, die mit der Schuldabtragung verbunden wäre, in den Weg.

"Nachdem wir kurz die Erwägungen zugunsten der Vermögensabgabe erwähnt haben, untersuchen wir zunächst ihre sozialen und fiskalischen Folgen und darnach die wirtschaftlichen und finanziellen Wirkungen. Zu würdigen bleiben schliesslich die politischen Gesichtspunkte.

n.

Fiskalische und soziale Erwägungen.

1. Überall und zumal in einer Demokratie fordert die fiskalische Gerechtigkeit, dass die Steuern allgemein und nach der finanziellen Leistungsfähigkeit jedes einzelnen abgestuft seien.

923 Jede Steuer, die diese Bedingungen nicht erfüllt, ist politisch und fiskalisch schlecht und wirtschaftlich schädlich, weil sie die Wirtschaft, statt zu beleben oder wenigstens zu schonen, hemmt und den Fortschritt lahmt. Sehen wir zu, ob die Vermögensabgabe dem Grundsatze der Allgemeinheit der Besteuerung entspricht. Darnach werden wir untersuchen, ob sie die Lasten gerecht verteilt und jedem Steuerpflichtigen unter denselben Bedingungen die gleiche Behandlung gewährleistet.

Gewiss ist der Grundsatz der Allgemeinheit nicht so zu verstehen, als ob jede Steuer alle Steuerpflichtigen ohne Ausnahme treffen müsse ; vielmehr hat die Gesamtheit aller Steuern den Grundsatz zu verwirklichen. Indessen hat jede einzelne Steuer, für sich betrachtet und ohne Rücksicht auf die übrigen Steuern, eine doppelte Bedingung zu erfüllen: 1. müssen die Steuern derart umschrieben werden, dass alle Angehörigen der gleichen wirtschaftlichen Gruppe derselben Steuer unterworfen sind, und 2. hat man sich im Zeitpunkte der Festsetzung der Lasten Rechenschaft über die steuerliche Leistungsfähigkeit jedermanns abzugeben. So muss eine Vermögenssteuer grundsätzlich alle Vermögenseigner treffen, eine Erwerbssteuer alle Erwerbenden, eine Steuer auf fundiertem Einkommen alle Zins- und Rentenbezüger. Dabei können die kleinen Vermögen und Einkommen aus sozialen oder steuertechnischen Gründen von der Steuer befreit werden. Eine solche Befreiung kann ohne Nachteil auch bei gewissen, die Steuerlast vergrössernden Ergänzungssteuern platzgreifen. Das trifft beispielsweise auf die Vermögensergänzungssteuer derjenigen Länder zu, wo die Einkommenssteuer die Rolle der Fundamentalsteuer inné hat. Immerhin dürfen sich solche Ausnahmen vom Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung nur in engen Grenzen bewegen.

Nun erfüllt aber die Vermögensabgabe nicht die Funktion einer Ergänzungssteuer, sie stellt vielmehr eine Fundamentalsteuer dar. Als solche muss sie auf einer breiten Grundlage ruhen, damit sie dem Grundsatze der Allgemeinheit nach Möglichkeit genüge. Im deutschen Reichsnotopfergesetz waren nur die Vermögen unter 5000 Mark von der Abgabe befreit und dieses Vorgehen wurde ausdrücklich mit dem Grundsatze der Allgemeinheit der Besteuerung begründet.

Im Gegensatze dazu schlägt die Initiative die vollständige Steuerbefreiung aller Vermögen
unter 80,000 Franken vor. Sie räumt ausserdem verschiedene Erleichterungen ein, so dass beispielsweise ein Vater mit vier Kindern erst dann steuerpflichtig ist, wenn sein Vermögen 150,000 Franken übersteigt.

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Auf Grund einer genauen Statistik lässt sich feststellen, dass unter diesen Umständen nur 9 % der der ersten Kriegssteuer unterworfenen Vermögensbesitzer von der Vermögensabgabe erfasst würden, also von 260,000 Personen nur 23,000 bis 24,000 oder y/2 °/o der den kantonalen Steuern unterworfenen Steuerpflichtigen, was soviel bedeutet, als dass 99,4 % der Bevölkerung von der Vermögensabgabe verschont bleiben.

Unmöglich kann ein demokratisches Volk einer Vermögensabgabe zustimmen, die nur wenige Besitzende erfasst und dadurch so gewaltsam das Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung verletzt.

2. Nachdem sie den Grundsatz der Allgemeinheit verkannt hat, setzt sich die Initiative auch über das weitere Prinzip hinweg, das die Abstufung der Steuer nach Massgabo der Leistungsfähigkeit des Einzelnen verlangt. Es kann auch gar nicht anders sein, denn eine Abgabe auf Grund eines Tarifs, der bis auf 60 °/o des Vermögens reicht, stellt eine äusserst schwere Belastung dar. Die Gerechtigkeit fordert gebieterisch, dass eine solche Besteuerung auf der Grundlage einer genauem Einschätzung erfolge. In der Tat würde die Ungleichheit in der Einschätzung sogleich unerträgliche Ungerechtigkeiten schaffen. Nun müssen jedoch selbst die besten Einschätzungssysteme ein allgemeines Verfahren einschlagen und können daher die Wahrung von Gerechtigkeit und Billigkeit im Einzelfalle nur annähernd verbürgen.

Die Sondervorschriften der Initiative sind ausser stände, die schweren Mängel zu beseitigen, die mit der Natur der Vermögensabgabe unlösbar zusammenhängen. Sie werden niemals verhindern können, dass zwei scheinbar gleiche Vermögen, die aber ihren Besitzern sehr verschiedene Einkünfte gewähren, demselben Steuersatze unterliegen. Für denjenigen, dessen Vermögen schwer flüssig zu machen ist, hat die gleiche Abgabe in der j etaigen Krisenzeit ungleich schwerere Folgen als für denjenigen, dessen Vermögen zwar gleich gross, dafür aber sehr flüssig ist. Die Unmöglichkeit, diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, und die Verpflichtung, gleichmässige Methoden zur Anwendung zu bringen, werden unvermeidlich zu grossen Ungleichheiten führen. Ebenso ungerecht wäre es, mit demselben Steuerfusse das Genussivermögen wie das Erwerbsvermögen zu belasten. Warum lässt man ausserdern den Hausrat bis zu 50,000 Franken frei ? Diese Befreiung
wird zu vorübergehenden Anlagen Gelegenheit geben und dadurch die Steuerhinterziehung begünstigen. Darüber hat man in denjenigen Ländern, die zur teilweisen Einziehung des Kapitals geschritten sind, lehrreiche Erfahrungen gemacht. Ins gleiche Gebiet gehört die Tatsache, dass die Vermögensabgabe nicht dieselben Wir-

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klingen für alle Vermögen von heute gleicher Beschaffenheit hat.

Schon diejenigen, welche heil aus dem schroffen Auf und Ab der Nachkriegszeit davon gekommen sind, werden von ihr recht kräftig getroffen. Für die sehr zahlreichen andern Vermögen jedoch, die zurückgegangen oder durch die Krisis sehr unsicher geworden sind, bedeutet die Vermögensabgabe nach all den grossen Verlusten eine wirkliche Katastrophe. Den Rentner, der bereits unter der Verteuerung der Lebenskosten und den Verlusten leidet und dessen vorgerücktes Alter die Bestreitung des Lebensunterhalts aus eigener Arbeit verbietet, bringt die Vermögensabgabe in grosse Verlegenheit.

Diese vielfachen Schwierigkeiten sind in allen Parlamenten, wo diese Frage Gegenstand der Erörterung war, offenkundig geworden. Im besondern wurde die grundlegende Wichtigkeit der Einschätzung für die Steuergleichheit betont. Mangelhafte Einschätzung führt hier nicht nur zur sozialen Ungerechtigkeit, sondern kann sogar die wirtschaftliche Existenz des Pflichtigen untergraben. Die Unmöglichkeit, den besondern Umständen Rechnung zu tragen und genügend genaue Einschätzungen zu erwirken, war für Frankreich, England und Amerika entscheidend, die Vermögensabgabe abzulehnen. Diese Schwierigkeiten werden bei uns erst noch durch die besondern politischen Verhältnisse verschärft. Die Steuergesetzgebung, die Einschätzungsmethoden und die Gewohnheiten sind . in unserm Bundesstaate von Kanton zu Kanton sehr verschieden und vergrössern infolgedessen die Schwierigkeiten der Einschätzung.

Eine wichtige Eigenart der Vermögensabgabe liegt in der vollständigen Befreiung des Erwerbseinkommens. Mag dieses noch so hoch sein, es bleibt von der Abgabe vollkommen verschont. Diese einseitige Heranziehung des Vermögens Hesse sich bis zu einem gewissen Grade in denjenigen Fällen rechtfertigen, wo durch ein einschneidendes Mittel die Kriegsschuldenlast vermindert werden soll. Die Ungleichheit der- Behandlung ist hingegen unerklärlich, wenn es gilt, den Ertrag der Besteuerung sozialen Zwecken dienstbar zu machen. Warum soll derjenige begünstigt werden, der ohne Vermögen ist, dafür über ein grosses Einkommen verfügt? Man darf nicht verkennen, dass dem Erwerbseinkommen in gewissen Fällen eine grössere Steuerleistungsfähigkeit innewohnt als dem Kapitaleinkommen. In einem sehr interessanten
Votum hat Herr Nationalrat Meyer*) daran erinnert, dass in der parlamentarischen Kommission sogar ein sozialdemo*) Vgl. das stenographische Bulletin des Nationalrates, September 1918.

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kratisohes Mitglied zur Motion Götschel geäussert habe, ,,es sei haarsträubend, wie ein solcher Vorschlag die wirkliche Leistungsfähigkeit unberücksichtigt lässt, indem er gerade die hohen Einkommen, die namentlich während des Krieges leistungsfähiger sind als das Vermögen, nicht heranzieht1*.

Die Initianten haben das in der Schweiz herrschende Verhältnis zwischen Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen in bedenklicher Weise verkannt. Selbst nach den Sehätzungen optimistischer Volkswirtschafter überstieg das Kapitaleinkommen der Schweiz nicht l Va Milliarden Franken, wogegen das Arbeitseinkommen auf Grund der Steuerstatistik auf fünf Milliarden Franken veranschlagt werden kann. Unser Volk bestreitet seinen Unterhalt, mehr noch vielleicht als andere Völker, ans der landwirtschaftlichen, industriellen und kommerziellen Arbeit. Über dieses wichtige wirtschaftliche Problem ist die öffentliche Meinung mangelhaft unterrichtet. Man übertreibt gerne die beharrende Kraft des Kapitales und unterschätzt die treibende Kraft der Arbeit.

Die Verlangsamung der produktiven Tätigkeit der ganzen Welt hat den Irrtum, der in diesem Punkte herrscht, in verhängnisvoller Weise blossgelegt.

Noch eine letzte Schwierigkeit sei hervorgehoben. Sicherlich ist die Festsetzung des Stichtages, der für die Veranlagung gelten soll, im vorliegenden Falle der 31. Dezember 1922, dringend nötig. Doch werden grosse Ungleichheiten die Folge sein.

In unserer raschlebigen Zeit, wo auf wirtschaftlichem Gebiete alles im Flusse ist, verändern sich die Vermögen von heute auf morgen. Man kann mit Sicherheit annehmen, dass während der dreijährigen Bezugsperiode der Abgabe ganz gewaltige Veränderungen eintreten werden. Während die einen Vermögen anwachsen, vermindern sich die andern oder verschwinden gar vollständig. Es kann sich also der Fall ereignen, dass der Steuerpflichtige eine Steuer für ein Vermögen zu entrichten hat, das nicht mehr vorhanden ist, während die inzwischen neu erworbenen Vermögen von der Abgabe befreit bleiben. Wir brauchen nur daran zu erinnern, dass bei Gelegenheit der beschleunigten Erhebung der Reichsnotopfer es im Reichstag als schwerwiegender Fehler des Gesetzes bezeichnet wurde, dass der Vermögensstand am 31. Dezember 1919 Massstab für die Höhe der Abgabe sein sollte. Die zahlreichen Stimmen der Kritik, die sich
damals vernehmen Hessen, führten schliesslich zu einer Umwandlung der Vermögensabgabe in eine Jahressteuer. In Italien wurde die Erhebung der Vermögensabgabe auf eine so lange Reihe von Jahren verteilt, dass die Jahresquoten ungefähr mit den in der Schweiz

927 bei der Erhebung der sätzen übereinstimmen.

werden sicherlich nicht mögensabgabe Eindruck

zweiten Kriegssteuer geltenden SteuerDiese zwei bezeichnenden Feststellungen verfehlen, auf die Anhänger der Verzu machen.

III.

Wirtschaftliche Erwägungen.

Die wirtschaftliche Gesundung der Welt ist das grosse Problem der gegenwärtigen Stunde. Überall strengt man sich an, Lösungen zu finden. Die ganze Menschheit litt und leidet noch unter der Krise. Es ist überflüssig, auf den Ernst der Lage unseres Landes hinzuweisen. Wurde der Schweiz das grosse Glück zuteil, dem verheerenden Weltbrande zu entgehen, so muss sie nun der Nachkriegszeit einen sehr schweren Tribut zollen.

Diese ausserordentlichen Umstände verleihen dem Problem der fiskalischen Rückwirkung auf die Volkswirtschaft eine ganz besondere Bedeutung. Man muss sich daher über die wirtschaftlichen Folgen der Vermögensabgabe volle Rechenschaft ablegen.

Versuchen wir, die Belastung des einzelnen im besondern und ·des Landes im allgemeinen durch die vorgeschlagene Abgabe zu ermitteln. Da die Vermögensabgabe sich zu den andern Steuern gesellt, gilt es zu erfahren, in welchem Masse das ganze Steuersystem den Pflichtigen zur öffentlichen Beitragsleistung heranzieht.

Tabelle I dieses Berichtes liefert ins einzelne gehende Angaben über die Last, die das Projekt den verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen auferlegt. In erster Linie ist festzustellen, dass, wenn die Vermögensabgabe in einem einzigen Male zu entrichten wäre, sie für sich allein,, ohne die übrigen Steuern, bis zu 500 °/o des jährlichen Einkommens ausmachte. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Vermögenspflichtige sie aus seinen Einkünften entrichtet. Wir wollen daher ohne weiteres annehmen, dass die Bezahlung auf drei Jahre verteilt werde.

Tabelle II gibt für einige Gemeinden die ganze Steuerlast an, die sich zusammensetzt aus einem Drittel der Vermögensabgabe, der Kriegssteuer und den andern ständigen kantonalen und kommunalen Steuern. Ein Vermögen von Fr. 500,000 hat in Zürich jährlich Fr. 23,400 zu bezahlen, in Bern Fr. 24,700, in Basel Fr. 21,200, d. h. der Steuerpflichtige sollte dem Fiskus das ganze aus seinem Vermögen fliessende Einkommen abliefern. Dabei ist in diesen so schon sehr hohen Ziffern weder die Couponnoch die Stempelsteuer inbegriffen, die dem Staate zusammen jährlich mindestens 30 Millionen Franken einbringen. Eine der-

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artige Steuerbelastung wollen also die Initianten dem schweizerischen Steuerpflichtigen bescheren ! Selbst wenn die Entrichtung der Abgabe auf drei Jahre verteilt würde, niüsste die Mehrzahl der Steuerpflichtigen ihr Kapital angreifen, was auch der Zweck der Initiative ist. Es handelt sich also nicht mehr um eine Steuer, wohl aber um eine teilweise Einziehung des Privatvermögens. Versuchen wir nun die Gesamtsumme zu ermitteln, die der Fiskus der Volkswirtschaft unter der Herrschaft des neuen Systems jährlich entziehen würde. Nach unscrn Schätzungen ergibt die vorgeschlagene Vermögensabgabe einen Ertrag von ungefähr 1250 Millionen Franken, was bei einer Verteilung der Entrichtung auf drei Jahre einer Jahresrate voa 415 Millionen Franken gleichkommt. Die steuerliche Gesamtbelastung der Volkswirtschaft wäre demnach die folgende: 1. Ertrag der Vermögensabgabe, jährlich ein Drittel von 1250 Millionen . . Fr. 416,« Millionen 2. Ertrag der zweiten Kriegssteuer . . ,, 40,o ,, 3. Ertrag sämtlicher übrigen Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden ,, 700,o ,, Fr. 1156,6 Millionen Es gibt Volkswirtschal'tcr, die das ganze produktive Kapital der Schweiz auf 22 Milliarden Franken schätzen. Zu 5 % berechnet, würde sein Jahresertrag folglich l ,100 Millionen nicht überschreiten und also kaum genügen, um den Anforderungen des Fiskus während der Erhebungsdauer der Vermögensabgabe zu entsprechen. Überdies meldet uns die Bankstatistik eine wichtige wirtschaftliche Erscheinung. Schon seit einiger Zeit vermehren sich die schweizerischen Ersparnisse nicht mehr, ja gehen eher zurück. Solange die Krisis dauert, wird auch diese Neigung nach unten anhalten und nicht nur die Ersparnisse, sondern das ganzo Kapital in Mitleidenschaft ziehen. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass unsere Handelsbilanz passiv ist und das schweizerische Hotelgewerbe ihr nicht mehr den vorkriegszeitlichen Ausgleich zu verschaffen vermag, so tritt klar zutage, wie sich die allgemeine Wirtschaftslage unseres Landes verschlechtert hat. Und vergessen wir nicht, dass der Krieg und die Kriso dem schweizerischen Privat vermögen einen schmerzhaften Schlag versetzt haben. Die Verluste auf den ausländischen Titeln im Gefolge des Kurssturzes und des Zusammenbruchs der Wechselkurse sind ungeheuer.

Ausserdem hat der Ruin des europäischen Ostens die blühenden, von Schweizern im Auslande gegründeten Unternehmungen nach-

929 haltig geschädigt. Im Inland sind etwa 1500 Millionen Franken in der Hôtellerie festgelegt und weitere gewaltige Summen in den Berg- und Lokalbahnen. Diese Kapitalien, die einen bedeutenden Teil unseres Volksvermögens darstellen, werfen heute keinen Ertrag ab. Endlich war der Fiskus schon während des Krieges, zumal aber seither, sehr anspruchsvoll. Wahrscheinlich wird er gezwungen sein, seine Ansprüche noch zu erhöhen, um die Budgetdefizite und die laufenden Ausgaben decken zu können.

Dieser bedeutende Steueraufwand hat, zusammen mit den erlittenen Verlusten, unsere Volkswirtschaft geschwächt. Mit der Industrie steht es schlecht, sie leidet gegenwärtig unter dem Mangel an Käufern. Unterstützt durch den Staat, macht sie grosse Anstrengungen, um für ihre Erzeugnisse den nötigen Absatz zu finden.

Die Arbeitslosenbeiträge schmälern ihre Betriebsmittel stark. Und ausgerechnet zu einer Zeit, wo sie für die eigenen Bedürfnisse ihre letzten Kapitalien aufbieten musste, fordert man von ihr eine ausserordentliche Abgabe ! Alle diejenigen Unternehmungen, die noch über einige Mittel verfügen, werden ihrer beraubt.

Andere, die gezwungen sind, Schulden einzugehen, müssen ihren ganzen Kredit ausschöpfen, nur um dem Fiskus die Abgabe leisten zu können. Was endlich diejenigen betrifft, die keine Gläubiger finden, so müssen sie sieh darein schicken, einen Teil ihres Vermögens zu veräussern. Unter den heutigen Verhältnissen wird dieser erzwungene Verkauf sehr oft unmittelbar zum Ruin fuhren.

Gewiss sieht die Initiative als letzten Ausweg die Bezahlung in natura vor, d. h. die Übergabe an den Staat eines Teils der privaten Vermögensgegenstände. Darf man aber wirklich den Steuerpflichtigen in diese äusserste Notlage versetzen?

Für die ganze Industrie, die so schlecht daran ist, wäre die Vermögensabgabe ein schwerer Schlag. Für die finanziell mangelhaft fundierten Industrien, die das nötige Kapital jetzt schon nur unter grossen Schwierigkeiten erhalten, würde die Lage unhaltbar. Es ist nicht verständlich, dass man zu ihrer Schröpfung ausgerechnet den Augenblick wählt, wo die Industrie, durch die Krise erschöpft, viel mehr Kapital als vor dem Kriege benötigt.

Hat man nicht daran gedacht, dass die massenhafte Veräusserung eine drückende Wirkung auf dem Markte der Wertpapiere und der Liegenschaften hätte? Denn
die Zahl derjenigen, die zu Verkäufen genötigt sind, wäre so gross, dass die Käufer nur um so seltener wären. Die unvermeidliche Kapitalflucht würde die Schwierigkeiten noch vergrössern. Die teilweise Expropriation des Privatvermögens hätte in der Tat die unmittelbare Folge, die ausländischen Depots sowohl wie diejenigen der schweizerischen Steuer-

930 Pflichtigen aus dem Lande zu treiben. Die Initiative erkennt die Gefahr der Steuerflucht an, insofern sie ausserordentliche Massnahmen zu ihrer Verhütung vorsieht. Wir glauben nicht daran,, dass diese Massnahmen sehr wirksam sein werden.

Man muss diese Schwierigkeiten beizeiten zu sehen trachten und vermeiden. Ziehen wir die anderswo gemachten Erfahrungen zunutze. In allen Ländern, wo die Vermögensabgabe Zustimmung fand, hat man das Bedürfnis empfunden, den Steuerpflichtigen auf auseerordentlichem Wege Kredit zu verschaffen. Allenthalben haben die Umstände den Staat, zur Verhütung einer heftigen Krise, gezwungen, Kreditinstitutionen zu dem beisondern Zwecke zu schaffen, den Steuerpflichtigen die dringend nötigen Zahlungsmittel zu liefern. Die Darstellung und Beurteilung der verschiedenen Lösungen dieses Problems fallen nicht in den engen Rahmen dieses Berichtes. Es genügt die Feststellung, dass sich alle aisunzulänglich zur Verhinderung der mit der Vermögensabgabe untrennbar verbundenen Übelstände erwiesen haben.

Die Initiative bedroht uns noch mit einer andern Gefahr.

Die teilweise Expropriation des privaten Vermögens vermindert dio Konsumkraft des Volkes. Darunter leidet wiederum die Industrie, deren Absatzschwierigkeiten sich verschärfen. Die Vermögensabgabe wird nicht verfehlen, den Gang des Geschäftslebens neuerdings zu verlangsamen, die Arbeitsgelegenheit zu vermindern und die Arbeitslosigkeit zu vergrössern. Es ist überflüssig, auf die daraus hervorgehenden schwerwiegenden Übelstände noch besonders hinzuweisen. Man weiss ja, wieviel die Arbeitslosigkeit die privaten Unternehmungen, den Bund, die Kantone und Gemeinden kostet.

Die Vermögensabgabe verschlimmert die Lage der Industrie,, vermehrt die öffentlichen Lasten und trifft so mittelbar auch den Arbeiter, der unter der unvermeidlichen Hemmung des Wirtschaftslebens zu leiden haben wird. Er ist es, der den Fiückschlag dieser Steuermassnahme auszuhalten hat. Die Wirkungen der Initiative werden schliesslich auch diejenigen Kreise, aus denen sie hervorgegangen ist, deutlich zu spüren bekommen.

Steuerprobleme dürfen nie unabhängig vom Wirtschaftsproblem gelöst werden. Nun beweisen aber die vorstehenden Erwägungen, dass · die Vermögensabgabe wirtschaftlich unvernünftig ist. Sie würde der Industrie einen Schlag versetzen,, von dem sie sich vielleicht nicht mehr erholen könnte. Die Unsicherheit, aus der man doch herauskommen, sollte, würde verewigt.

931 Die Vermögensabgabe wird noch einen andern Pfeiler des wirtschaftlichen Gebäudes erschüttern, nämlich die Ersparnisse.

Sie sind es, die der Menschheit das Kapital geliefert haben, womit sie arbeitete. Jede neue Industrie, jedes Verfahren, das sie auf eine höhere Stufe hebt, hängt von den Spargelderu ab. Sie sind die unentbehrliche Voraussetzung für die Verwirklichung jeden Fortschrittes. Ohne sie hätte die Produktion niemals die heutige Entwicklung erlangt. Der relative Wohlstand, dessen wir uns erfreuen, ist den Zinsen zu verdanken, die von den angehäuften ungeheuren Ersparnissen herrühren. Nun haben sich in der gegenwärtigen Krisenzeit die Spargelegenheiten vermindert.

Kommt die Vermögensabgabe zu den erlittenen Verlusten und der Verteuerung der Lebenshaltung hinzu, so wird die Sparmöglichkeit noch ganz schwinden und diejenigen, die noch sparen könnten, werden es nicht mehr tun. Was hat es für einen Zweck, sagen sich die Leute, Reserven zu bilden, wenn der Fiskus sie eines Tages wegnimmt. Gewiss ist eine solche Überlegung unklug, allein diese gefährliche Geistesverfassung wird das unvermeidliche Ergebnis der vorgeschlagenen Steuermassnahme sein. Ist das Projekt einmal angenommen, so kann niemand dafür Gewähr leisten, dass die Abgabe nicht wiederholt werde.

Einer ihrer Anhänger hat übrigens jüngst freimütig erklärt, dass der von ihm verfolgte Zweck sich nicht in einer bloss einmaligen Erhebung der Abgabe erschöpfe. Eine solche Wiederholung wäre zweifellos eine vortreffliche Handhabe kommunistischer Politik, aber auch der Weg zum Ruin.

Die Verteidiger der Vermögensabgabe tun unrecht daran, von ihr als einer neuen und sehr originellen Erfindung zu sprechen.

Das vorgeschlagene Verfahren ist so alt wie die Welt. Der Engländer John Bailles erinnerte kürzlich daran, dass die asiatischen Tyrannen sich dieses Mittels zu allen Zeiten bedient hätten. An der allgemeinen Armut Asiens lässt sich der wirtschaftliche Wert der Abgabe messen. Das Fehlen der Spartätigkeit hat in Asien zu einem derartigen Zustand geführt, dass ein Volkswirtschafter sagen konnte, die Armut des asiatischen Armen sei vollkommen verschieden von derjenigen des kapitalistischen Abendlandes.

In denjenigen Ländern, wo die Vermögensabgabe verwirklicht worden ist, hat sie den Sparsinn ertötet. Oie Leute legen nichts beiseite, was
der Einziehung ausgesetzt ist. Da nun die Sparsamkeit eine Vorbedingung des Fortschritts ist, d. h. der Verbesserung des Loses des ganzen Volkes, so ist wiederum bewiesen, dass die Initiative nichts anderes als ein antiwirtschaftliches und antisoziales Schlagwort ist.

932

IV.

Die Rückwirkungen anf die öffentlichen Finanzen.

Der Krieg und in seinem Gefolge die Wirtschaftskrisis brachten für die öffentlichen Finanzen eine tiefgehende Umwälzung. Die industriellen Kantone und die städtischen Gemeinden litten besonders stark. Allenthalben schliessen die Verwaltungsrechnungen mit beunruhigenden Fehlbeträgen ab. Die Rechnungen der Eidgenossenschaft und der Kantone ergaben vor dem Kriege Überschüsse; heute haben die Eidgenossenschaft, die Kantone und Gemeinden ungeheure Fehlbeträge aufzuweisen. Es ist allgemein bekannt, dass die finanzielle Lage der Eidgenossenschaft schwierig ist. Die Bundesschuld übersteigt, ohne diejenige der Bundesbahnen, zwei Milliarden Franken. Die Verwaltungsrechnung für das Jahr 1921 schliesst mit einem Defizit von 127 Millionen Franken ab. Der Voranschlag für das Jahr 1922 rechnet mit einem Überschuss der Ausgaben über die Einnahmen von 99 Millionen Franken. Die Rechnungen dor Kantone verzeichnen für das Verwaltungsjahr 1921 ein Defizit von 48J/2 Millionen Franken. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieses 1^922 50 Millionen Franken übersteigen. Die ganze Schuld der Kantone übertrifft l*/2 Milliarden Franken. Nach den von Prof.

Steiger im Schweizerischen Finanzjahrbuche veröffentlichten Ziffern, hatten diejenigen Gemeinden, die als Mitglieder des Schweizerischen Städteverbandes ungefähr ein Drittel der schweizerischen Bevölkerung umfassen, Ende 1920 eine Totalschuld von 908 Millionen Franken. Heute übersteigt sie sicherlich eine Milliarde Franken.

Diejenigen Gemeinden, die dem Städteverband nicht angehören und ungefähr 2/s der Bevölkerung einschliessen, haben gewiss eine Gesamtschuld von wenigstens einer Milliarde. Die ganze Schuld der Kantone und Gemeinden erreicht somit 3*/2 Milliarden Franken. Selbst wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass ein Teil dieser Schuld einen Gegenwert in abträglichen Aktiven hat, so bleibt nichtsdestoweniger sicher, dass sich die Lage in besorgniserregender Weise verschlechtert hat.

Erstarrte Finanzen sind stets ein bedauerliches Hindernis.

Der Mangel an Geldmitteln verurteilt den Staat zu einer Politik des Stillstandes, die dem Fortschritt zum Verhängnis wird. Daher haben alle Bürger, und zumal diejenigen, die mit Recht vom Sozialstaate einen vernünftigen Fortschritt fordern, ein unmittelbares Interesse an der Wiederherstellung des Gleichgewichts der öffentlichen Finanzen. Gerade diejenigen, deren Gewohnheit es ist, vom Staate viel zu verlangen, werden vom

933

Elend der öffentlichen Finanzen zuerst betroffen. Es hiesse auf
Sehen wir zu, ob die Vermögensabgabe imstande ist, unsere Finanzen zu verbessern und unsere Voranschläge zu erleichtern.

Wird sie der Eidgenossenschaft, den Kantonen und Gemeinden endlich das Verlassen der Zeit der Rückschläge gestatten? Einige kurze Überlegungen werden genügen, zu zeigen, dass uns diese ausserordentliche Steuer nicht der Gleichgewichtslage näher bringt, sondern dass sie im Gegenteil der finanziellen Gesundung ernstlich im Wege steht.

Wir wissen bereits, dass die Abgabe eine gefährliche Rückwirkung auf unsere ohnehin schwer geprüfte Volkswirtschaft hätte. Sie brächte uns eine neue unvermeidliche wirtschaftliche Erschütterung, eine Verminderung der industriellen Gewinne, einen Rückgang der Vermögen und damit eine Schwächung der Steuerleistungsfähigkeit.

Von äusserster Wichtigkeit ist die Tatsache, dass die Initiative den Ertrag der Abgabe nicht der Staatskasse, sondern ·ausschliesslich der Durchführung sozialer Aufgaben zuwenden will. Die sozialdemokratischen Blätter haben seinerzeit einen interessanten Kommentar gebracht, aus dem hervorgeht, dass die ausserordentliche Einnahme für die Versicherung, namentlich die Alters- und Invalidenversicherung, vorbehalten werden soll. Wir haben für dieses Werk des sozialen Gemeinsinnes stets unsere Teilnahme bezeugt. Es soll auch verwirklicht werden, sobald die finanzielle Lage wieder normal geworden ist. Die vorgeschlagene Kombination verschafft jedoch dem Sozialwerke keine genügend tragfähige finanzielle Basis. Die ausserordentliche und einmalige Abgabe würde nur eine erste Beitragsleistung in der Form eines festen Betrages sichern, der die
Einrichtung der Versicherungen und ihre vorläufige Wirksamkeit gestattete. Über kurz oder lang wären der Bund und die Kantone gezwungen, mit jährlichen Beiträgen auszuhelfen. Wird die Vermögensabgabe nur einmal erhoben, so ist sie durchaus ungeeignet und Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd II.

65

934 ungenügend zur Finanzierung der AHers- und Invalidenversicherung. Dauernde Ausgaben erfordern dauernde Elinnahmen. Die zur Finanzierung der Sozialversicherung bestimmten Quellen müssen einen ununterbrochenen Ertrag liefern. Diesem Grundsatze entspricht vollkommen die vom Bundesrate vorgeschlagene Lösungder Versicherungsfrage. Danach bleiben der Sozialversicherung vom Jahre 1925 an die Einnahmen aus der Tabaksteuer und der Anteil des Bundes an den Gewinnen der Alkoholverwaltung vorbehalten. Im besondern werden die Mittel zur Versicherung der Invaliden und Hinterbliebenen durch einen jährlich zu erhebenden Anteil an den Erbschaften und Schenkungen unter Lebenden aufzubringen sein.

Nicht die allfällige Absicht der Initianten, neuerdings ihrem berechtigten Wunsche Ausdruck zu. verleihen, dies Verwirklichungder Versicherung möchte beschleunigt werden, sondern ihre Kritik fordern eine Entgegnung heraus. Es wird nämlich behauptet, auf sozialem Gebiete habe der Staat Ungenügendes geleistet. Es sei jedoch daran erinnert, dass der Bund am Vorabend des Krieges die Kranken- und Unfallversicherung eingeführt hat, die jährlich 6 bis 7 Mili. Fr. kostet. Zu Beginn der Feìndiseligkeiten schuf er das Ernährungsamt in der Absicht, dem Lande eine befriedigende Lebensmittelversorgung zu sichern. Erwähnt sei auch seine Tätigkeit zugunsten der wenig bemittelten Konsumenten, denen er verbilligte Milch verschaffte, desgleichen dasOpfer, das er sich auferlegte, indem er einen Teil der Getreidebeschaffungskosten auf sich nahm. Mit Unterstützung der Kantone und Gemeinden führt der Bund den Kampf gegen dieArbeitslosigkeit. Nach den Angaben des eidgenossischen Arbeitsamtes hat allein die Arbeitslosenunterstützung die Schweiz bis Ende 1921 mehr als 350 Millionen Franken gekostet. Diese grosszügige und grossherzige Aktion hat die Lage unserer Finanzen zusehends verschlechtert. Heute haben gewisse industrielle Gemeinden ihre verfügbaren Mittel und ihren Kredit zur Bestreitung der Arbeitslosenbeiträge erschöpft. Überdies haben sich der Bund und die Kantone neue Opfer auferlegt, indem sie alles taten, um die Arbeitslosigkeit durch Beschaffung von Arbeitsgelegenheit zu bekämpfen. Die auf dem Gebiete der Versorgung und der Arbeitslosigkeit entfaltete soziale Fürsorge hat unser Land seit 1915 etwa eine Milliarde Franken gekostet. Die
Leige des Arbeitsmarktes, die sich in letzter Zeit nur ganz unerheblich gebessert hat, erheischt die Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung, die eine der dringendsten Aufgaben bleibt. Die Voraussicht einer Verlängerung dieser Hilfeleistung gibt zu den ernstesten finanziellen

935 Besorgnissen Anlass. Das ist das grosse Tagesproblem, die brennende Frage. Bevor wir an andere soziale Aufgaben denken, die unsere Teilnahme verdienen, aber weniger dringend sind, zwingen uns die gegenwärtigen Schwierigkeiten, den keine Verzögerungen duldenden Anforderungen zuerst zu entsprechen. Infolge der ausschliesslichen Zuwendung des Ertrages zur Finanzierung sozialpolitischer Werke, insbesondere der Sozialversicherung, bringt die Vermögensabgabe den öffentlichen Finanzen keine neue Einnahme. Die vorgeschlagene Bindung würde ihnen im Gegenteil neue Lasten auferlegen und das in einem Augenblicke, wo die Wiederherstellung des Budgetgleichgewichts unsere erste Sorge sein sollte.

Der Initiative ist ein anderer schwerer Vorwurf zu machen.

Da die Vermögensabgabe die privaten Vermögen und die industriellen Gewinne verkürzt, vermindert sie das steuerpflichtige Vermögen und entsprechend den Ertrag der bestehenden Steuern.

Sie schwächt die dauernde Ergiebigkeit der den Fiskus erhaltenden Quellen. Für den Bund bedeutet dies ein unmittelbares Sinken des Ertrages der Kriegssteuer, mit dem Erfolg, dass ihre Erhebung verlängert werden muss. Auch der Ertrag der Stempelund Couponsteuer wird beschnitten.

Den Kantonen und Gemeinden wird die Initiative zum Verhängnis werden. Der Ausfall im Ertrag ihrer Vermögens-, Einkommens- und Erbschaftssteuern bringt sie um durchaus unentbehrliche Einkünfte. Sie müssen daher sofort nach einem Ersatz Umschau halten und werden ihn in der Erhöhung der Steuersätze finden. Dadurch wird die ohnehin schon drückende Steuerlast noch vergrössert. Darf man dem Steuerpflichtigen eine Erhöhung der kantonalen und kommunalen Steuern zumuten? Bevor wir diese Frage beantworten, sei noch der Ertrag der direkten Steuern in 'der Schweiz und deren Entwicklung seit 1913 angegeben.

Ertrag der Besitz- und Einkommensteuern.

Bund . . . .

Kantone . . .

Gemeinden . .

1913

1920

1921

Fr.

Fr.

Fr.

1922 Fr.

-- 82,722,000 94,984,000

178,623,000 191,616,000 190,000,000

111,266,000 210,000,000 210,000,000

106,000,000 210,000,000 210,000,000

177,706,000

560,239,000

531,266,000

526,000,000

Von 177 Millionen Franken ist also der Ertrag der direkten Steuern zugunsten des Bundes, der Kantone und Gemeinden auf 526 Millionen Franken gestiegen, er hat sich demnach verdrei-

936 facht. In zahlreichen Städten sind denn auch die kantonalen und kommunalen Steuersätze sehr hoch. Bei einem Vermögen von 500,000 Franken betrug im Jahre 1921 die Gesamtbelastung durch kantonale und kommunale Steuern, gemessen am Vermögenaertrag, in % % Neuenburg 18,!

Herisau 31,2ä Frauenfeld Glarus .

17,82 28,05 16 Luzern .

Bern 26,37 Zürich . .

22 Aarau 15,07 St. Gallen .

20 Basel . .

14,83 Schaffhausen 18,85 Bei einem Vermögen von 100,000 Franken in % % Herisau Glarus . ..

15,7 28,70 14,, Schaffhausen Bern . .

19,7 Zürich . ,.

St. Gallen .

19,2 13,8 Frauenfeld 17,1 Die Erwerbssteuer trifft im Jahre 1921 bei einem Einkommen von 25,000 Franken in % % St. Gallen .

Chur . . .

13,, 26,5 10,2 16,9 Solothurn Zug . . .

Luzern.

16,3 Lausanne 9,7 8,2 Herisau 15 Basel . . .

Schaffhausen Frauenfeld 13,7 8,1 Bern 13,3 Aarau 6,7 Bei einem Arbeitseinkommen von 10,000 Franken in Chur . .

Herisau Zug. . .

Frauenfeld Bern . .

St. Gallen .

% 16,3 13,6 12,5 11,4 10,9

Luzern.

Schaffhausea Solothurn .

Aarau .

Lausanne .

Basel . .

% 8 6,7

6,1 6 6

3,7 9,i Fügen wir noch die Kriegssteuer bei, so ergibt sich, dasa folgende Teile des Ertrages eines Vermögens von 500,000 Franken und eines Arbeitseinkommens von 10,000 Franken insgesamt wegbesteuert werden :

937

Bei einem Vermögen von 500,000 Franken in Herisau .

Frauenfeld Bern . .

Zürich . .

St. Gallen.

Schaffhausen

% . . 34,26 . . 31,0ö . . 29,8?

. . 25 . . 23 . . 21,8s

' Neuenburg Glarus .

Luzern .

Aarau .

Basel. .

% . . 21,10 . . 20,sa . . 19 . . 18,07 . . 17,ss

Bei einem Arbeitseinkommen von 10,000 Franken in Chur . .

Herisau .

Zug . .

Frauenfeld Bern . .

St. Gallen

.

.

.

.

.

.

% . 16,9 . 14,i . 13,i . 12 . 11,5 .

9,7

Luzern . .

Schaff hausen Solothurn .

Aarau . .

Lausanne .

Basel . . .

% .

8,e . 7,3 . 6,7 .

6,c .

6,e .

4,8

Berücksichtigen wir die Tatsache, dass die Coupon- und die Stempelsteuer eine weitere Belastung des Besitzers darstellen, so erkennt man, dass die Gesamtheit der Steuern eine äusserst schwere Bürde bedeutet. Die Besteuerung hat die obere Grenze bereits erreicht, die zu überschreiten sehr unklug wäre. Sonst würde der Sparsinn untergraben, die Unternehmungslust entmutigt und der Arbeitseifer abgekühlt, also die einzige Quelle dauernden Gedeihens und ununterbrochenen Fortschrittes verstopft. Aus u risero Feststellungen ergibt sich klar, dass der Bund, die Kantone und Gemeinden zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, unter Vermeidung einer unerträglichen Steuerbelastung, sich ernstlich anstrengen müssen, weitere Einsparungen zu erzielen. Anstatt unserer Volkswirtschaft neue Steuerlasten aufzubürden, sollte man ihr eine Schonzeit gönnen, damit sie wieder Atem schöpfen und ihre Kräfte erneuern kann. Der Fiskus hätte ein dauerndes Interesse daran, denn er lebt ja von den angehäuften nationalen Ersparnissen. Es wäre im Gegenteil wünschenswert, die Steuersätze, statt zu erhöhen, zu vermindern. England hat diesem Wunsche entsprochen und die Einkommenssteuer von 6 Sh. 'auf 5 Sh. für das Lst. ermässigt. Es hat ausserdem die Konsumsteuer auf einigen Lebensmitteln herabgesetzt.

Auch die Vereinigten Staaten haben eine Ermässigung der Einkommenssteuer in Aussicht genommen. Nun ist aber für die Mehrzahl der schweizerischen Kantone und G emeinden eine Herabsetzung des Steuerfusses ausgeschlossen. Man muss im Gegenteil

938

damit rechnen, dass eine Erhöhung leider das einzige Mittel zur Deckung der Ausgabenüberschüsse sein wird. Die Lage der kantonalen und kommunalen Finanzen ist also derart, dass jede Steuermassnahme unmöglich ist, deren Folge eine Verminderung des steuerbaren Vermögens wäre.

Die Vermögensabgabe würde der kantonalen Finanzpolitik den Gnadenstoss versetzen. In einigen Fällen würde dio Tätigkeit der Kantone derart gehemmt, dass sie ihre überlieferten Aufgaben nicht mehr erfüllen könnten. So betrachtet, wäre die Vermögensabgabe eine Bedrohung der kantonalen. Selbständigkeit und ein grosser politischer Fehler.

V.

Der politische Gesichtspunkt.

Die Frage der Vermögensabgabe ist nicht mehr neu. Das Problem ist am 19. April 1918 durch die Motion Götschel aufgerollt worden. Deren Wortlaut ist folgender: ,,Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen., ob nicht vom nationalen Vermögen, ohne Rücksicht auf den Besitzer, die Eidgenossenschaft ausgenommen, eine Abgabe von S % zu erheben sei, wovon 3/4 ganz oder teilweise zur Tilgung der Mobilisationsschuld zu verwenden und J/4 den Kantonen als Beisteuer an die ihnen vom Krieg auferlegten ausserordentlichen Kosten zu überlassen wären. Dieser Viertel sollte in billiger Weise im Verhältnis der den Kantonen erwachsenen Ausgaben verteilt werden.

Die Abgabe würde ein- für allemal erhoben werden."

Sogleich wurde ihr die Wiederholung der Kriegssteuer gegenübergestellt. Die eidgenössischen Räte gaben der Kriegssteuer den Vorzug, also einer Steuer, deren Erhebung sich auf eine längere Zeit erstreckt. Am 14. Februar 1919 hat das Schweizervolk diesen Entscheid bestätigt. Den Urhebern der Initiative soll · keineswegs das Recht bestritten werden, die Frage wieder aufzugreifen. Es sei nur festgestellt, dass sie bereits einmal gestellt und behandelt worden ist. Das Vorgehen hat immerhin etwas eigentümliches an sich. In den Räten gab man der Frage die Form einer Alternative, indem man die beiden Lösungen einander gegenüberstellte. Die Mehrheit entschied sich zugunsten der Kriegssteuer.

Heute sucht nun die Initiative zur Kriegssteuer noch die Vermögensabgabe zu gesellen. Diejenigen, die sich zur ersten Lösung bekannt haben, um die zweite, auszumerzen, sehen ihren Abstimmungswillen plötzlich durchbrochen. Es ist klar, dass nur eine unbedingte und unaufschiebbare Notwendigkeit, nämlich die

939

Bettung einer verzweifelten Finanzlage, dieses so aussergewöhnliche Vorgehen rechtfertigen könnte. Nun wissen wir aber, dass ·der Stand unserer Finanzen keineswegs die Anwendung dieses Gewaltmittels erheischt. Es zu wählen, wäre umso unbegreiflicher, ·als weder unsere Schuldenlast, noch deren Zinsendienst dadurch «rleichtert würde. In der Tat bleibt ja der Ertrag der Abgabe einer andern Bestimmung vorbehalten.

Unter dem fiskalischen Gesichtswinkel gesehen, vermag diese Lösung einer sachlichen Kritik nicht stand zu halten. Das haben die Sozialisten selbst anerkannt, hatten doch ihre Vertreter in der Expertenkommission, die im Jahre 1918 das Projekt einer Wiederholung der Kriegssteuer prüfte, Gelegenheit, sich darüber ausausprechen. Damals lehnten sie die Vermögensabgabe ab. Der eine machte den ungünstigen Einfluss dieser Massnahme auf die Kantons- und Gemeindefinanzen geltend; ein anderer verhehlte nicht seine Neigung zur Motion Götschel, bezeichnete sie aber als undurchführbar und erklärte, der Wiederholung der Kriegssteuer den Vorzug zu geben.

Schon galt die Frage als endgültig geregelt. Wie gross war ·da nicht das Erstaunen, als im Jahre 1921 die sozialdemokratische Partei ihre frühere Haltung vollständig aufgab und auf dem Wege der Initiative den Vorschlag machte, es sei von allen, eine gewisse Grosse überschreitenden Vermögen eine Abgabe von 8 bis 60 % zu erheben. Nachdem sie diese Formel im Jahre 1918 abgelehnt hat, empfiehlt sie zwei Jahre später selbst die Annahme.

1918 trugen die Sozialdemokraten zur Verwerfung der Motion Götschel bei ; heute verlangen sie, dass der inzwischen in ein dämagogisches Gewand gekleidete Vorschlag dem Volksentscheide anheim gegeben werde.

Was ist der Sinn dieses schroffen Meinungswechsels? Heute so gut wie 1918 ist und bleibt die Vermögensabgabe eine durchaus untaugliche und unanwendbare Fiskalmassnahme. Die seitdem anderswo mit ihr gemachten schlechten Erfahrungen haben die seinerzeit im schweizerischen Nationalrat herrschenden Anschauungen bestätigt. Unmöglich kann also dieser Meinungsumschwung auf steuertechnische oder finanzielle Beweggründe zurückgeführt werden ! Die Triebfedern der neuen Haltung der sozialdemokratischen Partei sind anderswo zu suchen, nämlich auf politischem Gebiete. Ist auch der fiskalische und finanzielle Wert der Massnahme derselbe geblieben, so haben ihr die Sozialisten doch einen andern Sinn verliehen. Ein anderer Gesichtspunkt, der politische, ist nun in den Vordergrund getreten. Durch

940

die Theorie G ò l d s c h e i d s aufgeklärt, erscheint nun in den Augen ihrer Anhänger die Vermögensabgabe als ein unerhofftesMittel, um mit einem Schlage einen wichtigen Teil des sozialdemokratischen Programmes zu verwirklichen. Die Vermögensabgabe ist nichts anderes als der rascheste und beste Weg zur Nivellierung und Sozialisierung. Diese Seite der Frage soll im folgenden untersucht werden.

A. Die Vermögensabgabe als Nivellierungsmittel.

Indem sich die Initiative den Anschein gibt, als ob sie dem Grundsatz der Gleichheit huldige, sucht sie ihr antidemokratisches Wesen zu verbergen. In der wahren Demokratie verlangt die Gleichheit der Rechte die Gleichheit der Pflichten. Der Gleichheit der politischen Rechte muss die Allgemeinheit der Steuerpflicht entsprechen. Nach dem Vorschlage der Initianten würde aber nur eine äusserst kleine Minderheit, d. h. etwa 3l/i °/o der der kantonalen Vermögenssteuer unterworfenen Steuerpflichtigen oder ungefähr 6 °/oo der Bevölkerung, erfasst. Indem sie durch eine verfassungsrechtliche Bestimmung die Erhebung der Abgabe auf einen kleinen Kreis von Personen beschränkt, empfiehlt die Initiative eine Ausnahmemassnahme, die dem Geist unserer demokratischen Einrichtungen widerspricht.

Dem Wunsche, eine gewisse Gleichförmigkeit der Vermögen zu erreichen, hat man den grossen Grundsatz der politischen Gleichberechtigung geopfert. Die Befreiung aller Vermögen unter 80,000 Franken und die sehr hohen, bis auf 00 °/o gehenden Sätze geben der Initiative eine deutliche Nivellierungstendenz.

Ihre Urheber rollen mittelbar das ganze Problem der schweizerischen Vermögensgliederung auf. So interessant wie diese Fragevom sozialen und wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet ist, könnte sie allein schon Gegenstand einer ausführlichen Abhandlung sein. Beschränken wir uns auf einige statistische Feststellungen.

Nach den Angaben der eidgenössischen Steuerverwaltungzählt die Schweiz 800,000 grosse und kleine Vermögen. Zahl und Bedeutung der grossen Vermögen sind verhaltnismässig viel kleiner bei uns als bei unsern grossen Nachbarn, wogegen die kleinern und mittlern Vermögen viel zahlreicher sind und einen sehr grossen Teil unseres Nationalvermögens ausmachen. Dafür haben wir eben einen starken Mittelstand, der die grosse politische und soziale Kraft einer Demokratie ist. Die Schweiz ist in weitgehendem Masse der Gefahr einer Zusammenballung der Vermögen

941

entronnen. Schlagend ist der Vergleich unserer Vermögensverteilung mit den interessanten statistischen Angaben, die Foville, Leiter des statistischen Bureaus des französischen Finanzministeriums, veröffentlicht hat. Bei uns gibt es sozusagen keine grossen Vermögen ; die bedeutenden Vermögen sind nicht zahlreich, sie machen zum Glück einen viel kleinern Teil des Volksvermögens aus als in den benachbarten Ländern. Da ausserdem in der Schweiz der Grundbesitz sehr zerstückelt ist, setzen sich die bedeutenderen Vermögen in weitgehendem Masse aus Wertschriften zusammen. Nun hat aber die Krisis unglücklicherweise bereits eine erhebliche Vermögensabgabe vollzogen, indem sie den Wert vor allem der industriellen Papiere sehr stark verminderte. Infolgedessen ist die von den Gemeinden, Kantonen und bei der Kriegssteuer mit Recht eingeführte Steuer progression das wirtschaftlich und fiskalisch hinreichende Mittel, um die, einen gewissen Durchschnitt übersteigenden Vermögen weitgehend zur Beitragsleistung heranzuziehen.

Wenn die Vermögensabgabe die kleinern und mittleren Vermögen auch nicht unmittelbar berührt, so ist sie ihnen doch sehr gefährlich. In der Tat wird die Verkleinerung des steuerbaren Vermögens, hervorgerufen durch die Abgabe, unvermeidlich eine Verminderung des Ertrages der kommunalen und kantonalen.

Steuern zumal in den Städten erzeugen. Nun ist aber die Finanzlage der Mehrzahl der Kantone und vor allem der städtischen Gemeinden derart, dass sie eine solche Verminderung kaum zu ertragen vermag. Zum Ersätze müssen diese Gemeinwesen einestarke allgemeine Erhöhung des Steuerfusses eintreten lassen.

Besonders in den Städten wissen die Grundbesitzer, kleinen Bürger, Kauf leute, Handwerker und Arbeiter gut genug, wie die Gesamtheit der Steuerlasten sie bedrückt. Die Initiative behält ihnen eine neue Verschärfung vor.

B. Die Vermögensabgabe als Sozialisierungsmittel.

An der Kandersteger Finanzkonferenz betrachtete Herr Nationalrat K l o ti die Vermögensabgabe als ein rasch wirkendes Mittel zur Abtragung der Bundesschulden. In der Meinung, das» bis jetzt der Staatskasse auf dem Wege der direkten Besteuerung nur wenig Geld zugeflossen sei, regte er an, auf die Motion Götschel zurückzukommen. Immerhin empfahl er als kluger Volkswirtschafter, die Entrichtung dieser ausserordentlichen Abgabe durch die Möglichkeit ihrer Verteilung auf 20 Jahre zu erleichtern.

942 Dieser Lösung lagen ausschliesslich fiskalische und finanzielle Erwägungen zugrunde. Damals war es, als Herr Nationalrat M ü l l e r das "Wort ergriff und erklärte, er teile «war im allgemeinen den Standpunkt seines Kollegen, stimme jedoch in einem besondern Punkte nicht mit ihm überein. Er führte aus, er habe das Buch G o l d s c h e i d s studiert und darnach seine Meinung geändert. Nach seiner Ansicht sollte die Vermögensabgabe in einem einzigen Male erhoben werden. Man würde sie ihres Charakters entkleiden, wenn man zuliesse, dass die Abzahlung auf eine längere Zeit verteilt würde. Er fügte bei, dass man in diesem Falle gestatten müsse, die Abgabe in n a t u r a zu entrichten, d. h. in der Form der Übergabe von Aktien und Obligationen. Auf diese Weise würde der Bund Miteigentümer industrieller Unternehmungen.

Von allen Ländern, die vom Finanzelend zur Vermögensabgabe gezwungen wurden, hat kein einziges daran gedacht, die Naturalleistung einzuführen. In diesem Punkte bringt die Initiative «ine Neuerung und ausgesprochene Sozialisierungstendenz zum Ausdruck.

Ein Blick auf ihre kurze Geschichte lässt die wahre Absicht der Initiative erkennen, erklärt auch den schroffen Wechsel in der Haltung der sozialdemokratischen Partei und gibt der Annahme Recht, dass die Sozialisierung als Hauptzweck der Initiative zu betrachten ist. Man wird das vielleicht bestreuen, doch haben auf jeden Fall die sozialistischen Bestrebungen mächtig dazu beigetragen, die Initiative nach dieser Richtung zu lenken. Das geht aus dem Artikel 13, dessen Wortlaut hier folgt, offenkundig hervor : ,,Nachweislich selbst gezeichnete Obligationen oder Kassascheine des Bundes werden zu einem zu bestimmenden Kurse an Zahlungsstatt genommen.

Durch Bundesgesetz wird' bestimmt, ob und unter welchen Bedingungen Obligationen von Kantonen und G-emeinden und andere Vermögensworte an Zahlungsstatt genommen werden.

Ebenso kann der Abgabepflichtige verpflichtet werden, Wertpapiere und andere Vermögenswerte an Zahlungsstatt abzuliefern, Die E'älle dieser Naturalabgabe wie die Bewertungsgrundsätze werden durch Bundesgesetz festgelegt.t; Absatz l und 2 gewähren den Steuerpflichtigen das Recht, Bezahlungen in Obligationen oder Kassascheinen des Bundes zu leisten, und räumen ihnen die Möglichkeit ein, auch kantonale und kommunale Obligationen an Zahlungsstatt zu entrichten.

943

Zahllos werden die industriellen und kommerziellen Unternehmungen sein, die nicht über ausreichende flüssige Mittel zur Bezahlung der Abgabe verfügen. Sie werden also gezwungen sein, dem Staate einen Teil ihrer Wertpapiere zu überlassen oder die Beteiligung an ihren Unternehmungen zu gewähren. Das bedeutet .unstreitig die Einmischung des Staates in ein Gebiet, das ihm fremd bleiben sollte. Das alles hat schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Immerhin sei zugestanden, dass diese Entrichtungsmöglichkeit mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden kann, dem Steuerpflichtigen die Bezahlung zu erleichtern. Gemäss diesen Bestimmungen ist die etwaige Beteiligung des Staates am Privateigentum oder an der Verwaltung privater Unternehmungen nicht der Hauptzweck, sondern nur die unvermeidliche Folge der Naturalleistung.

Hingegen setzt Absatz 3 fest, dass die A b g a b e p f l i c h tigen v e r p f l i c h t e t w e r d e n können, W e r t p a p i e r e und andere Vermögenswerte an Zahlungsstatt abz u l i e f e r n . Hier handelt es sich nicht mehr um die Möglichkeit, in Wertpapieren o d e r in bar zu zahlen; vielmehr wird dem Staate das Recht zuerkannt, vom Steuerpflichtigen die Übergabe von Wertpapieren und andern dem Staate genehmen Vermögenswerten zu verlangen. Diese Verpflichtung zur Naturalleistung ist gleichbedeutend mit der Auslieferung an den Staat eines Teils der Produktionsmittel und ist also der erste Schritt auf dem Wege zur Sozialisierung.

Es ist nun offenkundig, dass dieser Bestimmung eine grundlegende politische und wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Würde die Initiative angenommen, so würde man anlässlich der Ausarbeitung des Gesetzes nicht verfehlen, sich auf die Entscheidung des Volkes zu berufen und zu versichern, dass es sich mit seiner Zustimmung zugunsten der Sozialisierung ausgesprochen habe.

Man hätte erwarten dürfen, dass diese grundlegende Frage als wichtigster Punkt mit aller wünschenswerten Klarheit gestellt worden wäre und nicht in dieser zufälligen und nebensächlichen Form. Da insbesondere dieses Problem und kein anderes der Initiative ihre grosse soziale und politische Bedeutung gibt, hätte es in den Vordergrund gerückt werden sollen.

Die Kommentare der sozialistischen Presse werden nicht imstande sein, weder den Sinn der genannten Vorschrift zu verhüllen, noch deren Tragweite zu verkürzen. Die Initianten selbst werden einer künftigen Entwicklung und Erweiterung der darin enthaltenen grundlegenden Idee machtlos gegenüberstehen. Es

944 mag sein, dass der Abgabepflichtige beim blossen Lesen der Initiative den Eindruck erhält, dass man einfach das Zahlungsverfahren festsetzen wollte. Indessen handelt es sich hier um eine Hauptfrage, Betrachtet man ihre politischen und sozialen Folgen, so wird einem bewusst, dass diese Bestimmung die wichtigste aller im Volksbegehren enthaltenen ist. Sie ist der Angelpunkt des sozialistischen Vorschlages. Es ist daher lebhaft zu bedauern, dass sie unter den endlosen Ausführungsbestimmungen verschwindet und dass man das schwerwiegende Problem der Sozialisierung in einer nebensächlichen Art und Weise aufzurollen wagt. Wir möchten den Vätern der Initiative keineswegs Absichten zuschreiben, die sie nicht haben oder niemals hatten.

Unser einziger Wunsch ist der, den wahren Sinn und die soziale und politische Bedeutung ihres Vorschlages hervorzuheben. Diese Seite der Frage musste beleuchtet werden, damit die eidgenössischen Räte und das Volk in der Initiative alles das erkennen, was ihre Urheber darin einschliessen wollten. Die Auslegung der lakonischen Formel wollen wir G o l d s c h e i d selbst überlassen, also dem Volkswirtschafter, der Herrn Nationalrat Müller die Anregung gegeben hat. Wir sind nämlich überzeugt, dass der leitende Gedanke des sozialistischen Projektes von diesem Österreicher herrührt. Denn die sozialistische Initiative strebt nicht eine fiskalische und finanzielle Lösung gleich der deutschen und österreichischen Vermögensabgabe an, sondern verfolgt eine soziale Tendenz. Goldscheid hat seine Anschauungsweise in einem Buch unter dem Titel ,,Sozialisierung der Wirtschaft oder Staatsbankerott'1 dargelegt. Da unsere Sozialdemokraten sich der eigenartigen Lösung, die er empfiehlt, angenommen haben, so geht uns seine Theorie in besonderem Masse an. Nach Goldsoheid gibt es zwei Mittel zur Verwirklichung des sozialdemokratischen Programmes. Das erste besteht in der Gewalt, der Revolution.

Dieses Mittel hält aber nicht, was es verspricht, denn schon zu oft hat es versagt. Das zweite ist friedlicher Art und besteht in der allmählichen Sozialisierung der Produktionsmittel. Goldscheid zieht die zweite Methode vor, von der er endgültige Wirkung erwartet. Nachdem er diejenige Steuertheorie als aaiv bezeichnet hat, die sich darauf beschränkt, die Erhöhung der direkten Steuern zwecks Vermeidung
des Ausbaues der indirekten zu fordern, beklagt er sich darüber, dass man die ungeheuren sozialen Vorzüge der Vermögensabgabe nicht vorher erkannt habe.

Er bedauert, dass man nicht längst durch eine entsprechende Ausgestaltung der Abgabe die friedliche Verwirklichung des sozialdemokratischen Programmes ins Auge gefasst habe. Mit Bestimmt-

945 heit versichert er, dass er in dieser Massaahme das einzige praktische Mittel zur Umformung der bestehenden Wirtschaftsordnung im Sinne der Sozialisierung sehe. Für Goldscheid ist die in Form der Naturalleistung erfolgende Abgabe die ideale Lösung, weil sie unmittelbar die Beschlagnahme der Produktionsmittel durch den Staat sichere. Mit lobenswerter Offenheit erklärt er, dass die Vermögensabgabe notwendigerweise die Sozialisierung voraussetze.

Die Vermögensabgabe ist nach ihm ausserhalb der Sozialisierung praktisch undurchführbar. Die Verknüpfung der Vermögensabgabe mit der Sozialisierung ist für ihn keineswegs eine willkürliche, sondern durchaus natürlich und unvermeidlich. Goldscheid fügt hinzu, dass der Ausdruck Vermögensabgabe nichts anderes als eine glücklich gewählte Schönfärberei sei, denn in Wirklichkeit sollte man nicht von einer Vermögensabgabe reden, sondern von einer Einziehung zugunsten des Staates. So spricht derjenige von d,er Vermögensabgabe, dem unbestritten die Vaterschaft des sozialistischen Planes zukommt. Diese aus erster Quelle geschöpften Angaben beleuchten den Sinn der Initiative scharf. Der politische Zweck des sozialistischen Vorschlages ist die Sozialisierung der Produktionsmittel, also die Verstaatlichung eines Teils des Privateigentums durch die Konfiskation. Die Initiative erstrebt nichts geringeres als die Einführung der kommunistischen Regierungsform in der Schweiz.

Über diesen Gegenstand musste volles Licht verbreitet werden.

Das Volk soll wissen, dass die Initiative auf eine tiefgehende Umformung der Gesellschaftsordnung ausgeht. Sicherlich haben die Urheber der Initiative ein Recht darauf, dass ihr Vorschlag dem Volke unterbreitet werde. Es war anderseits unsere Pflicht, die Frage so zu stellen, dass man sie auch versteht.

VI.

Die steuertechnische Durchführung.

Um zwei Fliegen mit einem Schlage zu treffen, schneiden die Initianten gleichzeitig das grosse Problem der Sozialisierung an, als ob es sich um eine Nebenfrage handelte. Ausserdem bringen sie im Verfassungsartikel eine Reihe sehr wichtiger Ausführungsbestimmungen unter. Da diese, auch abgesehen von ihrer Verbindung mit der Initiative, von bedeutender Tragweite sind, lohnt sich die Mühe, etwas dabei zu verweilen.

1. Die Vermögensabgabe stösst von Anfang an auf viel grössere technische Schwierigkeiten als gewöhnliche Steuern. Die

946

Initiative vermehrt sie noch durch SpezialVorschriften über die Einschätzung und die Erhebung. Im besondorn setzt sie den 31. Dezember 1922 als Stichtag für die Steuerpflicht und Vermögenseinschätzung fest. Nun erheischt aber der Verfassungsartikel eine ins einzelne gehende Reglementierung, deren Ausarbeitung eine gewisse Zeit beanspruchen wird. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Ausführungsverordnung vor dem 1. Januar 1924 in Kraft treten könnte. Wie soll es möglich sein, im Jahre 1924, zu einer Zeit, wo die Vermögen sich so rasch ändern, den Vermögensbestand auf 31. Dezember 1922 genau anzugeben und die Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen ? Diese Vorschrift erschwert die Einschätzung, der angeisichts der vorgeschlagenen Steuersätze eine besondere Bedeutung zukommt.

2. Die Bestimmung der von einer Steuer isu erfassenden Personen ist stets sehr heikel. Diese Aufgabe wird noch verwickelter durch die Möglichkeit internationaler Doppelbesteuerung.

Eine Abgabe, die in gewissen Fällen die Konfiskation der Hälfte des Vermögens zulässt, wird zur Kapitalflucht und zur Abwanderung der Steuerpflichtigen reizen. Da man mit den Einschätzungen frühestens ein Jahr nach der Annahme des Verfassungsartikels beginnen könnte, lassen sich die Schwierigkeiten leicht erraten, denen die Steuerverwaltung bei dei: Verhinderung der Kapitalflucht begegnet.

3. Um die Nachforschungen des Fiskus au erleichtern, will man den natürlichen und juristischen Personen eine Auskunftspflicht auferlegen, die der Angeberei gleichkommt. Das ist eine Neuerung, die die gegenwärtige Steuergesetzgebung tiefgehend verändert. Die Vorschrift geht sehr viel weiter als die Aufhebung des Bankgeheimnisses, die der Nationalrat mit 104 gegen 59 Stimmen verworfen hat. Zudem schreibt das vorgeschlagene System den Banken nicht nur die Auskunftspflicht vor, sondern noch die weitere Verpflichtung, sich jeder Kontrollund Untersuchungsmassnahme seitens der Steuerverwaltung zu unterwerfen. Die unmittelbare Folge wird die Untergrabung des Vertrauens sein, auf das die Banken so sehr angewiesen sind und welches gerade auf der Verschwiegenheit beruht. Diese Zumutung erschwert ihnen die Durchführung ihrer wirtschaftlichen Aufgaben, indem sie ihnen die Kapitalien entzieht, die ins Ausland vertrieben werden. Die vorgesehenen Untersuchungen werden eine
Kapitalknappheit auf dem schweizerischen Markte und damit eine Erhöhung der Schuldzinsen zur Folge haben, während doch gerade eine Senkung der Zinssätze wünschenswert wäre,

947

damit der Verbilligung der Lebenshaltung ein weiterer Anstoss gegeben werden könnte. Es soll nicht bestritten werden, dass die Aufhebung des Bankgeheimnisses für die Erhebung der Vermögensabgabe unentbehrlich ist; solange jedoch die Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht in allen Ländern erfolgt ist, sind die Nachteile allzu gross.

4. Die Abstempelung der Wertschriften. Das Volksbegehren sieht in Ziffer 15, Absatz 2, die Abstempelung aller Wertschriften vor. In dieser Form ist die Massnahme von sehr zweifelhaftem Wert und die Quelle zahlreicher Rechtsstreitigkeiten. Alle Inhaber von Wertpapieren müssen sich dieser Vorschrift unter Androhung der Ungültigkeit der Urkunden unterziehen. Diese Verpflichtung trifft auch diejenigen Inhaber -- sie bilden die grosse Mehrheit -- die nicht unter die Vermögensabgabe fallen. Es ist eines der auffallenden Kennzeichen der Ausfübrungsbestimmungen, dass Vorschriften von allgemeiner Tragweite und einer über den engern Kreis der Steuerpflichtigen hinausgehenden Wirksamkeit aufgenommen worden sind. Man will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, gewisse, die Wirtschaftsordnung verändernde Postulate zu verwirklichen. Hier seien zwei Vorschriften betreffend das Abstempelungsverfahren hervorgehoben, die nicht mit dem Ansprüche auf Allgemeinheit übereinstimmen. Zunächst erreicht die Abstempelung nicht alle schweizerischen Wertpapiere, weil diejenigen, deren Besitzer im Ausland sind, nicht unter die Bestimmung fallen. Kehren solche Wertpapiere in die Schweiz zurück, so stehen ihren Besitzern die unangenehmsten Auseinandersetzungen mit dem Fiskus und dem Schuldner bevor.

Man kann sich auch fragen, warum diese Vorschrift sich auf die Wertpapiere beschränkt und alle andern Forderungen, wie Darlehens- und Beteiligungsurkunden, von der Abstempelung befreit sind. Unter diesem doppelten Gesichtspunkte gesehen, erscheint die Vorschrift ungenügend. Ein grosser Teil des beweglichen Kapitals entzieht sich ihr. Dagegen geht sie in anderer Richtung zu weit. Die Abstempelungspflicht trifft nicht nur diejenigen Wertpapiere, die sich gewöhnlich im Portefeuille des Kapitalisten vorfinden, sondern alle die kleinen Wertpapiere, wie die Anteilscheine des Arbeiters bei einer Konsumgenossenschaft oder des Landwirts bei einer landwirtschaftlichen Genossenschaft.

Diese Titel werden wahrscheinlich
nicht zur Abstempelung vorgewiesen werden, weil eben ihre Besitzer nicht abgabepflichtig sind. Nichtsdestoweniger werden sie von der verfassungsmässigen Sanktion betroffen werden, die im Erlöschen der Zahlungspflicht

948

ihrer Schuldner besteht. Eine solche Strafe ist unerhört, denn sie wirkt ganz zugunsten des Schuldners. Diesem zu gestatten, aus einer blossen fiskalischen Nachlässigkeit einen so grossen wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen,- hat etwas Stossendes und Unmoralisches an sich. Ein solcher anormaler, fast möchte man sagen ungesetzlicher Gewinn ist eine Art Anschlag auf den guten Glauben. Auf jeden Fall wäre es zweckmässiger gewesen, wenn der Staat und nicht der Schuldner aus der Vorschrift Nutzen gezogen hätte.

Der Artikel 15 sieht im weitern besondere Massnahmen zur Verhinderung der Kapitalflucht ins Ausland vor. Sie werden wahrscheinlich zu spät kommen, weil sie erst nach der Abstimmung über den Verfassungsartikel in Kraft treten können und daher Gefahr laufen, teilweise unwirksam zu bleiben. Im übrigen stehen der Steuerflucht so zahlreiche Wege offen, dass selbst die raschesten Gesetzes- oder Verwaltungsmassnahmen stets ungenügend bleiben.

Auf diesem Gebiete könnte die staatliehe Einmischung von einem gewissen Nutzen sein. Doch sind die in dieser Hinsicht anderswo gemachten Erfahrungen nicht ermutigend. Alle die Überwachungsmassnahmen, wie die Devisenzentrale, die Aufhebung des Bank- und des Postgeheimnisses während der Einschätzung, würden unsere ganze Volkswirtschaft schwer schädigen. Der durch sie verursachte Schaden würde sicherlich nicht aufgewogen durch den fiskalischen Gewinn. Diese staatliche Kontrolle hat eine entfernte Ähnlichkeit mit der Abschaffung der Inhaberpapiere. Auf dieae Weise suchte man die Namenseintragung zu verallgemeinern und dem Fiskus ein Mittel in die Hand zu geben, von dem in Wertpapieren angelegten Vermögen Kenntnis zu erlangen. Nun hat aber diese Abschaffung des Inhaberpapiers, besonders in Italien, stets neue Schwierigkeiten verursacht. Trotz der förmlichen Verbote und der strengsten Strafen stellt die Praxis den Inhabertitel durch die Indossierung an Order allmählich wieder her. Zweimal musste die Regierung mit der Anwendung des Verbotes aussetzen. Ein kürzlich erschienenes Buch über diese interessante Frage hat nicht ohne Bosheit dargetan, dass das italienische Schatzamt selbst Gutscheine auf den Inhaber begeben musste, um den Erfolg seines Anleihens zu sichern.

Man hat den Anhängern der Inhabertitel nicht ohne den Anschein einer gewissen Berechtigung vorgeworfen,
sie machten sich zum Sprachrohr der Reichen und der Hochfinanz. Nun hat jedoch die französische Statistik ein- für allemal erwiesen, dass sich in den Portefeuilles der Plutokraten hauptsächlich Namens-

949 papiere vorfinden und dass im Gegenteil der Mittelstand die Inhaberpapiere bevorzugt. In England und in den Vereinigten Staaten wird heute zwecks Unterbringung mobilen Kapitals in die breiten Schichten des Volkes die Form des Inhaberpapiers geradezu propagiert. F. Garin hat kürzlich in Frankreich die Beobachtung gemacht, dass, je geringer die Zahl der Namenspapiere, desto grösser die Zahl der Zeichner und desto kleiner der Durchschnitt der Zeichnungen sei. Er zieht daraus den Schluss, dass das Inhaberpapier eine durchaus demokratische Form darstelle. Alles das zeigt, wie unklug es ist, den ökonomischen Gesetzen Gewalt anzutun. Vermeiden wir jede Massnahme, die die Volkswirtschaft mehr kostet als sie dem Fiskus einträgt. In Steuerangelegenheiten, wie in wirtschaftlichen Dingen überhaupt, genügt der gute Wille allein noch nicht zur Bildung eines zutrefienden Urteiles. Nötig sind ausserdem Wissenschaft, Scharfsinn und Erfahrung.

Schi Iissfolgerungen.

Am Ende unserer Ausführungen angelangt, fassen wir die uns zur entschiedenen Ablehnung der Initiative bestimmenden Gründe kurz zusammen : 1. Diejenigen Staaten, die in grösster Not zum äussersten Mittel der Vermögensabgabe gegriffen haben, rechfertigten sich mit der dringenden und unbedingten Notwendigkeit eines Rettungsversuches. Sie stellten die Vermögensabgabe als die einzige Möglichkeit hin, dem Zusammenbruche zu entgehen. Dagegen ist unsere Finanzlage keineswegs derart, dass wir auf die Anwendung einer so gefährlichen Massnahme angewiesen wären.

2. Die Vermögensabgabe bringt den öffentlichen Finanzen der Schweiz keine Erleichterung, weil ihr Ertrag einem besonderen Zwecke vorbehalten bleibt. Im Gegenteil vermindert sie die Steuereinkünfte der Kantone und Gemeinden und verschlechtert dadurch deren finanzielle Lage. So betrachtet, stellt sie eine politische Gefahr dar.

3. Sie bringt die Finanzen noch mehr aus dem Gleichgewichte und schiebt die dringend nötige Rückkehr zu normalen Budgetverhältnissen weiter hinaus. Sie entblösst daher den Bund, die Kantone und Gemeinden eines Teiles der für die Verwirklichung ihrer unmittelbaren Aufgaben nötigen Mittel.

Bundesblatt.

74. Jahrg. Bd. n.

66

950 4. Die Vermögensabgabe würde unserer Volkswirtschaft einen unersetzlichen Schaden zufügen und unserer ohnehin schwergeprüften Industrie einen verhängnisvollen Schlag versetzen.

5. Sie würde den Gang unseres Wirtschaftslebens noch mehr verlangsamen,. die Arbeitsgelegenheit vermindern und die Arbeitslosigkeit allenthalben verschärfen. Dio Arbeiterschaft wllrde besonders empfindlich getroffen.

6. Als Raubmassnahme würde sie den Sparsinn, die Quelle der allgemeinen Wohlfahrt, ertöten und unser Land der Verarmung entgegenführen.

7. Eine Steuer, die nur 6%o der Bevölkerung trifft, ist in der Demokratie unzulässig. Indem sie sich demokratisch gebärdet, zielt die Initiative auf einen Ausnahmezustand ab, der den, unsern demokratischen Einrichtungen zugrunde liegenden Grundsätzen der Gleichheit widerspricht.

8. Die Vorschrift der Naturalleistung bedeutet eine Enteignung, die auf die Sozialisierung der Produktionsmittel hinausläuft.

Die Initiative erstrebt die Einfuhrung des kommunistischen Systems in der Schweiz.

Endlich verneinen wir die Frage, ob dem Volke ein Gegenvorschlag zu unterbreiten sei. Wenn die Initiative vorgibt, sie wolle dem Bunde und den Kantonen die zur Verwirklichung sozialer Aufgaben nötigen Mittel verschaffen, so ist darauf zu antworten, dass der Bundesrat für diese Zwecke bereits eine Lösung vorgelegt hat. Nach seinem Vorschlage sollen die Tabak- und die Alkoholsteuer und die kontingentierte Erbschaftssteuer die zur Durchführung der Sozialversicherung erforderlichen, ständig fliessenden Mittel liefern.

Aus diesen Gründen beehren wir uns, Ihnen zu b e a n t r a g e n : Sie möchten in Anwendung des Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung beschliessen, das Initiativbegehren betreffend die Aufnahme eines Art. 42bls in die Bundesverfassung (Erhebung einer Vermögensabgabe) sei abzulehnen und mit dem Antrage auf Verwerfung, ohne einen Gegenentwurf der Bundesversammlung, der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

951

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 1. August 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Dr. Haab.

Der Vizekanzler: Kaeslin.

Anhang.

952 Tabelle I zu Seite 927.

Belastung von Vermögen und Vermögensertrag durch die Vermögensabgabe.

Abgabebetrag

SteuerGesamtbares vermögen Vermögen Fr.

Ledige : 100,000 200,000 400,000 600,000 800,000 1,000,000 2,000,000 4,000,000 6,000,000 8,000,000 10,000,000 Familie mit 100,000 200,000 400,000 600,000 800,000 1,000,000 2,000,000 4,000,000 6,000,000 8,000,000 10,000,000

Total Jahresrate

Fr.

Fr JC JL «

20,000 120,000 320,000 520,000 720,000 920,000 1,920,000 3,920,000 5,920,000 7,920,000 9,920,000

1,600 11,400 37,800 68,200 100,600 136,600 337,400 806,200 1,350,000 1,935,000 2,559,400

in°/o in % des des 5 °/o VerVermö- mögensgens ertrages

1,6

5,,

32 114

22,5i 24,i9

189,0 227,3 251,5 273,2 337,4 403,i 450,2 483,7

25,69

511,9

-- 3 ?,'

-- 60 154

9,45 11,36 12,57 13,66 16,87 20,15

Fr J? I ·

533 3,800 12,600 22,783 33,533 45,533 112,466 268,733 450,200 645,000 853,133

in % des 5°/oVermögensertrages

10,6

38,o 63,o 75,, 83,8 91,o 112,4

134,3 150,0 161,2

170,9

2 Kindern:

--

70,000 270,000 470,000 670,000 870,000 1,870,000 3,870,000 5,870,000 7,870,000 9,870,000

-- 6,000 30,800 60,200 92,200 127,600 326,400 793,200 1,336,600 1,920,000 2,543,400

Familie mit 4 Kindern : 100,000 -- 200,000 50,000 400,000 250,000 600,000 450,000 800,000 650,000 1,000,000 850,000 1,850,000 2,000,000 4,000,000 3,850,000 6,000,000 5,850,000 8,000,000 7,850,000 10,000,000 9,850,000

-- 4,000 28,000 57,000 89,000 124,000 322,000 788,000 1,331,000 1,914,000 2,537,000

10,03 11,52 12,78 16,3ä 19,83 22,27

24,o 25,43

-- 2,0 7,o 9,5

11,1 12,4

16,, 19,7

22,18 23,« 25,87

200,6 230,4 255,s 326,* 396,o 445,5 480,o 608,n

--

40,o 140,o 190,o 222)ö 248,o 322,o 394,0 443,» 478,5 507,4

--

-- 20

2,000 10,266 20,066 30,733 42,533 108,800 264,400 445,533 640,000 847,800

66,8 76,8 85,o 108,8 132,2 148,5 160,o 169,5

--

-- 13,3

1,333 9,333 19,000 29,666 41,333 107,333 262,666 443,666 638,000 845,666

51,3

46,6 63,3 74,i 82,6 107,t.

131,3

147,8 !

159,5 169,i ;

953 labelle II eu Seite 927.

Jährliche Belastung des Vermögens eines kinderlosen Terheirateten durch Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden, einschliesslich der Vermögensabgabe, in den Gemeinden Zürich, Bern, Basel und Genf.

i. Zürich.

Kantonale und Gemeinde-

200,000

2,041. 40 Eidg. Kriegssteuer . . . 187. 65 heute bestellende Belastung 2,229. 05 Vermögensabgabe (Jahresrate von YS des Abgabe2,666. 60 Belastung einschliesslich Vermögensabgabe . . . 4,895. 65 48.95 = °/o d. Vermögensertrages 2. Bern.

Kantonale und Gemeinde2,562. -- Eidg. Kriegssteuer . . . 187. 65 heute bestehende Belastung 2,749. 65 Vermögensabgabe (Jahresrate von 1/a des Abgabebetrages) 2,666. 60 Belastung einschliesslich Vermögensabgabe . . . 5,416. 25 = % d. Vermögensertrages 54.16 3. Basel.

Kantonale und Gemeindesteuern . . . .

1,018. -- Eidg. Kriegssteuer . . . 187. 65 heute bestehende Belastung 1,205. 65 Vermögensabgabe (Jahresrate von '/s des Abgabebetrages) 2,666. 60 Belastung einschliesslich Vermögensabgabe . . . 3,872. 25 = °/o d. Vermögensertrages 38.72 4. Genf.

Kantonale und Gemeindesteuern 889. 20 Eidg. Kriegssteuer . . . 187. 65 heute bestehende Belastung 1,076. 85 Vermögensabgabe (Jahresrate von 1/3 des Abgabe2,666. 60 Belastung einschliesslich Vermögensabgabe . . . 3,743. 45 = °/o d. Vermögensertrages 37.43

300,000

Vermö'gen von Fir.

500,000 1,000,000 2,000,000 5,000,000

3,457. 40 6,613. 90 13,251. 40 26,526. 40 66,351. 40 378.-- 900.-- 3,822. -- 10,925. -- 30,650. -- 3,835. 40 7,513. 90 17,073. 40 37,451.40 97,001. 40 6,600. -- 15,866. 60 43,733. 30 110,266. 60 354,066. 60 10,435. 40 23,380. 50 60,806. 70 147,718. -- 451,068. -- 180. 42 147. 71 69.57 93.52 121.61 4,144. 50 7,912. 50 15,825. -- 31,650. -- 79,125. -- 378.-- 900.-- 3,822. -- 10,925. -- 30,650. -- 4,522. 50 8,812. 50 19,647. -- 42,575. -- 109,775. -- 6,600. -- 15,866. 60 43,733. 30 110,266. 60 345,066. 60 11,122. 50 24,679. 10 63,380. 30 152,841. 60 463,841. 60 185. 63 74.14 152. 84 98.71 126. 76 2,085. 25 4,452. -- 11,519. 25 25,610. -- 64,265. -- 378.-- 900.-- 3,822. -- 10,925. -- 30,650. -- 2,463. 25 5,352. -- 15,341. 25 36,635. -- 94,905. -- 6,600. -- 15,866. 60 43,733. 30 110,266.60 354,066. 60 9,063. 25 21,218. 60 59,074. 55 146,801. 60 448,971. 60 60.42 179. 58 146. 80 84.87 118. 14 1,617. 80 3,331. -- 8.115.-- 19,605. -- 64,905. -- 378.-- 900.-- 3,822. -- 10,926. -- 30,660. -- 1,995. 80 4,231. -- 11,937. -- 30,530. -- 95,665. -- 6,600. -- 15,866. 60 43,733. 30 110,266. 60 354,066. 60 8,595. 80 20,097. 60 55,670. 30 140,796. 60 449,621. 60 179. 84 57.30 140. 79 80.38 111.34

954

Anhang.

Die Vermögensabgabe im Ausland.

Die Vermögensabgabe ist im letzten Kriegfijahre und nach Abschluss des Waffenstillstandes in den Parlamenten fast aller europäischen Staaten diskutiert worden. Durchgeführt haben diese Massnahme in der einen oder andern Form : das Deutsche Reich, Österreich, die Tschechoslowakei, Italien und Ungarn. Von sämtlichen Siegerstaaten im Weltkrieg ist somit Italien der einzige, der zu dieser Massnahme geschritten ist ; doch unterscheidet sich die italienische Vermögensabgabe sehr wesentlich von allen andern ; vor allem sind die Sätze der italienischen Abgabe viel niedriger als die in andern Gesetzen vorgesehenen.

Auch ein nur skizzenhafter Überblck über die jüngste Geschichte der Vermögensabgabe in den europäischen Staaten wäre nicht vollständig ohne die Erwähnung der Staaten, welche die Massnahme wohl diskutiert, nicht aber beschlossen haben.

Die Entwicklung der Frage in diesen Staaten ist gerade jetzt, wo auch wir uns damit befassen, von Interesse. Es soll daher die Besprechung der ausländischen Vermögensabgaben ein Überblick über den Stand der Frage in den übrigen Staaten, welche die Massnahme bloss erwogen haben, also in den Vereinigten Staaten, in England und Frankreich, vorausgeschickt werden.

Neuerdings sei festgestellt, dass alle diejenigeu Staaten, in denen die Vermögensabgabe Gesetz geworden ist, nur deshalb zu dieser Massnahme gegriffen haben, weil sie zur Deckung ihrer Defizite und Schulden keine andern fanden.

1. Die Vereinigten Staaten.j Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten bezeichnete schon im Zeitpunkt, da die Vermögensabgabe einen Siegeszug durch alle Staaten anzutreten schien, diese Finanzmassnahme als einen Akt der Verzweiflung, der Siegerstaaten nicht anstände. Finanzpolitisch erschien die Einführung einer Vermögensabgabe weder unbedingt notwendig, noch auch bei der bestehenden Steuerbelastung möglich. In den Kriegsjahren sind die Besitzenden und die Bezüger hoher Einkommen besonders durch die Finanzpolitik des Bundes zu hoher Steuerleistung herangezogen worden. Da man aber andrerseits auch in den

955

Vereinigten Staaten der Ansicht huldigte, die Kriegskosten dürften von den Besitzenden nicht in Form hoher indirekter Steuern auf, die Nichtsbesitzenden abgewälzt werden, so befürwortete man einen starken Ausbau der Bundeserbschaftssteuer. Trotzdem aber wurde die Frage der Vermögensabgabe durch eine hiezu einge^ setzte Kommission (Committee on War Finance of thè American Economie Association) geprüft. Diese Kommission hat die Vermögensabgabe als Mittel zur Abtragung der Kriegsschuld rundweg abgelehnt, dagegen ein eingehenderes Studium einer Bundesvermögenssteuer anempfohlen. Die ganze Bewegung für und gegen die Vermögensabgabe fand dann ihren Abschschluss in der Botschaft des Präsidenten an den Kongress vom 20. Mai 1919, in welcher weder von einer Vermögensabgabe noch von einer Vermögenssteuer, wohl aber von der Erbschaftssteuer als Mittel zur finanziellen Liquidation des Krieges die Rede ist. Seither ist von der Einführung einer Vermögensabgabe nicht mehr die Rede gewesen, konnten doch die Vereinigten Staaten bereits mit dem Abbau ihrer Kriegssteuergesetzgebung beginnen (Ermässigung der Income Tax).

2. England.

Es hat in England an sehr ernsthaften Versuchen zur Einführung einer Vermögensabgabe nicht gefehlt. In diesem Lande des Steuerheroismus ist auch der hartnäckigste Kampf um die Vermögensabgabe ausgefochten worden. Schon im Jahre 1916 hatte sich der Gewerkschaftskongress von Birmingham einstimmig für die Vermögensabgabe ausgesprochen, und die ganze Arbeiterschaft setzte sich für sie ein. Eine Zeitlang schien es als ob die Regierung (Finanzministerium Bonar Law) aus opportunistischen Gründen der Massnahme nicht abgeneigt sei; nach Abschluss des Waffenstillstandes aber gewannen infolge der Neuwahlen und der Übernahme der Finanzen durch Chamberlain die Gegner der Vermögensabgabe das entscheidende Übergewicht. Demgemäss hat der Finanzminister in der Budgetrede vom 30. April 1919 mit den folgenden Ausführungen gegen die Vermögensabgabe für die Erweiterung der Erbschaftssteuer Stellung genommen: ,,On parle beaucoup, depuis quelque temps, d'un prélèvement sur la fortune ou d'un impôt sur le capital. Si, par impôt sur le capital, on entend une faible charge annuelle, j'estime que cette charge sera tout aussi équitablement répartie et commodément prélevée au moyen de notre income tax.

956 Si, au contraire, Ton entend prélever un lourd impôt sur la fortune, couper une large tranche dans le capital, je prie la Chambre de considérer quel en sera le résultat.

Le moment est mal choisi pour proposer u.n impôt de ce genre; en effet, pendant ces cinq dernières années, vous avez conjuré le peuple de faire des économies et aujourd'hui encore vous êtes obligés de lui demander de continuer à vous donner son épargne. Le moment est mal choisi pour frapper d'un impôt ceux qui ont répondu à votre appel en réduisant, leurs dépenses et en faisant des économies et pour laisser tranquilles ceux qui n'ont pas suivi vos objurgations et ont dépensé leur argent quand cela était nuisible aux intérêts de l'Etat.

Considérons un impôt sur le capital sans tenir compte des circonstances actuelles. L'impôt sur les successions (death dutïes) opère déjà un prélèvement et cela une seule fois dans la vie, à un moment où le contribuable reçoit un revenu nouveau ; comme il n'est prélevé qu'à la mort d'un individu et que nous ne mourons pas tous à la fois, l'estimation et la perception de cet impôt sont des tâches faciles. Elles peuvent être remplies avec justice et équité, avec un minimum de fraude et d'évasion. Une partie seulement du capital du pays étant frappée chaque année, l'impôt se paie sans trouble pour le crédit et sans qu'il en résulte une dépréciation de valeur au détriment, soit de l'Etat lui-même, soit de l'individu.

Si l'on percevait un impôt frappant en même temps l'ensemble du capital d'un pays, tous ses avantages seraient perdus.

L'établissement d'une évaluation exacte et équitable dépasserait le pouvoir de toute administration fiscale au monde: je vais même jusqu'à dire que notre système actuel est meilleur. En tout temps, cette besogne dépasserait le pouvoir de toute administration, mais plus encore à l'heure actuelle, alors que le personnel est désorganisé par la guerre et qu'il est chargé de nouvelle« responsabilités écrasantes que la guerre a fait naître.

Cet impôt soulèvera les mêmes objections et les mêmes difficultés qu'ont suscitées l'évaluation de l'ensemble des propriétés foncières du pays et l'imposition de la terre en vertu de l'impôt sur les plus-values foncières (Land values duties); ces objections seraient encore plus graves puisqu'il faudrait évaluer non seulement la propriété
foncière, mais aussi la propriété immobilière.

Comme peu de personnes auraient suffisamment de numéraire disponible pour se libérer de l'impôt, cela provoquerait des troubles considérables <îans le capital ; chacun chercherait à vendre des

957

valeurs d'une catégorie ou d'une autre et si tout le monde était vendeur qui donc serait acheteur? Et qui donc mesurera la perte causée au pays et aux individus par la dépréciation de toutes les valeurs?"

Die Vermögensabgabe ist darauf in der parlamentarischen Abstimmung mit 244 gegen 81 Stimmen verworfen worden.

3. Frankreich.

Im Februar des Jahres 1918 wurde der Deputiertenkammer ein Vorschlag auf Erhebung einer progressiven Kapitalsteuer (impôt sur le capital) von 0,os--0,25 °/9 auf allen Vermögen über Fr. 30,000 vorgelegt. Es handelte sich hier nicht um eine eigentliche Vermögensabgabe, sondern um eine nach dem Vermögen bemessene, aber aus dem Einkommen zu entrichtende einmalige Abgabe. Das Parlament zeigte sich dem Vorschlage wenig günstig ; die öffentliche Meinung hatte sich mit der Frage zuvor überhaupt noch nicht beschäftigt. Einen weitern vorsichtigen Vorstoss machte Finanzminister Klotz im Februar 1919 in der Budget- und Finanzkommission ; die Anregung scheint indessen nicht günstig aufgenommen worden zu sein, denn sie ist nie von der Regierung zu einem Gesetzesentwurfe ausgearbeitet worden.

4. Italien.

(Imposta straordinaria progressiva sul patrimonio vom 22. April 1922.)

Die Entstehung der heute vorliegenden VermögensabgabeGesetzgebung steht in engstem Zusammenhang mit der in Italien längst in Aussicht stehenden und durch die Kriegsfinanzlage beschleunigten Reform der direkten Steuern. Ursprünglich war nicht eine Vermögensabgabe, sondern nur eine Vermögenssteuer geplant gewesen (März 1919, Kabinett Orlando). Das 1919 folgende Kabinett Nitti hat dann die eigentliche Vermögensabgabe auf den Schild erhoben. Man fügte demgemäss dem vorliegenden Vermögenssteuer-Projekt im Verlaufe der parlamentarischen Verhandlungen eine Reihe von Momenten ein, die der eigentlichen Abgabe eigen sind; der Titel des Gesetzes (,,imposta") blieb unverändert. Das Resultat des Kompromisses ist ein Mittelding zwischen Vermögensteuer alter Observanz und Vermögensabgabe.

Es handelt sich nicht um eine periodische Vermögenssteuer, sondern um eine einmalig zu erhebende Abgabe. (Die Tatsache der Verteilung der Abgabeentrichtung auf 20 Jahre vermag den Charakter der einmaligen Abgabe zu verschleiern, nicht aber

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aufzuheben.) Die Abgabesätze sind zwar, verglichen mit denen anderer Vermögensabgaben, niedrig, überschreiten aber die Höhe von Vermögenssteuersätzen doch beträchtlich. Der Minimalsatz beträgt 4,5 °/<>; der Maximalsatz, bei durchgestaffeltem Tarif, 50 °/o ; der Jahressteuersatz erreicht somit ein Maximum von 2,6 %j das bei einer periodischen Vermögenssteuer nicht zur Anwendung gelangen könnte. Steuerbar ist alles Vermögen, das in Italien sich befindet ; steuerpflichtig ist der Inländer und der Ausländer, der solches Vermögen besitzt. Als in Italien befindlich werden aber alle staatlichen Schuldtitel betrachtet, so dass der Italiener oder Ausländer ausserhalb des Landes generell auch der Vermögensabgabe unterworfen wird. Die Abgabe wird nur auf den 50,000 Lire übersteigenden Vermögen erhoben. Der Tarif bewegt sich zwischen einem Jahressteuersatze von 0,225 °/o (für Vermögen von 50,000 Lire) und 2,s % (bei Vermögen von mehr als 100,000,000 Lire). Die Abgabeentrichtung ist auf 20 Jahre verteilt; eine Verzinsung der Abgabebeiträge für diese Zeit findet nicht statt, vielmehr werden Abgabepflichtigen, welche die ganze Abgabe in einem Male entrichten, Skooti bewilligt.

5. Deutsches Reich.

(Gesetz über das Reichsnotopfer vom 31. Dezember 1919).

Die Milliardenschuld des Reichs führte schon frühzeitig -- lange bevor die Vermögensabgabe zur politischen Frage gemacht wurde -- die mit Finanzpolitik sich befassenden Kreise der Wissenschaft zu lebhafter Erörterung des Dafür und Dawider in der Angelegenheit der Vermögensabgabe. Diese akademische Erörterung fällt in die Jahre 1917 und 1918 und hat eine reiche Literatur zur vorliegendeu Frage gezeitigt. Mit dem Übergang des Problems in die Öffentlichkeit treten die sachlichen Erörterungen dann zurück. Die Frage der Erhebung einer Vermögensabgabe tritt mit dem Niedergang der Finanzwirtschaft riaturgemäss als eminent politische Angelegenheit immer mehr in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion, so dass es nur noch eines letzten äussern Anstosses -- der politischen Umwälzung Ende 1918 -- bedurfte, die vielbesprochene Massnahme zur Verwirklichung zu bringen.

Schon in der Finanzbotschaft vom November 1918 und dann nach Unterzeichnung des Friedesvertrages im Juli 1919 hat die Regierung durch Minister Erzberger die grosse Abgabe vom Vermögen in Aussicht gestellt. Dabei wurde immer ausdrücklich betont, dass der Ertrag der Abgabe ausschliesslich zur teilweisen

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Tilgung der festen und zur Verminderung der schwebenden Schuld bestimmt sei. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf ist im Dezember 1919 Gesetz geworden. Die Steuerpflicht ist in objektiver und subjektiver Hinsicht eine sehr umfassende, jeder Staatsbürger und jeder Landesfremde, der Vermögen innerhalb des Reichs besitzt, ist für die 5000 Mark übersteigenden Beträge seines Vermögens abgabepflichtig. (Bei Ehegatten, deren Vermögen zusammenzurechnen ist, sind 10,000 Mark steuerfrei.)

Steuerbar ist das gesamte Reinvermögen. Die Steuersätze bewegen sich zwischen 10 °/o (für die ersten 50,000 Mark des abgabepflichtigen Vermögens) und 65 °/o (für die 7 Millionen übersteigenden steuerbaren Beträge.) Die Abgabeentrichtung kann kapitalmässig oder in Rentenform geschehen ; die Rentenentrichtung aber ist die reguläre Entrichtungsart. Als Zahlungsmittel kommen neben der Barzahlung in Betracht : die Bezahlung in Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen, Schatzanweisungen des Reichs.

Der Eingang des Reichsnotopfers war ein äusserst langsamer.

Daher wurde durch ein Zusatzgesetz vom 22. Dezember 1920 eine beschleunigte Entrichtung der Abgabe angeordnet. Die ganze Notopfergesetzgebung ist nun durch die neueste Gesetzgebung aufgehoben worden ; gemäss dem Steuerkompromiss vom April 1922 tritt an Stelle des Notopfers eine laufende Vermögenssteuer.

6. Österreich.

(Gesetz vom 21. Juli 1920 über die einmalige grosse Vermögensabgabe.)

Das Deutsche Reich hat den Grundtyp der Vermögensabgabe geschaffen, den Österreich und auch die Tschechoslowakei in ihren Finanzgesetzgebungen sich zum Vorbilde genommen haben.

Das Gesetz unterscheidet sich vom deutschen im wesentlichen in einem Punkte : es ist nicht nur eine finanzpolitische, sondern mehr noch eine valutapolitische Massnahme. Im Eingang des Gesetzes wird bestimmt : ,,Der Zweck der Vermögensabgabe ist die Hebung des Geldwertes. Der Notenumlauf soll verkleinert, der Staat von einem Teil der Kriegsschuld befreit, ausländische Zahlungsmittel sollen beschafft werden." Daher werden die als Zahlung einfliessenden Banknoten vernichtet. In allen übrigen wesentlichen Punkten ist das Gesetz dem des Deutschen Reichs nachgebildet. Der Steuersatz steigt von 3 °/o (Vermögen über 30,000 Kr.)

bis auf 65 % an.

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Das Gesetz sieht sowohl kapitalmässige wie auch rentenmässige Zahlung der Abgabe vor; doch ist die Entrichtung in Form der Rente nicht, wie nach deutschem Gesetz, der normale Entrichtungsmodus. Vielmehr wird grundsätzlich kapitalmassige Entrichtung und zwar Entrichtung in bar vorgeschrieben. Nur auf Verlangen des Pflichtigen und sofern gewisse Voraussetzungen in bezug auf die Vermögenszusammensetzung erfüllt sind, wird die Errichtung einer Rente gewährt. Es können dann bis maximal 80°/o der Abgabe in Rente umgewandelt werden. Kapitalmassige Entrichtung tritt unter allen Umständen ein, wenn das Vermögen des Pflichtigen zu weniger als 40% in illiquiden Werten angelegt ist. Da die Rentenentrichtung nicht allgemein ist, so tritt nach österreichischem Gesetz an ihre Stelle die Entrichtung in einer grössern Anzahl von Jahresraten.

6. Tschechoslowakei.

(Vermögensabgabe und Vermögenszuwachssteuer, Gesetz vom 8. April 1920.)

Der Zweck der Abgabe wird in diesem Gesetz ähnlich formuliert wie im österreichischen. Hauptzweck der Abgabe ist die Währungsregulierung durch Einziehung der Noten. Der durchgestaffelte Tarif weist Sätze auf, die von l °/o (bei steuerbarem Vermögen von 25,000 Kronen) bis 30 °/o (bei steuerbarem Vermögen von über 9 Millionen Kronen) ansteigen. Das Gesetz kennt nur die kapitalmässige Form der Abgabeentrichtung, doch sind die zulässigen Zahlungsmittel mannigfacher Art (Hingabe von Werttiteln, Überlassung von Bankeinlagen, Guthaben usw.).

Ratenweise Zahlung ist vorgesehen, doch müssen in allen Fällen mindestens 10 °/o der Abgabe sogleich, innert l Monat nach Beendigung der Abgabeveranlagung entrichtet werden.

8. Ungarn.

(Gesetzesartikel XV und XVI, 1921.)

Es handelt sich in Ungarn nicht, wie in allen übrigen Staaten, um eine personale Steuer, sondern die Abgabe vom Vermögen wird hier durch eine Saehbesteuerung zu verwirklichen gesucht.

Allerdings sind in das System der Objektbesteuerung, welches die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse dar Vermögensbesitzer ausschliesst, im Verlaufe der gesetzgeberischen Verhandlungen Elemente der Personalbesteuerung eingefügt worden, so vor allem bei einzelnen der Spezialsteuern steuerfreie Minima und progressive Steuertarife, während die Ablösung ursprünglich,

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nach den Absichten ihres Schöpfers Hegedüs, mit einem Einheitssatze erhoben werden sollte*).

Die ungarische Vermögensablösung zerfallt in eine Reihe von Spezialsteuergesetzen, durch welche die einzelnen Vermögensbestandteile zur Steuerleistung herangezogen werden, so der Grundund Hausbesitz, alle Gattungen des mobilen Vermögens, wie Bargeld, Werttitel usw. Die Einzahlung der Vermögensablösung kann nach freier Wahl des Vermögensbesitzers in Natura, Grund und Boden, in Effekten aller Art oder in bar erfolgen. Der Staat wird so Teilhaber in den verschiedenartigsten Unternehmungen.

Die Vermögensablösung erfasst im einzelnen die folgenden Vermögensbestandteile : 1. Einlagen, Kontokorrentforderungen, Geldvorräte.

Frei ist ein Betrag von 1000 K. Die Abgabe wird von jeder einzelnen Einlage gesondert erhoben, sofern nicht mehrere Guthaben bei ein und demselben Kreditinstitut bestehen. Sie beträgt nach gestaffelten Tarif 5--20 °/o.

Auf Einlagen, Depots, Kontokorrenten, die auf ausländische Währung lauten, wird die Abgabe ohne Anwendung einer Progression mit 20 % des Wertes erhoben.

2. Inländische Aktien und Genossenschaftsanteilscheine.

Die Aktiengesellschaften haben 15 °/o ihres Vermögens abzulösen (die Berechnung des Vermögens erfolgt auf Grund der Börsenkurse der Aktien). Die Entrichtung geschieht in bar oder mittelst Ablösungsaktien und entsprechender Erhöhung des Gesellschaftskapitals. Analog erfolgt die Ablösung der Genossenschaftsanteile.

3. Ausländische Geldsorten und Wertpapiere.

Der Abgabesatz beträgt 20%.

4. Industriebetriebe haben 10 °/o des ablösungspflichtigen Vermögens zu entrichten. Von der Abgabe befreit sind Betriebe, deren Vermögen 30,000 K. nicht übersteigt.

*) Nach dem ,,Pester Lloyd" vom 17. Juni 1921, Nr. 131, sprach sich Minister Hegedüs folgendermassen aus : ,,Die Vermögensablösung ist eine praktische Massnahme, die auf einer theoretischen Grundlage erbaut ist.

Sie leidet an dem Übel, dass nur der sie restlos versteht, der das Ganze zu überblicken vermag, Was nehme ich also dem Vermögen ab ? Ich nehme nicht 90 % des Vermögens, wie man es in Deutschland getan. Solches kann ich nicht machen, wie ich auch dem österreichischen Beispiel nicht folgen darf. Meine Theorie ist diese : der Krieg währte 5 Jahre lang, während dieser Zeit hat jedes Vermögen 4 % Zins getragen. Vier mal fünf sind zwanzig; ich nehme also 20% des Vermögens".

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5. Grundbesitz. Auf landwirtschaftlichem Grundbesitz wird der Abgabebetrag in Weizenkilogrammen bestimmt (per Joch landwirtschaftlichen Boden sind 3 m8 Getreide zu entrichten).

Die Bezahlung kann in Natura erfolgen, daneben aber ist Entrichtung in bar, durch Pfandbrief oder grundbücherliche Sicherstellung vorgesehen. -- Für städtischen Grund und Gebäudebesitz beträgt die progressiv gestaffelte Abgabe 6--90 °/o des Verkehrswertes. Abgabefrei sind Objekte mit einem Verkehrswert von 40,000 K.

6. Auf Warenlagern werden, ebenfalls nach progressiv gestaffelter Skala, 5--15% der auf 2/3 des effektiven Wertes festgesetzten Steuerbemessungsgrundlage berechnet.

7. Sonstige Vermögensgegenstände (Möbel, Musikinstrumente, Teppiche, Billards, Wagen, Autos, Pferde, Kunstgegenstände, usw.). werden mit Sätzen von 5--20% belastet.

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 1. August 1922.)

Es werden folgende Bundesbeiträge bewilligt : 1. dem Kanton Unterwaiden ob dem Wald 20% der zu Fr. 110,000 veranschlagten Kosten der Anlage eines Waldweges Kägiswil-Schwarziberg, Gemeinde Sarnen, im Maximum Fr. 22,000; 2. dem Kanton G l a r u s : a. 20 % der zu Fr. 85,000 veranschlagten Kosten der Erstellung eines Waldweges Sytenwald, Gemeinde Riedern, im Maximum Fr. 17,000; b. 20 % der zu Fr. 75,000 veranschlagten Kosten der Erstellung eines Weges Matt-Weissenberge, Gemeinde Matt, im Maximum Fr. 15,000 ; 3. dem Kanton W a l l i s 20% der zu Fr. 80,000 veranschlagten Kosten der Erstellung eines Waldweges Chalavornayre, Gemeinde Port-Valais, im Maximum Fr. 16,000; 4. dem Kanton St. G a l l e n 25 % der zu Fr. 100,000 ver anschlagten Kosten der Erstellung eines Güterweges MaseltrangenHaslen-Amerüthi, Gemeinde Schanis, im Maximum Fr. 25,000;

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe (Art. 42bis der Bundesverfassung). (Vom 1.

August 1922.)

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