No 45

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Bundesblatt

74. Jahrgang.

# S T #

1672

Bern, den 8. November 1922.

Band III.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr.

(Vom 3. November 1922.)

Am 22. Mai 1921 wurde vom Schweizervolk mit 206,297 Stimmen gegen 188,876 und von den Ständen mit 15 % Stimmen gegen 6 % -die Aufnahme eines Artikels 37bis in die Bundesverfassung beschlossen : «Der Bund ist befugt, Vorschriften über Automobile und Fahrlader aufzustellen.

Den Kantonen bleibt das Eecht gewahrt, den Automobil- und Fahrradverkehr zu beschränken oder ganz zu untersagen. Der Bund kann indessen bestimmte, für den allgemeinen Durchgangsverkehr notwendige Strassen in vollem oder beschränktem Umfange offen -erklären. Die Benützung der Strassen im Dienste des Bundes bleibt vorbehalten.» Die Zahl der bejahenden und verneinenden Stimmen war in den .'Kantonen folgende: Ja Nein Zürich 48,047 28,952 Bern 35,724 14,717 Luzern 2,539 2,665 Uri 1,120 814 Schwyz T ...

1,574 1,352 Obwalden 509 556 Nidwaiden 379 412 Glarus. . .

2,803 1,247 Zug 522 718 Freiburg 1,806 7,310 Solothurn 4,329 2,179 Baselstadt 3,966 753 Baselland 4,928 2,418 Schaffhausen 5,896 1,839 Übertrag 114,142 60,927 : Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

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462 Ja Nein Übertrag 114,142 60,927 Appenzell A.-Eh 5,842 8,280 Appenzell I.-Bh 820 1,070 St. Gallen 21,756 20,108 .

Graübünden '.

4,828 12,675 Aargau 28,097 " 20,714 Thurgau 13,886 9,002 Tessin 3,799 1,289 Waadt 8,684 3,608 Wallis 2,422 4,647 Neuenburg 8,472 1,121 Genf 3,599 535* Total 206,297 188,876 Die Vorgeschichte des neuen Verfassungsartikels bis zum Jahre1916 ist in unserer Botschaft vom 22. März 1910 (Bundesbl. 1910, II, 606 ff.) sowie in unserer Nachtragsbotschaft vom 8. November 191& (Bundesbl. 1916, IV, 109 ff.) eingehend dargelegt worden, so dass es sich erübrigt darauf zurückzukommen.

In unserer Nachtragsbotschaft schlugen wir folgende Fassungdes Art. 37 bis vor: «Der Bund ist befugt Vorschriften über Automobile und Fahrräder aufzustellen.

Den Kantonen bleibt das Bechi gewahrt, den Automobil- und Fahrradverkehr zu beschränken oder zu untersagen. Ausgenommen' sind bestimmte, vom Bunde zu bezeichnende Strassen. Die Benützung der Strassen im Dienste des Bundes bleibt vorbehalten.

Der Bund ist befugt, auf dem Automobil- und Motorradverkehr Abgaben zu erheben. Ihr Ertrag wir zu Beiträgen an die Kantone für Verbesserungen und Unterhalt der vom Bunde zu bezeichnendenStrassen verwendet. Die von den Kantonen und Gemeinden bezogenen Abgaben fallen, unter Vorbehalt der polizeilichen Kontrollgebühren, dahin.» Die Bestimmung betreffend Luftschiffahrt wurde in einen besonderen Artikel 87ter verwiesen.

Von der Kommission des Nationalrates wurde Zustimmung zu unserem Entwurf beantragt und in der Sitzung vom 26. Juni 1917 sprach sich auch der Nationalrat selbst mit 71 Stimmen gegen 9 in diesem Sinne aus.

Die ständerätliche Kommission dagegen spaltete sich in eine Minderheit, die an den Nichteintretensbeschlüssen des Ständerates vom 4. Oktober 1911 und 28. März 1918 festhalten wollte, und in eine Mehrheit, die den Antrag auf Eintreten auf unsere Vorlage stellte...

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Die Abstimmung in der Sitzung des Ständerates vom 21. März 1918 ergab 20 Stimmen für den Antrag der Minderheit der Kommission und 20 Stimmen für denjenigen der Mehrheit. Mit Stichentscheid des Präsidenten wurde beschlossen, zurzeit auf die Vorlage nicht einzutreten.

Am 4. Juni 1919 behandelte der Nationalrat neuerdings den vorgeschlagenen Verfassungsartikel. Seine Kommission beantragte Pesthalten am Beschlüsse vom 26. Juni 1917. Sie schlug vor, die dem Bund im 2. Satz des 2. Alinea gegebene Befugnis, bestimmte Strassen für den Automobil- und Fahrradverkehr in vollem oder beschränktem Umfang offen zu erklären, auf «für den allgemeinen Durchgangsverkehr notwendige» Strassen zu beschränken. Ferner beantragte sie, den dritten Absatz, welcher den Bund ermächtigt aus dem Automobilverkehr Gebühren zu erheben um den Kantonen Mittel zur Verbesserung ihrer Strassen zuzuführen, fallen zu lassen. Stillschweigend schloss sich der Nationalrat den Anträgen seiner Kommission an.

1921 beschäftigte sich wiederum der Ständerat mit der Vorlage.

Zwei Postulate, das eine betreffend Automobilhaftpflicht und eidgenössische Strafbestimmungen, das andere über Beiträge an die Kantone zum Unterhalt von Strassen, die der Bund offen erklärt, wurden vom Vertreter des Bundesrates entgegengenommen. In der Schlussabstimmung vom 10. Februar 1921 sprach sich der Ständerat einstimmig (27 Stimmen) für Annahme desBundesbeschlussentwurfesaus.

Die Schlussabstimmung in der Sitzung des Nationalrates vom 14. Februar 1921 ergab Einstimmigkeit (102 Stimmen) zugunsten des Bundesbeschlusses, wie er in der Folge auch von Volk und Ständen angenommen wurde.

Mit der Annahme des neuen Verfassungsartikels war die rechtliche Grundlage für ein eidgenössisches Automobilgesetz geschaffen.

Die Vorarbeiten für das Gesetz hatte das eidgenössische Justizund Polizeidepartement schon vor der Abstimmung in Angriff genommen. So konnte bald nach erfolgter Verfassungsrevision, im April 1922, ein Vorentwurf zu einem Gesetz über den Motorfahrzeugund Fahrradverkehr den organisierten Interessentenkreisen zur Vernehmlassung unterbreitet werden mit dem Ersuchen, ihre Bemerkungen innert einer bestimmten Frist dem eidgenössischen Justizund Polizeidepartement einzureichen.

Am 10. Juli 1922 trat die vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement einberufene
Expertenkommission zur Beratung dos erwähnten Vorentwurfes in Bern zusammen. Sie tagte vom 10. bis zum 15. Juli. Wenn sie auch nur konsultativen Charakter besass und ihre Abstimmungsresultate für das das Gesetz vorbereitende Departement nicht verpflichtend sein konnten, so verlieh ihr doch

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der sichtlich herrschende Geist freundeidgenössischer Verständigung und die sorgfältige Diskussion sowohl der technischen als der die gesamte Öffentlichkeit interessierenden Fragen Bedeutung.

Auf Grund der Ergebnisse der Beratungen dieser Expertenkommission hat dann das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Gesetzentwurf ausgearbeitet, den Ihnen vorzulegen wir heute die Ehre haben. System und allgemeine Eichtlinien des Vorentwurfes sind unverändert geblieben. Dagegen sind eine ganze Anzahl von Einzelbestimmungen nach den Vorschlägen der Sachverständigen umgestaltet worden.

Für den materiellen Inhalt des Gesetzes hat der Verfassungsartikel nur wenige führende Linien vorgezeichnet. Dagegen besitzen wir in den bestehenden Konkordaten auf dem Gebiete des Automobilund Kadfahrerverkehrs (Konkordat vom 13. Juni 1904 über eine einheitliche Verordnung betreffend den Motorwagen- und Fahrradverkehr; Konkordat vom 7. April 1914 über eine einheitliche Verordnung betreffend den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern ; Konkordatsergänzung vom 29. Dezember 1921 betreffend den -Verkehr von Autoomnibussen und Lastautos mit Personenbeförderung) eine in vielen Punkten massgebende Wegleitung für eine erste eidgenössische Lösung, weil sich auf Grund dieser Konkordate bereits einheitliche Auffassungen gebildet und praktisch bewährt haben.

"Wir haben uns aber nicht damit begnügt, Bestehendes festzuhalten.

Es soll auch der künftigen Verkehrsentwicklung der Weg geöffnet und, bei aller Eespektierung berechtigter bodenständiger Anschauungen, dem Wesenscharakter des neuen Verkehrsmittels durch Beseitigung allzu hemmender Schranken Eechnung getragen werden.

Gerne hätten wir uns im Gesetze auf grosse Grundsätze beschränkt und alles Detail in die eidgenössische Vollziehungsverordnung und die kantonalen Ausführungsbestimmungen verwiesen. Das ist jedoch bei einer erstmaligen gesetzgeberischen Lösung, welcher der Eeferendumsbürger zum Teil noch misstrauisch gegenübersteht, nicht in dem Masse durchführbar, wie vielleicht bei einer spätem Eevision des Gesetzes, bei der dem raschen Wechsel der technischen und Verkehrsanschauungen unterworfene Details mit voller Zustimmung des Volkes in die beweglichere Verordnung hinübergenommen werden, können.

Der Gesetzentwurf zerfällt in folgende 6 Kapitel: I. Kapitel: Bewilligungen.

II. Kapitel: Verkehrsvorschriften.

III. Kapitel: Haftpflicht.

IV. Kapitel: Strafbestimmungen.

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V. Kapitel : Abgrenzung eidgenössischer und kantonaler Kompetenzen.

VI. Kapitel: Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Die in den Kapiteln I (Bewilligungen), TI (Verkehrsvorschriften) und V (Abgrenzung eidgenössischer und kantonaler Kompetenzen) enthaltenen Vorschriften konnte der Bund erst nach Annahme des neuen Verfassungsartikels 87bis erlassen. Das III. Kapitel (Haftpflicht) dagegen hat seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 64 der Bundesverfassung, der dem Bunde die Gesetzgebungshoheit im Gebiete des Zivilrechtes zuerkennt. Endlich stützen sich die Strafbestimmungen des IV. Kapitels auf Art. 64bi" der Bundesverfassung, wonach der Bund zur Gesetzgebung im Gebiete des Straf rechte s befugt ist. Auf diese Weise kann eine Automobilgesetzgebung aus einem GUSS geschaffen werden, welche die von ihr berührten Gebiete des Polizei-, Zivil- und Strafrechts umfasst. Die Postulate des Ständerates mit Bezug auf Automobilhaftpflicht, eidgenössische Strafbestimmungen und Bundesbeiträge an die Kantone zum Strassenunterhalt sind somit im Gesetzentwurf in Berücksichtigung gezogen worden.

Die Bezeichnung der Behörden, denen die Handhabung des Gesetzes und der Vollziehungsverordnungen obliegt, wird den Kantonen überlassen. Sie können diejenige Amtsstelle damit betrauen, die nach ihrer Verwaltungsorganisation hiezu am geeignetsten erscheint.

Der Entwurf spricht jeweilen von der «zuständigen kantonalen Behörde».

I. K a p i t e l .

Bewilligungen.

Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Fahrzeuge zum öffentlichen Verkehr zugelassen werden, sollen durch eine Prüfung festgestellt werden, deren Besonderheiten die Vollziehungsverordnung fixieren wird. Dabei werden spezielle Vorschriften für Motorlastwagen, die Personen befördern, vorzusehen sein. Auch eine Sonderbewilligung für Seitenwagen sieht der Gesetzentwurf vor. Immerhin muss die Prüfung jedenfalls erweisen, ob das Fahrzeug den nötigen technischen Anforderungen genügt.

Die Expertenkommission sprach den Wunsch aus, auch die sogenannte Typenprüfung neben der Einzelprüfung dos Fahrzeuges, zuzulassen. Diese besteht in der technischen Untersuchung eines blossen Wagentypus. Entspricht der Typus den zu stellenden Anforderungen, so haben die von der Fabrik serienmässig hergestellten Motorfahrzeuge des gleichen Typus als geprüft zu gelten. Eine

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solche Prüfungsart soll jedoch nur für Erzeugnisse schweizerischer Automobilfabriken in Betracht gezogen werden.

Jede Bewilligung ist ausgeschlossen, wenn nicht eine Haftpflichtversicherung bei einem in der Schweiz konzessionierten Versicherungsunternehmen zur Deckung des Schadens abgeschlossen wurde, für den während des Kalenderjahres der Halter des Fahrzeuges haftbar würde. Eine einzige Ausnahme wird für eidgenössische Motorfahrzeuge gemacht, bei denen die Haftung des Bundes den Geschädigten genügend sicherstellt.

Die Höhe der Versicherung beträgt 1. für Unfall: a. beim Motorwagen, mindestens Fr. 30,000 für eine* verunfallte Person und Franken 100,000 für das Unfallereignis d. h. die Katastrophe, b. bei dem für den Personentransport hergerich'teten Lastautomobil, Autobus etc. wiederum im Minimum Fr. 80,000 für eine verunfallte Person und mindestens Fr. 100,000 für das Unfallereignis bei einem Fassungsvermögen bis zu 10 Personen, mindestens Fr. 200,000 für das Unfallereignis bei einem Fassungsvermögen von 11 bis 20 Personen und mindestens Fr. 800,000 für das Unfallereignis bei einem Fassungsvermögen von über 20 Personen; c. beim Motorrad einheitlich mindestens Fr. 50,000. Schon die am 29. Dezember 1921 vom Bundesrat genehmigte Konkordatsergänzung betreffend den Verkehr von Autoomnibussen und Lastautos mit Personenbeförderung sah für diese Kategorie von Motorfahrzeugen die im gegenwärtigen Gesetzentwurf vorgeschriebenen Mindestbeträge vor1. 2. Bei Sachschaden: mindestens Fr. 5000 beim Motorwagen und mindestens Fr. 8000 beim Motorrad.

Die Vorschrift des Konkordates, wonach bei jedem Unfall ein Zehntel des entstandenen Schadens und mindestens Fr. 100 von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen und vom Versicherten selbst zu tragen sei, die sogenannte Selbstbehaltsklausel, wurde nicht mehr aufgenommen. Sie wird privater Abmachung zwischen Versicherung und Versicherten überlassen, darf aber nicht als Einrede dem geschädigten Dritten entgegengehalten werden. Wir sind nämlich der Auffassung, dass das Fahren durch solche Klausel kaum vorsichtiger werden dürfte. Der Geschädigte abar kommt durch diese unter Umständen zu kurz. Auch ist sie bei der im Gesetzentwurf vorgesehenen Kausalhaftung unbillig. Endlich stellt die Vorschrift den einheimischen Automobilisten schlechter als jenen ausländischen, der
unser Land verlässt. Die ganze Bestimmung liegt denn auch vornehmlich im Interesse der Versicherungsunternehmen, nicht in jenem des Opfers des Unfalles.

Die Erteilung der für das Kalenderjahr gültigen Verkehrsbewilligung erfolgt durch die zuständige Behörde des Kantons, in dem das

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IFahr/eug zur Zeit der Prüfung stationiert ist. Der Ausweis berechtigt .zum Verkehr auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft. Zu prüfen, inwieweit die Berechtigung etwa beschränkt werden kann auf bestimmte Verkehrszwecke, soll der Vollziehungsverordnung vorbehalten bleiben. Der Ausweis ist durch die zuständige Behörde des Standortkantons zu entziehen, sobald das Motorfahrzeug den aufgestellten Anforderungen nicht mehr entspricht oder die Haftpflichtversicherung aussetzt. Damit die kantonale Behörde in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen, gibt ihr das Gesetz zwei Mittel an Hand.

Einmal ist sie berechtigt, Ausweis und Fahrzeug jederzeit zu kontrollieren. Dann werden die Versicherungsunternehmen verpflichtet, ihr das Aussetzen der Haftpflichtversicherung zu melden. Doch darf von Gesetzes wegen dieses Aussetzen frühestens nach zehn Tagen vom Eingang der Meldung an Eecbtswirkungen nach sich ziehen.

In dieser Zeit, während welcher die Versicherung somit ex lege weiterwirkt, wird es der mit dem Automobilwesen betrauten kantonalen Behörde möglich sein, den Entzug auszusprechen und zu vollziehen, wenn der Halter des Fahrzeuges nicht unterdessen eine neue Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben sollte.

Die für die Bewilligungen zuständigen Behörden der andern Kantone können bei derjenigen des Standortkantons den Entzug der Verkehrsbewilligung beantragen. Wird dem Antrag nicht entsprochen, so kann innert vierzehn Tagen, von der Eröffnung derWeigerung an gerechnet, der Rekurs an das zuständige Departement ·ergriffen werden.

Hat sich der Führer des Motorfahrzeuges vor den Sachverständigen darüber ausgewiesen, dass er ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu fahren versteht, so erhält er von der zuständigen Behörde seines Wohnsitzkantons die Führerbewilligung. Die Bedingungen der Führerprüfung wird die Vollziehungsverordmmg festzusetzen haben.

Auch die Führerbewilligung, an das Bestehen einer Prüfung gebunden, ist, einmal erteilt, für das Kalenderjahr gültig und berechtigt zum Führen eines Motorfahrzeuges auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft. Den Personentransport vermittelnde Motorlastwagen bedürfen einer Spezialbewilligung. Aufgabe der Vollziehungsverordnung wird es sein, die besonderen Voraussetzungen für die Erlangung dieser Bewilligung, z. B. einwandfreie Führung eines Lastwagens
während eines Jahres, festzusetzen. Auch sei erwähnt, dass diese Bewilligung nach der Ansicht der Expertenkommission das Alkoholverbot für den Fahrer während der Fahrtdauer zu enthalten ihat. Die Berücksichtigung der Anregung, Führerbewilligungen, die

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·während drei Jahren nicht erneuert worden sind, nur nach nochmaliger Prüfung zu erteilen, bleibt der Vollziehungsverordnung vorbehalten..

Untauglich zur Führerbewilligung sind : Personen unter 18 Jahren,, gewisse Vorbestrafte, dann Trinker und bestimmte Kategorien Gebrechlicher. Fällt jemand erst nachträglich unter die drei letzten Gruppen, oder wird dies erst nachträglich bekannt, so ist der Entzug, der Führerbewilligung obligatorisch. Er ist fakultativ, wenn die Verkehrsvorschriften des Gesetzes und de t- ausführenden Verordnungen -- eidgenössischer und kantonaler! -- schwer verletzt worden sindAuch hier wiederum können die Bewilligungsbehörden der andern Kantone den Entzug der Führerbewilligung beantragen. Wird er abgelehnt, so bleibt dem Antragsteller das Bekursrecht an das zuständige Departement, innert 14 Tagen von der Eröffnung des Entscheides an gerechnet, offen.

Besondere Vorschriften gelten für Lehrfahrten. So z. B. bedürfen die berufsmässigen Fahrlehrer einer Konzession der zuständige» kantonalen Behörde. Die von ihnen zu erfüllenden Voraussetzungenwird die VollziehungsVerordnung zu regeln haben. Von der Konzessionierung sogenannter Chauffeurschulen wurde abgesehen.

Neben der kantonalen Verkehr»- und Führerbewilligung sind auch solche eidgenössischen Charakters vorgesehen, jedoch nur für Motorfahrzeuge, die für den Dienst der Eidgenossenschaft bestimmt sind. Durch die Vollziehungs Verordnung werden die eidgenössische» Amtsstellen bestimmt werden, denen einerseits die Ausstellung solcher Bewilligungen, anderseits das Antragsrecht auf deren Entzug zustehen soll. Das zuständige Departement entscheidet über den.

Entzug.

Für die Führung der Kontrollen über Art und Zahl der Motorfahrzeuge, Führerbewilligungen, Entzugsverfügungen und andere für die Zivil- und Militärverwaltung notwendige Angaben hat das zuständige Departement eine Stelle zu bezeichnen. Es handelt sich hier keineswegs um die Schaffung eines neuen Amtes, wie überhaupt der Entwurf die Schaffung j e d e s neuen Amtes vermeiden wilL Bis jetzt sind die erwähnten Aufgaben durch die Sektion für Motorwagendienst der Generalstabsabteilung des eidgenössischen Militärdepartements besorgt worden.

Neben dem schon erwähnten Bekursrecht an das zuständigeDepartement wegen Weigerung der zuständigen kantonalen Behörde,, dem Antrag auf
Entzug der Verkehrs- oder Führerbewilligung zu entsprechen, ist ein solches auch eingeräumt bei Verweigerung der Verkehrsbewilligung, bei Verweigerung der Führerbewilligung wegen Vorbestrafung, Trunksucht und Gebrechlichkeit, wie auch beim,

469» verwaltungsrechtlichen Entzug der Führerbewilligung. Der Gesetzentwurf spricht, im Einverständnis mit den spezifischen Vertretern der Kantone in der Expertenkommission, mit Absicht von der kantonalen «Behörde». Es soll nur eine einzige Instanz im Kanton vorgesehen werden, um der zweckwidrigen Häufung von Bekursinstanzen entgegenzutreten. Die Bekursschrift ist innert vierzehn Tagen, von der Eröffnung des Entscheides an gerechnet, einzureichen. Sofern hierfür genügende Gründe vorliegen, kann das zuständige Departement dem Kekurs die aufschiebende Wirkung zuerkennen ; der zwangsläufige Suspensiveffekt wurde abgelehnt, um Trölereien und stossende Fälle von vornherein ausscheiden zu können.

Die gestützt auf die am 9. Dezember 1909 zu Paris abgeschlosseneinternationale Übereinkunft über den Automobilverkehr, der die Schweiz auch beigetreten ist, von den schweizerischen Automobilisten zum Verkehr in den Konventionsstaaten benötigten internationalen Fahrausweise werden durch die kantonalen Bewilligungsstellen ausgestellt. Für eidgenössische Motorfahrzeuge können sievon der eidgenössischen Bewilligungsbehörde erteilt werden.

Soweit nicht internationale Übereinkommen entgegenstehen^ sollen die Vorschriften des Gesetzes auch für ausländische Motorfahrzeuge und Fahrer gelten. Motorfahrzeuge und Fahrer aus Staaten, mit denen die Schweiz nicht vertraglich gebunden ist, erhalten die Verkehrs- tfnd Führerbewilligung durch eine kantonale Bewilligungsstelle soweit nicht die Vollziehungsverordnung bestimmt, dass von der Einholung einer Bewilligung Umgang genommen werden könne..

Dies wird möglich sein, wenn der fremde Automobilist eine gültige Verkehrs- und Führerbewilligung des Herkunftsstaates vorzuweisen in der Lage ist und den schweizerischen Behörden bekannt ist, dass, die Erlangung dieser Ausweise im Heimatstaat eine volle Gewähr bietende Prüfung zur Voraussetzung hat.

Der obligatorischen Versicherung sind auch die bei uns eintretenden fremden Motorfahrzeuge unterworfen. Es würde Eecht und Billigkeit widersprechen, unsere einheimischen Automobilisten mit Versicherungsprämien zu belasten, dagegen die Ausländer nicht dazu zu verpflichten. Auch würde dadurch die obligatorische Versicherung zu einem schönen Teil illusorisch gemacht. Trotz der als durchaus notwendig erachteten und im vorliegenden Gesetzentwurf
durchgeführten Verschärfung der Haftpflicht, wäre so in sehr vielen Fällen nicht möglich, dem durch ein ausländisches Automobil geschädigten Einheimischen zu seinem Eecht zu verhelfen, also gerade in den Fällen, wo der Schutz am nötigsten ist. Die Art und Weise, wie die ausländischen Motorfahrzeuge der Versicherungspflicht zu genügen

470 haben werden, wird die Vollziehungs Verordnung näher stipulieren. Pur die möglichst reibungslose Durchführung wird ein Weg gefunden werden müssen, z. B. in der Weise, class der ausländische Automobilfahrer, der unser Land bereisen will, schon vor Eintritt in die Schweiz etwa bei Lösung des Triptyques oder dann beim Grenzzollamt, anlässlich der Eevision, jedenfalls ohne grossen Zeitverlust, vermittelst eines Tickets, für eine bestimmte kurze Zeit sich versichert.

Die Zulassung der Fahrräder ohne mechanischen Antrieb -- Fahrräder mit Hilfsmotor sind als Motorrad zu behandeln -- zum öffentlichen Verkehr ist vereinfacht worden. Der im Konkordat vorgesehene Fahrausweis für Fahrräder ist nicht übernommen. Der Kontrollschild ist nur alle zwei Jahre zu erneuern. Dieser kann dem Zweck des Fahrausweises, als Identifikationsmittel zu dienen, allein vollauf genügen. Für den Dienst der Eidgenossenschaft bestimmte Fahrräder tragen den eidgenössischen Kontrollschild. Eadfahrer, die ausländische Kontrollausweise mitbringen, sind von der Verpflichtung zur Anbringung unseres Kontrollschildes entbunden, wenn ihr Heimatstaat uns Eeziprozität gewährt. Jedoch nur, wenn sie nicht länger als drei Monate in unserem Lande bleiben. Sind die Verkehrsvorschriften des neuen Gesetzes oder der ausführenden Verordnungen schwer verletzt worden, so kann die zuständige kantonale oder eidgenössische Behörde den Entzug des Kontrollschildes verfügen.

Von einer Verpflichtung der Eadfahrer, sich zu versichern, haben wir Abstand genommen, da die Aufnahme einer eidgenössischen Vorschrift von der Expertenkommission abgelehnt wurde. Freiheit der Kantone in dieser Beziehung scheint uns wiederum dem Gedanken einheitlicher Eegelung des Fahrradverkehrs für die ganze Schweiz zu widersprechen und in der Durchführung auf viele praktische Schwierigkeiten zu stossen. So hielten wir es für richtig, von der Versicherung überhaupt abzusehen.

II. K a p i t e l .

Verkehrsvorsiehriften.

An der Spitze der Vorschriften über Motorfahrzeuge steht die Bestimmung, dass die Fahrzeuge für jeden Gebrauch in betriebssicherem Zustande zu erhalten seien. Es folgen Vorschriften über Beleuchtung, Warnsignale, Lärm und Eauch, Geschwindigkeit, sowie die eigentlichen Fahrregeln, die grossenteils denjenigen des gegenwärtigen Konkordates nachgebildet sind. So ist für die Beleuchtung der alte Grundsatz aufgestellt, dass von Beginn der Dämmerung an Licht vorhanden sein muss. Doch ist Zahl, Farbe, Stellung der Lichtquellen erst in der Vollziehungsverordnung näher zu fixieren.

471 "Wir sind grundsätzlich davon ausgegangen, solche Einzelheiten nicht im Gesetze festzusetzen, um der technischen Entwicklung nicht hemmend in den Weg zu treten. Als Warnsignale sind für den Motorwagen das Hörn mit tiefem Ton, für das Motorrad dasjenige mit gellendem Ton vorgeschrieben. Ausnahmsweise ist die Anwendung eines zweiten Signalapparates zugelassen, so beispielsweise bei plötzlichem Versagen des vorgeschriebenen Signals oder wenn etwa nur durch ein akustisch besonders wirkungsvolles Instrument ein Unfall zu verhüten wäre. Den Gebrauch der Warnsignale sucht das Gesetz dadurch zu regeln, dass es verbietet sich ihrer in Städten, Dörfern, sowie zur Nachtzeit grundlos zu bedienen, dagegen vorschreibt, davon Gebrauch zu machen, so oft die Sicherheit des Verkehrs es verlangt.

Lärm und Bauch sind auf das Unvermeidliche zu beschränken.

Das Fahren mit offenem Auspuff wird, in Abweichung vom absoluten Verbot des Konkordates, nachts und in Ortschaften, also in den praktisch wichtigen Fällen, untersagt.

Beachtenswert sind weiter die Bestimmungen betreffend die Geschwindigkeit. Vorangestellt ist wiederum der schon im Konkordate anerkannte Grundsatz, dass jeder Führer eines Motorfahrzeuges die ·Geschwindigkeit seines Vehikels stets muss beherrschen können. Es mit Frankreichs Code de la route bei diesem Grundsatze bewenden zu lassen, ist für unsere Verhältnisse unmöglich. Wir würden das Gesetz in ernste Gefahr bringen, wenn wir von der Bestimmung von Maximalgeschwindigkeiten absehen wollten. Wir wissen aber ebenso, ·dass die im Konkordate vorgeschriebenen Geschwindigkeiten der heutigen Entwicklung nicht mehr entsprechen. Auch die Expertenkommission war mit dem Festhalten an gewissen, nach der Art des Fahrzeuges und der ihm innewohnenden Verkehrsgefahr abgestuften Höchstgeschwindigkeiten einverstanden. Daher sind im Gesetzentwurf als Maximalgeschwindigkeit fixiert: für normale Motorwagen und Motorräder 50 km in der Stunde, für Autobusse und Lastwagen ·20 bis 35 km je nach Bereifung und Belastung, wobei die Festsetzung der verschiedenen Kategorien durch die Vollziehungsverordnung «rfolgen soll.

Ob für bestimmte Motorlastwagen seinerzeit die Pneubereifung vorzuschreiben sei, wird der Entscheidung des Bundesrates vorzubehalten sein. Er wird auch über die eventuelle Gleichstellung der sogenannten
Lieferungswagen (Tourenwagen mit abnehmbarer Karrosserie und Möglichkeit der Aufsetzung einer Vorrichtung, die ihn zum Warentransport geeignet macht, z. B. bei Metzgern, Bäckern etc.)

mit den gewöhnlichen Tourenwagen zu beschliessen haben.

Die Geschwindigkeit ist auf höchstens 30 km in der Stunde herabzusetzen beim Durchfahren von Ortschaften und auf 25 km auf

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Gebirgsstrassen. Unter 25 km sind vorgeschrieben z. B. auf Brücken, engen Durchgängen, an gefährlichen Stellen die durch die zuständigen Behörden durch Aufschrifttafeln ds solche gekennzeichnet sind, anPassanten vorbei, soweit diese durch Staubentwicklung und Kot ernstlich belästigt werden könnten, bei dichtem Nebel. Als unterste Grenze für die durch besondere Aufschrifttafeln festzusetzendeGeschwindigkeit werden 15 km vorgesehen. Nur auf diese Weise kann den nicht selten anzutreffenden, unmöglich einzuhaltenden Geschwindigkeitsvorschriften einzelner Gemeinden (6--8 km) entgegengetreten, werden. Um der Willkür in der Anbringung solcher Tafeln zu steuern, wird jedem Interessenten gegen die Verfügung der Gemeindebehörde ein Kekursrecht an die übergeordnete kantonale Instanz eingeräumt.

Soweit Aufschrifttafeln sich auf die Vorschrift: «Stark verminderte Geschwindigkeit» beschränken, bedeutet dies nur allgemein, das» unter 25 km gefahren werden rnuss. Für die Motorlastwagen wird das.

Mass der verminderten und stark verminderten Geschwindigkeit durch die Vollziehungsverordnung festzusetzen sein.

Die häufig geforderte Einführung eines Geschwindigkeitsmessersist dem Bundesrat für einen Zeitpunkt vorbehalten, da der Stand der Technik sie erlaubt und die Kosten für die Anschaffung eines solchen Apparates den Automobilisten nicM unvernünftig belasten. Automatisch registrierende Geschwindigkeitsmesser von unbedingter Zuverlässigkeit sind unsern technischen Experten bis heute nicht bekannt geworden.

Besondere Vorschriften sind für Wettfahrten vorgesehen. So> ist die Erteilung der benötigten Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde an den Abschluss einer besonderen Versicherung gebunden. Dann können von den Verkehrsvorschriften des Gesetzes Ausnahmen zugestanden werden, jedoch nur in Verbindung mit den nötigen Sicherungsmassregeln.

Die eigentlichen Pahrregeln des Entwurfes stimmen mit denen des Konkordates betreffendAusweichen, Vorfahren, Halten, Unfallhilfeund Meldung, im wesentlichen übeiein. Neu ist die Vorschrift, dass bei Strassengabelungen und Kreuzungen das auf der Hauptstrassebefindliche Fahrzeug den Vortritt hat, während bei Strassen gleicher Breite dieser jeweils dem Fahrer zur Eechten zu überlassen ist.

Personentransportfahrzeugen wird das Vorrecht des Passierens vor andern Fahrzeugen
eingeräumt. Für besondere städtische Verhältnisse wird eine abweichende Eegelung der Ausweich- und Vorfahrregeln ausdrücklich vorbehalten. Was endlich den Verkehr auf Gebirgsstrassen anbelangt, so soll die Vollziehungsverordnung, difr besonderen Bestimmungen normieren. Sie wird zum Wunsche der Postverwaltung, für ihre Autocars auf Alpenstrassen spezielle Aus-

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\veichvorschriften vorzusehen, Stellung nehmen müssen. In der Expertenkommission wurde gegenüber dem postulierten Bergwärtsausweichen eine Kegulierung des Fahrverkehrs auf Alpenstrassen vorgeschlagen, nach welcher für bestimmte Zeiten nur der Transport in einer Richtung zugelassen wäre.

Für Fahrräder sind im wesentlichen die bisherigen Verkehrsvorschriften aufrechterhalten. Neu ist die Bestimmung, dass vom Eintritt der Dämmerung an neben der Laterne auch ein von hinten sichtbares rotes Leuchtzeichen vorhanden sein muss.

Ganz neu ist die Abgrenzung des Motorfahrzeugverkehrs vom Fuhrwerk- und Fussgängerverkehr. Die Fahrzeuge ohne motorischen Antrieb (Fuhrwerke) haben darnach Motorfahrzeugen, welche die Absicht, vorzufahren, kundgeben, durch sofortiges Rechtshalten das Vorfahren zu ermöglichen. Ferner sind sie nachts mit Licht zu versehen. Letztere Vorschrift wird fast in allen Kantonen auch durch die Strassenpolizeigesetzgebung -- vielfach jedoch in unzulänglichem Masse -- aufgestellt. Dass der Verkehr auf den den Fussgängern vorbehaltenen Wegen für Motorwagen und Motorräder verboten sei, sagt schon das Konkordat. Wir fügten bei, dass wiederum der Fussgänger die Fahrbahn der Strasse soweit tunlich für Fahrzeuge freizulassen habe. Die Automobilkreise haben bedauert, dass man bei Gelegenheit der Schaffung eines eidgenössischen Automobilgesetzes nicht auch den allgemeinen Strassenverkehr in seinen Grundzügen regeln kann, wie dies grosszügig Frankreich in seinem in der Form eines Mnisterialdekretes vom 27. Mai 1921 erlassenen Code de la route .getan hat. Doch fehlt dem Bunde die verfassungsmässige Kompetenz ·zur Regelung des Verkehrs auf öffentlichen Wegen, soweit er nicht mit dem Motorfahrzeug und Fahrrad in unmittelbarer Beziehung steht. Diese Beziehung ist da vorhanden, wo einerseits dem Fuss:gänger durch das Motorfahrzeug Gefahr für Leib und Leben droht und anderseits auch dem Fahrer durch unvernünftiges Benehmen des Fussgängers eine nicht zu rechtfertigende Haftbarkeit zugeschoben würde. Es ist daher zweckmässig und auch richtig, eine Bestimmung aufzunehmen, in welcher Weise Motorfahrzeug und Fussgänger sich gegenseitig zu verhalten haben.

III. K a p i t e l .

Haftpflicht.

Die Haftpflichtnormen verschärfen die Haftung für Automobil-unf alle gegenüber dem gemeinen Recht durch Einführung der Kausalhaftung. Und durch die Verbindung der Haftpflicht mit dem Versicherungszwang stellt der Gesetzentwurf die Verwirklichung der Haftpflichtansprüche sicher.

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Die Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung für Unfälle, die?

durch Motorfahrzeuge verursacht werden, ist vor allem wegen der mit dem Automobilfahren vorhandenen Gefährdung des Strassenverkehrs geboten. 'Für diese Gefährdung hat das Bundesgericht als massgebend in Erwägung gezogen, dass «das Automobilfahren an sich schon vermöge seiner Schnelligkeit, der Wucht, mit der das.

Automobil einherfährt, sodann in Anbetracht des Umstandes, dass es sich nicht auf einer besonderen Fahrbahn bewegt, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Landstrassen der Schweiz, auf denen sich der Automobilverkehr abspielt, nicht sehr breit, dagegen in der Eegel sehr stark begangen und befahren sind und durch relativ dichtbevölkerte Gegenden führen, -- den Keim von Gefährdung für die Sicherheit von Menschen in sich birgt (BGE81, II, 418)». Das weitere im bundesgerichtlichen Entscheid zitierte Argument, dass der Automobilverkehr noch relativ neu und für grosse Kategorien von Menschen noch «etwas durchaus ungewohntes ist», hat gegenwärtig infolge der gewaltigen Ausdehnung des Automobilverkehrs an Bedeutung verloren. Noch immer schliesst aber das Automobilfahren infolge der Fahrgeschwindigkeit, infolge der grossen Masse -und starken Belastungsfähigkeit dieses Fahrzeuges, sowie infolge der überaus feinen technischen Vorrichtungen und der dem Fahrzeug innewohnenden motorischen Kraft eine starke Gefährdung des Strassenverkehrs in sich.

Der gegenwärtige Rechtszustand, die Haftung nach gemeinem Becht (Art. 41 ff. OB,), genügt auch deshalb nicht, weil die dem Geschädigten obliegende Beweislast es diesem mitunter unmöglich macht, mit seinem Schadenersatzanspruch durchzudringen. Allerdings hat die bundesgerichtliche Praxis diese Schwierigkeiten nach Möglichkeit berücksichtigt. Bei Automobilunfällen wird in der B,egel ein Verschulden des Führers angenommen, wenn dieser polizeilichen Vorschriften über den Verkehr auf öffentlichen Strassen zu widergehandelt hat und die Widerhandlung im Kausalzusammenhang mit dem Unfall steht. Ferner wird das Verschulden des Führers bejaht, sobald dieser das allgemeine Gebot, durch sein Tun die Sicherheit seiner Mitmenschen nicht widerrechtlich zu gefährden, verletzt. Für den vom angestellten Chauffeur verursachten Automobilunfall haftet der Geschäftsherr unter Vorbehalt des Entlastungsbeweises nach
Art. 55 OB. Wenn auch durch die bundesgerichtliche Praxis in manchen Fällen dem Verletzten geholfen wird, so genügt dies doch nicht, weil es in andern Fällen auf Grund des geltenden Rechts nicht möglich ist, dem Verletzten zu seiner Entschädigung zu verhelfen. Die Vorgänge spielen sich bei Automobilunfällen ungemein rasch ab; der Verletzte, und oft auch die Zeugen, sind nicht in der-

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Lage, sich ein klares Bild über die Umstände zu machen, die den Unfall herbeigeführt haben. Es liegt nicht selten ein Beweisnotstand vor, der zur Folge haben kann, dass der Verletzte leer ausgeht.

Bei der Frage, inwieweit die Haftung für Automobilunfälle gegenüber dem gemeinen Eecht zu verschärfen sei, fallen zwei Systemein Betracht : einerseits das der Anlehnung an die Eisenbahnhaftpflicht (Verursachungsprinzip), anderseits das der Anlehnung an die Haftung für Tiere (Art. 56 OB., Verschuldensprinzip mit Umkehrung der Beweislast). Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Systemen liegt in der Haftung für Zufall. Da es nun richtiger ist, dass nicht der Geschädigte, sondern der Automobilist den durch Zufall entstandenen Schaden trage, ist der Automobilhaftpflicht das Verursachungsprinzip zugrunde zu legen.

Grundsätzlich erklärt der Gesetzentwurf den Halter des Fahrzeuges als haftbar für den durch den Gebrauch eines Motorwagens, oder eines Motorrades infolge Tötung oder Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache entstehenden Schaden.

Der Begriff des Automobilhalters ist demjenigen des Tierhalters (Art. 56 OB) nachgebildet. In der Begel wird der Eigentümer Autornobilhalter sein; er wird dies auch dann sein, wenn er das Fahrzeug einer andern Person zu vorübergehendem Gebrauch, sei es entgeltlich oder unentgeltlich, übeiiässt. Halter wird aber auch der Nichteigentümer sein, der sich das Automobil zu dauernder Benützung verschafft, z. B. durch Miete oder Gebrauchsleihe auf längere Zeit.

Dem Begriff des Halters haftet eine gewisse Unbestimmtheit an; es wird dabei auf die kürzere oder längere Dauer des Benutzungsverhältnisses ankommen. Die Praxis des Bundesgerichtes mit Bezug auf den Begriff des Tierhalters dürfte auch für den Begriff des Automobilhalters von Bedeutung sein.

Durch bestimmte Exkulpationsgründe wird der Umfang der Haftung des Halters eingeschränkt. So wird er von der Haftpflicht befreit, wenn er beweist, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges, noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Der Unfall darf also nicht auf einen Materialoder Konstruktionsfehler, z. B. auf das fehlerhafte Funktionieren einer Vorrichtung oder auf das Versagen der Bremsen oder der Steuerung
zurückzuführen sein. Das deutsche Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 enthält in seinem § 7, Absatz 2 die gleiche Bestimmung.

Einen weitern Befreiungsgrund für den Halter bildet der Nachweis, dass der Unfall durch grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten herbeigeführt wurde. Ist der Halter dagegen in der.-

476 Lage, ein leichtes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten nachzuweisen, so tritt eine Ermässigung der Ersatzpflicht (Be·duktionsgrund), unter Umständen völlige Befreiung ein.

Endlich wird der Halter auch befreit, wenn er beweist, dass 'das Motorfahrzeug ohne sein Verschulden von einem Dritten eigenmächtig gebfaucht worden ist. Der Dritte ist in diesem Falle an Stelle -des Halters haftbar. Diese Schutzbestimmung versagt aber dann, wenn der Halter sein Fahrzeug in leichtfertiger Weise dem Zurgriffe eines Dritten ausgesetzt hat.

Fahrer und Hilfsfahrer sind nicht als Dritte im Sinne der erwähnten Bestimmungen zu betrachten. Ereignet sich ein Unfall durch Verschulden des Fahrers oder Hilfsfahrers, so haftet allerdings der Halter auch für den daraus entstehenden Schaden. Es ist ihm aber die Möglichkeit gegeben, auf seinen schuldhaft handelnden Angestellten Bückgriff zu nehmen, wobei die Art. 50 und 51 OB entsprechende Anwendung finden.

Hat endlich der Halter selbst neben dem Geschädigten oder neben dem Dritten den Schaden schuldhaft verursacht, wobei Fahrer ·und Hilfsfahrer wiederum nicht alia Dritte gelten, so sind die Bestimmungen des Obligationenrechtes über unerlaubte Handlungen (Art. 41 ff.) massgebend. Auf den Schaden, den Fahrer, Hilfsfahrer oder unentgeltlich beförderte Personen erleiden, findet die verschärfte Haftpflicht nach Art. 87 Ziff. l keine Anwendung.

Mit Bezug auf die Haftpflicht des Halters für beförderte Personen wird darauf abgestellt, ob sie gemäss Transportvertrag oder nicht, entgeltlich oder unentgeltlich, befördert werden. Bei entgeltlichem Transport, was insbesondere bei den Automobiltransportgesell·echaften der Fall sein wird, haftet der Halter gemäss den Vorschriften ·des Gesetzentwurfes. Dagegen kommen bei unentgeltlichem Transport, z. B. bei zu einer Automobilfahrt eingeladenen Personen, die Bestimmungen des Obligationenrechtes über unerlaubte Handlungen zur Anwendung, d. h. die Haftung des Halters bloss bei Verschulden.

Die verschärfte Haftpflicht findet keine Anwendung auf die Beschädigung von Sachen, die einer unentgeltlich beförderten Person ^gehören. Bier gilt die Haftung nach OB 41.

Für das entgeltlich beförderten Personen gehörige beschädigte ·Gepäck gelten die Haftpflichtbestimmungen des Transportrechts (Frachtvertrag oder besondere Normen
konzessionierter Transport'Unternehmungen).

Die Haftung für Beschädigung von beförderten Waren schlechthin bestimmt sich nach Frachtvertrag.

Für den Bückgriff des haftpflichtigen Halters gegen Fahrer, .Hilfsfahrer und andere Personen, die aus unerlaubter Handlung oder

477

nus andern Rechtsgründen für deneolben Schaden haften, sowie bei Konkurrenz von mehreren am gleichen Unfall beteiligten Fahrzeughaltern gelten die Vorschriften des Obligationenrechtes über die Haftung mehrerer (Art. 50 und 51). Der Rückgriff des versicherten Halters wird dementsprechend in Ausdehnung von Art. 72 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag nicht nur bei schuldhaftem Verhalten des Regressaten zugelassen. Was Art und Umfang des Ersatzes sowie die Verjährung des Ersatzanspruches anbelangt, so kommen auch hier die Art. 41 ff. des OR zur Anwendung, ausser in Fällen der Beschädigung von Gepäck, das entgeltlich beförderten Personen gehört. Hier sind die Grundsätze dos Transportrechtes massgebend.

Wie das Eisenbahnhaftpflichtgesetz, gibt auch unser Gesetzentwurf dem Richter die Möglichkeit, dem Geschädigten oder seinen Angehörigen, bei Verschulden des Halters, seines Fahrers, Hilfsfahrers, oder einer andern Person, deren er sich zum Betriebe bedient, abgesehen vom Ersatz des Schadens, eine angemessene Geldsumme zuzusprechen, umgekehrt soll auch eine Reduktion möglich sein, wenn einerseits der Geschädigte eine ungewöhnlich hohe Erwerbseinbusse, anderseits der Haftpflichtige eine geringe ökonomische Leistungsfähigkeit oder andere Ermässigungsgründe geltend macht.

Bei Streitigkeiten über Haftpflicht und Bückgriff des Halters wird dio Beurteilung der Tatsachen dem freien Ermessen des Richters überlassen.

Sofern der Haftpflichtige nicht in der Schweiz wohnt, soll die Schadenersatzklage auch beim Gericht des Ortes, an dem sich der Unfall ereignet hat, angebracht werden können.

Im Interesse einer mögliehst raschen Feststellung des Sachverhalts soll der Geschädigte, sofort nachdem er weiss, boi welchem Versicherungsunternehmen der Haftpflichtige versichert ist, dem Unternehmen vom Unfall Mitteilung machen.

Die Kantone sind verpflichtet, bedürftigen Klägern, wenn die Klage nach vorläufiger Prüfung sich nicht zum voraus als unbegründet erweist, das Armenrecht zu gewähren.

IV. K a p i t e l .

Strafbestimmungen.

Die Strafbestimmungen enthalten im wesentlichen dio Sanktionen für Übertretung dor Vorschriften dos ersten und zweitonKapitels..

S i o unterscheiden sechs Tatbestände : Zuwiderhandeln gegen d i e verordnung, pflichtwidriges Verhalten bei einem Unfall, Gebrauch eines Fahrzeuges ohne Verkehrsbewilligung, Fahren ohne FührerBundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

33

478

bewilligung, Gebrauch unrichtiger Kontrollschilder und Fahren ohne Kontrollschild.

Die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen liegt den Kantonen ob. und- zwar auch solcher Widerhandlungen, dio eidgenössische Beamte und Angestellte sich im Dienst zuschulden kommen lassen. Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 werden als anwendbar erklärt. Somit ist die fahrlässige Begehung oder Unterlassung nur strafbar, wenn es ausdrücklich bestimmt wird. Dies ist nur bei den Widerhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften der Fall.

Die Strafen sind Geldbussen, in qualifizierten Fällen regelmäßig Haft, bei zwei Tatbeständen Gefängnis.

Die in concreto für den Entzug der Führerbewilligung zuständige Behörde ist durch die zuständigen kantonalen Entzugsbehörden von jeder strafbaren Handlung in Kenntnis zu setzen, welche zu einem Entzuge Anlass geben könnte.

V. K a p i t e l .

Abgrenzung eidgenössischer und kantonaler Kompetenzen.

Eine ganze Reihe bisher noch nicht fixierter Sätze treten uns entgegen. Einmal der aus der Verfassung entnommene Grundsatz, dass die Benützung der Strassen im Dienste des Bundes für jede Art von Fahrzeugen jederzeit frei sei. Dann, auch an die Verfassung angelehnt, die Vorschrift, dass im Verordnungswege vom Bundesrat bestimmte, für den allgemeinen Durchgangsverkehr notwendige Strassen für Motorfahrzeuge und Fahrräder in vollem oder beschränktem Umfang offen erklärt werden können. Dass solche Öffnung von Strassen gemäss Artikel 53 erst nach Fühlungnahme mit den interessierten Kantonsregierungen geschehen soll, zeigt unser Bestreben einer Würdigung aller in Betracht fallenden Umstände, eine für alle Teile befriedigende Lösung herbeizuführen. Soweit der Bundesrat von der ihm übertragenen Kompetenz keinen Gebrauch macht, also in der Hegel, haben die Kantone das verfassungsmässig gewährleistete Recht, auf ihren Strassen dem Verkehr Schranken aufzuerlegen. Zeitliche Beschränkungen auf den ihrer Kompetenz nicht entzogenen Strassen können sie für den Sonntag und für die Zeit des Alpauftriebes oder der Alpentladung aufstellen. Diese kantonalen Vorschriften bedürfen jedoch der Genehmigung des Bundesrates Dieser wird, wie er es bisher getan, versuchen, in die von den Kantonen erlassenen Bestim' mungen eine gewisse Einheitlichkeit zu bringen. Um solcher Einheitlichkeit willen wird ihm auch die Befugnis eingeräumt, die kantonalen Bewilligungstaxen, Gebühren, Abgaben und Spezialsteuern auf Motori'ahrzeuge und Fahrräder dem Höchstbetrag nach zu begrenzen. Auch

479 sollen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Steuern pro rata temporis erhoben werden.

Ausländische Motorfahrzeuge dürfen nur besteuert werden, wenn deren Aufenthalt im Inland den dritten Monat überschreitet. Motorwagen und Motorräder der Eidgenossenschaft sind frei von kantonalen Steuern. Dagegen sind sie steuerpflichtig für die Zeit, da sie auch ausserdienstlich regelmässig in Gebrauch stehen sollten. Im übrigen werden die Kantone in ihrer Steuerhoheit nicht berührt; der Bund nimmt ihnen nichts weg.

Kantonale Durchgangsgebühren sind verboten. Deren Zulassung würde dem Wesen der das ganze Gebiet unseres Landes berührenden eidgenössischen Automobilgesetzgebung widersprechen. Dem Bunde dagegen bleibt das Eecht gewahrt; auf ausländische Motorfahrzeuge Eintrittsgebühren zu erheben. Er kann dies allgemein oder als Retorsionsmassregel beschlossen.

Weiterhin spricht der Gesetzentwurf die Verpflichtung aus, aus den gesetzlich dazu bestimmten Einkünften des Bundes -- die erst noch zu schaffen sind -- Subventionen auszuwerfen an die Erstellung, die Verbesserung und den Unterhalt von Automobilstrassen, in erster Linie an die dem allgemeinen Durchgangsverkehr dienenden Strassen. Die Subventionen sollen abgestuft werden nach dem Masse, in dem die Kantone selbst ihre Einnahmen aus dem MotorfahrzeugVerkehr für den Unterhalt und die Verbesserung ihrer Automobilstrassen verwenden. Dabei sollen sowohl die Ausdehnung des Automobilstrassennetzes als auch die Finanzkraft des einzelnen Kantons in Berücksichtigung gezogen werden. Dass die den Automobilisten belastenden Abgaben und Steuern für die Erfüllung derjenigen Staatsaufgaben verwendet werden, die ihm wieder zuguto kommen, ist wohl mit Eecht als ein Gebot der Billigkeit zu bezeichnen. Wir sind uns bewusst, mit diesen Bestimmungen die Zukunftsentwicklung zu eskomptieren ; uns leitet dabei die unverbrüchliche Überzeugung, dass eine rationelle Entwicklung des Automobilverkehrs und damit des Strassen- und Verkehrswesens überhaupt mit der Schaffung geeigneter Autostrassen und der Bereitstellung der hierfür notwendigen finanziellen Mittel steht und fällt.

VI. Kapitel.

Übergangs- und Schiiissbestimmungen.

In erster Linie wird hier der Bundesrat ermächtigt, dio notwendigen Vollziehungsverordnungen zu erlassen; die Kantone werden verpflichtet, die vorgesehenen zuständigen Behörden zu bezeichnen und ihrerseits im Eahmen ihrer Kompetenzen vom Bundesrate zu genehmigende Ausführungsverordnungen in Kraft zu setzen.

480

Des weitern erfährt das Verhältnis der HaftpflichtbestirnuiuugeB des Gesetzentwurfes zu den Bundesgesetzen über die Militärversicherung und die Kranken- und Unfallversicherung seine Eegelung. Für Unfälle, die durch militärische Motorfahrzeuge herbeigeführt werden, sollen die Haftpflichtbestimniungen dieses Gesetzes nur dann gelten, wenn nicht das Bundesgesetz über die Militärversicherung Anwendung findet. Und weiter sollen die dem Kranken- und Unfallversicherungsgesetz unterstellten Betriebsinhaber für Automobilunfälle ihrer bei der Anstalt in Luzern versicherten Angestellten und Arbeiter gemäss den Bestimmungen jenes Gesetzes haften. Diese Vorschrift ist von Bedeutung insbesondere für Unfälle, die sich beim Transport zu und von der Arbeit ereignen könnten.

Endlich enthält dieses Kapitel noch Normen über das intertemporale Eecht und das Inkrafttreten des Gesetzes. Für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ereignen, gelten die Haftpflichtbestimmungen des gemeinen Eechtes. Ebenso sind Übertretungen, die vor dem erwähnten Zeitpunkt begangen worden sind, nach den zur Zeit der Begehung massgebenden kantonalen Strafbestimmungen zu ahnden. Die Vorschriften des neuen Gesetzes derogieren allen entgegenstehenden Gesetzen und Verordnungen des Bundes, der Kantone, sowie den interkantonalen Konkordaten von 1904, 1914 und 1921, vom Zeitpunkte: ihres Inkrafttretens an. Diesen Zeitpunkt bestimmt der Bundesrat.

Die Vorlage, welche wir Urnen beiliegend unterbreiten, soll un serem Lande die im Gebiete des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs so notwendige Einheitlichkeit verschaffen. Der riesigen Entwicklung des Automobilwesens, insbesondere seit dem Ende des Weltkrieges, konnten die Konkordate unmöglich mehr gerecht werden.

Im vorliegenden Gesetzentwurf glauben wir die Interessen aller Beteiligten, der Automobilisten, der übrigen Benutzer der Strasse, wie auch des Bundes und der Kantone nach Möglichkeit berücksichtigt zu haben. Eine einigermass3n brauchbare Lösung war nur dadurch möglich, dass die besonderen Forderungen der einen wie der anderen zurückzutreten hatten, wo es die Interessen der Allgemeinheit erforderten.

Wir empfehlen Ihnen, hochgeehrte Herren, den beigelegten Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr zur Annahme.

Bern, den 3. November 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrate», Der Bundespräsident: Dr. Haali.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

481 (Entwurf.)

Bundesgesetz über

den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 37bis, 64 und 64bis der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 3. November 1922, b beschliessti esst : I. Kapitel.

Bewilligungen.

A. Für Motorwagen und Motorräder.

Art. 1.

Die Motorwagen und Motorräder werden zum öffentlichen Verkehr nur zugelassen, wenn ihre Eignung hiezu auf Grund einer durch Sachverständige vorgenommenen Prüfung seitens der zuständigen Behörde desjenigen Kantons, wo das Fahrzeug seinen Standort hat, anerkannt ist.

2 Die Vorschriften über die von den Sachverständigen zu erfüllenden Voraussetzungen und die notwendigen Angaben, Erkennungszeichen und technischen Vorrichtungen werden durch die Vollziehungsverordnung aufgestellt.

1

Art. 2.

Die Verkehrsbewilligung wird nur erteilt, wenn der Bewerber nachweist, dass bei einem in der Schweiz zugelassenen Versicherungsunternehmen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen ist, die bei einem Motorwagen mindestens Fr. 30,000 1

Verkehrsbewilligung.

Obligatorische Versicherung.

482

für eine verunfallte Person und mindestens Fr. 100,000 für das Unfallereignis, bei einem Motorrad mindestens Fr. 50,000 beträgt.

Diese Versicherung dient zur Deckung des Schadens, für den der Halter des Fahrzeuges während des Kalenderjahres haftbar wird infolge einer durch das Fahrzeug verursachten Tötung oder Körperverletzung. Ebenso muss eine Versicherung für Sachschaden abgeschlossen sein, die sich auf mindestens Fr. 5000 beim Motorwagen, auf mindestens Fr. 3000 beim Motorrad zu belaufen hat.

Der Nachweis der Versicherung muss alljährlich anlässlich der Erneuerung der Verkehrsbewilligung und ausscrdem auf Verlangen der zuständigen Behörde jederzeit erbracht werden.

2 Einreden aus dem Versicherungsverträge, durch welche die gesetzliche Deckung des Schadens geschmälert oder aufgehoben wird, können den geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden.

8 Eidgenössische Motorfahrzeuge sind von der Versicherungspflicht befreit.

Art. 3.

1 Der Ausweis für die erteilte Verkehrsbewilligung wird dem Halter des Fahrzeuges für das Kalenderjahr ausgestellt; er ist jährlich zu erneuern. Der Ausweis ist gültig für das Gebiet der Eidgenossenschaft; er muss bei einer Änderung des Inhabers auf den neuen Halter übertragen werden.

2 Ausweis und Fahrzeug können jederzeit von den zuständi gen kantonalen Behörden kontrolliert werden.

Entzug der Verkehrsbewilligung.

Führerbewilligung.

Art. 4.

Die Verkehrsbewilligung ist durch die zuständige Behörde des Kantons, in dem das Fahrzeug seinen Standort hat, zu entziehen, sobald es den aufgestellton Vorschriften nicht mehr entspricht oder die Haftpflichtversicherung aussetzt.

2 Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, das Aussetzen der Haftpflichtversicherung der anständigen kantonalen Behörde zu melden. Dieses Aussetzen hat aber frühestens nach zehn Tagen vom Eingang dieser Meldung an Rechtswirkung.

-; 3 Die zuständigen Behörden der andern Kantone sind berechtigt, bei derjenigen des Standortes des Fahrzeuges den Entzug der Verkehrsbewilligung zu beantragen.

1

Art. 5.

Für das Führen eines Motorwagens und das Fahren mit einem Motorrad ist eine Führerbewilligung nötig. Sie wird von 1

483

der zuständigen Behörde des Wohnsitzkaptons auf Grund einer Prüfung erteilt, durch die sich der Bewerber darüber ausweist, dass er ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu fahren versteht.

2 Die Prüfungs- und Ausweisvorschriften werden durch die Vollziehungsverordnung aufgestellt.

Art. 6.

Führerbewilligunc der

Vom Erwerb sind ausgeschlossen, Personen : fl. unter 18 Jahren ; b. die auf Grund gerichtlicher oder polizeilicher Bestrafung als Fahrer nicht genügend geeignet erscheinen ; c. die als Trinker bekannt sind ; d. die an einem körperlichen oder geistigen Gebrechen (Epilepsie, ungenügende Sehfähigkeit, Schwerhörigkeit, usw.)

leiden, welches ihnen das sichere Fahren unmöglich macht.

Art. 7.

Die Führerbewilligung hat Gültigkeit für das Gebiet der Eidgenossenschaft. Sie wird für das Kalenderjahr ausgestellt und ist jährlich zu erneuern.

Art. 8.

1 Die Führerbewilligung kann durch die zuständige kantonale Behörde zeitweilig oder dauernd entzogen werden, wenn die Verkehrs Vorschriften dieses Gesetzes und der ausführenden Verordnungen schwer verletzt worden sind.

2 Sie ist zu entziehen, wenn die Ausschlussvoraussetzungen des Art. 6, lit. b bis d, nachträglich eintreten oder nachträglich bekannt werden.

3 Der Entzug hat Gültigkeit für das Gebiet der Eidgenossenschaft.

4 Die zuständigen Behörden der andern Kantone sind berechtigt, bei derjenigen des Wohnsitzkantons den Entzug der Führerbewilligung zu beantragen.

Art. 9.

1 Fahrten zu Lehrzwecken dürfen nur in Begleitung einer mit einer Fuhrerbewilligung versehenen Person, welche damit die Verantwortlichkeit als Fahrer übernimmt, ausgeführt werden.

2 Personen, die Lehrfahrten berufsmässig ausführen, bedürfen hiefür einer Konzession der zuständigen kantonalen Behörde. Die von den Fahrlehrern zu erfüllenden Voraussetzungen werden durch die Vollziehungsverordnung aufgestellt.

Persönliche Voraussetzungen der Ftlhrerhewilllgung.

Gültigkeit der FUhrerbewilligung.

Entzug der Führerbewilligung.

Lehrfahrten.

484

Art. 10.

Die Motorlastwagen, mit Inbegriff der Autobusse, Auto-Gesellschaftswagen, Anhängewagec. und Traktoren, unterliegen den; allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit nicht von Bundes wegen spezielle Vorschriften für sie aufgestellt sind.

3 Der Personentransport vermittelst Motorlastwagen ist an einespezielle Verkehrs- und Führerbawilligung gebunden ; in der letztern muss das Alkoholverbot für den Fahrer während der Fahrtdauer ausgesprochen werden. E'ie Haftpflichtversicherung für dasUnfallereignis muss sich je nach dem Fassungsvermögen des einzelnen Fahrzeuges auf einen Betrag von mindestens Fr. 100 000> bei einem Fassungsvermögen bis zu 10 Personen, von mindestens Fr. 200,000 bei einem Fassungsvermögen von 11 bis 20 Personen, von mindestens Fr. 300,000 bei einem Fassungsvermögen von über 20 Personen belaufen. Die besonderen erschwerten Voraussetzungen für diese Spezialbewilligungen werden durch dieVollziehungsverordnung festgestellt.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Postverkehisgesetzés.

Art. 11.

VerkehrsFür das Anbringen eines Side-car oder eines zweiten Sitzes bewilligung an einem Motorrad bedarf es einer besonderen Bewilligung, die für Side-cars und Zweitsitz. im Ausweis einzutragen ist.

Motorlastwagen.

1

Art. 12.

1

Eidgenössische Die Eidgenossenschaft kann für Motorfahrzeuge, welche für Verkehrsihren Dienst bestimmt sind, eidgenössische VerkehrsbewilligungeQ und Führerbewilligungen. und für die Lenker solcher Fahrzeuge eidgenössische Führerbe-

willigungen ausstellen. Die Prüfungen kann sie durch eigene Organe vornehmen lassen oder kantonalen Organen zuweisen.

2 Die Ausführungsvorschriften werden durch die Vollziehungsverordnung aufgestellt; diese bezeichnet die Stellen, welche dieeidgenössischen Verkehrs- und Führerbewilligungen zu erteilen und über deren Entzug Antrag zu stellen haben. Den Entscheid über den Entzug fällt das zuständige Departement unter analoger Anwendung von Art. 8.

Art. 13.

1

Auto» Über Art und Zahl der Motorfahrzeuge, Führerbewilligungen!

Zentralstelle. vmd Entzugsverfügungen und a ädere für die Zivil- und Militär-

verwaltung notwendige Angaben, werden vom Bunde im Verein mit den Kantonen Erhebungen abgestellt und Kontrollen geführt.

485 Das zuständige Departement bezeichnet eine Stelle zur Führung dieser Geschäfte.

2 Die Vollziehungsverordnung wird das weitere bestimmen.

Art. 14.

Gegen die Entscheidung der kantonalen Behörde kann der Rekurs innert 14 Tagen von deren Eröffnung an gerechnet an das zuständige Departement ergriffen werden: a. bei der Verweigerung einer Verkehrsbewilligung 5 6. bei der Verweigerung einer Führerbewilligung nach Art. 6, lit. b bis d; c. beim verwaltungsrechtlichen Entzug der Führerbewilligung ; (!. bei Ablehnung des Antrages auf Entzug der Verkehrs- oder Führerbewilligung gemäss Art. 4, Abs. 3, und Art. 8, Abs. 4.

2 Das Departement ist berechtigt, dem Rekurs den Suspensiveffekt zu erteilen.

3 Den Entzug eidgenössischer Verkehrs- oder Führerbewilligungen kann das Departement erstinstanzlich verhängen.

1

Rekursrecht.

Art. 15.

Ausländische Motorfahrzeuge und Fahrer sind den Vor- Ausländische Schriften dieses Gesetzes und seinen Ausführungsverordnungen Motorfahrzeuge unterworfen, soweit nicht internationale Übereinkommen dem un a rer' entgegenstehen.

a Für Motorfahrzeuge und Fahrer aus Staaten, die nicht durch Übereinkunft mit der Schweiz hiervon entbunden sind, kann die Verkehrs- und Führerbewilligung durch eine kantonale Bewilligungsstelle erteilt werden. Die Vollziehungsverordnung bestimmt die Fälle, in denen von der Einholung einer Bewilligung Umgang genommen werden kann, falls eine gültige Verkehrs- und Führerbewilligung des Herkunftsstaates vorgewiesen wird. Sie ordnet die Dauer der Versicherungspflicht sowie die Art und Weise, wie ihr vor Eintritt in die Schweiz genügt werden kann.

1

Art. 16.

Zur Ausstellung von internationalen Verkehrs- und Führer- Internationale ausweisen sind die kantonalen und eidgenössischen Bewilliglings- Verkehrs- und stellen zuständig.

Fuhrerausweis«,

B. Für Fahrräder.

Art. 17.

Die Benützung von Fahrrädern ohne mechanischen Antrieb ist nur nach Anbringung eines Kontrollschildes am Rad gestattet.

1

Inländische Fahrräder.

486

Dieser Kontrollschild ist bei der zuständigen Behörde des Wohnsitzkantons zu lösen. Die Kontrollschilder sind für zwei Kalenderjahre gültig und alle zwei Jahre zu erneuern; sie besitzen Gültigkeit für das Gebiet der Eidgenossenschaft.

2 Der Entzug kann durch die zuständige kantonale oder eidgenössische Behörde ausgesprochen werden, wenn die Verkehrsvorschriften dieses Gesetzes und der ausführenden Verordnungen schwer verletzt worden sind.

3 Das Fahrrad mit Hilfsmotor wird als Motorrad behandelt.

* Fahrräder, welche für don Dienst der Eidgenossenschaft bestimmt sind, tragen den eidgenössischen Kontrollschild.

Art. 18.

Ausländische Von der Verpflichtung zur Anbringung eines inländischen Fahrräder. Kontrollschildes sind die Ausländer, die ein ausländisches Fahrrad mitbringen, auf der Durchreise entbunden, sofern ihr Aufenthalt in der Schweiz nicht länger als drei Monate dauert, sie im Besitze der Kontrollausweise ihres Wohnsitzstaates sind und dieser Gegenrecht hält.

2 Im übrigen findet Art. 17 Anwendung.

1

li. Kapitel.

Yerkehi'svorschriften.

A. Für Motorwagen und Motorräder.

Art. 19.

Betriebssicherer Das Motorfahrzeug ist für jeden Gebrauch in betriebssicherem Zustand.

Zustand zu erhalten.

Art. 20.

1 Beleuchtung.

Jeder Motorwagen und jedes Motorrad muss vom Beginn der Dämmerung an mit Isicht versehen sein.

2 Die Strasse soll nach vorn auf eine genügende Strecke hin beleuchtet werden.

Art. 21.

1 Warnsignale.

Jeder Motorwagen muss mit einem Signalinstrument von tiefem Tone versehen sein. Die Anwendung dieses Signalapparates ist jedem andern Fahrzeuge verboten. Der Gebrauch eines zweiten Signalapparates ist nur ausnahmsweise gestattet.

487 2 Für das Motorrad ist als Warnvorrichtung nur das Hörn mit gellendem Tone zulässig, ausnahmsweise auch der Gebrauch eines zweiten Signalapparates.

3 Der Führer soll die Warnvorrichtung so oft als dies die Sicherheit des Verkehrs verlangt, namentlich bei scharfen Kurven, an unübersichtlichen Stellen, jedesmal beim Vorfahren und immer dann zur Anwendung bringen, wenn er von einer Strasse in eine andere einbiegt. Es ist ihm untersagt, sich in Städten und Dörfern, sowie zur Nachtzeit ohne Grund der Warnvorrichtung zu bedienen.

Art. 22.

Das Fahren mit offenem Auspuff ist nachts und in Ort- Vermeidung Schäften untersagt. Der Fahrer hat im allgemeinen dafür zu von Lärm sorgen, dass kein belästigender Rauch entsteht und das Geräusch un auc ' sich auf das Unvermeidliche beschränkt.

Art. 23.

Der Fahrer soll die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges be- Geschwindigkeit im ständig beherrschen.

.

2 Er hat den Lauf zu verlangsamen oder nötigenfalls anzuhalten, wenn das Fahrzeug Anlass zu einem Verkehrshemmnis oder Unfall bieten könnte.

Art. 24.

Die Geschwindigkeit soll nie 50 km in der Stunde und für HöchstMotorlastwagen (Art. 10) je nach Bereifung und Belastung nicht geschwindigkeit.

20 bis 35 km übersteigen, Die Festsetzung der Kategorien erfolgt durch die Vollziehungsverordnung.

1

Art. 25.

Die Geschwindigkeit darf beim Durchfahren von Ortschaften Verminderte 30 km und auf Gebirgsstrassen 25 km in der Stunde nicht über- Geschwindigkeit, steigen.

2 Die verminderte Geschwindigkeit für Motorlastwagen (Art. 10) bestimmt die Vollziehungsverordnung.

1

Art. 26.

Die Geschwindigkeit ist unter 25 km herabzusetzen : Stark a. auf Brücken, engen Durchgängen und bei allen gefährlichen Vsgfjw"njirl^e?1e" Stellen, wo die zuständige Behörde durch leicht sichtbare Aufschrifttafeln eine stark verminderte Geschwindigkeit vorgeschrieben hat ; setzt die zuständige Behörde eine bestimmte Mindestgrenze fest, so darf diese nicht unter 15 km gehen.

1

488

Gegen Verfügungen von Gemeindebehörden kann der Rekurs an die übergeordnete kantonale Instanz ergriffen werden.

l), wenn das Fahrzeug militärischen Abteilungen oder Umzügen begegnet; c. beim Zusammentreffen mit einer Viehherde; ä. bei Kurven von Gebirgsstrassen und wenn das Fahrzeug auf solchen Strassen einem bespannten Fuhrwerk begegnet; e. an Passanten vorbei, soweit diese durch Staubentwicklung und Kot ernstlich belästigt werden könnten ; /'. bei unsichtigem Wetter, z. B. bei dichtem Nebel.

2 Die stark verminderte Geschwindigkeit für Motorlastwagen (Art. 10) bestimmt die Vollziehungsverordnung.

Art. 27.

GeschwindigDem Bundesrat bleibt es vorbehalten, auf Antrag des zukeitsmesser. ständigen Departementes die Anbringung eines die Geschwindigkeit automatisch registrierenden Apparates vorzuschreiben,, sobald dies nach dem Stande der Technik und ohne unverhältnismässige Kosten möglich ist.

Wettfahrten.

Art. 28.

Wettfahrten sind auf den öffentlichen Strassen ohne Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörden verboten. Die Erteilung der Bewilligung ist an den Abschluss einer besonderen Versicherung für den Schaden, für den die Teilnehmer haftpflichtig werden könnten, gebunden.

2 Bei solchen Bewilligungen können Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften dieses Gesetzes zugestanden und besondere Sicherungsmassregeln vorgeschrieben werden.

1

Art. 29.

1 Ausweichen Der Fahrer soll immer rechts fahren, nach rechts ausweichen und Vorfahren. uncl iinks vorfahren. Diese Bestimmung gilt nicht für das Vorbeifahren an Tramwagen oder das Kreuzen mit solchen.

2 Strassenbiegungen nach rechts sollen kurz, solche nach links ausreichend weit genommen werden, um entgegenfahrenden Fahrzeugen jeder Art genügend Raum zu belassen.

3 Bei Strassengabelungen und Kreuzungen hat das Fahrzeug auf der Hauptstrasse den Vortritt. Der aus der Nebenstrasse kommende Fahrer hat die Geschwindigkeit zu ermässigen und

489 darf die Fahrt erst dann wieder fortsetzen, wenn er sich darüber vergewissert hat, dass die Gefahr eines Zusammenstosses nicht besteht. Bei Kreuzungen von Strassen gleicher Breite oder in Zweifelsfällen hat jeder Fahrer seine Geschwindigkeit zu ermässigen und dem Fahrer zur Rechten den Vortritt zu überlassen.

* An unübersichtlichen Stellen, besonders an Strassenbiegungen, darf nicht vorgefahren werden.

5 Personentransportfahrzeuge haben das Vorrecht des Passierens vor andern Fahrzeugen.

6 Für besondere städtische Verhältnisse bleibt örtliche Regelung vorbehalten.

7 Für den Verkehr auf Gebirgsstrassen wird die Vollziehungsverordnung die besonderen Bestimmungen festsetzen.

Art. 30.

Die Motorfahrzeuge sollen ausschliesslich am Strassenrande, wenn möglich rechts, anhalten, sofern nicht durch örtliche Vorschriften anderes bestimmt wird.

2 Beim Verlassen des Fahrzeuges hat der Fahrer den Motor abzustellen und die Bremse anzuziehen.

3 Jedes ausser Gebrauch gesetzte Motorfahrzeug ist so aufzustellen, dass es den freien Verkehr nicht hindert. Das Fahrzeug ist ausserhalb der Strasse aufzustellen, wenn die Strassenbreite die Durchfahrt anderer Fahrzeuge nicht gestattet.

1

Art. 31.

Wenn ein Motorfahrzeug einen Unfall verursacht, so ist der Fahrer verpflichtet, sofort anzuhalten. Er hat seinen Beistand anzubieten und, wenn Verletzte da sind, dafür zu sorgen, dass ihnen Hilfe zuteil werde. Er hat der nächsten Polizeistelle vom Unfall Meldung zu erstatten und seinen Wohnsitz und seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort in der Schweiz genau anzugeben.

Halte,

Unfallhilfe -meldung.

un(l

B. Für Fahrräder.

Art. 32.

Jedes Fahrrad muss mit einem bis auf 50 m hörbaren Alarm- Alarmapparat, -apparat (Glocke oder Schelle) sowie mit einer rasch und sicher ?reT?e' u unfl wirkenden Bremse versehen sein. Vom Eintritt der Dämmerung ' an darf nur mit gut leuchtender, an der Vorderseite des Fahrrades angebrachter Laterne und mit einem auch von hinten sichtbaren roten Leuchtzeichen gefahren werden.

490

Geschwindigkeit.

Art. 33.

Der Radfahrer muss so fahren, dass er bei der Gefahr eines Zusammenstosses (z. B. unsichtiges Wetter, Strassenkreuzung, Biegungen, Scheuen von Tieren) möglichst rasch anhalten kann.

Art. 34.

Fahrregeln.

* Der Radfahrer hat Fahrzeugen, Reitern und Fussgängera rechts auszuweichen und links vorzufahren. Die Absicht, vorzufahren, hat er durch den Alarmapparat rechtzeitig kundzugeben.

. 3 Mehr als zwei Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren ; wenn sie Fahrzeuge, Pferde oder andere Radfahrer kreuzen oder ihnen vorfahren, müssen sie ,,zu einema fahren.

3 Das Anhängen und Nachschleppen von Ästen usw. ist verboten, ebenso das Loslassen von Lenkstange und Pedal.

4 Art. 28, 29 und 31 sind analog anwendbar.

C. Im Verhältnis zum Fuhrwerk- und Fussgängerverkehr.

Art. 35.

Vorfahrregel Die Fahrzeuge ohne motorischen Antrieb haben den Motorfllr Fuhrwerke, fahrzeugen, welche die Absicht, vorzufahren, kundgeben, dies durch sofortiges Reehtshalten zu ermöglichen. Sie sind nachts mit Licht zu versehen.

Art. 36.

Verhältnis zum Der Verkehr auf den den Fussgängern vorbehaltenen Wegen Fussgänger. jst f ur Motorwagen und Motorräder verboten.

a Der Fussgänger hat die Fahrbahn der Strasse soweit tunlich für Fahrzeuge freizulassen.

l

III.

Kapitel.

Haftpflicht.

Art. 37.

Haftpflicht des 1. Wird durch den Gebrauch eines Motorwagens oder eines Halters.

Motorrades eine Person getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet der Halter des Fahrzeuges für den daraus entstehenden Schaden.

1

491 2

Der Halter wird von der Ersatzpflicht befreit, wenn er beweist : a. dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht, oder b. dass der Unfall durch grobes Verschulden des Geschädigten oder Dritter herbeigeführt wurde.

Die Ersatzpflicht wird ermässigt oder je nach Umständen wird ganz davon entbunden, wenn der Ersatzpflichtige beweist, dass ein leichtes Verschulden des Geschädigten oder eines Driften vorliegt.

c. dass das Motorfahrzeug ohne Verschulden des Halters von einem Dritten eigenmächtig gebraucht wurde. Dieser ist an Stolle des Halters haftbar.

Fahrer und Hilfsfahrcr gelten nicht als Dritte.

2. 1 Wenn der Halter den Schaden schuldhaft neben dem Geschädigten oder neben einem Dritten verursacht hat, so finden die Bestimmungen des Obligationenrechtes über unerlaubte Handlungen Anwendung.

2 Fahrer und Hilfsfahrer gelten nicht als Dritte.

3. 1 Dio Haftung für den Schaden, den Fahrer, Hilfsfahrer oder beförderte Personen, sofern deren Beförderung nicht gemäss Transportvertrag erfolgt, erleiden, sowie für Beschädigung von beförderten Sachen, soweit sie nicht Personen gehören, die entgeltlich befördert werden, wird durch die Vorschriften des Obligationenrechtes über imerlaubte Handlungen bestimmt.

2 Für das entgeltlich beförderten Personen gehörige beschädigte Gepäck wird die Haftung durch das Transportrecht bestimmt.

Art. 38.

1 Auf den Rückgriff des haftpflichtigen Halters gegen Fahrer, Rückgriff des Hilfsfahrer und andere Personen, die aus unerlaubter Handlung Halters, oder aus andern Rechtsgründen für denselben Schaden haften, rinden die Art: 50 und 51 O. R. entsprechende Anwendung.

2 Das gleiche gilt, wenn ein Schaden einem von mehreren am gleichen Unfall beteiligten Fahrzeughaltern entstanden ist, von der Haftpflicht der mehreren Fahrzeughalter gegeneinander.

3 Die Rückgriffsrechte des versicherten Halters im Sinne dieses Artikels gehen auf den Versicherer bis zur Höhe seiner Leistungen über.

492 Art. 39.

1

Umfang des Art und Umfang des Ersatzes sowie die Verjährung des SchadenErsatzanspruches bestimmen sich nach den Vorschriften des ersa es. Obligationenrechtes über unerlaubte Handlungen.

2

Bei Haftung nach Transportrecht bestimmt dieses auch Art und Umfang der Haftung.

3 Triflt den Halter, seinen Fahrer, Hilfsfahrer oder eine andere Person, deren er sich zum Betriebe bedient, ein Verschulden, so kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände, namentlich in Fällen von Arglist oder grober Fahrlässigkeit, dem Verletzten oder, wenn dieser gestorben ist, dessen Angehörigen, auch abgesehen von dem Ersatz nachweisbaren Schadens, eine angemessene Geldsumme zusprechen.

4

In Fällen ungewöhnlich hohen Erwerbes des Getöteten oder Verletzten kann der Richter die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände angemessen ermässigen.

Art. 40.

Meldepflicht des Der Geschädigte soll sofort, nachdem er Kenntnis erhallen Geschädigten. jia^ bei welchem Versicherungsunternehmen der Haftpflichtige versichert ist, dem Unternehmen Mitteilung vom Unfall machen.

Art. 41.

Richterliches Ermessen.

Bei Streitigkeiten über Schadenersatzansprüche aus Art. 37 3g beurteilt der Richter die Tatsachen nach freiem Ermessen, ohne an die Beweisregeln der Prozessgesetze gebunden zu sein.

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Art. 42.

Fakultativer Schadenersatzklagen aus Art. 37 können beim Gerichte des Gerichtsstand Ortes, an dem sich der Unfall ereignet hat, angebracht werden, des Unfallortes.

wenn der Haftpflichtige nicht in der Schweiz wohnt.

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Art. 43.

Armenrecht.

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass den bedürftigen Klägern, wenn die Klage nach vorläufiger Prüfung sich nicht zum voraus als unbegründet herausstellt, die Wohltat des unentgeltlichen Rechtsbeistandes gewährt und Gerichtsgebühren, Stempeltaxen, Zeugen- und Expertenkosten und Kautionen erlassen werden.

494

·

b. wer ein Motorfahrzeug führt nach dem ihm bekannt gegebenen Entzug der Führerbewilligung; c. wer die ihm entzogene Führerbewilligung oder den entzogenen Kontrollschild auf Aufforderung hin nicht an die Behörde abgibt.

* Der nämlichen Strafe verfällt der Halter eines Motorfahrzeuges, welcher dieses durch jemanden führen lässt, der keine Führerbewilligung besitzt oder dem sie entzogen worden ist.

3 In schweren Fällen oder bei Rückfall ist die Strafe Haffe bis zu einem Monat.

Art. *49.

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Gebrauch Mit einer Busse bis zu Fr. ÌOOO oder mit Haft bis zu zweï unrichtiger Monaten wird bestraft, wer, um sich der Kontrolle zu entziehen : Kontrollschilder.

a. ein Motorfahrzeug oder Fahrrad, für das kein Kontrollschild von der zuständigen Behörde abgegeben wurde, mit einem diesen Kontrollschild vortäuschenden Abzeichen versieht;, b. ein Motorfahrzeug oder Fahrrad mit einem andern als dem ihm von der zuständigen Behörde ausgehändigten Kontrollschild versieht; c. den richtigen Kontrollschild ändert, wegnimmt oder unleserlich macht.

2 Der gleichen Strafe verfällt, wer sich eines Motorfahrzeuge» bedient, von dem er weiss, dass sein Kontrollschild einen der in Absatz l aufgeführten Mängel aufweist.

3 In schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis bis zu zwei Monaten.

4 Die Vorschriften des gemeinen Rechtes über Betrug und Fälschung finden auf die Obigen Tatbestände keine Anwendung.

Art. 50.

Fahren ohne Der Fahrer, der ohne Kontrollschild fährt, wird mit BusseKontrollschild, bis zu Fr. 200 bestraft.

Art. 51.

Meldepflicht Die zuständigen kantonalen Entzugsbehörden sind verpflichtet, 1er zuständigen die Behörde, "welche den Entzug der Führerbewilligung im Einzelkantonalen faii verfügen kann, von jeder strafbaren Handlung in Kenntnise ' n< zu setzen, welche zu einem solchen Entzug Anlass geben könnte*

495 V* Kapitel.

Abgrenzung eidgenössischer und kantonaler Kompetenzen.

Art. 52.

Die Benützung der Strassen im Dienste des Bundes ist für Strassenbenlltzung Im jede Art von Fahrzeugen jederzeit frei.

Dienste des

Bundes.

Art. 53.

Dem Bundesrat steht die Befugnis zu, auf dem Verordnungs- Durchgangswege bestimmte, für den allgemeinen Durchgangsverkehr not- strassen.

wendige Strassen nach Fühlungnahme mit den Eantonsregierungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr in vollem oder beschränktem Umfange offen zu erklären. Soweit dies nicht der Fall ist, haben die Kantone das Recht, auf ihrem Gebiete den Motorfahrzeug- und Fahrrad verkehr örtlich zu beschränken oder zu untersagen. Ebenso sind sie befugt, für den Sonntag und fürdie Zeit von Alpauftrieb und -entladung zeitliche Beschränkungen aufzustellen, für welche die Genehmigung des Bundesrates notwendig ist.

Art. 54.

Der Bundesrat kann auf dem Verordnungswege den Kantonen Gebühren und Maximalbeträge für die Bewilligungstaxen, für Gebühren, Abgaben Steuern, und Spezialsteuern auf Motorfahrzeuge und Fahrräder vorschreiben.

2 Die Steuern sind pro rata temporis zu erheben.

3 Die Erhebung von kantonalen Durchgangsgebühren ist untersagt.

4 Die allfällige Erhebung von Eintrittsgebühren auf ausländische Motorfahrzeuge bleibt dem Bunde vorbehalten.

5 Die Besteuerung ausländischer Motorfahrzeuge durch die Kantone ist nur gestattet, wenn jene mehr als 3 Monate in der Schweiz verbleiben. Die Besteuerung eidgenössischer Motorfahrzeuge ist nur gestattet, wenn sie regelmässig auch ausserdienstlich gebraucht werden. Sie erfolgt pro rata temporis.

6 Eidgenössische Fahrräder sind abgabenfrei.

1

Art. 55.

Sofern aus dem Motorfahrzeugverkehr künftige Bundesein- Subventionahmeu geschaffen werden, welche kraft Gesetzes zu Subventionen nierung von an die Erstellung, die Verbesserung und den Unterhalt von dem Autostrassen.

Automobilverkehr dienenden Strassen bestimmt sind, wird sie der Bund in erster Linie für die dem Durchgangsverkehr dienenden Strassen verwenden. Die Beiträge, bei deren Bemessung das Autostrassennetz und die Finanzkraft des Kantons zu berücksichtigen sind, können von dem Masse abhängig gemacht werden, in welchem der Kanton seine Spezialeinnahmen aus Motorfahrzeugen' für den Strassenunterhalt verwendet.

496 VI. Kapitel.

Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Ausführungserlasse.

Art. 56.

Der Bundesrat wird die zur Ausführung dieses Gesetzes nötigen Vollziehungsverordnungen erlassen.

2 Die Kantone werden die im gegenwärtigen Gesetze vorgesehenen zuständigen Behörden bezeichnen und die Ausführungsbestimmungen im Rahmen ihrer Kompetenzen erlassen; für letztere wird die Genehmigung des Bundesrates vorbehalten.

1

Art. 57.

Unfälle durch Für Unfälle, die durch militärische Motorfahrzeuge herbeimilitärische geführt werden, haftet der Bund nach Massgabe dieses Gesetzes, Motorfahrzeuge.

sofern nicht das Bundesgesetz über die Militärversicherung Anwendung findet.

Art. 58.

Verhältnis zum Die dem Kranken- und Unfaüversicherungsgesetz unterstellten Kranken- und Betriebsinhaber haften für durch Motorfahrzeuge verursachte Un-, Unfallfälle ihrer bei der Anstalt in Luzern versicherten Angestellten und versicherungsArbeiter nicht gemäss den Bestimmungen dieses Gesetzes, vielgesetz.

mehr finden die Vorschriften des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes Anwendung. (Art. 128 und 129 des K. U. V. G.).

Nach bisherigem Recht zu beurteilende Unfälle und Übertretungen.

Art. 59.

Auf Unfälle und Übertretungen, die vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes vorkommen, finden die Art. 37 bis 51, 57 und 58 keine Anwendung.

Art. 60.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden alle entgegenInkrafttreten dieses Gesetzes. stehenden Bestimmungen von Bundes- und kantonalen Gesetzen und Verordnungen, ebenso die Automobilkonkordate vom 13. Juni 1904, 7. April 1914 und 29. Dezember 1921 aufgehoben.

2 In Kraft bleiben die Verordnungen, welche das militärische Kontrollwesen für Motorfahrzeuge regeln.

3 'Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

1

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr. (Vom 3. November 1922.)

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Jahr

1922

Année Anno Band

3

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45

Cahier Numero Geschäftsnummer

1672

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.11.1922

Date Data Seite

461-496

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