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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erstellung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes im Park ,,Mon Repos" in Lausanne.

(Vom 4. Januar 1922.)

Mittels Bundesbeschlusses vom 15. Juni 1910 wurde folgender zwischen dem eidgenössischen Departement des Innern namens der Eidgenossenschaft mit der Gemeinde Lausanne am 5. April 1910 abgeschlossene Vertrag genehmigt: Art. 1. Die Eidgenossenschaft tritt der Gemeinde Lausanne das gegenwärtige Bundesgerichtsgebäude auf dem Montbenon in Lausanne mit allen Rechten ab.

Art. 2. Dagegen überlässt die Gemeinde Lausanne der Eidgenossenschaft zum Bau des neuen Bundesgerichtsgebäudes eineParzelle der Liegenschaft ,,Mon Repos" im Halte von 17,500 m2 unter folgenden Bedingungen zu Eigentum : a. Die Gemeinde Lausanne ist verpflichtet, die Zufahrtsstrassen zu erstellen und zu unterhalten.

b. Die Parzelle B, welche auf dem Plane Prod'hom grün eingefasst ist, wird seitens der Gemeinde Lausanne zur Erstellung und Unterhaltung eines öffentlichen Parkes bestimmt.

Mit Ausnahme eines Musikpavillons und von Kiosken dürfen auf dieser Parzelle keine Neubauten errichtet werden.

Die auf Mon Repos bestehenden Gebäude mit ihren Dependenzen können immerhin zu derjenigen Verwendung bestehen bleiben, welche der Gemeinde Lausanne beliebt, vorausgesetzt dass diese Verwendung mit der Bestimmung des Restes der Liegenschaft harmoniert. Die Gebäude können verändert, weggeschafft oder erneuert werden, sofern dies ungefähr in den bestehenden Dimensionen geschieht.

5$ c. Auf den im Plane Prod'hom mit C und D bezeichneten Parzellen dürfen nur Villen in offener Bauart erstellt werden.

d. Auf Parzelle E des Planes Prod'hom wird ein Bauverbot errichtet, das sich jedoch nicht auf dekorative Gartenarchitekturenbezieht.

Art. 3. Die Eidgenossenschaft gelangt in den Besitz des ihr abgetretenen Terrains, sobald die Parzelle, welche sich Herr und Frau Perdonnet zu lebenslänglicher Nutzniessung vorbehalten haben, seitens der Gemeinde Lausanne so eingefriedigt ist, wie sich letztere gegenüber Herrn Perdonnet vertraglich verpflichtet hat..

Die Gemeinde Lausanne gelangt in den Besitz des jetzigen Bundesgerichtsgebäudes auf Montbenon, sobald das Bundesgericht im neuen Bundesgerichtsgebäude auf Mon Repos untergebracht sein wird.

Art. 4. Das Tauschgeschäft beruht auf folgender Rechnung :.

Die G e m e i n d e L a u s a n n e erwirbt das Gebäude auf Montbenon zum Preise von . . . Fr. 800,000 Für die Aufhebung dei- dortigen Servituten zahlt sie ,, 200,000und leistet an den Neubau einen Beitrag von . ,, 200,000> Zusammen Fr. 1,200,000 Die E i d g e n o s s e n s c h a f t zahlt für das auf Mon Repos zu erwerbende Terrain . . . ,, 800,000> so dass die Gemeinde Lausanne noch einen Betrag an die Eidgenossenschaft zu entrichten hat von Fr. 400,000 zahlbar bei Besitzergreifung des jetzigen Bundesgerichtsgebäudes auf Montbenon.

Bei Ratifikation dieses Vertrages durch die eidgenössischen Räte wurde der Bundesrat eingeladen, Pläne und Kostenberechnungen für den Neubau eines Bundesgerichtsgebäudes ausarbeiten zu lassen und bei den eidgenössischen Räten den Antrag auf Erstellung desselben einzubringen.

Am 20. Februar 1912 hat der Bundesrat das Departement des Innern (Baudirektion) beauftragt, unter den schweizerischen Architekten einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen zu einem neuen Bundesgerichtsgebäude zu veranstalten. Dieser hat im Laufe des Sommers 1913 stattgefunden. Auf den zur Einreichung der Projekte festgesetzten Termin (15. August 1913) konnten dem Preisgericht 83 Entwürfe unterbreitet werden ; 5»

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davon wurden gemäss dem Wettbewerbsprogramm mit einem Preise bedacht. Projekt Nr. 19, ,,Quo vadisa der Herren Prince & Béguin, Architekten in Neuenburg, erhielt den ersten Preis.

Das Preisgericht war der Auffassung, dass die Ausführung des erstprämiierten Projektes den Verfassern, Herren Prince & Béguin, übertragen werden sollte, um so mehr als diese sich durch ihre frühern baulichen Arbeiten als praktisch und künstlerisch auf der Höhe stehend erwiesen haben und somit die Eigenschaften .zur glücklichen Verwirklichung des Projektes besässen.

Das Departement des Innern war von dem Ergebnis des Wettbewerbes nicht voll befriedigt ; auch die Baukommission des Bundesgerichtes konnte dem erstprämiierten Entwurfe nicht ohne Vorbehalte zustimmen. Aus Billigkeitsgründen wurde den Herren Prince & Béguin Gelegenheit zur Ausarbeitung eines neuen Projektes gegeben. Nach erfolgter Aussprache zwischen den Projektverfassern und der Baudirektion unterbreiteten uns erstere unterm 30. April 1914 einen Entwurf, welcher aber vom Bundesgericht ·mit dem Ersuchen, eine andere Lösung zu suchen, beanstandet \vurde.

Nachdem die Architekten von den Aussetzungen und Wün·schen des Bundesgerichtes Kenntnis genommen hatten, machten sie uns Ende 1914 die Mitteilung, dass sie ein neues Projekt studierten und sich die Mitarbeit des Herrn Architekten Laverrière in Lausanne gesichert hätten. Das genannte Projekt kam uns im Januar 1915 zu, wurde aber im Mai des gleichen Jahres wieder zurückgezogen; im Oktober 1915 erhielten wir das umgeänderte neue Projekt sowie eine auf neuer Grundlage erstellte Projektskizze.

Aus verschiedenen Gründen blieb die Angelegenheit bis Februar 1917 ruhen, an welchem Zeitpunkt sämtliche uns unterbreiteten Projekte dem Bundesgerichte zur Prüfung und Vernehmiassung zugestellt wurden.

Nach Eingang des Berichtes des Bundesgerichtes im Juli 1917 hielten wir für angezeigt, die bis dahin eingelangten Projekte im Oktober 1917 einer Kommission von Sachverständigen zu unterbreiten und dieser verschiedene Fragen zur Beantwortung vorzulegen. Diese Kommission vereinigte sich zum erstenmal am 7. und 8. März 1918 in Lausanne. Nach Anhörung der Baukommission des Bundesgerichtes kam sie zum Schlüsse, dass das zuletzt eingereichte, auf neuer Grundlage ruhende Projekt den frühern in jeder Beziehung weit überlegen sei und dass die daran angebrachten Verbesserungen eine glückliche Lösung der

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gestellten Aufgabe seitens der Projekt Verfasser voraussehen lasso, so dass von der Veranstaltung eines zweiten Wettbewerbes Umgang genommen werden könne.

Die Expertenkommission anerbot sich, das Projekt nach erfolgter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Abänderungen nochmals überprüfen zu wollen.

Herr Jean Béguin verschied im Februar 1918. An seiner Stelle trat sein Sohn, Herr Jacques Béguin, als Teilhaber in die Firma Prince & Béguin ein.

Das umgeänderte Projekt wurde der Expertenkommission am 27. Februar 1919 neuerdings unterbreitet. Diese kam, wie die Baudirektion, zum Schlüsse, dass ausser einige» weitern Verbesserungen eine Verminderung des kubischen Inhalts des Gebäudes am Platze sei, wodurch die Baukosten herabgemindert werden könnten. Gleichzeitig konnte die Kommission mit Genugtuung feststellen, dass das neueste Projekt einen weitern Fortschritt bedeutete und es wahrscheinlich sei, dass die Architekten alle ferneren Schwierigkeiten überwinden würden.

Eine von der Baudirektion ausgearbeitete Projekt variante, welche den von der Expertenkommission vorgeschlagenen Verbesserungen Rechnung trug, wurde nebst den bisherigen Projekten anlässlich einer Sitzung in Lausanne vom 7. Juni 1919, an welcher die Baukommission des Bundesgerichts, die Verfasser des prämiierten Projektes und die Baudirektion vertreten waren, besprochen.

Am 25. Juli 1919 teilte uns das Bundesgericht seine Ansichten mit. Es kam dabei zum Schlüsse, dass es sich, mit Ausnahme einzelner Beanstandungen, mit der Verteilung der Räume einverstanden erklären könne, dagegen namentlich die Architektur der Fassaden, die ihm unpassend erscheine, ablehnen müsse.

Wir ersuchten darauf die Herren Prince & Béguin und Laverrière, ihr letztes Projekt mit der Baukommission des Bundesgerichtes nochmals zu besprechen, nachdem sie die von dieser geäusserten Abänderungsvorschläge soviel als möglich berücksichtigt haben würden.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 1919 erstattete uns das Bundesgericht über die stattgefundene Besprechung Bericht und teiltt uns gleichzeitig diejenigen Änderungen, welche im Interesse eines guten Dienstbetriebes von den Architekten noch berücksichtige werden sollten, mit. Gestützt auf diesen Bericht wurden hierauf die Herren Prince & Béguin und Laverrière mit der Ausarbeitung des Ausführungsprojektes mit approximativer Kostenberechnung

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beauftragt und ihnen möglichste Berücksichtigung der Wünsche des Bundesgerichtes anempfohlen.

Dieses Projekt, welches uns unterm 18. Oktober 1919 zugekommen ist, entsprach nach unserm Dafürhalten allen Anforderungen an ein Bundesgerichtsgebäude.

Da jedoch inzwischen die finanziellen Verhältnisse des Bundes wesentlich ungünstigere geworden waren, konnten wir uns nicht entschliessen, Ihnen die Bewilligung einer Ausgabe von Fr. 9,500,000 zu beantragen. Dieser hohe Betrag des Kostenvoranschlages war in der Hauptsache nicht eine Folge der wiederholten Umgestaltung des Projektes, sondern der inzwischen gewaltig gesteigerten Preise der Baumaterialien und Arbeitslöhne. In Anbetracht der gegenwärtigen Finanzlage musste die Herabminderung der Kosten auf dem Wege der Reduktion der Abmessungen des Baues zu erreichen gesucht werden.

Wir ersuchten deshalb das Bundesgericht mit Schreiben vom 9. März 1920, das Bauprogramm für das Bundesgerichtsgebäude im Sinne einer Reduktion der Räume und der Ausmasse, sowie unter Berücksichtigung der künftigen Bedürfnisse des Gerichtes und der gegenwärtigen schwierigen Lage einer Revision zu unterziehen.

In seinem Antwortschreiben vom 29. März 1920 vertrat das Bundesgericht die Ansicht, dass die Aufstellung des Bauprogrammes vom 1. März 1913 einerseits auf der Organisation der Bundesrechtspflege, wie sie durch das Organisationsgesetz von 1911 gegeben war, anderseits auf der Annahme von Änderungen in der Zuständigkeit und der Organisation des Bundesgerichtes, wie sie die nähere und fernere Zukunft bringen möchten, beruhte.

Letztere sei dadurch berücksichtigt worden, dass man eine Erweiterungsmöglichkeit in das Bauprogramm aufgenommen habe, die in dem letzten Entwurf aber beiseite gelassen worden sei.

Die Mehrbedürfnisse einer nähern Zukunft müssten geschätzt werden, da eine sichere Grundlage weder für die Gestaltung der Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit, noch für die Strafgerichtsbarkeit bestehe. Diese Ausgangspunkte für die Aufstellung des Bauprogramms hätten sich seither nicht verändert. Die Kompetenzen und die Organisation seien die nämlichen geblieben,, es könne höchstens gesagt werden, dass die Zahl der Geschäfte eher eine steigende Tendenz zeige. Anderseits sei noch nicht sicher, in welchem Umfange durch die Einrichtung einer Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit. und durch die Vereinheitlichung des Strafrechtes dem Bundesgerichte neue Zuständig-

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keiten zugewiesen werden und welche vermehrten Raumbedtlrfnisse dies zur Folge habe. Es sei deshalb zurzeit nicht möglich, bei der Aufstellung eines Bauprogrammes von einer andern Grundlage auszugehen als damals, und es scheine ihm ausgeschlossen, dass auf dieser Grundlage hinsichtlich des Raumbedürfnisses und des Ausmasses eine irgendwie erhebliche Reduktion eintreten könnte, während allerdings vielleicht die Art der Ausführung eine Ersparnis zuliesse. Nun dürften aber in nicht allzuferner Zeit die Fragen, wie weit die Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit und die Strafrechtspflege die Organisation des Bundesgerichts beeinflussen, ihre Lösung finden. Ebenso werde sich wohl in der gleichen Frist entscheiden, ob in der Ordnung der Zivilrechtspflege Änderungen eintreten, die für die Kompetenzen und den Bestand des Gerichts von Bedeutung seien. Nach Abklärung dieser Fragen werde sich das Raumbedürfnis sicherer bestimmen lassen als gegenwärtig, wobei es nicht ausgeschlossen sei, dass sich eine Reduktion des Bauprogramms hinsichtlich der Räumlichkeiten und des Ausmasses erzielen Hesse. Es sei deshalb zu erwägen, ob nicht mit der Feststellung eines neuen Bauprogramms bis dahin zugewartet werden sollte. Vom Standpunkte des Bundesgerichtes aus stünde dem nichts entgegen, da es das jetzige Bundesgerichtsgebäude so ausgenützt und eingerichtet habe, dass es den gegenwärtigen Bedürfnissen des Betriebes, wenn auch knapp, genüge.

In seiner Botschaft vom 30. Dezember 1897 hat der Bundesrat angeführt, ,,dass die im jetzigen Bundesgerichtsgebäude bestehenden Platzverhältnisse voraussichtlich in einigen Jahren unhaltbar werden". Da das Bundesgericht in seinem zuletzt genannten Schreiben von der eventuellen Verschiebung der Erstellung eines Neubaues auf umbestimmte Zeit Erwähnung getan hatte, fassten wir diese Möglichkeit ebenfalls ins Auge und Hessen die Folgen einer solchen Hinausschiebung im Hinblick auf den zwischen der Eidgenossenschaft und der Gemeinde Lausanne abgeschlossenen Vertrag prüfen.

Wie wir eingangs erwähnten, wurde das gegenwärtige Bundeagerichtsgebäude mittels des durch Bundesbeschluss vom 15. Juni 1910 genehmigten Vertrags der Gemeinde Lausanne, als teilweisem Gegenwert des von der letztern dem Bunde zur Verfügung gestellten Bauterrains für das neue Bundesgerichtsgebäude abgetreten. Zur
fernem Beibehaltung des jetzigen Gebäudes für das Bundesgericht hätte es somit einer neuen Vereinbarung mit der Gemeinde Lausanne bedurft.

Wir setzten uns deshalb durch Vermittlung des> Departements

58 des Innern mit der Gemeindebehörde Lausanne und mit demStaatsrat des Kantons Waadt, welcher ebenfalls am Vertrage vom5. April 1910 beteiligt ist, in Verbindung.

Mit Schreiben vom 21. Februar 1921 überreichte die Gemeindebehörde von Lausanne als Antwort auf unsere bezüglicheAnfrage dem Vorsteher des Departements des Innern ein Rechtsgutachten des Herrn Spiro, Fürsprecher in Lausanne, dessenSchlussfolgerungen in der Übersetzung folgendermassen lauten : 1. Die Gemeinde Lausanne hat alle ihr laut Vertrag vom.

5. April 1910 vereinbarten Obliegenheiten erfüllt; dagegen hat sich die Eidgenossenschaft darauf beschränkt, Projekte zu einem Bundesgerichts-Neubau aufstellen und prüfen zu lassen, ohne an deren Verwirklichung zu schreiten, wozu sie rechtlich und moralisch verpflichtet war.

2. Die der Gemeinde Lausanne aus der Einhaltung dea Vertrages bis heute erwachsenen Auslagen belaufen sich auf Fr. 4,800,000.

3. Der Gemeinde Lausanne erwächst aus der von der Eidgenossenschaft verursachten Verzögerung in der Ausführung ihrervertraglichen Verpflichtungen ein grosser materiellerund moralischerr Nachteil.

4. Das Ableben der Frau Perdonnet verschärft die Angelegenheit von neuem.a (Frau Perdonnet hatte als Witwe des Vorbesitzers das Recht, auf lebenslängliche Nutzniessung des untern Teiles der Besitzung, von Mon Repos.)

In genanntem Schreiben bittet die Gemeindebehörde von Lausanne den Bundesrat inständig, den Vertrag vom 5. April 1910* zu erfüllen und mit dem Bau des neuen Bundesgerichtsgebäudesauf Mon Repos möglichst bald zu beginnen. Die Frage der Aufhebung des Vertrages könne nicht mehr ins Auge gefasst werden,, nachdem sie zur Erfüllung desselben so grosse Verpflichtungen auf sich genommen habe.

Nachdem die Gemeinde Lausanne den Vertrag erfüllt hat und zu dessen Aufhebung nicht Hand bieten kann, müssen wir feststellen, dass der Bund nicht nur die moralische, sondern vielmehr noch die rechtliche Pflicht hat, sich ebenfalls an die vertraglichen Verpflichtungen zu halten, da er sonst der Gemeinde Lausanne eine so beträchtliche Entschädigung zu entrichten haben würde, dass die Erstellung eines neuen Bundesgerichtsgebäudesim Park Mon Repos nur unwesentlich höhere Auslagen zur-

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Folge haben dürfte. Anderseits ist die Ausführung der Vertragsbestimmungen infolge des Ablebens der Nutzniesserin der Besitzung Mon Repos dringend geworden. Der Kanton Waadt seinerseits hat mit der Ausführung eines mit der Gemeinde Lausanne abgeschlossenen Vertrages begonnen, nach welchem er das gegenwärtige Bundesgerichtsgebäude gegen ein ihm gehörendesGebäude abtauscht.

Unter diesen Umständen hielten wir die weitere Hinausschiebung der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen nicht für tunlich. Die finanzielle Lage des Bundes legt es jedoch nahe,, die Baukosten möglichst niedrig zu halten und vorläufig nur diejenigen Räume zu beschaffen, die für die gegenwärtigen Betriebsbedürfnisse des Bundesgerichtes unumgänglich nötig sind und auchmit den Massen und in der Ausstattung dieser Räume innerhalb' bescheidener Grenzen zu bleiben. Immerhin soll die allgemeine Anlage so gestaltet werden, dass sie später, wenn sich das Bedürfnisnach einer Raumvermehrung einstellen sollte, in organischer Weise erweitert werden kann.

In diesem Sirine wurde hierauf vom Departement des Innern, ein reduziertes Bauprogramm aufgestellt und die Herren Architekten Prince & Béguin und Laverrière beauftragt, Skizzen zu einem neuen Projekte auszuarbeiten.

Da diese Skizzen unseres Erachtens den vorstehend erläuterten Gedanken entsprachen und die Kosten, approximativ auf.

Fr. 7,500,000 veranschlagt, gegenüber dem frühern Projekt eine Reduktion von 2 Millionen Franken ergaben, unterbreiteten wir diese Skizzen mittels Schreiben vom 26. April 1921 dem Bundesgericht zur Prüfung und Ansichtsäusserung.

Mit Zuschrift vom 26. Mai 1921 gab das Bundesgericht seineKritik über die in den Projektskizzen niedergelegten Baugedanken, bekannt: Es könne sich weder mit der architektonischen Lösung noch mit der Ansicht befreunden, dass in dem neuen Gebäudegerade nur den jetzigen Bedürfnissen des Gerichtes Rechnung getragen werde ; dagegen erklärt es sich mit den neugewählten Dimensionen der Bureaux für die Richter und Gerichtsschreiber einverstanden.

Durch mündliche Verhandlungen gelang es unserer Baudirektion, dem grössten Teil der über die innere Einteilung gemachten' Aussetzungen durch neue Anordnungen zu begegnen, ohne vender einmal als zweckmässig und architektonisch richtig befundenenGrundrissdisposition etwas preisgeben zu müssen.

Auf Grund der gemeinsam bereinigten Projektskizzen wurde-

«o ·dann von den Herren Prince & Béguin und Laverrière ein neues Bauprojekt ausgearbeitet, welches uns am 1. August 1921 mit ·einem detaillierten Kostenvoranschlag im Betrage von Fr. 7,500,000 augestellt wurde.

Da'uns auch dieses Projekt noch besonders in den hintern ·Gebäudeteilen reduktionsfähig erschien, ermächtigten wir mit Beschluss vom 20. September 1921 das Departement des Innern, eine weitere Reduktion der Dimensionen herbeizuführen in der Weise, dass der Kostenbetrag unter der Summe von 7 Millionen Franken gehalten werden könne.

Bevor dieser Auftrag zur Abänderung des Projektes vom 1. August 1921 erteilt wurde, fand es das Departement des Innern für angezeigt, dieses Projekt nochmals sowohl der Expertenkommission als der Baukommission des Bundesgerichtes zu unterbreiten.

Diese Verhandlungen fanden am 21. Oktober 1921 in Lausanne statt. Nach einer Besichtigung des Bauplatzes, auf welchem mittels Baugespann die Lage und Dimensionen des projektierten Gebäudes ersichtlich gemacht sind, erklärten die Experten, dass sie sich glücklich schätzen, dass ihre im Jahre 1918 gemachten Vorschläge so gut verwertet worden seien. Sie waren einstimmig ·der Ansicht, dass die in den Plänen vorgesehene Situation des neuen Bundesgerichtsgebäudes, welche gleichzeitig der allgemeinen Lage des Bauplatzes, den Zufahrtsstrassen und dem Charakter des umgebenden Parkes Rechnung trägt, nicht besser gewählt werden könnte.

Die Notwendigkeit, die Baukosten herabzumindern, hatte ·eine vollständige Umarbeitung des rückwärtigen Gebäudeteiles zur Folge, wodurch das Projekt etwas von seiner organischen Einheit verlieren musste. Das Gebäude musste in zwei Teile geteilt werden, deren einer hinter den andern zu stehen kommt.

Diese Disposition bietet aber den doppelten Vorteil bedeutender Ersparnisse und besserer Anpassung an das abschüssige Bauterrain.

Die Experten beglückwünschen die Architekten dazu, dass ·sie unter dem Drucke der Notwendigkeit eine so befriedigende Lösung gefunden haben ; sie sind mit der Baudirektion der Ansicht, dass eine weitere Reduktion der Dimensionen, welche in ·den rückwärtigen Gebäudeteilen proportional vorzunehmen wäre, möglich ist.

61 Die Experten machten dann zuhanden der Architekten eine Reihe von Anregungen, sowohl in bezug auf die Anordnung der Bäume als auf die architektonischen Einzelheiten der Fassaden und des Innern, welche nun im endgültigen Projekt soviel als tunlich verwertet wurden.

Bei der gemeinsamen Sitzung der Experten mit der Baukommission des Bundesgerichtes konnte der letzteren auf alle geäusserten Fragen eine befriedigende Antwort erteilt werden, so dass in den Fragen der inneren Einteilung, auf deren Prüfung sich das Bundesgericht beschränkt, zwischen beiden Kommissionen eine Einigung erzielt wurde.

Das endgültige Projekt vom 1. November 1921 sieht nun folgende Räume vor: I. Im Kellerg eschoss (Höhe im Lichten 3,so m).

Bezeichnung Bezeichnung

Archiv Depot Kohlenraum Zentralheizung Keller Waschküche Nutzbare Räume im Keller

der

Zahl

Räume

Gesamtflächeninhalt m2

5 2 l l 6 2

257 82 206 137 184 105

17

971

II. Erdgeschoss (Höhe im Lichten 8,30 m).

Depot Vervielfältigungs- und Schreibmaschinen Bureau d e r Archivbeamten . . . .

Archiv Postbureau Hauswartloge Hauswartwohnung Lokal f ü r Betreibungsformulare . . .

Velogarage Magazine für den H a u s d i e n s t . . . .

Reparatur werkstätte Nutzbare Räume im Erdgeschoss Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. I.

'

2 l l l l l 5 l l 2 l

50 45 55 114 28 36 97 106 32 35 32

17

630 5

62

III. Zwischenstock (Höhe im Lichten 8,50 m).

Zahl der Rä||me

p.,.-rf.

...» Bezeichnung

Kasse . . . . . . . . . . . .

Kanzlei Registratur Gerichtsschreiber

l l l 11

Gesamtflächeninha|t m2

19 114 28 284 zu je ca. 26 m2

Zeitschriften Magazin für den Hausdienst . . . .

Weibel Reparaturwerkstätte Disponibel

l l l l l

76 22 35 42 16

Nutzbare Räume im Zwischenstock

19

636

IV. Im I. Stock (Höhe im Lichten bei den Audienzsälen 7 m, übrige Räume 3,so m).

Richter 18 548

2 zu ca. 45 ma 2 ,, . 35 ,, H ,, ,, 28 ,,

Grosser Kommissionssaal Kleiner ,, Grosser Audienzsaal Kleine Audienzsäle . .

. . . .

Beratungszimmer

l l l 2 2

Telephonzentrale Weibelzimmer Parteien Garderobe Anwälte Nutzbare Räume im I. Stock

l l l l l 30

88 50 160 170

je 85 m2

71

je 35,5 m2

7,6 22 26 7,5 22 1172

F. Im II. Stock (Höhe im Lichten 3,so m, Lesezimmer der Richter 7 m).

Richter 11 340 Gerichtsschreiber 5 138

zu je ca. 28 m!

Übertrag

~Ï6

478

63 Bezeichnung [Bezeichnung

Bibliothek.

Übertrag Lesezimmer für die Richter . . . .

Bibliothekgehilfe Lesezimmer für das Publikum . . .

Nutzbare Räume im II Stock

Zahl der Räume

Gesamtflächeninhalt m2

16 l l

478 99 44 50 671

l 19

VI. Im Dachstock (Höhe im Lichten 3,so m).

Büchermagazine der Bibliothek . . .

Reservelokale Hausdienst Nutzbare Räume im Dachstock

5 4 10 19

293 237 135 665

Zusammenstellung.

Zahl der Räume

I.

H.

m.

IV.

V.

VI.

Keller Erdgeschoss Zwischenstock I. Stock H. ,, Dachstock

Fläche m3

17 971 17 630 19 636 30 1172 19 671 19 665 Total 121 4745 nebst den nötigen Gängen, Vorplätzen, Treppen und Aborten.

Zum Vergleich mit dem gegenwärtigen Bundesgerichtsgebäude mag erwähnt werden, dass die direkt nutzbaren Räume des letztern einen Gesamtflächeninhalt von 2650 m 2 haben.

Wir sind der Überzeugung, dass die im letzten Projekt vorgesehenen Räume, sowohl was die Zahl als was die Grosse anbelangt, den gegenwärtig überblickbaren Betriebsbedürfnissen des Bundesgerichts in weitgehendem Masse genügen.

Was die Zukunft anbetrifft, gestattet die Grundrissdisposition des vorliegenden Projektes überdies eine ganze Reihe von verschiedenen Erweiterungen grössern oder kleinern Umfanges, je nach den eintretenden Bedürfnissen. Alle diese Anbauten können überdies ausgeführt werden, ohne dass an der jetzt vorgesehenen Hauptfassade und an den vor der letztern projektierten Anlagen etwas verändert zu werden braucht und dadurch der Betrieb des

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Bundesgerichts zu leiden haben würde. Es wird so unseres Erachtens den später zu erwartenden Bedürfnissen in weitgehender Weise Rechnung getragen, ohne dass man zu Ausgaben genötigt ist, deren späterer Nutzen zurzeit noch fraglich erscheint.

Der maximale Flächeninhalt der so erreichbaren spätem Vergrösserungen kann auf zirka 1400 m2 geschätzt werden, also zirka 30 % der zur sofortigen Ausführung vorgesehenen Räume.

Im übrigen geben die Pläne über alle Einzelheiten die gewünschte Auskunft.

Zur Feststellung der Baukosten wurde eine detaillierte Kostenberechnung aufgestellt, welche für die verschiedenen Bauarbeiten folgende Ziffern ergibt: 1. Erd- und Maurerarbeiten Fr. 3,000,000 2. Eisehbetonarbeiten ,, 590,000 3. Zimmerarbeiten ,, 80,000 4. Spengler- und Dachdeckerarbeiten . . . . ,, 130,000 5. Sanitäre Anlagen ,, 170,000 6. Kanalisation .

,, 25,000 7. Entstaubungsanlage ,, 30,000 8. Zentralheizungsanlage ,, 270,000 9. Schreinerarbeiten und Beschläge . . . . ,, 610,000 10. Bodenbeläge ,, 100,000 11. Fenster und Rolläden ,, 1,760 12. Stören . ,, 28,700 13. Schlosserarbeiten ,, 150,000 14. Aufzug ,, 22,500 15. Gipser- und Malerarbeiten . . : . . . ,, 320,000 16. Glaserarbeiten ,, 56,700 17. Beleuchtung ,, 129,000 18. Sonnerie und Telephon ,, 30,000 19. Umgebungsarbeiten ,, 300,000 20. Verschiedenes ,, 250,000 21. Bauleitung ,, 300,250 22. Spezielle Bauaufsicht ,, 40,000 23. Unvorhergesehenes, zirka 6 °/o der Posten 1-20 ,, 366,090 Total Baukosten Fr. 7,000,000 Für die Aufstellung des Kostenvoranschlages war wegleitend, dass das Bundesgerichtsgebäude, wenn auch im allgemeinen einfach gehalten, doch in den verwendeten Materialien, besonders bei den Fassaden des Vordergebäudes, einen monumentalen Cha-

65 rakter zeigen soll, welcher der Bedeutung des Bundesgeiichtes entspricht.

Das Gebäude weist nach dem vorliegenden Projekt einen Kubikinhalt auf von 55,200 mB. Nach Abzug des für die Umgebungsarbeiten eingesetzten Betrages von Fr. 300,000 ergibt sich ein Durchschnittspreis des Gebäudes von Fr. 121 per Kubikmeter umbauten Raumes, welcher dem heute geltenden Preisansatz für Monumentalbauten bescheidener Art entspricht.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen den nachfolgenden Beschlussesentwurf zur Annahme. Wir glauben, dass dies für die Eidgenossenschaft auch die beste Lösung sei, um eine gegenüber der Gemeinde Lausanne bestehende Verpflichtung zu erfüllen. Die Ausführung dieses Projektes würde uns zugleich ermöglichen, einer grossen Zahl von Bauarbeitern aller Arbeitsgattungen eine in gegenwärtiger Zeit so sehr notwendige Arbeitsgelegenheit zu schaffen.

Wir benutzen den Anlass, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Januar 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler :

Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Erstellung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes im Parke ..Mon Repos« in Lausanne.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Januar

1922, beschliesst: Art. 1. Zur Errichtung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes im Parke ,,Mon Repos" in Lausanne wird dem Bundesrate ein Kredit von Fr. 7,000,000 bewilligt.

Art. 2. Dieser Beschluss tritt, weil nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 3. Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erstellung eines neuen Bundesgerichtsgebäudes im Park ,,Mon Repos" in Lausanne. (Vom 4. Januar 1922.)

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Foglio federale

Jahr

1922

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

02

Cahier Numero Geschäftsnummer

1542

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.01.1922

Date Data Seite

52-66

Page Pagina Ref. No

10 028 199

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