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1644 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine ausserordentliche Bundeshilfe für die schweizerische Viehhaltung.

(Vom 25. September 1922.)

Verschiedene Interpellationen und Postulate haben Anlass gegeben, die wirtschaftliche Krisis, von der auch die schweizerische Landwirtschaft seit Mitte des letzten Jahres in steigendem Masse heimgesucht wurde, in der Bundesversammlung näher zu erörtern.

Es sei an die Behandlung der Interpellationen von Herrn Nationalrat Perrier vom 18. Oktober 1921, von Herrn Ständerat Dr. Savoy vom 22. Januar 1922, sowie an das Postulat von Herrn Nationalrat Bürgi vom 28. Dezember 1921 in den Eäten erinnert.

Zwei wichtige landwirtschaftliche Produktionszweige, die Milchwirtschaft und der Getreidebau, sind seither einer ausserordentlichen Unterstützung des Bundes teilhaftig geworden.

Durch den Bundesbeschluss vom 7. April 1922 betreffend die Hilfsaktion für die schweizerischen Milchproduzenten wurde dem Bundesrat ein weiterer Kredit bis zu 20 Millionen Franken bewilligt, nachdem die schon anfangs Februar vom Bundesrat angeordnete Eückerstattung der Gewinnanteile des Bundes an der schweizerischen Käseunion im Betrage von 12,3 Millionen Franken sich als unzureichende Sanierungsmassnahme erwiesen hatte. Dadurch konnte die über die schweizerische Milchwirtschaft hereingebrochene, ausserordentlich heftige Krisis gemildert und aufgehalten werden. Die Milchpreise, die Ende des letzten Jahres durchschnittlich noch 35--36 Rappen pro Kilogramm für die Produzenten betrugen, mussten, in Anpassung an die allgemeine Marktlage, bis 1. Mai 1922 allmählich auf 20--22 Eappen herabgesetzt werden. Dieser Preissturz von 40--45 % auf dem wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnis war ein schwerer Schlag für die schweizerische Landwirt-

228 Schaft. Inzwischen haben sich die Verhältnisse auf dem Milch- und Milchproduktenmarkt etwas gebessert. Die derzeitigen Milch'preise in der Schweiz stehen mit der allgemeinen Marktlage im Einklang und unsere hauptsächlichsten Milcherzeugnisse, Käse und auch Kondensmilch, sind bei den gegenwärtigen Gestehungskosten auf ·dem Weltmarkte wieder konkurrenzfähig geworden. Da die Krisis auf dem Käsemarkte im Verlaufe des Sommers nicht ganz in dem Masse zur Auswirkung gekommen ist, wie im zeitigen Frühjahr befürchtet werden musste, wird der bewilligte Kredit von 20 Millionen Franken voraussichtlich nur zu etwa 2/s, höchstens 8/4, beansprucht werden müssen.

Durch den Bundesbeschluss vom 1. Juli 1922 betreffend die Förderung des inländischen Getreidebaues werden für das inländische Brotgetreide der Ernten 1922 bis 1924 Preise gesichert, die dem Getreidebau förderlich.sind, zur Entlastung des Milchmarktes und damit zur Milderang der landwirtschaftlichen Krisis beitragen dürften.

Die zugunsten der Landwirtschaft getroffenen Massnahmen des Bundes vermochten, wie vorauszusehen war, die landwirtschaftliche Krisis wohl zu mildern, aber sie konnten nicht verhindern, dass nach und nach zahlreiche Landwirte in schwere finanzielle Bedrängnis kommen. Teilweise ungünstige Witterung, grosser Engerlingsschaden an landwirtschaftlichen Kulturen, sowie die schädlichen Nachwirkungen und Neuausbrüche von Maul- und Klauenseuche haben im laufenden Jahre die ökonomischen Ergebnisse zahlreicher Landwirtschaftsbetriebe und selbst ganzer Landesteile sehr ungünstig beeinflusst und damit zur Verschärfung der Notlage erheblich beigetragen.

In besonders schwierige Lage geraten in neuerer Zeit die Viehzüchter und Inhaber vorwiegend viehwirtschaftlicher Betriebe. Die Schlachtviehpreise, die nach Beendigung des Krieges schon verhältnismässig früh eine rückläufige Bewegung angenommen haben, gingen gegen Ende 1921 sturzartig zurück. Etwas später, namentlich beeinflusst durch die milchwirtschaftliche Krisis, setzte auch der Preisrückgang für Zucht- und Nutzvieh ein, der nun während den letzten Wochen, Hand in Hand mit weitern Preisrückgängen für grosses Schlachtvieh, eine geradezu katastrophale Wirkung auszulösen droht.

Verschiedene ungünstige Momente haben, sich gegenseitig unterstützend, diese für unsere Viehzucht und Viehmast so
ausserordentlich ungünstige Lage herbeizuführen vermocht.

Unter normalen Verhältnissen der Vorkriegszeit hat die Schweiz im Durchschnitt jährlich etwa 20,000 Stück Zucht- und Nutzvieh «xportiert. Während die Viehausfuhr nach Ausbruch des Krieges,

229 besonders 1915, stockte, nahm sie während den folgenden Jahren einen ungeahnten Aufschwung. Das Exportvieh wurde während des grossen Krieges nach und nach zu einer unserer wichtigsten Koinpensationswaren, die unserm Lande den Import lebenswichtiger Waren wesentlich erleichterten. 1916 erreichte die Viehausi'uhr mit 61,680 Stück "Rindvieh und 7394 Ziegen den Höhepunkt. In der Nachkriegszeit ist nun aber unsere Viehausfuhr wieder völlig ins Stocken gekommen. Sie betrug 1921 nur 1866 Stück Eindvieh.

Ziegen konnten überhaupt nicht mehr exportiert werden. Verschiedene Länder, nach denen unser Vieh hauptsächlich "ausgeführt wurde, müssen heute infolge der ungünstigen Valuta- und Wirtschaftsverhältnisse auf Bezüge verzichten. Während den zwei letzten Jahren fanden unsere Aufzuchtgebiete an Stelle des fehlenden Exportes befriedigende Absatzgelegenheit für ihre nach der Alpabfahrt überschüssigen Tiere in die vorwiegend Milchwirtschaft und Viehmast treibenden Landwirtschaftsbetriebe des schweizerischen Flachlandes.

Diesen Herbst wird nun aber auch diese Absatzgelegenheit teilweise fehlen. Milchproduktion und Viehmast sind selbst notleidend geworden. Die übrigen landwirtschaftlichen Betriebszweige des Flachlandes verzeichnen teilweise Fehlernten, wie der Getreidebau, oder ergeben wegen des grossen Preisrückganges stark verminderte Einnahmen. Es fehlen daher in vielen Fällen die Barmittel für den Ankauf erstklassiger Zuchttiere. Infolge des stockenden Schlachtviehabsatzes erfährt auch der Ersatz des auszumerzenden Nutz- und Zuchtviehes eine entsprechende Verzögerung. Hieraus resultiert aber wiederum eine flaue Nachfrage und rückläufige Preisbewegung für den ganzen Zucht- und Nutzviehmarkt. In einzelnen Gebieten hat überdies der Futterertrag, teils infolge ungünstiger Witterung, teils wegen Engerlingsfrass, einen grossen Ausfall erlitten. Auch die regnerische und kühle Witterung des Monats September hat den Futterwuchs sehr ungünstig beeinflusst. Während somit auf der einen Seite die Alpgebiete in gesteigertem Masse auf den Viehabsatz angewiesen wären, fehlen auf der andern Seite ein nennenswerter Viehexport und ausreichende Absatzgelegenheiten im Inlande. Es ist daher als feststehend anzunehmen, dass überschüssige Viehware im Lande vorhanden ist, die schwer und nur mit Verlust abgesetzt werden kann.
Nur ein milder, dem Graswuchs günstiger Herbst, der die Winterfütterung lange hinauszuschieben vermöchte, könnte diese Schwierigkeiten etwas mildern, wogegen sie im entgegengesetzten Falle entsprechend grösser werden.

Der Ankauf von Futtermitteln wird in zahlreichen Fällen notwendig, -um das für die normale Betriebsführung im nächsten Frühjahr erforderliche Vieh durchwintern zu können. Dazu fehlen aber Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

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230 vielen Viehbesitzern Geldmittel und Kredit. In solchen Fällen ist Hilfe geboten. Bleibt sie aus, so wird das überschüssige Vieh teilweise verschleudert. Dadurch wird aber wiederum das Angebot vermehrt, was abermals preisdrückend wirkt. Die von solchem Unglück betroffenen Viehbesitzer verfügen im nächsten Frühjahr nicht mehr über den für einen rationellen Betrieb notwendigen Viehstapel und damit fehlt dann eine der wichtigsten Voraussetzungen, um sich ökonomisch allmählich wieder erholen zu können. Solche Zustände würden aber nicht nur den ökonomischen Euin einzelner Betriebsinhaber zur Folge "haben, sondern auch die landwirtschaftliche Produktion dauernd schädigen und für unsere gesamte Volkswirtschaft schwerwiegende Nachteile zeitigen.

Je rascher das abgehende, für die Schlachtbank bestimmte Vieh abgenommen wird, um so mehr Futter werden die Besitzer für die durchzuwinternden Viehbestände zurücklegen können und um so eher werden sie in der Lage sein, auch Zucht- und Nutzvieh zuzukaufen.

Angesichts solcher Verhältnisse wurde der Import von Schlachtvieh und Fleisch schon im Verlaufe des Sommers allmählich eingeschränkt, eine Massnahme, die ohnehin nach viehseuchenpolizeilichen Erwägungen geboten war. Sollte der laufend.e Fleischbedarf des Landes nicht gross genug sein, um das für die Schlachtbank bestimmte inländische Vieh aufzunehmen, so könnte mit Unterstützung des Bundes die Schlachtung zur Herstellung von Fleischkonserven in Frage kommen. Diese wären im nächsten Jahr nach Beginn der Grünfütterung in den Konsum zu bringen, in einem Zeitpunkte, in dem voraussichtlich mit einer erheblichen Verminderung des Viehangebotes zu rechnen ist.

Besondere Massnahmen des Bundes zur Förderung des Viehexportes wurden durch verschiedene Eingaben aus Züchterkreisen angeregt. Die Angelegenheit wurde sodann in der Zeit vom Juni bis September wiederholt in Konferenzen beim Volkswirtschaftsdepartement eingehend besprochen.

Schon anlässlich der Behandlung der eingangs erwähnten Interpellationen und Postulate in den Bäten wurde vom Vertreter des Bundesrates die Geneigtheit ausgesprochen, den Viehexport bei sich bietender Gelegenheit nach Möglichkeit zu fördern. Man dachte · dabei zunächst an Kredit- und Kompensationsgeschäfte, wie sie zugunsten des Exportes von industriellen und gewerblichen Erzeugnissen in
einzelnen Fällen möglich waren. Es wurden in der Folge einzelne hierauf zielende Vorschläge wohl erörtert, aber zu bestimmten Projekten, deren Verwirklichung wahrscheinlich wäre, ist es bisher

231 nicht gekommen. Die Sache wird jedoch auch nach dieser Eichtung weiter zu verfolgen sein.

Aus Züchterkreisen wurde sodann die Verabfolgung von Beiträgen an die Kosten des Ankaufs und des Transportes von zu exportierenden Tieren vorgeschlagen, um dadurch die Ausfuhr anzubahnen und zugleich das Inlandsgeschäft zu beleben. Diese Massnahme wurde namentlich im Schosse der Kommission schweizerischer Viehzuchtverbände wiederholt behandelt. Diese Kommission, welche alle schweizerischen Viehzuchtverbände vertritt und sich aus deren Delegierten zusammensetzt, hat während des Krieges, im Einverständnis mit dem Volkswirtschaftsdepartement, das auf Grundlage von staatlichen Kompensationsabkommen zu exportierende Vieh im Inlande angekauft und zu den vereinbarten Preisen an das Ausland abgegeben. Dabei hat sie erhebliche Gewinne erzielt, weil in Rücksicht auf die Inlandsversorgung die Ankaufspreise gewisse Grenzen nicht überschreiten durften, wogegen die von der Kommission vereinbarten Exportpreise naturgemäss der allgemeinen Marktlage anzupassen waren. Von den erzielten Überschüssen hat die Kommission, über die Kriegsgewinn- und andern Steuern hinaus, an den Bund einen Gewinnanteil von Fr. 3,067,963. 25 abgeliefert, die vom Bundesrat dem eidgenössischen Viehseuchenfonds überwiesen worden sind. Die Kommission verwaltet heute aus den weitern Überschüssen zudem noch einen Betrag von rund l Million Pranken, über den sich der Bundesrat das Mitspracherecht vorbehalten hat. Hieraus wurden bisher, im Einvernehmen mit dem Volkswirtschaftsdepartement, die Kosten der Beschickung ausländischer Viehausstellungen bestritten und im weitern ist ein Betrag für die Durchführung von Leistungserhebungen für Rindvieh bestimmt worden. Im Einvernehmen mit dem Bundesrate verabfolgt nun die Kommission seit anfangs September 1922 aus diesem Fonds Beiträge zur Förderung des Viehexportes. Die Zuschüsse sollen in der Hauptsache zur Deckung der Ankaufs- und Transportkosten dienen. Sie sollen in keinem Falle mehr als 20 % des Ankaufspreises der Tiere betragen und dürfen beispielsweise für Zuchtstiere Fr. 250 und für Kühe Fr. 200 in keinem Falle überschreiten. Die Kommission sicherte diese Leistungen in der Annahme zu, dass seinerzeit eine Rückerstattung aus Bundesmitteln erfolge.

Diese Massnahme zur Förderung des Exportes durfte nicht
mehr weiter verzögert werden, weil die Gelegenheit zum Viehverkauf jeweils mit Beginn der Alpentladung und der Abhaltung der grossen Viehmärkte anfangs September einsetzt.

232 Die k a n t o n a l e n L a n d w i r t s c h a f t s d i r e k t o r e n haben in ihrer Konferenz vom 13./14. September 1922 in Lausanne, in Anwesenheit einer Vertretung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, die Landwirtschaftskrisis besprochen. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, dass in weiten Gebieten der schweizerischen Landwirtschaft tatsächlich eine ausgesprochene Notlage besteht und dass besonders die notleidenden Viehzüchter der Hilfe bedürften. Neben den mit Vertretern landwirtschaftlicher Organisationen bereits erörterten und vorstehend erwähnten Massnahmen wurde namentlich die Wünschbarkeit der Gewährung billiger oder zinsfreier Darlehen an Viehbesitzer zur Beschaffung von Futtermitteln und deren Verbilligung hervorgehoben. Diese Hilfe wäre nach der Meinung der Konferenz kantonal zu ordnen und die daherigen Ausgaben wären teilweise vom Bund zu übernehmen. Dagegen erachtete man die Massnahmen zur Förderung des Viehexportes als eine Aufgabe des Bundes bzw. als interkantonale Angelegenheit.

In einer an den Bundesrat gerichteten Eingabe vorn 14. September 1922 teilt die Kegierung des Kantons Bern mit, dass die bernischen Behörden eine Hilfsaktion zugunsten notleidender Viehbesitzer geplant haben. Die Berner Begierung denkt sich diese Hilfe so, dass den notleidenden Landwirten durch Gewährung von zinsfreien Darlehen die Möglichkeit gegeben würde, zur Durchwinterung des üblichen Viehstandes die nötigen Futtermittel anzukaufen. Die nur nach genauer Prüfung zu gewährenden Darlehen würden den Darlehensnehmern aber nicht ausbezahlt, sondern an die Gemeinden oder näher zu bezeichnende landwirtschaftliche Organisationen abgeführt. Diese hätten den Gegenwert den Anspruchsberechtigten in Form der benötigten Futtermittel zukommen zu lassen. Die Darlehen wären in 5 gleichen Jahresraten zurückzuzahlen. Das Risiko für allfällige Verluste wäre nach Auffassung der Eingabe zu je einem Drittel vom Bund, dem Kanton und den betreffenden Gemeinden zu tragen. Die Berner Begierung wünscht vom Bund zur Unterstützung dieser Hilfeleistung ausserdem ein zinsfreies Darlehen von 2 Millionen Franken.

Durch den vorliegenden E n t w u r f eines Bundesbeschlusses werden die Bichtlinien für die skizzierte Hilfsaktion bestimmt. Ein neuer Kredit wird hierfür nicht verlangt. Es soll vielmehr dem Bundes-

233 rat die Kreditrestanz bis zum Betrage von höchstens 3 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden, die sich auf dem für dio Hilfsaktion zugunsten der Milchproduzenten gemäss Bundesbeschluss vom 7. April 1922 bewilligten Kredit von 20 Millionen Franken ergeben wird.

Die Massnahmen zur Förderung des Viehexportes würden sich gegebenenfalls in dem vorstehend genannten Eahmeii bewegen, hätten sich aber naturgemäss den von Fall zu Fall verschiedenen und wechselnden Verhältnissen anzupassen. Die Verhältnisse sind so verschiedenartig und wechselnd, dass den ausführenden Organen die nötige Bewegungsfreiheit eingeräumt werden müsste. Die Heranziehung des Kredites für eine beschleunigte Abnahme des Schlachtviehes und für die Herstellung von Fleischkonserven soll nur dann erfolgen, wenn Eücksichten auf die Futtervorräte des Landes eine solche Massnahme als dringlich erscheinen lassen.

Bundesbeiträge für kantonale Aufwendungen werden vorgesehen für die Gewährung billiger oder zinsloser Darlehen an notleidende Viehbesitzer oder für die Beschaffung verbilligter Futtermittel zu deren Gunsten. Wo besondere Verhältnisse es rechtfertigen., sollen die Mittel ausnahmsweise für eine das gleiche Ziel verfolgende Hilfeleistung auf etwas veränderter Grundlage zur Verfügung gehalten werden können. Wir sehen Bundesbeiträge von 50 % der gesamten Leistungen vor, wobei Zuschüsse von Gemeinden und gemeinnützigen Organisationen wie Beiträge der Kantono in Anrechnung kommen könnten.

Viehzucht und Viehhaltung gehören zu unsern wichtigsten nationalen Erwerbszweigen. Die viehwirtschaftliche Produktion ist mit ganz wenigen Ausnahmen allen landwirtschaftlichen Betrieben eigen. An der Belebung des Absatzes von Zucht- und Nutzvieh sind in besonderm Masse die viehzuchttreibenden Alpgebiete interessiert, die durch die derzeitige Wirtschaftskrisis ohnehin stark in Mitleidenschaft gezogen sind. Aber nicht nur die Viehhalter, sondern die gesamte schweizerische Volkswirtschaft ist an der Erhaltung und einer gedeihlichen Fortführung der Viehzucht und der Viehhaltung in hohem Masse interessiert. Eine Hilfsaktion erscheint auch in Würdigung der ausserordentlichen Leistungen unserer viehwirtschaftlichen Produktion während des grossen Krieges gerechtfertigt. Sie vermochte in dieser kritischen Zeit nicht nur die Milch- und Meischversorgung sicherzustellen, sondern sie hat dem Lande überdies grosse Mengen der wertvollsten Austausch waren, wie Milcherzeugnisse,

234 Zucht- und Nutzvieh zur Verfügung stellen können, durch deren Export es möglich war, für unsere Volkswirtschaft eine Eeihe lebenswichtiger Eoh- und Hilfsstoffe und Lebensmittel aus dem Auslande zu beschaffen. Überdies wurde, wie weiter oben schon erwähnt ist, ein Teil der auf dem Viehexporte erzielten Gewinne durch die Kommission schweizerischer Viehzuchtverbände an den Bund abgeliefert.

Von diesen Erwägungen geleitet, beantragen wir Ihnen die Annahme des vorgelegten Entwurfes eines Bundesbeschlusses.

Bei dieser Gelegenheit versichern wir Sie erneut unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 25. September 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der B u n d e s k a n z l e r : Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

eine ausserordentliche Bundeshilfe für die schweizerische Viehhaltung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom'25. September 1922, beschliesst: Art. 1. Zur Milderung der Notlage der Viehzüchter und zur Erhaltung der viehwirtschaftlichen Produktion gewährt der

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Bund der schweizerischen Landwirtschaft eine vorübergehende, ausserordentliche Unterstützung.

Art. 2. Die Unterstützung kann insbesondere gewährt werden : «. zur Förderung der Viehverwertung im Inlande und des Exportes von Zucht- und Nutzvieh; b. durch Verabfolgung von Beiträgen an die Kantone zur Beschaffung und Verbilligung von Futtermitteln für notleidende Viehbesitzer. Diese Hilfe kann auch in Form von Darlehen gewährt werden. Der Bund wird in der Regel die Hälfte der gesamten Beiträge übernehmen. Beiträge von unbeteiligten Dritten (Gemeinden, gemeinnützige Organisationen, Private) werden für die Berechnung des Bundesbeitrages den kantonalen Beiträgen gleichgestellt.

Art. 3. Der Bundesrat wird nach Anhörung der Beteiligten die Bedingungen und die Form der Unterstützung festsetzen.

Er wird auch das Verfahren regeln und ist ermächtigt, zur Durchführung der Aufgabe die landwirtschaftlichen Organisationen herb eizuziehen.

Art. 4. Zur Durchführung dieser Hilfeleistung wird dem Bundesrat die Kreditrestanz bis zum Betrage von höchstens 3 Millionen Franken zur Verfügung gestellt, die sich aus dem Kredit von 20 Millionen Franken ergeben wird, der gemäss Bundesbeschluss vom 7. April 1922 betreffend die Hilfsaktion für die schweizerischen Milchproduzenten bewilligt worden ist.

Art. 5. Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft. Der Bundesrat ist mit seinem Vollzuge beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine ausserordentliche Bundeshilfe für die schweizerische Viehhaltung. (Vom 25. September 1922.)

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27.09.1922

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