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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Genehmigung des zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen abgeschlossenen Vertrages über die Verpachtung des Betriebes der Eisenbahn Nyon- Grassier an die Schweizerischen Bundesbahnen, sowie betreffend Übertragung der Konzession dieser Eisenbahn auf den Kanton Waadt.

(Vom 24. März 1922.)

1.

Mit Begleitschreiben vom 4. Oktober 1921 unterbreitet die Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen dem Eisenbahndepartement zuhanden der Bundesbehörden zur Genehmigung einen zwischen ihr und dem Staatsrate des Kantons Waadt über die Verpachtung des Betriebes der Eisenbahn Nyon-Crassier an die Schweizerischen Bundesbahnen abgeschlossenen Vertrag vom 16. August 1921, der vom Verwaltungsrat der S. B. B. in seiner Sitzung vom 30. September 1921 ratifiziert worden ist. Da gemäss den Art. 5 und 13, lit. A, Ziffer 2 des Rückkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897 für die Übernahme des Betriebes von Nebenbahnen durch die Bundesbahnen die Zustimmung durch die Bundesversammlung notwendig ist, beehren wir uns, Ihnen diesen Vertrag hiermit zur Genehmigung vorzulegen.

Über die nähern Vorgänge, die zu dieser Ordnung der Dinge führten, ist folgendes zu sagen : Wie so viele andere Bahnunternehmungen ist auch die NyonCrassier-Bahn durch die Folgen des Weltkrieges in finanzielle

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Bedrängnis geraten. Vor Ausbruch desselben wiesen die jährlichen Betriebsrechnungen noch Einnahmenüberschüsse auf. Eine Verschlimmerung der Verhältnisse trat vom Jahre 1914 an ein, indem sich von da ab Ausgabenüberschüsse ergaben, die allerdings von 1919 hinweg wieder kleinen Betriebsüberschüssen wichen, was jedoch den finanziellen Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten vermochte.

Im Oktober 1919 richtete der Verwaltungsrat der NyonCrassier-Bahn das Gesuch an die Kreisdirektion I der S. B. B., die Bundesbahnverwaltung möchte den Rückkauf ihrer Linie in Erwägung ziehen. Die Generaldirektion gab dem Eisenbahndepartement Kenntnis von dieser Eingabe, indem sie den Rückkauf der Linie in ablehnendem Sinne begutachtete. Das Eisenbahndepartement teilte die Auffassung der Generaldirektion und lehnte mit Schreiben vom 27. April 1920 an den Verwaltungsrat der Nyon-Crassier-Bahn den Rückkauf der Linie ab.

Alle Versuche der Unternehmung, die zur Fortsetzung des Betriebes notwendigen Geldmittel zu beschaffen, darunter auch ein Gesuch um Hilfeleistung gemäss Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1918 scheiterten. Nachdem die Gemeinde Nyon, als Inhaberin der I. Hypothek im Betrage von Fr. 200,000, sowie als Gläubigerin weiterer Forderungen die Bahn auf Zinszahlung betrieben hatte, suchte diese um Zwangsliquidation nach, die vom Schweizerischen Bundesgerichte unterm 9. November 1920 ausgesprochen wurde. Mit Zuschrift vom 27. Januar 1921 ersuchte darauf der Gemeinderat von Nyon die Kreisdirektion I um die Bekanntgabe der Stellungnahme der Bundesbahnen zum Rückkaufe der Nyon-Crassier-Bahn und fragte gleichzeitig an, ob dieselben sich an der ersten öffentlichen Steigerung würden vertreten lassen.

Zur Wahrung der Verkehrsinteressen der an der betriebenen Unternehmung mitinteressierten Gemeinden sah sich nunmehr die waadtländische Regierung veranlasst, sich ins Mittel zu legen.

Nachdem die Generaldirektion der S. B. B. sich vorher mit dem eidgenössischen Eisenbahndepartement ins Einvernehmen gesetzt und auch eine Besprechung mit der Regierung des Kantons Waadt ·gepflogen hatte, antwortete sie dem Gemeinderate von Nyon, dass sie sich an der Steigerung nicht vertreten lassen und demgemäss auch kein Angebot für die Erwerbung der Linie machen werde.

Die Regierung des Kantons Waadt ihrerseits befürwortete beim Eisenbahndepartement
wiederholt den Rückkauf der Bahn durch den Bund. Das Eisenbahndepartement hielt den Zeitpunkt für einen Rückkauf nicht für opportun, war aber gleichzeitig der

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Ansicht, es sollte im Interesse des Landes und vor allem der dortigen Gegend ein Abbruch der Bahn verhindert werden.

Nach längeren Verhandlungen wurde in einer, von einer Abordnung der waadtländischen Regierung und der Bundesbahnen beschickten Konferenz, die am 13. Juli 1921 unter dem Vorsitze des Vorstehers des eidgenössischen .Eisenbahndepartements stattfand, eine Einigung dahin erzielt, dass der Kanton Waadt an der zweiten Steigerung die Bahn erwerben und alsdann den gesamten Betrieb derselben den Bundesbahnen verpachten solle. Auf Grund dieser Einigung wurde dann zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Generaldirektion der S. B. B. die eingangs genannte Übereinkunft vom 16. August 1921 unter Vorbehalt der Ratifikation durch den Verwaltungsrat der S. B. B., sowie durch die zuständigen eidgenössischen Behörden abgeschlossen. Wir erwähnen hiernach die wesentlichen Bestimmungen dieses Pachtvertrages : Art. l sieht die Verpachtung des Betriebes an die S. B. B.

vor für den Fall, dass der Kanton Waadt die Bahn an der Zwangsversteigerung käuflich erwerben sollte.

Nach Art. 2 soll die Linie den S. B. B. in dem Zustande übergeben werden, in dem sie sich im Zeitpunkte des Kaufes durch den Kanton Waadt befinden wird. Die S. B. B. verpflichten sich, den gesamten Betriebsdienst (Unterhalt und Bewachung der Bahn, Abfertigungs-, Zugs- und Fahrdienst) für so lange, als die Eisenbahn Nyon-Crassier Eigentum des Kantons Waadt sein wird, auf eigene Rechnung zu besorgen. Sie stellen das Rollmaterial und besorgen den Dienst im Bahnhofe Nyon. Die S.B.B, übernehmen auch die Haftbarkeit für allen aus dem pachtweisen Betriebe der Linie entstehenden Schaden und befreien den Kanton Waadt von jeder Verpflichtung in bezug auf den Erneuerungsfonds; sie übernehmen vom Zeitpunkte des Inkrafttretens dieser Übereinkunft an die Speisung dieses Fonds.

Die S. B. B. können nicht dazu verhalten werden, die gegenwärtigen Betriebsverhältnisse zu ändern, insbesondere was die Zahl der Züge und die Tarife anbelangt; anderseits verpflichten sich die S. B. B., die gegenwärtig auf der Strecke Nyon-Crassier gültigen Taxen für so lange nicht zu erhöhen, als nicht eine allgemeine Taxerhöhung auf ihrem eigenen Netze stattfindet; hingegen werden sie die Taxen auf der Strecke Nyon-Crassier in ähnlicher Weise errnässigen, sobald eine allgemeine Taxherabsetzung auf den andern S. B. B.-Strecken vorgenommen wird.

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Gemäss Art. 3 fallen den S. B. B. alle Betriebseinnahmen der Eisenbahn Nyon-Crassier zu, Inbegriffen alle Nebeneinnahmen.

Die 8. B. B. bezahlen hiergegen dem Kanton Waadt für so lange, als er Besitzer dieser Eisenbahn ist, einen Pachtzins von Fr. 2000 (zweitausend Franken) pro Kalenderjahr, zahlbar in einer Summe auf Ende jedes Jahres. Für das erste und das letzte Pachtjahr wird die Zahlung pro rata der Zeitdauer erfolgen.

Art. 4 enthält die Bestimmungen über das Verfahren bei Streitigkeiten, die sich aus der Auslegung des Vertrages ergeben können.

Da, wie aus Ziffer II hiernach hervorgeht, der Kanton Waadt die Bahn erworben hat, ist die Vertragsvoraussetzung des Art. l erfüllt. Zu weiteren Bemerkungen gibt uns die Angelegenheit nicht Anlass.

II.

Mit Entscheid vom 27. Dezember 1921 hat das Bundesgericht infolge der am 23. Dezember 1921 stattgefundenen dritten Steigerung das Vermögen der Nyon-Crassier-Bahn (mit Inbegriff der Eisenbahnlinie samt Zugehör und Betriebsmaterial) dem Kanton Waadt um die Summe von Fr. 50,000 zugeschlagen.Gremäss Art. 35 des Bundesgesetzes über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahnen und Schiffahrtsuntern eh mungen vom 25. September 1917 übernimmt der Erwerber einer Balinunternehmung eine solche auf Grundlage der Konzession, welche dem frühern Inhaber erteilt wurde, unter Vorbehalt der Bundesgenehmigung nach Art. 10 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872.

Mittelst Eingabe vom 3. Januar 1922 stellte der Staatsrat des Kantons Waadt gemäss dieser Bestimmung das Gesuch um Übertragung der Konzession der erwähnten Bahn auf den Kanton Waadt.

Unsererseits können wir diesem Begehren ohne weiteres zustimmen.

Wir empfehlen Ihnen daher die beiden nachstehenden Bundesbeschlussentwürfe 1. betreffend Genehmigung des zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Generaldirektion der S.B.B, abgeschlossenen Vertrages über die Verpachtung des Betriebes der Eisenbahn Nyon-Crassier an die S. B. B. und 2. betreffend Übertragung der Konzession dieser Bahn auf den Kanton Waadt zur Annahme.

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Wir benützen auch diesen Anlass, Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 24. März 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsiderit: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

(Entwurf.)

I.

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen abgeschlossenen Vertrages über die Verpachtung des Betriebes der Eisenbahn Nyon-Crassier an die schweizerischen Bundesbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vom 4. Oktober 1921, 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1922 .

beschliesst: 1. Dem zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen am 16. August 1921 abgeschlossenen Vertrage betreffend die Verpachtuag des Betriebes der Eisenbahn Nyon-Crassier an die schweizerischen Bundesbahnen wird die Genehmigung erteilt.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses, welcher sofort in Kraft tritt, beauftragt.

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(Entwurf.)

II.

Bundesbeschluss betreffend

Übertragung der Konzession der Eisenbahn von Nyon nach Grassier (Grenze) auf den Kanton Waadt.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. eines Gesuches des Staatsrates des Kantons Waadt vom 3. Januar 1922, 2. einer Botschaft des Eisenbahndepartementes vom 24. März 1922 beschliesst: 1. Die durch Bundesbeschluss vom 28. Juni 1902 (E. A. S.

XVIII, 146) einem Initiativkomitee zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft erteilte, letztmals durch Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1911 (E. A. S. XXVII, 196) abgeänderte Konzession einer Eisenbahn von Nyon nach Grassier (Grenze) wird unter den gleichen Bedingungen auf den Kanton Waadt übertragen.

2. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses, welcher sofort in Kraft tritt, beauftragt.

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.03.1922

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476-481

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