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Bericht der

Mehrheit der Nationalrathscommission betreffend das Gotthardunternehmen.

(Vom 16. Juli 1878.)

Tit. !

Bei den internationalen Conferenzen, welche im September und Oktober 1869 wegen Erstellung einer Gotthardbahn in Bern abgehalten wurden, schloß die politische Section einen ihrer Berichte in folgender Weise : Zum Schlüsse muß Ihnen die Section noch einen Fall unterbreiten, der allerdings sehr unwahrscheinlich ist, den man aber der Vorsicht wegen nicht mit Stillschweigen übergehen darf. Es kann in der That die Möglichkeit eintreten, daß eine Gesellschaft nicht mehr im Stande ist, den Bau oder den Betrieb einer Eisenbahn fortzusetzen. Wenn es so kommen sollte , so würde die Bildung einer neuen Gesellschaft ohne Zweifel unschwer sein und die Eidgenossenschaft hätte das nächste Interesse an der Bildung einer solchen. Aber unser Antrag geht auf dem Felde der Vermuthungen noch weiter: er sieht auch jenen Fall voraus, wo keine Gesellschaft den Bau oder den Betrieb fortsetzen könnte und wo die Eidgenossenschaft denselben ebenfalls nicht übernehmen wollte. Sollte sich die Lage der Dinge in dieser Weise gestalten, so läge gewissermaßen ein Fall höherer Gewalt vor und die Vertragsstaaten müßten sich über neue Maßregeln verständigen. Wir schlagen daher folgenden Zusatz vor :

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,,Im Falle eine Gesellschaft die Ausführung oder den Betrieb der Linie nicht mehr fortsetzen könnte und die Eidgenossenschaft <3ie Sache nicht übernehmen wollte, wird sich der Bundesrath rechtzeitig an die Vertragsstaaten wenden, um sich mit ihnen über die Fortsetzung des Baues oder des Betriebes zu verständigen."

In der achten Conferenzsitzung vom 6. Oktober 1869 wurde dieser Zusatz auf den Antrag der badischen Delegation verworfen, weil es überflüssig scheine , schon jetzt einen solchen Fall vorauszusehen.

Leider sollte der im Jahre 1869 als so unwahrscheinlich betrachtete Fall, daß man es für überflüssig hielt, ihn in einem Vertragsartikel vorauszusehen, nur zu bald und in einer erschreckenden und ungeahnten Ausdehnung eintreten.

Schon im Jahre 1872 zeigte es sich, daß die Kostenberechnungen zu tief gegriffen waren. Oberingenieur Gerwig bezifferte den Mehrbedarf in einem ,,approximativen Voranschlag11 auf über 29 Millionen und anfangs 1875 in einem ,,pauschalen Kostenvoranschlag" auf 34 Millionen, wobei ,,die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen schien, daß diese Differenzen noch größer werden dürften, wenn einmal ein definitiver Kostenvoranschlag an die Stelle des pauschalen treten würde."

Der damals neu eintretende Oberingenieur Hr. Hei l wag wurde deßhalb beauftragt, seinerseits eine sachbezügliche Vorlage zu machen. Derselbe sah sich zu eingehenden Studien und Untersuchungen um so mehr veranlaßt, als ,,die Arbeiten für Ausmittlung der Bahnlinien bislang lediglich auf dem Papiere und gestutzt auf Terrainaufnahmen in einem Maßstabe, welcher bei der gewaltigen und stark wechselnden Plastik des Bodens nicht eine genügende Grundlage für die Wahl des Tracés darbieten konnte, bewerkstelligt worden waren.u Das Resultat der Untersuchungen des Hrn. Hellwag war, daß die noch nicht in Angriff genommenen Linien des Gotthardnetzes, auch wenn nur die eigentlichen Baukosten in Ansatz gebracht werden, den von der internationalen Conferenz für ihr Bauprojekt angenommenen Voranschlag um über 60 Millionen, in Allem aber um nahezu 66 Millionen überstiegen. Dazu kamen noch enorme Bauüberschreitungen bei den sogenannten Tessiner Thalbahnen, welche statt nicht ganz 15 Millionen über 32 Millionen gekostet hatten, der unerwartet geringe Betriebsertrag dieser Bahnen , der Mehrbedarf zur Bestreitung der viel größeren Zinsen und die Mehrkosten einer viel umfangreicheren Kapitalbeschaffung und noch diverse andere Mehrausgaben.

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Irn Ganzen stellt sich gegenüber dem Voranschlag der internationalen Conferenz von 187 Millionen die Berechnung des Hrn. Hellwag auf 289,4 Millionen, also 102,4 Millionen höher als der Voranschlag.

Der Bundesrath hatte, als die Gerüchte über die mißüche Finanzlage des Gotthardunternehmens immer mehr Consistenz gewonnen und ihren Weg bereits nicht nur in die Presse, sondern sogar in die Parlamente der Vertragsstaaten gefunden hatten, das Direktorium der Gotthardbahn aufgefordert, ihm einläßlichen Bericht über den finanziellen Stand des Unternehmens zu machen. Das Schreiben des Direktoriums, durch welches dasselbe dem Bundesrathe von diesen Hellwag'schen Berechnungen Kenntniß gibt, schließt zwar damit, daß dieselben sub beneficio inventarii aufzunehmen seien ; dabei läßt das Direktorium jedoch nicht undeutlich durchblicken , daß es diese Berechnungen im Großen und Ganzen für richtig halte, und kommt zu dem Schlüsse, es seien zirka 80 Millionen von den betheiligten Staaten als weitere Subvention aufzubringen. Zu dem Ende wird die Einberufung einer neuen internationalen Conferenz beantragt, damit ,,von der gleichen Seite, von welcher die Mißrechnung betreffend das für die Gotthardbahn erforderliche Baukapital ausgegangen ist, hinwieder über die Mittel und Wege, wie der begangene Irrthum möglichst unschädlich gemacht werden könne, zu rathschlagen seiu.

Der Bundesrath gab von dieser mißlichen Sachlage sofort den Regierungen der Vertragsstaaten Kenntniß und lud dieselben ein, durch eine gemeinschaftliche technische Expertise die Vorlage des Oberingenieurs der Gotthardbahngesellschaft prüfen zu lassen. Beide Vertragsstaaten lehnten jedoch diesen Vorschlag ab und erklärten, diese technische Prüfung lediglich der Schweiz überlassen zu wollen.

Die vom Bundesrath in Folge dieser Erklärungen aufgestellte Commission von bewährten und anerkannten Fachmännern vollendete ihre Arbeiten noch im Laufe des Jahres 1876. Das Resultat ihrer Untersuchungen war, daß man durch Vereinfachung der Bauanlage, durch Zulassung etwas größerer Steigungen und etwas kleinerer Krümmungshalbmesser, durch theilweise einspurige Anlage der Bahn und Anderes mehr, unbeschadet der Leistungsfähigkeit der Bahn, Ersparnisse im Betrage von 28 Millionen machen, das vorausgesehene Déficit also auf circa 74 Millionen zurückdrängen könne.

Indem der
Bundesrath den Regierungen der Vertragsstaaten von diesem Resultat der Prüfungen seiner Expertencommission Kenntniß gab, lud er dieselben, dem oben mitgetheilten Begehren der Gottharddirektion entsprechend, zu einer neuen internationalen

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Conferenz ein. welche denn auch am 4. Juni 1877 in Luzern zusammentrat. An dieser Conferenz fanden zunächst die Arbeiten der schweizerischen Expertenkommission ihre volle Anerkennung; sie wurden als eine gediegene, sorgfältig ausgearbeitete und ernsthafte Garantien darbietende Vorlage den Berathungen der Conferenz zu Grunde gelegt und ihre Ersparnißanträge in allen ihren wesentlichen Punkten von der Conferenz angenommen.

Daneben war es aber der Conferenz sehr klar, daß an eine Beschaffung von weitern 74 Millionen, sei es auf dem Wege der Subventionen, sei es auf dem Wege der Beiziehung von Privatkapital, im Ernste nicht gedacht werden könne, sondern daß eine Durchführung des Unternehmens nur auf der Grundlage weiterer Ersparnisse denkbar sei.

An Vorschlägen zu solchen Ersparnissen fehlte es denn auch nicht.

Die namhaftesten Techniker hatten sich beeilt, der internationalen Conferenz mit ihren guten Rathschlägen an die Hand zu gehen.

Die hauptsächlichsten Vorschläge gingen dahin : entweder die Bahnen längs dem Vierwaldstätter- und längs dem Langensee einstweilen unausgeführt zu* lassen und den Verkehr auf diesen Strecken bis zum Eintreten günstigerer Verhältnisse durch Trajektschiffe zu besorgen; oder aber bedeutendere Steigungen, deren Ueberwindung durch Adhäsionsmaschinen äußerst kostspielige Bauanlagen erforderte, in viel wohlfeilerer Weise durch Specialsysteme zu überwinden.

Wenn auch die schweizerische Delegation wenigstens eine genauere Untersuchung dieser vorgeschlagenen Lösungen befürwortete, so trat die Conferenz dennoch auf keine derselben ein, sondern suchte dieselben in anderen Richtungen. Sie gestattete zunächst größere Steigungen (26 und 27 %o statt 25 %o) und kleinere Krümmungshalbmesser (ein Minimum von 280 statt von 300 Metern) da wo dadurch bedeutendere Ersparnisse erzielt werden konnten; sie beschloß ferner die einspurige Anlage der Bahn mit Ausnahme derjenigen Bauobjekte, welche später während des Betriebes der Bahn gar nicht oder nur mit unverhältnißmäßigen Kosten erweitert werden können; die Hauptsache aber war der Entschluß, daß einstweilen blos die Linie Immensee-Pino ausgeführt, der Bau der Zufahrtslinien Immensee-Meggen-Luzern, Zug-Arth und Bellinzona-GiubiascoLugano (Monte Cenere), dagegen einstweilen verschoben werden solle.

Die Kosten dieses modificirten Netzes
wurden mit Einrechnung einiger anderer Ersparnisse auf der Anschaffung von Fahrbetriebsmaterial und auf einer Verminderung der Bauzinsen von der internationalen Conferenz auf 227 Millionen, das noch fehlende Capital also auf 40 Millionen berechnet, und bestimmt, daß von diesen

309 40 Millionen 28 durch neue Subventionen der Vertragsstaaten, 12 durch die Gesellschaft selbst beigebracht werden sollen. Die 28 Millionen neuere Subventionen wurden unter die Vertragsstaaten in der Weise vertheilt, daß davon Italien 10, Deutschland ebenfalls 10, ·die Schweiz aber 8 Millionen übernehmen solle.

Bevor wir weitergehen, haben wir zunächst zwei Fragen vor uns, von deren Beantwortung es in erster Linie abhängt, ob noch weiter an eine Ausführung des Gotthardunternehmens gedacht werden kann.

1. Werden nicht durch die Modifikation des ursprünglichen Programmes wichtige schweizerische Interessen so sehr verletzt oder hintangesetzt, daß dadurch die bloße Ausführung der Stammlinie Immensee-Pino weiterer Opfer von Seite der Schweiz, beziehungsweise der Kantone, als nicht mehr werth erscheint?

2. Bieten die nun dem modifizirten Programme zu Grunde gelegten Rechnungen solche Garantien, daß nicht stets wiederkehrende neue Anforderungen und Zuschüsse zu befürchten sind?

Ad 1. Wir müssen erklären, daß wir in Beziehung auf die an dem ursprünglichen Programme vorgenommenen Modifikationen vom schweizerischen Standpunkte aus blos ein einziges Bedenken von Erheblichkeit haben. Wir übergehen die rein technischen Fragen der größeren Steigungen und der kleinern Krümmungshalbmesser.

Wie man uns mitgetheilt hat, arbeitet die Technik mit Erfolg daran, Adhäsionsmaschinen zu construiren, welche noch viel größere Steigungen zu überwinden vermögen, und Wagen zu bauen, welche noch größere Krümmungen ohne Gefahr zu durchlaufen im Stande sind. Ja sie hat dieses Resultat, soweit es sich um die obigen größern Steigungen und kleinem Krümmungshalbmesser handelt, bereits erreicht.

Was die Einspurigkeit der Bahn anbelangt, so ist der Beweis geleistet, daß derjenige Verkehr, welchen man für die ersten Jahre von und auf der Gotthardbahn erwartet, durch eine einspurige Bahn bewältigt werden kann, wenn für genügende Ausweichgeleise und Wasserstationen gesorgt, wird. Sollte sich aber der Verkehr so steigern, daß bald an einen allmäligen Ausbau auch des zweiten Geleises gedacht werden müßte, so wird dieser vermehrte Verkehr nicht nur die Mittel der Gesellschaft, sondern namentlich auch ihren Kredit in einer solchen Weise heben, daß sie diese Umwandlung um so mehr aus eigenen Kräften wird bewerkstelligen können, als ja bereits bei der ersten Anlage bei allen bedeutendem Bauobjekten die künftige Zweispurigkeit in Aussicht genommea werden soll.

310 Es bleibt der unterlassene Bau der drei Zufahrtslinien. Wir begreifen es, daß die Unterlassung des Baues der Linie Zug-Arth die Interessen des Kantons Zug sehr verletzt, und wir wollen dem Kanton Zug keinen Vorwurf daraus machen, daß er eine neue Subvention für ein für seine Interessen viel ungünstigeres Programm verweigert. Aber auf der andern Seite läßt sich auch nicht verkennen, daß die Unterlassung oder vielmehr die Verschiebung dieser Zufahrtslinie für die schweizerischen Interessen im Allgemeinen nahezu gleichgültig ist.

Viel mehr und viel größere Interessen werden durch das Aufschieben des Baues der Zufahrtslinie Immensee-Meggen-Luzern berührt, da das Centrum sowohl als der Westen der Schweiz dadurch von der hauptsächlichsten Stammlinie weggedrängt zu seinscheinen. Die Conzessionen, welche hier die Gotthardbahn, die Nordostbahn und die Centralbahn dem Kanton Bern und in ihm allen übrigen Betheiligten gemacht haben, haben den größten Theil der bezüglichen Besorgnisse zerstreut, wenn auch nicht nach allen Richtungen hin befriedigt; die Tarife werden nach der imaginären O O i O kürzeren Linie und nicht nach der wirklichen längeren berechnet, und Luzern bleibt trotz der einstweiligen Nichterstellung der Linie Immensee-Meggen-Luzern der Ausgangspunkt der Gotthardbahn im Norden der Alpen.

Es bleibt also einzig noch die Verschiebung der Erstellung der Monte Ceuere-Bahn. Wir gestehen, daß die auch nur einstweilige Nichtausführung dieser Bahn große politische Bedenken hervorzurufen geeignet ist. Wie ein Wall legt sich der Monte Cenere quer durch den Kanton Tessin und trennt den Sotto Cenere eben sowohl von dem übrigen Kanton Tessin, als von der übrigen Schweiz.

Diese Sachlage wird um so bedenklicher, um nicht zu sagen, um so gefährlicher, als dieser v'on dem übrigen Kanton Tessin und der übrigen Schweiz abgeschnittene Sotto Cenere durch eine Eisenbahn mit Italien, namentlich mit Como und Mailand, in Verbindung steht.

Wir bedauern es daher, daß es der schweizerischen Delegation an der Luzerner Conferenz in Folge des hartnäckigen Widerstandes Deutschlands nicht gelungen ist, die Annahme Chiasso1 s statt Pino's, als südlichen Ausgangspunkt der Stammlinie genehm zu machen.

Allein man würde einen großen Fehlschluß ziehen, wenn man nun aus der einstweiligen Nichterstellung des Monte Cenere schließen, wollte, daß dadurch das Interesse des Kantons Tessin oder der Schweiz' an der Erstellung der Gotthardbahn auch nur vermindert sei.

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Nehmen wir einmal, um die Sachlage einläßlicher zu prüfen, nach einander das Eintreten beider Eventualitäten an und sehen wir, welchen Einfluß sie auf den Monte Cenere und den Sotto Cenere haben. Wenn die Gotthard bahn nicht gebaut wird, so haben die reichen Provinzen Como und Mailand kein Interesse mehr daran, mit großen Opfern eine Eisenbahn von Lugano nach Bellinzona bauen zu helfen. Eine Schienenverbindung über den Monte Cenere hat für die zunächstliegenden norditalienischen Provinzen und Städte nur dann einen Werth, wenn sie nicht in Biasca schon aufhört, sondern von da wenigstens so weit fortgesetzt wird, bis sie auf die nächste Eisenbahn im Norden der Alpen stößt. Mit andern Worten : die Nichterstellung des Gotthard wird nothwendiger Weise auch die Nichterstellung des Monte Cenere zur Folge haben. Der Gebirgswall, welcher den Sotto Cenere von dem größeren Theile des Kantons Tessin und mit ihm von der Schweiz trennt, bleibt unüberwunden und undurchbrochen bestehen ; der Sotto Cenere in seinem Verkehr immer mehr von der Schweiz losgelöst und auf Italien angewiesen, wird sich über die eidgenössische Opferbereitwilligkeit und über die Möglichkeit eines eidgenössischen Schutzes nachgerade ganz eigene Gedanken machen und die Schweiz wird sich schließlich glücklich schätzen müssen, wenn die providentia Dei Ereignisse von uns fernhält, welchen rechtzeitig vorzubeugen die confusio homiuum in Helvetien nicht im Stande war.

Wie ganz anders aber werden sich die Dinge auch für den Monte Cenere gestalten, wenn der Gotthard erstellt wird. Mag man auch Mailand und vielleicht selbst Como die Versicherung geben, man werde ihren Interessen auch auf dem Umwege über Pino gerecht zu werden suchen, so wissen doch diese beiden Städte und Provinzen viel zu gut, daß nur eine direkte Verbindung mit der Gotthardlinie ihre Interessen in Wirklichkeit und nach allen Seiten hin wahrt. Diese direkte Verbindung mit dem Gotthard führt aber von Mailand und Como über Chiasso und Lugano durch den Monte Cenere nach Bellinzona. Um diese direkte Anschlußlinie an den Gotthard zu erlangen, werden die genannten norditalienischen Städte und Provinzen große Opfer nicht scheuen, und wenn auch die übrigen Betheiligten solche Opfer zu bringen wissen, so wird die Erstellung der Monte Cenere-Bahn in kürzester Zeit die nothwendige Folge der
Erstellung der Gotthardbahn sein. Die Mehrheit Ihrer Commission kommt daher zu folgendem Schlüsse: D a s B e s t e und Z w e c k m ä ß i g s t e , was u n t e r d e n g e g e n w ä r t i g e n U metänden und unter den jetzigen Verhältnissen z u G u n s t e n d e r M o n t e C e n e r e - B a h n gethan werden kann, ist die möglichste Förderung des Gott-

312 h a r d u n ter n e h m e n s. Ihre Commission kann es daher nicht glauben, daß der Kanton Tessin die Ausbezahlung seiner bereits für den Gotthard votirten Subvention, soweit sie noch nicht einbezahlt ist, verweigern werde, weil der Monte Cenere einstweilen in den Hintergrund zu treten geuöthigt ist, und noch viel weniger glaubt sie, daß die Eidgenossenschaft deshalb ihr Interesse am Gotthard verläugnen werde. Sie wird sich im Gegentheil sagen : ohne Gotthardbahn keine Monte Cenere-Bahn, aber mit der Gotthardbahn, wenn auch etwas später, so doch ganz gewiß auch die für die Schweiz politisch so nothwendige Monte Cenere-Bahn.

Dagegen ist die Mehrheit Ihrer Commission der Ansicht, daß die Opfer, welche der Kanton Tessin später ohne Zweifel noch für die Monte Cenere-Bahn zu bringen haben wird, denselben von jeder Nachsubvention an die Gotthardbahn befreien sollten, und da anderen Kantonen nicht zugemuthet "werden kann, hier für den Kanton Tessin einzutreten, so hat hier die Eidgenossenschaft die nöthigen Opfer zu übernehmen. Wir sind damit auf dem Punkte angelangt, wo die Eidgenossenschaft sich aus zwingenden politischen Gründen genöthigt sieht, von dem früheren Grundsatze, alle Eisenbahnen der Privatthätigkeit zu überlassen, abzugehen und einen einstweilen noch bescheidenen Beitrag an die Nachsubvention zu Gunsten des Kantons Tessin für das Gotthardunternehmen zu übernehmen.

Ja, Ihre Commission glaubt in dieser Beziehung noch weiter gehen zu sollen, und wenn sie auch keinen Auftrag hat, sich über den Monte Cenere auszusprechen, nichts destoweniger zu erklären, daß falls nach der Erstellung des Gotthard es sich herausstellen sollte, daß der Monte Cenere ohne eidgenössische Mithülfe nicht zu Stande kommen könnte, die Eidgenossenschaft ein hohes politisches Interesse daran hat, für den Monte Cenere von dem Prinzip des reinen Privatbaues abzugehen und die Verbindung jenes Landestheiles mit der übrigen Schweiz durch eine Eisenbahn durch die Gewährung einer Bundessubsidie an den Monte Cenere zu ermöglichen.

Wir gehen nun über zu der zweiten Frage, ob die von der Luzerner Conferenz vorausgesehenen Mittel auch wirklich zur Durchführung des reduzirten Programmes des Gotthavdunternehmens ausreichen werden, mit anderen Worten, ob wir nicht etwa wieder vor neuen Verrechnungen, vor neuen Täuschungen stehen,
welche uns über kurz oder lang aufs Neue vor die Alternative stellen werden, entweder das ganze Unternehmen, soweit an uns, scheitern zu lassen oder neue, mehr oder weniger erhebliche Opfer für das-

313 selbe zu bringen. Es muß diese FYage um so gründlicher und um so gewissenhafter untersucht werden, als das Mißtrauen in Folge der Verrechnungen von 1869 ein ganz berechtigtes ist.

Die Mehrheit Ihrer Commission .glaubte dabei jedoch folgende Punkte nicht in den Bereich ihrer Prüfung~ und Berichterstattung O ziehen zu sollen : zunächst die Frage, ob der noch nicht einbezahlte Theil des Aktienkapitals im Betrag von circa 14 Millionen von den Aktionären erhältlich sein werde (die noch rückständige IV. Serie der noch nicht einbezahlten Obligationen ist durch Vertrag mit dem Finanzkonsorlium für den Fall des Zustandekommens der Rekonstruktion gesichert) ; sodann ferner, ob es der Gotfhardgesellschaft möglich sein werde, sich die ihr zugeschiedenen 12 Millionen an die neu erforderlichen 40 Millionen zu verschaffen.

Ihre Commission ging nämlich von der Ansicht aus, daß die 28 Millionen Nachsubvention den drei Vertragsstaaten erst dann zu einer förmlichen Verpflichtung erwachsen, wenn die Gotthardgesellschaft sich darüber ausgewiesen haben wird, daß sie mit Inbegriff dieser 28 Millionen nachträglicher Subventionen die nöthigen Mittel zur Durchführung des Luzerner Programmes besitzt. Allerdings enthält in dieser Beziehung der Zusatzvertrag vom 12. März 1878 keine Bestimmung. Um so bestimmter dagegen lauten diejenigen Bedingungen, welche der Bundesrath Ihnen in seinen beiden Beschlussesentwürfen vom 25. Juni 1878 vorschlägt.

Ziffer I. 3 des Bundesbeschlusses betreffend Nachsubveutioii für das Gotthardunternehmen lautet nämlich nach der bundesräthlichen Vorlage: (unter der Bedingung) ,,daß die Gotthardbahngesellschaft binnen einer vom Bundesrath ihr anzusetzenden Frist durch einen vollständigen Finanzausweis Gewißheit darüber verschaffe daß sie, unter Einrechmmg der 28 Millionen neuer Subvention, die erforderlichen Mittel besitze, .um das Programm der Luzerner Conferenz, beziehungsweise des Staatsvertrages vom 12. März 1878, nach den vom Bundesrathe genehmigten Plänen und Kosten Voranschlägen durchzuführen ;" und Ziffer 2 des Entwurfs eines Bundesbeschlusses betreffend Ratifikation der Zusatzkonvention betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Gotthard lautet : ,,Der Bundesrath wird erst dann zur Auswechslung der Ratifikationen schreiten, wenn der in Betreff der schweizerischerseits zu
leistenden Nachtragssubvention für das Gotthardunternehmen unter dem 1878 erlassene Bundesbeschluß, nach Erfüllung sämmtlicher in demselben enthaltenen Bedingungen und Voraussetzungen, in definitive Rechtskraft übergegangen sein wird.**

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Man ersieht daraus, daß eine Bundessubvention nur dann eintreten soll, wenn die Gotthardgesellschaft den Ausweis geleistet haben wird, daß sie die ihr durch das Luzerner Programm zugeschiedenen Leistungen auch wirklich zu machen im Stande ist.

Wir haben daher einstweilen nicht zu untersuchen, ob sie im Falle sein wird, die ihr durch das Luzerner Protokoll überwiesenen Verpflichtungen auch wirklich zu erfüllen. Bios wenn sie sieh ausweist, daß sie das kann, so erwächst für uns die Verpflichtung für einen Bundesbeitrag; kann sie es dagegen nicht, so ist die ganze auf Grundlage des Luzerner Protokolles versuchte Rekonstruktion des Unternehmens als dahingefallen zu betrachten.

Einen Punkt glaubte jedoch Ihre Commission nicht unberücksichtigt lassen zu sollen. Die Luzerner Conferenz war bei ihren Berechnungen von der Ansicht ausgegangen, es könne die Rekonstruktion im Laufe des Jahres 1877 zu Ende geführt, mit dem Bau der Zufahrtslinien im Jahre 1878 begonnen und das ganze Werk bis Herbst 1881 vollendet werden. Aus Gründen, welche wir später erörtern werden, hat sich die ganze Angelegenheit um ein Jahr weiter hinaus verzögert und die finanzielle Folge dieser Verzögerung ist, daß die Bauzinse einen Mehrbetrag von circa 4 Millionen erfordern werden. Wie sollen diese von der Luzerner Conferenz nicht vorausgesehenen Millionen aufgebracht werden? Ihre Commission theilt in dieser Beziehung die Anischt des Bundesrathes: die Gotthardgesellschaft hat sich entweder darüber auszuweisen, daß sie über die ihr von der Luzerner Conferenz auferlegten finanziellen Leistungen hinaus auch noch über diese 4 Millionen zu verfügen hat, oder aber daß sie auf irgend eine Weise, insbesondere durch einen soliden vom Bundesrathe als solchen anerkannten Generalakkord, im Falle ist, diese 4 Millionen auf andere Weise ersparen zu können. Wie Sie aus der Botschaft des Bundesrathes ersehen und wie Ihre Commission noch aus weiteren Mittheilungen ersehen hat, sind dermalen Unterhandlungen im Gange, welche Aussicht auf eine günstige und alle Bedenken beseitigende Lösung geben.

Kehren wir nun wieder zu unserer Hauptfrage zurück. Wird die Gotthardgesellschaft im Stande sein, mit Hülfe der von der Luzerner Conferenz in Aussicht genommenen Mittel und mit Inbegriff der im Vorhergehenden berührten 4 Millionen ihre Aufgabe zu lösen und die
Stammlinie Immensee-Pino auszubauen?

Schon der Bundesrath hat dieser Frage die ernsthafteste Aufmerksamkeit zu Theil werden lassen. Die Gesellschaft wurde zu dem Ende eingeladen, ihre definitiven Pläne und Kostenberech-

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nungen rechtzeitig in die Hände des Bundesrathes gelangen zu lassen, um dieselben auch seinerseits durch seine Techniker und Experten eingehend prüfen zu lassen. Schon diese Arbeit, das Product jahrelanger mühevoller Studien einer großen und ausgewählten Zahl von Ingenieuren, unterscheidet sich ganz wesentlich und zu seinem großen Vortheile von den entsprechenden Arbeiten des Jahres 1869. Während man damals die Kostenberechnungen auf Grundlage von Traceplänen im Verhältnisse von l : 10,000 und mit Horizontalkurven in Abstünden von 10 Metern aufstellte, lagen don jetzigen Berechnungen Tracepläne im Verhältnisse von l : 1000 und bei schwierigem Terrain Schichtenpläne im Maßstabe von l : 500 mit Horizontalkurven in Abständen von nur l Meter zu Grunde. Wenn man diese mit aller möglichen Sorgfalt und in allen Details ausgeführten Pläne ansieht und durchgeht, so kommt man zu der Ueberzeugung, daß hier eine Arbeit vorliegt, welche an Vertrauenswürdigkeit und Zuverläßigkeit Alles leistet, was unter den gegebenen schwierigen Verhältnissen mit Billigkeit verO O O O langt werden kann, und daß die Fehler, welche allenfalls noch vorgekommen sein mögen, jedenfalls keine große Tragweite haben können.

Der Bundesrath bestellte zu Experten zur Prüfung der Vorlagen der Gottharddirektion die Herren ßridel, Dapples und Koller, von welchen insbesondere der Erstere als Autorität im Baue von Bergbahnen mit allem Rechte gilt, wie er denn auch die in vielfacher Beziehung so schwierigen Jurabahnen innerlmlb dea für dieselben aufgestellten Devis durchgeführt hat. Die Experten bleiben bei manchen Detailansätzen ganz genau bei den Ansätzen des sogenannten Frühjahrsdevis stehen, in andern Punkten weichen sia etwas von denselben ab, bleiben bald etwas hinter denselben zurück und übersteigen dieselben in andern Punkten; aber im Großen und Ganzen kommen sie zu dem Resultate, daß das Projekt unter der Voraussetzung der Richtigkeit der von der Gotthardgesellschaft gemachten Terrainaufnahmen, ferner unter der Voraussetzung einer von den gegebenen Projectirungsgrundsätzen nicht abweichenden streng ökonomischen Bauführung, sowie es sich nach den vorliegenden Plänen, beziehungsweise Devisen der Gotthardbahndirektion darstellt, um die von der Luzerner Conferenz angenommene Totalsumme ausgeführt werden könne und zwar einschließlich a. alles
dessen, was bereits gebaut und verausgabt ist, b. einer entsprechenden Lösung der Frage betreffend Ueberschreitung der Wasserscheide bei Goldau, c. einer ausreichenden Herrichtüng des Anschlußbahnhofes in Rothkreuz und desjenigen in Luzern,

316 d. eines für die erste Betriebsperiode genügenden Lokomoüvund Wagenparks.

, Im Fernern mag noch bemerkt werden, daß das Expertengutachten dabei von der Ansicht ausgeht, es sollen die Zinsen der Aktien während der Bauzeit nicht nach der Ansicht der Luzerner Conferenz von 6 auf 3 °/o reducirt, sondern ihrem vollen Betrage nach ausgezahlt werden. Ferner sieht das Expertengutachten von einer Ersparniß von nahezu 7 Millionen ab, welche die Frühjahrsdevise gestützt auf ein von den Herren Pressel und Kaufmann erfundenes Verfahren bei Tunnelbauten glaubte annehmen zu sollen.

Die Herren Pressel und Kaufmann schlagen nämlich vor, sämmtliche Bergtunnel einstweilen nur einspurig zu erstellen, wodurch sie einen großen Theil der Ausmauerung der Tunnel ersparen zu können glauben. Das von ihnen erfundene, nach Sachverständigen sehr sinnreiche Verfahren bezieht sich auf die Ausweitung von vorläufig nur einspurig angelegten Tunnels auf zwei Geleise ohne Betriebsstörung und ohne übermäßige Kosten. Die Experten des Bundesrathes itheilen nun zwar die Hoffnungen, welche die Gotthardbahnverwaltung an die Kaufmann - PresseFschen Vorschläge knüpft, halten es aber in der Ungewißheit darüber, inwieweit die Beschaffenheit des Gebirges eine Weglassung der Mauerverkleidung gestatten wird, durch die Vorsicht geboten, ,, den ungünstigsten aller denkbaren Fällea, den Fall nämlich, daß alle Tunnel durchaus ausgemauert und also auf den Bergstrecken von Anfang an zweispurig ausgeführt werden müssen, ihren Berechnungen zu Grunde zu legen.

Daß die bundesräthlichen Experten eine um ein Jahr längere Bauzeit und in Folge davon einen Mehrbedarf an Bauzinsen von 4 Millionen über die Berechnungen der Luzerner Conferenz annehmen müssen, haben wir schon oben erwähnt.

Wir beantworten daher die uns eingangs gestellten beiden Fragen in folgender Weise : 1) Durch die Modifikation des ursprünglichen Bauprogramms werden die allgemeinen schweizerischen Interessen nur in einem einzigen Punkte empfindlich berührt : durch das Hinausschieben der Monte-Cenere-Linie. Dabei darf jedoch nicht aus den Augen gelassen werden, daß das definitive Scheitern des Gotthard auch das definitive Scheitern des Monte Cenere zur unausweichlichen Folge haben wird , daß dagegen die Erstellung des Gotthard in kurzer Frist auch zur Erstellung des Monte Cenere führen muß.

23 Man darf mit vollständiger Beruhigung annehmen, daß die Detailpläne und Kostenberechnungen, wie sie dermalen vorliegen

317 und die Prüfung derselben durch bewährte sachverständige Experten alle Gewähr dafür bieten, daß man nicht ähnlichen Verrechnungen und Täuschungen sich aussetzt, wie im Jahre 1869, sondern daß das von der Luzerner Conferenz in Aussicht genommene Kapital zur Ausführung der Stammlinie Immensee - Pino nach dem aufgestellten Programm ausreichen wird.

Wenden wir uns nun zu der Frage, von wem die der Schweiz von der Luzerner Conferenz zugetheilte zweite Subvention von 8 Millionen getragen werden solle.

Man ist vorerst allseitig darüber einig , daß davon l lk Millionen gemeinschaftlich von der Nordostbahn und der Centralbahn zu übernehmen seien. Diese beiden Bahnen haben ein so offen zu Tage liegendes und ein so eminentes Interesse an dem Zustandekommen der Gotthardbahn , ihre Linien werden durch dieselbe so sehr alimentirt, daß sie vermuthlich viel höher angelegt worden wären, wenn nicht ihre dermalige Finanzlage gewisse Berücksichtigungen gebieten würde. Die betreffenden Bahnen selbst haben die ihnen zugetheilte Summe übernommen.

Man kann einwenden, daß damit noch nicht Alles gethan sei, daß die Nordostbahn noch nicht rekonstruirt, daß die Centralbahn durch die Nichtsanirung der Nordostbahn,^ sowie durch einen noch schwebenden bedeutenden Prozeß bedroht sei.

Die fraglichen l Va Millionen seien zwar zugesagt, aber nicht zugesichert, ja essei durchaus nicht sicher, ob die beiden Bahnen auch nur die schon im Jahre 1869 zugesagten Subventionen, soweit dieselben noch nicht einbezahlt sind, werden bezahlen können. Es ist das auch vollkommen richtig und ebenso richtig ist es, daß man für den Fall des Zusammensturzes der einen der beiden Bahnen oder beider auf dem Wege Rechtens an die früheren, wie an die späteren Sub- .

ventionen nur wenig oder gar nichts würde erhalten können. Aber nicht minder sicher ist es, daß auch jeder spätere Eigenthümer der Nordostbahn oder der Centralbahn ein so eminentes Interesse an dem Zustandekommen der Gotthardbahn haben wird, daß es ihm nicht einfallen kann, dem Unternehmen einer Centralalpenbahn dadurch neue Schwierigkeiten in den Weg zu legen , daß er sich weigert, in die von den vorherigen Eigenthümern in Beziehung auf die Subventionirung der Gotthardbahn eingegangenen Verpflichtungen einzutreten. Ein neuer Uebernehmer einer der beiden genannten Thalbahnen, welcher
den hohen Werth einer Centralalpenbahn für dieselben so wenig zu schätzen wüßte, daß er vor der Uebernahme derselben die Bezahlung der von dem früheren Eigenthümer zugesagten Gotthardsubvention nicht von vorneherein als

318 eine nothwendige, aber auch als eine sich vortrefflich rentirende Ausgabe in seine Berechnungen zöge, wäre für uns eine so absurde Erscheinung, daß sie für uns gar nicht denkbar ist.

Es bleiben also für die Schweiz noch weitere 6Va Millionen aufzubringen. Wir glauben, der Bundesrath hat vollkommen korrekt gehandelt, wenn er zunächst den Versuch machte, dieselben auf diejenigen Kantone zu vertheilen, welche die erste Subvention übernommen hatten. Der Versuch mißlang bekanntlich in seinen beiden Stadien : in dem ersten, wo es sich darum handelte, den Kantonen allein die fragliche Summe aufzubürden, wie in dem zweiten, wo sie dieselbe gemeinschaftlich mit dem Bunde tragen sollten.

Wir wollen auf diese unerquicklichen und resultatlosen Verhandlungen hier nur in sehr beschränkter Weise zurückkommen und zwar zunächst, um die Frage zu beantworten, warum der Bundesrath den zweiten Versuch, der doch trotz der Zürcher Abstimmung eine gewisse Aussicht auf Gelingen hatte , so rasch abbrach, um zu dem Antrage zu gelangen , die gesammten 6^2 Millionen zu Lasten des Bundes zu nehmen. Er that das offenbar, weil nachgerade Gefahr im Verzüge war. Die Voraussetzung der Luzerner Conferenz, daß die Rekonstruktion noch im Laufe des Jahres 1877 zur vollendeten Thatsache werden könne, hatte sich als irrig, die Schwierigkeiten, auf welche die Sache in den Kantonen stieß, sich als zu groß herausgestellt. Man durfte die Verzögerung um ein weiteres Jahr und die damit verbundene Ver* mehrung der Bauzinsen nicht mehr risldren. Zudem kam aber noch e'in weiterer, vielleicht noch bedenklicherer Umstand. Der Gotthardbahngesellschaft begannen die liquiden Mittel zur Furtführung des Baues auszugehen. Bereits war der Bundesrath genöthigt, mit Zustimmung der übrigen Vertragsstaaten der Gotthard. bahngesellschaft die für den Tunnelbau, die Verzinsung des einbezahlten Obligationenkapitals und die allgemeinen Verwaltungskosten nöthigen monatlichen zirka l Million Pranken aus der hinterlegten Kaution von 10 Millionen vorzustrecken, unter dem Vorbehalt , diese Kaution dann aus den im November des laufenden Jahres fällig werdenden Subventionsbeträgen wieder zu ergänzen.

Dieses momentane Aushülfsmittel konnte natürlich nur vorübergehend helfen; kam nicht bald dauernde Hülfe, so drohte das ganze Unternehmen unter den Händen der
eidgenössischen Behörden zu zerbröckeln. Dieser traurigsten und unglücklichsten Lösung oder vielmehr Auflösung glaubte nun der Bundesrath durch seinen Antrag begegnen zu sollen, welcher noch im letzten Augenblicke die Schweiz vor die Alternative stellt: entweder Rekonstruktion des Gotthardunternehmens mit Hülfe einer Bundessubvention oder aber ein défini-

319 tives Versagen der schweizerischen Mithülfe zur Rettung des großen Werkes.

Wir haben uns hier ferner die Frage zu beantworten, warum die meisten Kantone sich so hartnäckig gegen die Uebernahme einer neuen Subvention sträubten; denn in ihrer Beantwortung liegt wenigstens zum Theile die Antwort auf die Frage, warum der Bund statt der Kantone die neue Subvention übernehmen soll.

Zunächst waren einzelne Kantone tief mißstimmt durch die Modification des ursprünglichen Programmes. Tessin war erbittert durch ·das einstweilige Dahinfallen dei- Monte Cenere-Linie ; Luzern, ohnehin mißvergnügt durch die Erstellung der aargauischen Südbahn, .sah sich durch das Wegfallen der Linie Immensee-Meggen-Luzern von der Hauptlinie weggedrängt ; nicht minder Bern, das mit seiner Linie Bern-Luzern nicht mehr unmittelbar an die Gotthardlinie anschloß, und ebenso Zug, das nur auf dem Umweg über das linke Seeufer seinen Anschluß au die Gotthardbahn finden kann. Die Mißstimmung über das modificirte Programm war denn auch anfangs so groß, daß eine Conferenz der betheiligten Kantone allen Ernstes darüber berieth, ob unter diesen geänderten Umständen die weitere .Leistung der bereits zugesagten Subventionen nicht einzustellen sei.

Bei ruhigerer Ueberlegung mußte man sich freilich sagen, daß man sich hier zwar nicht einer Thatsache höherer Gewalt, aber doch einer unabänderlichen Thatsache gegenüber befinde, und daß man durch eine Weigerung, den früher übernommenen Verpflichtungen nachzukommen, nicht nur die ohnehin nicht erfreuliche vorliegende Sachlage noch verschlimmere, sondern seine eigenen Interessen noch mehr schädige, als das durch die Abänderung des ursprünglichen Programmes geschehen sei. Immerhin bleibt es Thatsache, daß die Abänderung des ursprünglichen Programmes durch die Vertragsstaaten und ohne weitere Rücksicht auf die subventionirenden Kantone manche Kantone bestimmt hat, eine Beiheiligung an einer weitern »Subvention abzulehnen.

Eine zweite Categorie von Kantonen sind diejenigen, welchen nur verhältnismäßig geringe Hülfsmittel zu Gebote stehen. Diese hatten im Jahre 1869, als der Gedanke an sie herantrat, sie könnten ihren Landestheilen und Bewohnern durch ein bedeutendes financielles Opfer die unmittelbare Nähe einer europäischen Eisenbahn erkaufen, sich nicht nur auf das Aeußerste angestrengt, sondern
zum Theile sogar ü b e r angestrengt.

Und diese Anstrengung und Ueberanstrengung fühlten sie um so mehr, als sie nicht nur von den Früchten noch gar nichts sahen, sondern auch noch kaum .etwas von den vorbereitenden Arbeiten bemerken konnten, da Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

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sich bis dahin fast alle Anstrengungen und Arbeiten auf den großen Tunnel zwischen Göschenen und Airolo und auf die Tessiner Thalbahnen beschränkt hatten. Auch diese Categorie von Kantonen stellte daher dem Begehren nach einer weitern Subvention ein bestimmtes und trockenes ,,non possumus a entgegen.

Eine dritte Categorie der betheiligten Kantone war durch das modificirte Programm weder in ihren Interessen verletzt worden, noch waren sie im Falle, ein entschiedenes ,,11011 possumus lt auszusprechen. Hätte man sie nicht mehr als etwa im Verhältnisse zu ihren ersten Subventionsquoten belastet, so wären von dieser Seite wohl keine ernsthaften Einsprachen erfolgt. Unter den vorliegenden Umständen sah man sich aber genöthigt, diese Kantone der dritten Categorie gerade im gleichen Verhältnisse mehr zu belasten, in welchem man die Kantone der beiden andern Categorien hatte entlasten müssen. Diese Notwendigkeit machte denn auch vielfach böses Blut, weniger unter den Behörden als unter der Bevölkerung der betreffenden oder vielmehr der betroffenen Kantone, und zwar um so mehr, als sich die Finanzen gerade der bedeutenderen und der größeren dieser Kantone seit 1869 nichts weniger als gebessert hatten und als gerade das Eisenbahnwesen schwere neue Lasten auf diese Kantone und viele ihrer Gemeinden gewälzt hatte, und dieselben beinahe täglich mit neuen Lasten und mit neuen Calamitäten und Catastrophen bedrohte.

Während so die Kantone aus den verschiedensten Gründen entweder neue Subventionen überhaupt oder unverhältnismäßig hohe weitere Subventionen ablehnten, so stimmten sie in e i n e m Grunde alle mit einander überein. Nicht, wir, so sagten sie, sind es, welche uns im Jahre 1869 verrechnet haben; wir wurden im Gegentheil zu jenen Berathungen und Berechnungen gar nicht herbeigezogen..

Man hat uns einfach das Facit jener Rechnungen* rnitgetheilt und uns angefragt, ob wir den auf uns entfallenden Theil der der Schweiz zugeschiedenen Summe übernehmen wollen. Durch diese Uebernahme gingen wir aber keineswegs die weitere Verpflichtung ein, auch allfallsige Berechnungsfehler wieder gut zu machen. Das ist vielmehr die Pflicht derjenigen, welche sich im Jahre 1869 verrechnet haben, weil sie auf ungenügenden Terrainaufnahmen, auf Karten in zu kleinem Maßstabe und mit zu weit auseinander liegenden Horizontalkurven
fußten. Diejenigen, welche sich im Jahre 1869 und zwar durchaus nicht ohne eigene Schuld so sehr verrechnet haben, diese sollen jetzt auch die Folgen dieser Verrechnungen tragen. Diese Schuldigen sind aber die drei Vertragsstaaten : Deutschland, Italien und die Schweiz; die letztere vertreten durch den Bundesrath, also der Bund, nicht die Kantone.

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Außer der Verrechnung vom Jahre 1869, an welcher die Kantone unschuldig, wohl aber der Bund Mitschuldiger ist, trägt, so argumentiren die Kantone weiter, an der jetzigen fatalen Sachlage und an den unzureichenden Geldmitteln die Vergeudung die Hauptschuld, mit welcher die sogenannten Tessiner Thalbahnen erstellt wurden, Nun Uberbindet aber Art. 11 des Staatsvertrages vom 15. Octoher 1869 der Schweiz, beziehungsweise ihrem Vertreter gegen Außen, dem Bundesrath, die ausdrückliche Pflicht, die Gotthardarbeiten zu überwachen, und wenn auch diese Pflicht sich dem Wortlaute nach blos auf die Bauarbeiten, also blos auf den technischen Theil des Unternehmens bezieht,i so läßt sich doch eine areO wissenhafte üeberwachung dieses Theiles des Unternehmens mit gänzlicher Außerachtlassung des finanziellen Theiles gar nicht denken.

So tragen z. B. die Pläne für die palastartigen Bahnhofbauten bei den Tessiner Thalbahnen die Unterschrift des eidgenössischen Eisenbahndepartementes, welchem sie vermuthlich durch das Gotthardbahninspektorat vorgelegt wurden. Nun muß aber bereits ein Laie, um so viel mehr der Vorsteher eines Eisenbahndepartements und noch viel mehr der Gotthardinspektor, auf den ersten Blick sehen, daß sich solche Prachtbauten nicht innerhalb der Schranken des aufgestellten Devis ausführen lassen, daß also hier die Gelder der Gesellschaft und der Subventionsstaaten für Zwecke ausgegeben wurden, für welche sie nicht bestimmt sind. Statt aber hier dem Vorgehen der Gottharddirektion gleich von Anfang an ein energisches quos. egp zuzurufen, hat man sie ruhig gewähren lassen, bis sie schließlich selbst erklärte, die zur Durchführung des Werkes erforderlichen Mittel nicht mehr zu besitzen. Nicht an den Kantonen ist es, diese Fehler wieder gut zu machen, sondern an demjenigen, der sie durch seine Orgaue hat geschehen lassen,i also am Bund.

O O Aber, so wird uns eingeworfen, der Bund hat im Eisenbahnwesen den Grundsatz des Privatbaues ausdrücklich angenommen und den Grundsatz des Staatsbaues ebenso bestimmt von der Hand gewiesen; er darf deshalb Eisenbahnen und Eisenbahngesellschaften ö nicht unterstützen , sonst versündigt er sich gegen den Grundsatz der freien Konkurrenz und begünstigt einzelne Eisenbahnen und einzelne Eisenbahngesellschaften gegenüber von andern. Ja die Denkschrift der Regierungen von
Freiburg, St. Gallen, Graubünden, Waadt, Wallis und Genf vom 3. Juni 1878 nimmt keinen Anstand, die Subventionirung der Gotthardbahn durch den Bund eine Verfassungsverletzung zu nennen.

Sehen wir zunächst diesem Vorwurfe der Verfassungsverletzung in's Auge.

Lemma l des Mter in Betracht kommenden Art. 23 der Bundesverfassung von Ib74 lautet: ,,Dem Bunde steht das Recht zu, im

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* Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theiïs derselben auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen. a Es handelt sich also um die Beantwortung der Fragen: ist die Gotthardeisenbahn ein öffentliches Werk? und zweitens liegt die Erstellung derselben im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theiles derselben?

Was chavakterisirt denn eigentlich ein öffentliches Werk?

Offenbar der Umstand, daß dasselbe wesentlich öffentlichen Zwecken dient und ohne öffentliche Mittel gar nicht oder erst nach lauger Zeit zu Stande kommen könnte. Man verstehe uns wohl ; nicht jeder öffentliche Beitrag, den Staat oder Gemeinden einem gemeinnützigen Unternehmen als Zeichen der Anerkennung, der Aufmunterung , der Unterstützung zukommen lassen, charakterisirt dasselbe zu einem öffentlichen Werke, sondern die demselben zugewendeten öffentlichen Mittel müssen eine solche absolute und relative Höhe erreichen, daß Jedermann auf den ersten Blick in die Sachlage zu der Ueberzeugung gelangt, ohne öffentliche Mittel uad zwar ohne öffentliche Mittel von bedeutendem Belang wäre eine Ausführung des Werkes überhaupt nicht denkbar. Beide Merkmale eines öffentlichen Werkes sind im vorliegenden Falle auf das Klarste vorhanden. Ein zwischen drei Regierungen abgeschlossener Staatsvertrag schafft zunächst die Basis von nicht weniger als 85 Millionen, gestützt auf welche erst eine Privatgesellschaft, das große Werk fortbauen und fortführen kann, und diese Basis wird sodann auf 113 Millionen von 227 überhaupt nöthigen erweitert. Selbstverständlich denkt bei dieser gewaltigen Betheiligung aus öffentlichen Mitteln kein Mensch an die schönen Augen der Aktionäre oder an die fetten Dividenden derselben, sondern man hat den öffentlichen Zweck dabei im Auge, welchem das Unternehmen dienen soll, das Oeffnen der Alpen für den Eisenbahnverkehr, das Verknüpfen der im Norden und im Süden der Alpen liegenden Eisenbahnen durch , einen Schienenstraug ; ein Wei'k, das wohl das großartigste ist, was bis jetzt Europa im Eisenbahnbau und im Eisenbahnwesen aufzuweisen hat.

Daß aber die Gotthardbahn nicht blos den Interessen eines großen Theiles der Eidgenossenschaft, sondern des weitaus größeren Theils derselben dient, wird schon durch die bedeutenden Opfer konstatirt,
welche sich dreizehn Kantone für die Erstellung derselben auferlegt haben. Diese Kantone repräsentiren eine Bevölkerung von l ,660,023 Seelen, also nahezu zwei Drittheile der schweizerischen Bevölkerung. Ja es darf wohl behauptet werden, das Gotthardwerk liegt im Interesse eines so großen Bruchtheiles der schweizerischen Bevölkerung, daß die Eidgenossenschaft seit dem

323 Bestehen des neuen Bundes noch nie in den Fall gekommen ist, ein öffentliches Werk auszuführen oder zu unterstützen, welches auch nur annähernd den Interessen einer ähnlichen Bevölkerungszahl diente.

Ja wir gehen noch weiter und behaupten, die Erstellung der Gotthardbahn liegt nicht nur im Interesse eines bedeutenden Theiles der eidgenössischen Bevölkerung, sondern sie liegt geradezu im Interesse der gesammten Eidgenossenschaft.

Wir haben schon früher nachgewiesen, wie bedenklich es vom politischen Standpunkte aus erscheint, daß der Monte Cenere wie ein Querwall den Kanton Tessin durchzieht, einen Theil desselben vom übrigen Kanton und von der übrigen Schweiz abtrennt und ihn wenigstens in seinem Verkehre auf Italien hinweist. Was für den Sotto Cenere im Kleinen, das gilt vom ganzen Kanton Tessin im Großen. Als ein noch viel schwerer zu überwindender Wall liegt zwischen dem Kanton Tessin und der übrigen Schweiz der Gotthard. Diesen Wall zu überwinden, einen leichten und raschen Verkehr zwischen dem Kanton Tessin und der übrigen Schweiz herzustellen, dazu soll die Gotthardbahn neben Anderem dienen. Erst die Gotthardbahn wird den Kanton Tessin wieder enger mit der übrigen Eidgenossenschaft verknüpfen, wird in demselben das Gefühl wach erhalten, daß er des beständigen und raschen Schutzes der Eidgenossenschaft unter allen Umständen und zu jeder Zeit gewiß sein kann, während er in Folge der Nichterstellung des Gotthard leicht nach und nach dem Gedanken sich hingeben könnte, er sei ein weit hinter den Alpen gelegenes, schwer zugängliches und unter allen Umständen schwer, in gewissen Jahreszeiten gar nicht zu schützendes Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Und hier appelliren wir an den aufgeklärten Patriotismus unserer Miteidgenossen im Osten und im Westen unseres Vaterlandes, welche von der Erstellung des Gotthard keinen directen volkswirthschaftlichen Nutzen zu ziehen voraussehen. Kann es ihnen gleichgültig sein, daß einer unserer schweizerischen Kantone auch ferner von der übrigen Schweiz durch die Alpenkette abgetrennt sei, blos verbunden durch eine für Militär und Militärfuhrwerke oft schwer, oft gar nicht passirbare Kunststraße? Wollen sie sich widersetzen, daß die Eidgenossenschaft für die Erstellung einer Militärstraße eine verhältnißmäßig doch nicht bedeutende Summe ausgebe,
die uns erst eine wirksame Verteidigung jenes wichtigen schweizerischen Landestheiles ermöglicht? Wir geben alljährlich so bedeutende Summen aus für unser Wehrwesen, wir haben Militärstraßen angelegt über viele unserer Pässe, und hier, wo es sich um eine der wichtigsten Fragen der Landesverteidigung handelt, sollte die Sache scheitern, blos weil jene Alpenbahn, wie übrigens auch alle

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sogenannten Militärstraßen in erster Linie und in gewöhnlichen Zeiten, dem friedlichen Verkehr dienen soll, und weil aus dem durch diese Alpenbahn vermittelten Verkehr nicht allen misera Landestheilen directer Nutzen erwächst?

Das ist gerade der große Unterschied zwischen unseren gewöhnlichen Bahnen und der Gotthardbahn. Keine einzige der übrigen schweizerischen Bahnen hat für uusere Verteidigungskraft jene hohe Bedeutung, welche die Gottha.rdbalm für die Verteidigung des Kantons Tessin und unserer Südgrenze überhaupt hat, und gerade diese ihre ausnahmsweise Stellung rechtfertigt auch deren ausnahmsweise Unterstützung durch den Bund. Gerade deshalb befürchten wir auch die heraufbeschworenen Consequenzen nicht. Für ausgebaute Bahnen wird der Bund überhaupt kein anderes Interesse haben, als daß deren Betrieb nicht eingestellt werde; das wird er aber immer mit den nöthigen Beschränkungen auch ohne Opfer seinerseits zu erreichen wissen, und was die noch weiter einlangenden Begehren für die Unterstützung noch weiterer »«ausgebauter Bahnen anbelangt, so wird sich der Bund immer die Prüfung vorbehalten, ob deren Erstellung in politischer und militärischer Beziehung für die Schweiz von ebenso großer und hoher Bedeutung sei, wie die Erstellung der Gotthardbahn.

Der Einwand, daß der Bund durch eine Bundessubveiition aus der ihm geziemenden Neutralität heraustrete und eine Eisenbahn oder eine Eisenbahngesellsehaft vor andern bevorzuge, damit aber den Grundsatz der freien Concurrenz durchbreche, ist durchaus unzutreffend. Nicht durch den B u n d , sondern dadurch, daß sich Italien, Norddeutschland und das Großherzogthum Baden zu Gunslen des Gotthard aussprachen, trat derselbe gegen Ende der sechziger Jahre gegenüber den concurrirenden Alpenpässen in den Vordergrund. Was der Bund seither zur moralischen Förderung der Gotthardbahn gethan hat, das zu thun ist er auch jeder andern schweizerischen Alpenbahn schuldig, sobald eine solche einmal in das gleiche Stadium der Verwirklichung tritt, in welches die Gotthardbahn im Jahre 1869 getreten ist. Ja, die Subventionirung einer Alpenbahn muß die Subventionirung jeder andern durch den Bund zur nothwendigen Folge haben. Ihre Commission nimmt deshalb auch keinen Anstand, hier mit aller Bestimmtheit zu erklären, daß wenn Private, Kantone und Staaten für die Erstellung
einer andern schweizerischen Alpenbahn Opfer zu bringen bereit sind, es dann Pflicht der Billigkeit und der Gerechtigkeit ist, daß der Bund auch für diese mit verhältnißmäßig gleichen Mitteln einstehe, wie jetzt für die Gotlhardbahn. Ja noch mehr, wir halten dafür, daß der Bund nicht abwarte , bis eine solche Alpenbahn, wie es jetzt der Gotthard thut, in der äußersten Noth zu ihm auf-

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schaut, sondern daß er es ihr ermöglicht, rechtzeitig und in einer für die Unterhandlungen mit auswärtigen Staaten sowohl als mit dem Privatcapital benutzbaren Weise die Bundessubsidie auf sein Budget zu nehmen. So wird die Erstellung der Gotthardbahn, weit entfernt , andere lebensfähige Alpenbahnen in den Hintergrund zu drängen und die Concurrenz zu ertödten, vielmeln- die Concurrenz erst recht wecken und zu einem neuen Sporn für die Erstellung anderer Alpenbahnen werden, und die Bundessubvention des Gotth a r d , welche diesem erst in der letzten bittern Stunde zu Theil wird, wird andern Alpenbahnen noch rechtzeitig und in einem Augenblicke zu Theil werden, wo sie nicht nur die rettende Hand für den Ertrinkenden, sondern zur sichern Brücke für den nach dem andern Ufer Strebenden wird. Wir wissen wohl, daß das Gesagte im gegenwärtigen Augenblicke nur einigen Werth hat für den Westen und den Simplon, und dem Osten kaum mehr als eine nichtssagende Phrase erklingen wird. Und doch ändert sich auf diesem Gebiete die Lage der Dinge so unendlich rasch, daß eine kleine Erfindung, eine kleine Verbesserung in den bisherigen technischen Mitteln in ganz kurzer Zeit die heute auf scheinbar ganz unbestimmte Zeit gegebene Zusage auch für den Osten unseres Vaterlandes zu einer rasch sich verwirklichenden Thatsache machen kann.

Wir haben noch dem Einwürfe entgegenzutreten, als sei eine o o ' Bundessubvention zu Gunsten der Gotthardbahn gleichbedeutend mit einer finanziellen Erleichterung, welche der Bund der Gotthardgesellschiift, oder deren Aktionären zu Theil werden lasse. Nichts ist irrthümlicher. Wir haben es bereits bemerkt: durch eine bloße Privatgesellschaft hätte der Gotthard nie so weit gefördert werden können, als er es jetzt ist. Zuerst mußten drei Staaten durch Vertrug und bedeutende Hülfsmittel den Boden ebnen und das Fundament legen, auf welchem dann eine Privatgesellschaft weiter bauen konnte. Nun stellt es sich heraus, daß der Boden nicht breit genug und das Fundament, nicht stark genug ist, um dem auf demselben errichteten Privatbau als sichere Grundlage zu dienen.

Wenn nun die drei Vertragsstaaten noch weitere Opfer bringen, um diese Grundlage sicherzustellen, so thuu sie es wahrhaftig nicht dem Privaten zu Liebe, welcher in der Hoffnung auf festen Boden sich hier angebaut hat, sondern sie tlum
es aus dem ganz gleichen Grunde, der sie von Anfang an zu Opfern in dieser Angelegenheit veranlaßt hat; sie thun es, um ein großes Werk öffentlichen Nutzeus zu fördern.

Trotz der vermehrten Subvention haben die Aktionäre und die Gesellschaft von der vermehrten Subvention so wenig, als sie von der frühern etwas erhalten haben. Diese wie jene hatten über-

326 haupt nur den Zweck, das Unternehmen möglich und ausführbar ZIE macheti. Im Jahre 1869 hat man berechnet, der Ertrag der Gotthardbahn werde ein Capital von 102 Millionen verzinsen können, und in Folge davon hat man die Subvention an das auf 187 Millionen berechnete Gesammtkapital auf 85 Millionen festgesetzt. Im Jahre 1877 h.it man das erforderliche Gesammtkapital auf 227 Millionen berechnet; davon sollen 113 Millionen auf dem Subventionswege zusammengebracht werden und 114 Millionen Privatkapital sind auf die Verzinsung durch den Ertrag der Gotthardbalin angewiesen. Wie man sieht, ist das Privatkapital durch die zweite Combination trotz der vermehrten Subvention durchaus nicht günstiger gestellt worden, als durch die erste. Der einzige Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Combination ist der, da (i damals die Kantone für die ihnen zugeschiedenen Quoten ganz eintraten und ihren Theil an die der Schweiz zugetheilten 20 Millionen bezahlten, während jetzt der Bund von den neuen 8 Millionen den Kantonen 6Va Millionen abnimmt. Der Bund tritt also zu Gunsten der Kantone ein und durchaus nicht etwa zu Gunsten einer Privatgesellschaft oder von Aktionären , wie er denn auch den Privatgesellschaften der Nordostbahn und der Central bahn und deren o Aktionären es vollständig überläßt, ihre neue Subvention von l ] /s Millionen aufzubringen. Dabei beträgt die Leistung des Bundes an die der Schweiz zugetheilte Gesammtsubvention von 28 Millionen nicht einmal einen Viertheil, erreicht also kaum den vom Bunde an andere öffentliche Werke in der Regel beizutragenden BruchtheiL Man solle, so wird von gewisser Seite argumentirt, in erster Linie die Aktionäre noch in weitere Mitleidenschaft ziehen und die nöthigen Mehrausgaben zunächst durch weitere Verluste derselben decken Es ist schwer herauszufinden, wie Jemand noch viel zu verlieren haben soll, dessen einbezahlte 300 Fr. heute noch deren 10 werth sind. Erwartet man überhaupt von den Aktionären noch weitere Einzahlungen und soll nicht durch die Nichteinzahlung des noch rückständigen, nichteinbezahlten Aktienkapitals von zirkal4Mill.

die ganze Angelegenheit zum Scheitern gerathen, so muß man die Aktionäre bei der Rekonstruktion doch soweit sicherstellen, daß sie wenigstens nicht noch ein weiteres Fallen ihrer Aktien mit Sicherheit voraussehen müssen,
sondern auf eine, wenn auch äußerst bescheidene Verzinsung ihrer Einzahlungen hoffen dürfen.

Ueberhaupt darf man bei der ganzen Ordnung dieser Angelegenheit nicht au« den Augen lassen, daß das Gotthardunternehmen keine gewöhnliche Gründung ist. Bei einer solchen findet sich in der Regel ein Consortium künftiger Direktoren, Verwaltungsräthe und Aktionäre zusammen, welches die nöthige Erstellungssumme

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und den vermuthlichen Ertrag berechnet, und gestüzt auf seine Berechnungen weitere Aktionäre und weiteres Kapital anzuziehen sucht. Jeder Aktionär weiß, daß er für die Richtigkeit der ihm vorgelegten Rechnungen keinerlei Garantie hat, daß mithin die Aktienhetheiligung ein Spiel ist, das für ihn einen guten oder schlimmen Ausgang nehmen kann. Bei der Gotlhardbahn war es dagegen nicht das erste beste Consortium , welches zusammensaß und seine mehr oder minder sichern Berechnungen aufstellte, sondern diese Berechnungen gingen von deiV Vertretern von drei ernsthaften soliden Staaten aus und die Aktionäre hatten ein gewisses Recht, diese Berechnungen für ernsthafter und richtiger zu halten, als diejenigen ordinärer Gründer. Wii' bemerken das, um darauf aufmerksam zu machen , daß die drei Vertragsstaaten , zu welchen auch die Schweiz gehört, eine gewisse moralische Verpflichtung haben, das von ihnen in's Leben gerufene Unternehmen nicht gar so leichthin in die Brüche gehen zu lassen.

Trotzdem wird es gegenwärtig von vielen Seilen verlangt, man solle sich dadurch freie Bahn verschaffen und neue Subsidien ersparen, daß man einfach die gegenwärtige Gesellschaft zusammenbrechen lasse und es ruhig abwarte, daß sich auf den Trümmern derselben eine neue bilde.

Es läßt sich nun nicht verkennen, daß eine solche neue Gesellschaft im Ganzen unter wesentlich günstigem Verhältnissen würde operiren können, als die alte. Das gesammte Aktienkapital und vermuthlich auch ein Theil des Obligationenkapitals könnte bei der Liquidation abgeschüttelt werden. Die tessinischen Thalbahnen fielen deif neuen Gesellschaft ohne Gegenleistung in den Schooß und ebenso der Tunnel, soweit er bis zum Ausbruche des Fallimentes durchbrochen ist. Allein an Dornen und Schwierigkeiten würde es der neuen Gesellschaft durchaus nicht fehlen, und das Leben dürfte ihr durchaus nicht so leicht werden, als man oft anzunehmen pflegt. Ob die bereits zugesagten , aber noch nicht einbezahlten Subventionen im Betrage von 50 Millionen der neuen Gesellschaft überlassen würden, ist wenigstens in ihrer Gesammtheit noch sehr die Frage. Es ist im Gegentbeile sehr wahrscheinlich, daß wenigstens einige Kautone die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen würden, sich der auf sich genommenen drückenden Last ganz oder theilweise zu entledigen. Der Tunnelunternehmer
würde nicht minder die Gelegenheit benutzen, sich aus einem für ihn ungünstigen Vertrag zu ziehen, bedeutende Entschädigungsforderungen zu stellen und mehr als den Schaden , der ihm aus seinem Vertrage mit der alten Gesellschaft erwachsen ist, auf der neuen, in Beziehung auf die Tunnelbaute beinahe gänzlich von ihm abhän-

328 gigen Gesellschaft wieder herauszuschlagen. Dazu kommt der durch die Liquidation und die Bildung einer neuen Gesellschaft noth·wendig anwachsende Zeitverlust, der voraussichtlich auf Jahre beziffert werden muß.

Aber nehmen wir den günstigsten Fall an, daß sich alle diese Schwierigkeiten in ganz unerwartet günstiger Weise überwinden lassen. Nehmen wir an , die früheren Subventionen werden ohne Anstand und ohne Zeitverlusi .;wieder der neuen Gesellschaft zugesagt, der Vertrag mit dem Tunnelunternehmer bestätigt und die Arbeiten ohne Unterbrechung fortgesetzt, die Liquidation endlich in einer Weise ermöglicht, daß zwischen die alte und die neue Gesellschaft sozusagen kein Interregnum eintritt. Wenn gegen alles Erwarten alle diese günstigen Umstände bei dem Zusammenbrechen der alten Gesellschaft zusammentreffen sollten , so wird sich doch die neue Gesellschaft in die Notwendigkeit versetzt sehen , nur zur Erstellung und Inbetriebsetzung der einzigen Linie ImmenseePino über die Subventionsrestanzen und über alle vorhandenen Aktiven hinaus noch die Summe von 72 Millionen theils in Aktien, theils in Obligationen aufzubringen.

Es wird sich Niemand verhehlen , wie schwer es sein würde, diese 72 Millionen zusammenzubringen in einem Augenblicke, wo auf dem Geldmarkte das tiefste Mißtrauen gegen alle Eisenbahnunternehmen herrscht, wo namentlich die schweizerischen Eisenbahnen sich einer ganz außergewöhnlichen Kreclitlosigkeit erfreuen, und wo das Kapital, sobald eine Eisenbahn an seine Thüre klopft, sieh beeilt, dieselbe doppelt und dreifach zu verschließen. Und trotz dieser so äußerst ungünstigen Kredit- und Zeitverhältnisse sollten die nöthigen 72 Millionen zusammengebracht werden in einem Augenblick, nachdem eine erste auf offizielle Berechnungen aufgebaute Gotthardbahngesellschaft, von der Schweiz im Stiche gelassen, jämmerlich und schmählich zu Grunde gegangen ist !

Es scheint uns, der Bundesrath fasse diese Eventualität noch viel zu kaltblütig und zu vertrauensvoll auf, wenn er in seinem Berichte über dieselbe bemerkt: ,,Es ist möglich, daß die Sache (die Bildung einer neuen Gesellschaft) gelingen würde ; es ist sicherlieh wenigstens ebenso möglich, daß der Versuch scheitern oder wenigstens erst nach Jahren zu einem ersprießlichen Ausgang gelangen würde."

Sehen wir uns aber in ein wenig weiteren
Kreisen um , was für Folgen es nicht blos für das Gotthardunternehmen, sondern für unser ganzes Vaterland haben würde, wenn wir den traurigen Muth hätten, dasselbe wegen eines Opfers von wenigen Millionen Franken,

329 oder aus Eifersucht, oder aus Doktrinarismus in Konkurs fallen zu lassen.

Der Gotthardkonkurs würde zunächst unsenn Landeskredit den schwersten Stoß versetzen , welcher in der Gegenwart, überhaupt denkbar ist. Wenn wir wenigstens 20 Millionen , vielleicht aber bis auf 68 Millionen Privatkapital, wenn wir öffentliches Kapital im Betrage von wenigstens 35 Millionen, und wenn wir endlich ein an diese Summen geknüpftes Unternehmen von enormem schweizerischem Interesse ruhig lieber zu Grunde gehen lassen auf die Gefahr hin, dasselbe ganz oder auf Jahrzehnte hinaus zur Unmöglichkeit zu machen, wenn uns entweder die richtige Einsicht oder der gute Wille dazu fehlt, ein Unternehmen von dieser Tragweite und von dieser Bedeutung mit der verhältnißmäßig bescheideneu Summe von Ö 1 /« Millionen über dem Wasser zu erhalten, dann wird es mit unserm Kredit in Europa auf Jahrzehnte hinaus zu Ende sein. Vergeblich werden wir dann für neue Unternehmungen auf dem europäischen Geldmarkte anklopfen; man wird uns hinweisen auf das schmähliche Ende, welches wir dem Gotthardunternehmen bereitet haben, und wird uns fragen, ob wir wirklich glauben, Europa habe noch länger Lust, sein Geld in unsern Bergen zu vergraben.

Und wen wird dieser Schlag gegen unseren Kredit zuerst und am empfindlichsten treffen? Nicht das Gotthardunternehmen, das, wie wir sehen werden, doch, wenn auch auf eine für uns ungünstigere und unerfreulichere Weise, zu Stande kommen wird, sondern in erster Linie die Simplonbahn. Denn die Negierung einer eidgenössischen Gotthardsubvention faßt auch eine Negierung einer eidgenössischen Simplonsubvention in sich, und der Concurs des Gotthard erschüttert wesentlich den Crédit des Simplon. In zweiter Linie aber, wenn auch erst in späteren Jahren, dürfte dann auch ein ostschweizerischer Alpenpaß den heutigen Concurs des Gbtthardunternehmens schwer zu fühlen bekommen.

Aber nicht minder schwer als der Stoß, der unserm Landescrédit durch den Concurs des Gottharduuternehmens versetzt würde, wäre der Schlag, den die Schweiz durch diese Eventualität als Staat erhielte.

Vergegenwärtigen wir uns, um uns diese Sache ganz klar zu machen,> die Sachlage, o i wie sie sich seit dem Jahre 1869 gestaltet o hat. Damals haben Deutschland, Italien und die Schweiz einen Vertrag abgeschlossen, durch welchen sie sich verpflichten, diejenige für die Erstellung des Gotthard nöthige Summe, welche durch den Ertrag des Gotthard voraussichtlich nicht verzinst werden

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kann, auf dein Subventionswege zusammenzubringen, in der Hoffnung, es werde dann der Rest des Baucapitals durch eine Privatgesellschaft herbeigeschafft werden. Nach den im Jahre 1869 für richtig gehaltenen Berechnungen wird die Summe des Subventionscapitals auf 85, diejenige des Privatcapitals auf 102 Millionen festgesetzt. Nach einigen Jahren zeigt es sich, daß man einerseits zu niedrig gerechnet, daß man andererseits für gewisse Bauobjecte zu viel verausgabt hat. Der erste Fehler fällt gleichmäßig allen drei Vertragsstaaten, der zweite hauptsächlich der Gesellschaft, daneben aber auch den Vertragsstaaten und insbesondere wegen ungenügender Aufsicht, der Schweiz zur Last. Unter diesen Umständen erklären sämmtliehe Betheiligte, das Ihrige zur Reparatur der gemachten Fehler und zur Rettung des Unternehmens beitragen zu wollen. Deutschland und Italien erklären sich bereit zur Uebernahme einer weitern Subvention von je 10 Millionen, die betheiligten Bahnen, so unerfreulich auch ihre Finanzzustände und ihre Kreditverhältnisse sein mögen, übernehmen die ihnen zugeschiedenen l Va Millionen Franken, die Gotthardbahngesellschaft will den Versuch machen, Doch weitere 12 Millionen Capital herbeizuschaffen. Nur ein einziger Retheiligter will seinerseits nichts mehr leisten, will lieber das ganze Unternehmen mit allen in demselben steckenden privaten und öffentlichen Geldern zu Grunde gehen lassen, als einen bescheidenen nachträglichen Betrag von 6V2 Millionen zu leisten. Und dieser Betheiligte ist nicht nur der Nächstbetheiiigte, sondern auch der an der ganzen fatalen Sachlage nicht am wenigsten Schuldige, ist die Schweiz, auf deren Boden die sämmtlichen Arbeiten ausgeführt und die sämmtlichen für die Durchführung des Unternehmens nothwendigen 227 Millionen verausgabt werden.

In welche Stellung begibt sich dadurch die Schweiz gegenüber den übrigen Vertragsstaaten, ja nicht blos gegenüber den übrigen Vertragsstaaten, sondern gegenüber allen andern Staaten überhaupt?

Offenbar in die Stellung eines Staates, der nicht mehr als vertragsfähig gelten kann, mit welchem das Abschließen von Verträgen eine Sache der Unmöglichkeit geworden ist. Denn nach einem derartigen Vorgänge beim Gotthardbahnunternehmen muß jeder andere Staat voraussetzen, die Schweiz werde jede geänderte Sachlage, jeden Irrthum, jeden Fehler,
selbst wenn sie ihn ebenfalls mitverschuldet hat, dazu benutzen, sich baldmöglichst wieder aus dem Vertrage zu ziehen, sich weiterer Opfer zu entschlagen und es den übrigen Betheiligten überlassen, das gemeinschaftlich verabredete und begonnene Unternehmen mit noch weiteren Opfern zu retten.

331 Wir haben oben unsere Ansicht dahin ausgesprochen, daß die GoKnardbahn doch werde gebaut werden und zwar gleichviel, die Schweiz die ihr zugeschiedenen 6 1lz Millionen Nachsubvention einstweilen oder detinitiv verweigert. Wir glauben auch, daß die gegenwärtige schwierige Lage des Gotthardunternehmens überwunden wird, ohne die jetzige Gotthardgesellschaft zu Grunde gehen zu lassen und ohne den höchst Ungewissen, um nicht zu sagen gefährlichen Versuch der Bildung einer neuen Gesellschaft zu wagen. Das heutige Deutsehland ist nicht der Staat, welcher ein Unternehmen, wie dasjenige einer Gotthardbahn, anfängt, ohne dasselbe auch zu Ende zu führen, und der Staatsmann, welcher gegenwärtig die Geschicke Deutschlands leitet, ist nicht der Mann, welcher so leicht vor Schwierigkeiten zurückschreckt Italien aber verdankt Deutschland zu viel und hat zu viel Vertrauen in dasselbe und in dessen leitende Hand, als daß es nicht auch in dieser volkswirtschaftlichen Frage an seiner Seite geben würde.

Schon während der Rekonstruktionsverhandlungen zu Luzern im Jahre 1877 ließ sich auch nicht eine einzige Stimme dahin vernehmen, man solle die Rekonstruktion auf dem Wege des Konkurses der alten Gesellschaft und durch die Gründung einer neuen versuchen. Allseitig schien die Ansicht vorzuwalten, man solle die Rekonstruktion auf dem bisherigen Boden und unter Mitwirkung sämmtlicher Betheiligten vornehmen. Wird an diesem Grundsatze etwas geändert werden, wenn einer der Betheiligten sich zurückzieht? insbesondere, wenn dieser Betheiligte der Geringstbetheiligte ist und wenn dessen vorausgesehener Beitrag nicht den sechsten Theil des neu erforderlichen Kapitals beträgt ? Gewiß nicht. Deutschland und Italien werden, wenn nöthig, auf dem Boden eines Provisoriums dafür sorgen, daß durch die Weigerung der Schweiz der ursprüngliche Boden des Gotthardunternehmens und die in Aussicht genommene Rekonstruktion nicht erschüttert werden, daß die Arbeiten ihren Fortgang nehmen und daß das Privatkapital beruhigt und herbeigezogen wird. Sie werden der Schweiz vermuthlich auf geraume Zeit den Beitritt zu dem Na.chtragsvertrag vom 12. März 1878 offen halten. Aber, machen wir uns kein Hehl daraus,' um unsere freiwillige Entschließungo wird es dann O geschehen sein und an die Stelle verdienstlichen Selbstwillens tritt .dann das Drängen
auswärtigen Einflusses, während zugleich die ·Leitung des ganzen Unternehmens immer mehr unsern Händen entschlüpft und in die Hände auswärtiger Staaten übergehen wird.

Und wenn wir schließlich noch die uns gestellten Fristen unbenutzt vorübergehen lassen, wenn wir unter immer ungünstigeren Umständen uns nicht zu dem uns zugemutheten Opfer entschließen

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können, so werden Deutschland und Italien schließlich erklären, daß sie auch noch die 6Va Millionen der Schweiz übernehmen und den Gotthard trotz alledem fertig bauen werden.

Dann aber werden jene Staaten auch die ihnen gebührende Leitung des Baues und des Betriebs der Gotthardbahn der Schweiz aus den Händen nehmen und wir werden zwar eine Alpenbahn erhalten, aber eine Alpenbahn, die unter ganz ausländischem Einflüsse steht. Man hat schon im Jahre 1869 gegen die auswärtigen Subventionen große Bedenken gehabt; diese Bedenken haben sich bis heute noch nicht erwahrt, im Gegentheile, die auswärtigen Subventionsstaaten haben eine ganz unerwartet zurückhaltende und diskrete Haltung gegenüber der Bauleitung beobachtet, eine Zurückhaltimg, welche alle unsere Anerkennung in höchstem Maße verdient. Heute aber will man von der gleichen Seite, welche damals jene Bedenken in vielleicht übertriebener Weise äußerte, der Schweiz eine Situation schaffen, durch welche sie von der Leitung des großen Unternehmens beinahe notwendiger Weise gänzlich verdrängt und dieselbe ganz in die Hände der zwei mächtigen andern O o g Subventionsstaaten gelegt wird.

Wenn man von gegnerischer Seite ein großes Gewicht darauf legt, daß eine Bundessubvention für das Gotthardunternehmen zu einer bedenklichen Spaltung und zu bedeutenden innern Kämpfen und Verwickelungen führen könnte, so sehen wir darin dus größte Unglück für unser Vaterland noch lange nicht. Im Gegentheil, Kampf ist Leben und Streben und führt schließlich immer wieder zur Ruhe, zum Frieden und zur Versöhnung. Aber aus Angst vor diesem Kampf, aus Scheu vor einem verhältnißmäßig unbedeutenden finanziellen Opfer das Ausland festen Fuß fassen lassen auf unseren Bergen und in unseren Alpen, das wäre ein Zeichen einer politischen und volkswirthschaftlichen Altersschwäche, welche uns zunächst um die Achtung der übrigen europäischen Völker und sodann uns und Andere um das Vertrauen in unsere Lebensfähigkeit und in unsere Zukunft bringen müßte.

Die Mehrheit Ihrer Kommission kommt daher zu dem Schlüsse, e s s e i d i e B e w i l l i g u n g d e r vo n B u n d e s r a t h e b e a n t r a g t e n G o t t h a r d s u b v e n t i o n ein A k t polit i s c h e r N o t h w e n d i g k e i t , ein O p f e r , das wi r m e h r als für alles Uebrige für die E r h a l t u n g unserer U
n a b h ä n g i g k e i t von auswärtigem Einflüsse bringen m ü s s e n , u n d es sei d i e s e l b e endlich, w e n n a u c h n i c h t d i e e r f r e u l i c h s t e , s o doch d i e unter den gegenwärtigen Umständen beste, unserer

333 nationalen Würde entsprechendste und nach a l l e n R i c h t u n g e n w o h l f e i l s t e L ö s u n g der Gotth a r d b a h n f r a g e.

Eine Minderheit Ihrer Commission, bestehend aus den Herren Ruchonnet, Thoma und Vautier, wird Ihnen ihre von den unsern abweichenden Ansichten in einem besondern Berichte auseinandersetzen. Wir bemerken hier nur so viel, daß der Antrag der Minderheit, den bei der ersten Subvention beiheiligten Kantonen den Betrag der zweiten Subvention durch den Bund vorschießen zu lassen, von Ihrer Mehrheit nicht als die Grundlage einer Verständigung angenommen werden konnte. In der That besitzen die Kantone durchschnittlich wohl ebensoviel Crédit als der Bund und sind irn Falle, sich ebenso wohlfeiles Geld zu beschaffen. Der Vorschlag der Minderheit überbürdet also dem Bund eine höchst überflüssige Mühe, für welche ihm die betheiligten Kantone kaum dankbar sein dürften..

Auch in Beziehung auf die constitutionelle Frage, ob der* Bundesbeschluß betreffend die Gotthardsubvention der Volksabstimmung zu unterwerfen sei oder nicht, theilt sich Ihre Commission in eine Mehrheit und in eine Minderheit. Jene besteht aus den Herren Klein, Forrer, Ruchonnet, Thoma und Vautier; diese aus den Herren Bützberger, Haller, Holdener und Scherb. Die Frage, ob der andere Bundesbeschluß, betreffend die Ratification des Zusatzvertrages vom 12. März 1878, vor die Volksabstimmung gehöre oder nicht, erörtern wir hier gar nicht, da dieser Bundesbeschluß mit demjenigen betreffend die Gotthardsubvention steht und fällt.

Was nun die letztere anbelangt, so besteht nach Art. 89 der Bundesverfassung das facultative Referendum zu Recht gegenüber von allen Bundesgesetzen ; den Bundesbeschlüssen gegenüber dagegen kann das facultative Referendum nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie allgemein verbindlich und nicht dringlicher Natur sind.

Nun ist zwar die ganze Gotthardfrage nachgerade sehr dringlicher Natur geworden; immerhin ist diese Dringlichkeit nicht derart, daß deßhalb nicht das facultative Referendum zur Anwendung kommen könnte. Nach dieser Richtung bestehen also keinerlei Differenzen.

Um so mehr gehen die Ansichten darüber auseinander, ob eine Gotthardsubvention ein Bundesbeschluß allgemein verbindlicher Natur

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sei. Audi der Bundesrath erklärt diese Frage für sehr discutirbar und entschließt sich zur Volksabstimmung eigentlich mehr aus practischen als aus constitutionellen Gründen; es ist ihm mehr darum '/M thun, den Schein zu meiden, als wolle er in einer wichtigen, die Gemüther lebhaft bewegenden Frage durch eine künstliche Interpretation der Verfassung die Rechte des Volkes schmälern.

Die Minderheit Ihrer Commission, welche eine Volksabstimmung im vorliegenden Falle als durch die Verfassung nicht geboten, wenn nicht geradezu für inconstitutionell hält, stützt sich zur Verteidigung ili rei- Ansicht wesentlich auf die bezüglichen Verhandlungen über den Art. 89 in den eidg. Räthen bei Anlaß der Verfassungsberathungen. Man habe damals ein Finanzreferendum mit vollem Bewußtsein nicht haben wollen, weil man sich gesagt, habe, bei Finanzfragen werde das Volk die allgemeinen Interessen dem Egoismus und den lokalen Interessen opfern; ein bezüglicher Antrag auf Einführung eines Finanzreferendums sei deshalb damals auch mit großem Mehr verworfen worden. Im Grunde habe man nur ein Referendum gegenüber von Bundesgesetzen gewollt, und wenn man schließlich noch die T),,allgemein verbindlichen und nicht dringlichen Bundesö O beschlüsse "· den Bundesgesetzen beigefügt und in Beziehung auf die Volksabstimmung gleichgestellt habe, so sei das wesentlich deshalb geschehen, damit nicht etwa der Gesetzgeber unter Umständen in die Versuchung gerathen könne, Beschlüsse von gesetzgeberischer Tragweite dadurch dem Referendum zu entziehen, daß er ihnen die Form von bloßen Bundesbeschlüssen gebe.

Endlich beruft sich die Minderheit darauf, daß noch immer, wenn die eidgenössischen Räthe in Anwendung des Art. 23 der Bundesverfassung Bundessubvenfionen für öffentliche Werke beschlossen haben, die betreffenden Bundesbeschlüsse als solche von nicht allgemein verbindlicher Natur betrachtet und deshalb dem Referendum nicht unterstellt worden seien. Gegen diese Auffassung habe sich noch nie eine Stimme erhoben und es sei dieselbe deshalb als die allgemein in der Schweiz und deren Bevölkerung anerkannte zu betrachten.

Die Mehrheit Ihrer Commission gibt das Alles unbedingt zu und wenigstens einige ihrer Mitglieder würden sich auch durch den vom Bundesrathe befürchteten Schein einer beabsichtigten Beschränkung der Volksrechte nicht beirren
lassen. Allein wir kommen bei alledem über einen Punkt nicht hinweg.

So sehr und so bestimmt wir nämlich bestreiten, daß eine Bundessubveution der Gotthardbahn als eine VerfassungsVerletzung angesehen werden könne, so sehr müssen wir zugeben, daß die

335 schweizerische Eisenbahngesetzgebung den Grundsatz aufstellt, es sei der Bau und Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft den Kantonen, beziehungsweise der Privatthätigkeit überlassen. Darin liegt aber implicite auch die Bestimmung, daß den schweizerischen Eisenbahnen von Seite des Bundes keine andern Begünstigungen zu Theil werden dürfen, als solche, welche in den betreffenden Gesetzen selbst niedergelegt sind. Nun unterliegt es zwar keinem Zweifel, daß die eidgenössischen Räthe jeden Augenblick berechtigt sind, die obige gesetzgeberische Bestimmung zu ändern oder für einzelne Ausnahmsfälle zu modificiren und zwar nicht blos auf dem W«ge der Bundesgesetzgebung, sondern auch auf dem Wege der Bundesbeschlüsse. Aber gerade dadurch, daß durch solche Bundesbeschlüsse bisherige gesetzliche Bestimmungen in Beziehung auf unser Eisenbahnwesen modificirt werden, treten sie in die Categorie allgemein verbindlicher Beschlüsse und unterliegen gleich den Gesetzen dem facultativen Referendum.

Allein wir haben für die Anwendung des Referendums im vorliegenden Falle auch noch zwei praktische Gründe. Viele Gegner einer Gotthardsubvention. behaupten nämlich, sie seien eigentlich durchaus keine Gegner des Gotthard und sie möchten das Zustandekommen desselben im Grunde recht gerne durch die Bewilligung einer eidgenössischen Subvention fördern. Allein sie befürchten die Consequenzen, d. h. sie befürchten, es möchte nun bald jede andere kranke Bahn kommen und mit Hinweisung1 auf die Vorfälle beim Gotthard auch eine Bundessubvention für sich verlangen.

So wenig wir nun unsererseits diese Befürchtungen theilen und so sehr wir der Ueberzeugung leben, die eidgenössischen Räthe würden solche Subventionsbegehren, insofern sie nicht für Alpenbahnen gestellt werden, schon von sich aus abweisen, so sehen wir doch in dem Referendum das beste Mittel, diese Befürchtungen zu zerstreuen. Sobald man eine Eisenbahnsubvention als eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel betrachtet und dieselbe deshalb dem Referendum unterstellt, so hält man sich alle Subventionsbegehren für gewöhnliche Bahnen fern und beschränkt dieselben auf solche Bahnen, welche, wie der Gotthard, einem großen internationalen Verkehre dienen und deren technische Ausführung solche Schwierigkeiten verursacht und solche Kosten erfordert, daß an
deren Ausführung ohne ganz bedeutende internationale Hülfe gar nicht zu denken wäre.

Der zweite praktische Grund, der uns für eine Volksabstimmung zu sprechen scheint, ist folgender: Die Gegner einer Gotthardsubvention behaupten, eine solche würde zu einer großen Spaltung zwischen verschiedenen Theilen Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

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der Schweiz und zu einer großen Erbitterung eines Theiles der schweizerischen Bevölkerung führen. Es ist das möglich ; ja wir glauben, diese Spaltung und Erbitterung wird unter allen Umständen eintreten, gleichviel wie der Entscheid der eidgenössischen Räthe ausfallen wird. Nur wird die Erbitterung, je nachdem die eidgenössischen Räthe die Subvention beschließen oder nicht, auf dieser oder auf jener Seite der schweizerischen Bevölkerung zn Tage treten.

Solche Mißstimmungen werden nun am Besten und am Raschesten gehoben durch eine Volksabstimmung, welche den Willen der Volksmehrheit darlegt und welcher sich die Minderheit wohl oder übel fügen muß und wird, während ein bloßer Entscheid der eidgenössischen Räthe in ihren Augen noch lange als anfechtbar gelten würde.

Wir empfehlen daher die Annahme der Ziff. II (nach unserem Vorschlage Ziff. III) des Bundesbeschlusses betreffend eine Nachsubvention für das Gotthardunternehmen, nach welcher eine Volksabstimmung vorausgesehen wird, nach dem Vorschlage des Bundesrathes.

In Beziehung auf Einzelnes, auf Abänderungen an den hundesräthlichen Vorlagen und Zusätzen zu denselben, bemerken wir noch Folgendes : Zunächst beantragen wir die unveränderte Annahme des bundesräthlichen Entwurfes eines Bundesbeschlusses betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den Gotthard.

Bei dem Bundesbeschluß betreffend die Nachsubvention für das Gotthardunternehmen beantragen wir zunächst in Ziff. I, l (und zwar nur in der deutschen Fassung) das Wort ,,Behörden"1 durch das Wort ,,Organea zu ersetzen, als den in Beziehung auf Eisenbahngesellschaften passenderen Ausdruck.

Bei Ziff. I, 3 schlagen wir Ihnen eine etwas abweichende Redaktion vor. Es bezweckt dieselbe, es außer allen Zweifel zu stellen, daß der Bund keinerlei Verantwortlichkeit dafür übernimmt, wenn der von der Gotthardbahngesellschaft dem Bundesrathe vorzulegende Finanzausweis sich schließlich doch als ungenügend zur Durchführung des ganzen Gotthardunternehmens erweisen sollte.

Der Bundesrath hat als Vertreter der Vertragsstaaten sich von der Gotthardbahngesellschaft einen Finanzausweis über jene Mittel vorlegen zu lassen, welche die Luzerner Conferenz als zur Durchfüh-

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rung des Unternehmens genügend erachtet hat. Sollte sich die Luzerner Conferenz in dieser Beziehung wieder geirrt haben, so fallen die Verantwortlichkeit und die Folgen davon diesen Vertragsstaaten und nicht etwa blos dem Vertreter derselben, dem Bundesrathe, beziehungsweise dem Bunde zur Last. So selbstverständlich das ist, so nothwendig erscheint es auch, das auch ganz unzweideutig und klar auszusprechen.

Als (neue) Ziff. II beantragen wir größerer Sicherheit und Beruhigung wegen, eine übrigens beinahe selbstverständliche Bestimmung beizufügen, nach welcher der schweizerischen Eidgenossenschaft aus der jetzigen Subvention keine rechtlichen Verpflichtungen für eine weitere finanzielle Betheiligung am Gotthardunternehmen erwachsen sollen, für den Fall, daß die im Luzerner Protokoll vom 12. März 1878 in Aussicht genommenen Mittel zur Vollendung des Gotthardunternehmens nicht ausreichen sollten.

Endlich hat es Ihre Commission sehr bedauert, daß die bundesräthliche Botschaft die Finanzfrage soviel als unberührt läßt und nur so nebenbei auf künftige Vorlagen und Anträge hinweist.

So oft in der letzten Zeit im Schooße der eidgenössischen Räthe Anträge auf Einführung neuer eidgenössischer Steuern oder auf Erhöhung bestehender gestellt oder solche befürwortet wurden, ließen sich auch .jeweilen Stimmen vernehmen, welche behaupteten, es werden solche neue Steuern oder Steuererhöhungen wesentlich deshalb in Aussicht genommen, um aus dem Ertrage derselben die beabsichtigte Gotthardsubvention bezahlen, beziehungsweise zurückbezahlen zu können.

Im Gegensatze zu diesen Stimmen ist Ihre Commission einstimmig der Ansicht, daß die beabsichtigte Gotthardsubvention von GVa Millionen Franken keinen wesentlichen und insbesondere keinen irgendwie beängstigenden Einfluß auf die eidgenössischen Finanzen ausüben und weder die Erhöhung bestehender und noch weniger die Einführung neuer Steuern nothwendig machen wird.

Wenn die eidgenössischen Finanzen sich nichtin einem wünschenswerthen und befriedigenden Zustande befinden, so hat das seinen Grund, abgesehen von den ungünstigen Zeitverhältnissen, wesentlich darin, daß man nicht rechtzeitig den wachsenden Ausgaben durch eine entsprechende Vermehrung der Einnahmen zu begegnen gesucht hat. Dieses geschieht nun durch den neuen Zolltarif und zwar in einer Ausdehnung, daß falls die Handelsverträge (was wir aufrichtig gestanden hoffen und erwarten) an den Ansätzen desselben noch ganz bedeutende Abstriche machen, immer noch genug übrig

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bleiben wird, um das Gleichgewicht zwischen unsern Ausgaben und unsern Einnahmen wieder herzustellen. Ist aber das der Fall, so braucht dann der Bund zur Bestreitung der Gotthardsubvention weder weiterer Zollerhöhungen noch neuer Steuern.

Es betragen nämlich die von den eidgenössischen Räthen bereits beschlossenen Ausgaben für öffentliche Werke und Arbeiten (Flußcorrectionen, Entsumpfungen, Straßen und Aehnliches) mit* Inbegriff der noch nicht beschlossenen, aber vom Bundesrathe den Räthen in ihrer letzten Sitzung vorgelegten Arbeiten und Ausgaben in den Jahren 1878 --1880 die Summe von jährlich Fr. 700,000 bis Fr. 800,000; vom Jahre 1881 an vermindern sich diese Ausgaben um jährlich circa Fr. 500,000 und fallen nach kurzer Zeit auf jährlich Fr. 40,000 herab. Werden nun diese bisher für die Ausführung anderer öffentlicher Werke verwendeten Fr. 500,000 vom Jahre 1881 an dem Gotthard zugewendet, so genügt dièse jährliche Summe, um nicht nur ein Gotthardanleihen von 6*/2 Mili.

zu verzinsen, sondern auch um dasselbe in nicht allzu ferner Zeit zu amortisiren. Wir wissen nun freilich nicht, ob der Bundesrath die Finanzlage und namentlich die finanzielle Lösung der Gotthardsubvention ebenfalls in dem von uns angedeuteten Sinne auffaßt.

Immerhin wäre es sehr wünschenswerth, wenn der Bundesrath sich auch über diese Seite der Angelegenheit einläßlich und baldmöglichst aussprechen und sachbezügliche Anträge stellen würde. Wir beantragen deshalb bei Ihnen die Annahme eines Postulates des Inhaltes , es solle der Bundesrath eingeladen werden, der Bundesversammlung noch im Laufe ihrer jetzigen (am 29. Juli beginnenden) Sitzung Bericht und Anträge darüber zu hinterbringen, wie die 6lk für die Gotthardbahn erforderlichen Millionen beigebracht, und falls dieselben auf dem Wege eines Anleihens beschafft werden sollen, wie dieselben zu verzinsen und zu amortisiren sind.

Von diesem Postulate haben wir dem Bundesrathe durch Schreiben vom 10. Juli 1878 officiell Kenntniß gegeben, damit derselbe für den Fall der Annahme dieses Postulates durch die eidgenössischen Räthe rechtzeitig seine Vorbereitungen für die Beantwortung desselben treffen könne.

339 Indem wir hiemit unsere Berichterstattung schließen und Ihnen die nachfolgenden Anträge zur Genehmigung unterbreiten, benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, Tit., der vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 16. Juli 1878.

Die Mehrheit der nationalräthlichen Grotthardcommission : Klein.

Bützberger.

Forrer.

Haller.

Holdener.

Scherb.

.340 I.

(Entwurf, gleichlautend mit dem bundesräthlichen.)

Bundesbeschluss betreffend

Ratifikation der Zusazkonvention über Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den St. Grotthard.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der von den Bevollmächtigten des schweizerischen Bundesrathes, dem Bevollmächtigten der kaiserlich deutschen und dem Bevollmächtigten der königlich italienischen Regierung am 12. März 1878 zu Bern unter Ratifikationsvorbehalt abgeschlossenen Z u s a z konvention zu derjenigen vom 15. Oktober 1869, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch den St. Grotthard; und der hierauf bezüglichen Botschaft des Bundesrathes vom 25. Juni 1878, beschließt: 1. Es wird der gedachten Zusazkonvention vom 12. März 1878 die Genehmigung ertheilt.

2. Der Bundesrath wird erst dann zur Auswechslung der Ratifikationen schreiten, wenn der in Betreff der schweizerischerseits zu leistenden Nachtragssubvention für das Grotthardunternehmen unter dem 1878 erlassene Bundesbeschluß, nach Erfüllung sämmtlicher in demselben enthaltenen Bedingungen und Voraussetzungen, in definitive Rechtskraft übergegangen sein wird.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

341 II.

(Entwurf, abweichend vom bundesräthlichen.)

Bundeslbeschluss betreffend

Nachsubvention für das Gotthardbahnunternehmen.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 25.. Juni

1878, beschließt: I. An der nach Maßgabe des Schlußprotokolls von Luzern, d. d. 12. Juni 1877, beziehungsweise des Staatsvertrags vom 12. März 1878, seitens der Schweiz zu leistenden N a c h s u b v e n t i o n für das Gotthardunternehmen betheiligt sich der Bund mit einer Summe von sechs Millionen und fünfmalhunderttausend Franken, zahlbar, in den durch genannten Staatsvertrag vorgeschriebenen Fristen und Modalitäten, sofern nachfolgende Bedingungen und Voraussetzungen nachweislich erfüllt sind : 1) daß der Rest der Nachsubvention, bestehend in einer Million und fünfmalhunderttausend Franken, durch bindende, von den zuständigen Organen unterzeichnete und dem Bundesrathe nach einem von ihm aufgestellten Formular spätestens bis 31. August eingereichte Verpflichtungsscheine der schweizerischen Nordostbahn und schweizerischen Centralbahn gesichert ist; 2) daß die vom deutscheu Reiche und vom Königreich Italien laut Zusatzkonvention vom 12. März 1878 übernommenen Nachsubventionen von je zehn Millionen Franken durch offizielle Mittheilung beider Staatsregierungen fest zugesagt seien ; 3) daß die Gotthardbahngesellschaft binnen einer vom Bundesrathe ihr anzusetzenden Frist durch einen vollständigen Finanzausweis Gewißheit darüber schaffe , daß sie. unter Einrechnung der 28 Millionen neuer Subvention, die durch die

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Luzerner Conferenz, beziehungsweise im Staatsvertrage vom 12. März 1878 vorgesehenen Mittel besitze, um das Unternehmen nach den vom Bundesrathe genehmigten Plänen und Kostenberechnungen durchzuführen ; 4) daß die Gotthardbahngesellschaft sich in verpflichtender Weise dahin erkläre, die für den Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien jeweilen vertragsgemäß normirten Maximaltaxen auch im direkten Verkehr zwischen der Schweiz und Italien als Maximalsätze anzuerkennen und demnach auf diejenigen höhern Ansätze zu verzichten, zu deren Bezug sie durch einzelne kantonale Konzessionen berechtigt gewesen wäre.

II. Für den Fall, daß die im Luzerner Protokoll vom 12. März 1878 in Aussicht genommenen Mittel zur Vollendung des Gotthardunternehmens nicht ausreichen würden, sollen aus dieser einmaligen Subvention für die schweizerische Eidgenossenschaft keine rechtlichen Verpflichtungen für eine weitere finanzielle Betheiligung am Gotthard unternehmen erwachsen.

III. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 , betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Postulat.

Der Bundesrath wird eingeladen, der Bundesversammlung noch im Laufe ihrer jetzigen (am 29. Juli beginnenden) Sitzung Bericht und Anträge darüber zu hinterbringen , wie die 6Va für die Gotthardsubvention erforderlichen Millionen beizubringen und, falls dieselben auf dem Wege eines Anleihens beschafft werden sollen, wie dieselben zu verzinsen und zu amortisiren sind. .

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Mehrheit der Nationalrathscommission betreffend das Gotthardunternehmen.

(Vom 16. Juli 1878.)

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1878

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3

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34

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20.07.1878

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305-342

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