13.031 Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen, Informationssysteme) vom 8. März 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Ausländergesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. März 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-3208

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Übersicht Mit der Teilrevision des Ausländergesetzes soll das Sanktionensystem gegen Transportunternehmen, welche Ausländerinnen und Ausländer befördern, die nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen, verbessert werden. Zur Vereinfachung der Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen wird zudem eine Gesetzesgrundlage eingefügt, damit das Passagier-Informationssystem automatische Abgleiche mit anderen Datenbanken vornehmen kann. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass bei der Umsetzung des im Dezember 2009 vom Parlament genehmigten nationalen Visumsystems die Gesetzesgrundlagen teilweise angepasst werden müssen. Schliesslich wird bei der Überstellung von Personen in die Schweiz im Rahmen der Dublin-Assozierungsabkommen eine Gesetzeslücke betreffend die Kostenübernahme durch den Bund geschlossen.

Ausgangslage Im Bereich der Sanktionen gegen Transportunternehmen (Carrier Sanctions) hat das Bundesamt für Migration nach Einführung der entsprechenden Strafnorm im Jahr 2008 von Anfang bis Mitte 2009 25 Strafverfahren gegen 13 Fluggesellschaften eröffnet. Die Verfahren betrafen 188 Passagierinnen und Passagiere, die grösstenteils über kein gültiges Visum verfügten. Jedoch mussten die Verfahren allesamt eingestellt werden, weil sie nach dem geltenden Recht aufgrund rechtlicher und praktischer Probleme nicht mit einer Verurteilung hätten abgeschlossen werden können. Seither wurden keine neuen Verfahren eröffnet. Damit die Sanktionierung von Transportunternehmen im Bedarfsfall tatsächlich praktikabel wird und die Norm ihre abschreckende Präventivwirkung aufrechterhalten kann, sind die vorgesehenen Gesetzesanpassungen notwendig. Ein Vergleich mit ausgewählten Schengen-Staaten zeigt, dass einzig die Schweiz mit einem Verschuldensstrafrecht und mit verschuldensabhängigen Bussen operiert. Das Ziel der Revision besteht darin, die Zahl der beförderten Personen, die nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen (rund 1000 Fälle im Jahr 2011), in Zusammenarbeit mit den Luftverkehrsunternehmen zu senken.

Zur Verbesserung der Grenzkontrolle und der Bekämpfung der illegalen Migration kann das Bundesamt für Migration von Fluggesellschaften für ausgewählte Flüge aus Nicht-Schengen-Staaten vor dem Abflug die Übermittlung von Passagierdaten verlangen: Personalien, Angaben zum Reisedokument und zum Flug. Beim
dafür entwickelten Informatiksystem hat sich jedoch gezeigt, dass die bestehenden Rechtsgrundlagen im Datenschutzbereich nicht genügen, um das System wie geplant einzuführen. Mit der nun vorgesehenen Gesetzesanpassung kann das Informatiksystem in der Praxis eingesetzt werden.

Inhalt der Vorlage Bei der Beförderung einer ungenügend dokumentierten Person besteht neu eine gesetzliche Vermutung, dass das betreffende Transportunternehmen seine Sorgfaltsbzw. Meldepflicht verletzt hat. Die Fluggesellschaft kann indessen die Sanktion

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abwenden, indem sie nachweist, dass sie alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, damit nur Personen befördert werden, die über die notwendigen Reisedokumente verfügen. Diese Beweisführung wird durch mehrere gesetzliche Entlastungsgründe erleichtert, bei deren Vorhandensein die Behörde von einer Ahndung absieht. Im Bereich der Sanktionierung von Transportunternehmen soll die Verfolgung und Anordnung von Sanktionen neu dem Verwaltungsverfahren anstatt wie bisher dem Verwaltungsstrafverfahren unterstellt werden.

Zur Vereinfachung der Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen ist vorgesehen, dass das Passagier-Informationssystem automatische Abgleiche mit anderen Datenbanken vornehmen und die entsprechenden Ergebnisse an die Grenzkontrollbehörden weiterleiten kann.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Notwendigkeit der Gesetzesänderung 1.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.1 Carrier Sanctions und Übermittlung von Passagierdaten 1.3.2 Nationales Visumsystem 1.3.3 Weitere Änderungen 1.4 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.5 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates 1.6 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6.1 Im Bereich der Carrier Sanctions 1.6.2 Im Bereich des API-Systems

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2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

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3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

2598 2598 2598

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG) (Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen, Informationssysteme) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

«Carrier Sanctions» und Übermittlung von Passagierdaten (API-Daten): Die Schweiz nimmt an der Schengener Zusammenarbeit gestützt auf einen Inkraftsetzungsbeschluss des Rates der EU seit dem 12. Dezember 2008 auf operativer Ebene teil. Auf dieses Datum hin wurden in der Schweiz die mit der Umsetzung des Schengen-Besitzstands zusammenhängenden Änderungen des Asylgesetzes vom 26. Juni 19981 (AsylG) und des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 20052 (AuG) in Kraft gesetzt. In diesem Rahmen wurden unter anderem die Grundlagen geschaffen, um von Fluggesellschaften die Übermittlung von Passagierdaten verlangen und Transportunternehmen bei Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen sanktionieren zu können (Art. 92­95, 104 und 120a­120d AuG; vgl. BBl 2007 7937). Mit der Schaffung dieser Rechtsgrundlagen wurden die Vorgaben des einschlägigen SchengenBesitzstands (Art. 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens, SDÜ3) sowie der ergänzenden Richtlinien 2001/51/EG4 und 2004/82/EG5 umgesetzt.

Zudem kann das Bundesamt für Migration (BFM) von Fluggesellschaften für ausgewählte Flüge aus Nicht-Schengen-Staaten vor dem Abflug die Übermittlung von Passagierdaten (Advance Passenger Information; API-Daten) verlangen (u.a. Personalien, Angaben zum Reisedokument und zum Flug). Das BFM hat gestützt auf eine Risikoanalyse die Meldepflicht für ausgewählte Abflugdestinationen angeordnet.

Damit soll ein Beitrag zur Verbesserung der Grenzkontrolle und zur Bekämpfung der illegalen Migration geleistet werden. Um solche Passagierdaten empfangen und den Grenzkontrollbehörden zur Verfügung stellen zu können, wurde ein entsprechendes Informatiksystem entwickelt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die bestehenden Rechtsgrundlagen im Bereich des Datenschutzes nicht genügen, um das System wie geplant einzuführen. Der Funktionsumfang des Systems musste daher im Sinn einer Übergangslösung reduziert werden. Um die ursprünglich geplante Lösung einführen zu können und damit die Sicherheit und Effizienz des Systems zu erhöhen, braucht es eine Gesetzesanpassung.

Nach geltendem Recht können Transportunternehmen (in der Praxis Luftverkehrsunternehmen) durch das BFM grundsätzlich mit Bussen bis zu einer Million Franken bestraft werden, wenn sie ihre Sorgfaltspflicht nach Artikel 92 Absatz 1 AuG verletzen (Art. 120a Abs. 1 AuG). Luftverkehrsunternehmen, die ihre Meldepflicht nach 1 2 3

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SR 142.31 SR 142.20 Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der BeneluxWirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19.

Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, ABl. L 187 vom 10.7.2001, S. 45.

Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln, ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 24.

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Artikel 104 AuG schuldhaft verletzen, können mit Bussen bis zu einer Million Franken bestraft werden (Art. 120b Abs. 1 AuG). Bereits im Rahmen der Eröffnung der ersten Verfahren gegen Luftverkehrsunternehmen, die ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatten, hat sich jedoch gezeigt, dass die geltenden Rechtsgrundlagen das angestrebte Ziel nicht erreichen. Es besteht darin, die Luftverkehrsunternehmen dazu zu bringen, ihre Kontrollfunktionen lückenlos wahrzunehmen.

Nationales Visumsystem: Im Dezember 2009 hat das Parlament im Rahmen der Einführung des zentralen Schengener Visa-Informationssystems die Schaffung eines neuen nationalen Visumsystems (N-VIS)6 genehmigt (Art. 109b AuG). Das zentrale System wurde am 11. Oktober 2011 in Betrieb genommen. Das N-VIS sollte Anfang 2014 in Betrieb genommen werden. Bei der nachträglichen Entwicklung der notwendigen Informatiksysteme hat sich herausgestellt, dass die vom Parlament bereits genehmigten, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetzesgrundlagen in bestimmten Punkten angepasst werden müssen.

Überstellung von Personen in die Schweiz im Rahmen der Dublin-Zusammenarbeit: Mit den Dublin-Assoziierungsabkommen7 hat sich die Schweiz namentlich verpflichtet, die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 343/20038 des Rates (DublinII-Verordnung) und der Verordnung (EG) Nr. 1560/20039 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-Verordnung umzusetzen. In der Verordnung der Kommission ist insbesondere vorgesehen, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung einer Person in den zuständigen Staat vornimmt, nicht für die mit einer Beförderung über den Ankunftspunkt hinaus verbundenen Kosten aufkommen muss (Art. 8 Abs. 1). Daher kann die Schweiz die Kosten für die Aufnahme einer Person, für die sie zuständig ist, nicht auf den Staat überwälzen, der um eine Überstellung ersucht hat.

Das Verfahren zur Überstellung in die Schweiz (Dublin-In-Verfahren) betrifft zurzeit rund 500 Personen pro Jahr und führt bei den Kantonen zu administrativen Kosten. So sind die kantonalen Flughafenbehörden dafür verantwortlich, den Empfang der Personen zu organisieren, das BFM über deren Ankunft zu informieren, die Sicherheitskontrollen vorzunehmen und die Beförderung in den Zuweisungskanton zu koordinieren und zu organisieren. Der Bund übernimmt diese Kosten heute in Form von Beiträgen an die Kantone. Sie belaufen sich auf rund 150 000 Franken pro Jahr und werden dem Kredit für die Vollzugskosten belastet.

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Bundesbeschluss vom 11. Dezember 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung und des Beschlusses über das Visa-Informationssystem (VIS), AS 2010 2063, 2011 4449.

Die Abkommen sind in Anhang 1 AsylG aufgeführt.

Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3.

2566

Anlässlich der kürzlich erfolgten Revision der Asylverordnung 2 vom 11. August 199910 hat sich gezeigt, dass es für die Übernahme dieser Kosten durch den Bund keine formelle Gesetzesgrundlage gibt. Diese soll nun geschaffen werden.

Der Bundesrat hat am 27. Juni 2012 das Vernehmlassungsverfahren eröffnet, das bis zum 18. Oktober 2012 dauerte.

1.2

Notwendigkeit der Gesetzesänderung

Gestützt auf den geltenden Artikel 104 AuG (Übermittlung von Passagierdaten) sind keine automatisierten Datenbankabfragen möglich, die direkt durch das PassagierInformationssystem (API-System) ausgelöst werden. Die von den Fluggesellschaften bei bestimmten Flügen übermittelten Passagierdaten sollen jedoch durch die vom BFM betriebene Applikation automatisch in den relevanten Datenbanken, das heisst im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS), im automatisierten Polizeifahnungssystem (RIPOL), im Schengener Informationssystem (SIS) und in der Datenbank von Interpol über gestohlene und verlorene Reisedokumente (ASFSLTD) abgefragt werden können. Eine Einsicht in die aus den Abfragen resultierenden Treffer erhalten nur die zuständigen Grenzkontrollbehörden. Aus rechtlicher Sicht kommen die durch das API-System ausgelösten Abfragen einem erweiterten Zugriff des BFM gleich, das seinen Zugriff auf RIPOL und SIS heute nur für eingeschränkte Zwecke nutzen darf. Die automatisierten Datenbankabfragen müssen daher neu geregelt werden.

Ein weiteres Problem bei der Umsetzung von Artikel 104 AuG besteht darin, dass die Passagierdaten den Grenzkontrollbehörden nicht via das geschützte Portal des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zur Verfügung gestellt werden können, dies aber die Benutzerfreundlichkeit und die Sicherheit erhöhen würde. Dieses EJPD-Portal, ein sogenanntes «Single-Sign-On-Portal», bildet die zentrale Sicherheitsarchitektur und -infrastruktur des Informatik Service Centers des EJPD. Alle Fachanwendungen des EJPD (z.B. ZEMIS, SIS, RIPOL etc.) laufen hinter diesem Portal. Gemäss dem Datenschutzgesetz vom 19. Juni 199211 (DSG) liegt ein sogenanntes Abrufverfahren vor, wenn nach dem Selbstbedienungsprinzip online auf die im API-System bearbeiteten Personendaten zugegriffen werden kann (Art. 19 Abs. 3 DSG). Daten dürfen nur via Abrufverfahren zugänglich gemacht werden, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht. Diese gesetzliche Grundlage soll nun geschaffen werden.

Bei der Ahndung von Sorgfaltspflichtverletzungen durch Transportunternehmen liegt das Hauptproblem in der Ausgestaltung von Artikel 120a AuG (Strafbestimmung). Ein Luftverkehrsunternehmen macht sich demnach nur strafbar, wenn es nicht alle «zumutbaren Vorkehren» trifft, «damit nur Personen befördert
werden, die über die für die Durchreise, Einreise oder Ausreise erforderlichen Reisedokumente verfügen» (Art. 120a Abs. 1 AuG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 AuG). Dass das Unternehmen Personen befördert, die nicht über die für die Durchreise, Einreise und Ausreise erforderlichen Reisedokumente verfügen, ist also nicht bereits ein Beweis, sondern bestenfalls ein Indiz dafür, dass die zumutbaren Vorkehrungen nicht getroffen wurden. Für das Strafverfahren bedeutet dies, dass das BFM dem beschuldigten 10 11

SR 142.312 SR 235.1

2567

Luftverkehrsunternehmen nicht bloss den strafrechtlichen Erfolg (den Transport ungenügend dokumentierter Personen) nachweisen muss, sondern zusätzlich auch die konkrete Unterlassung einer zumutbaren Vorkehrung, die zu diesem Erfolg geführt hat.

Diesen Nachweis zu führen hiesse in aller Regel, an den betreffenden Abflughäfen den konkreten Sachverhalt zu ermitteln, die involvierten Mitarbeitenden zu identifizieren und einzuvernehmen und nötigenfalls Räumlichkeiten zu durchsuchen sowie Unterlagen zu beschlagnahmen, die auf das Unterlassen notwendiger Vorkehrungen hinweisen könnten. Da dies aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht oder nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand möglich ist, kann der Nachweis der Sorgfaltspflichtverletzung in der Praxis nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Begründungsdichte erbracht werden.

Selbst wenn versucht werden sollte, den Erfolg (den Transport ungenügend dokumentierter Personen) als ausreichenden Beweis der Unterlassung zumutbarer Vorkehrungen zu bewerten, wäre damit noch wenig gewonnen: Spätestens bei der Festsetzung der konkreten Sanktion ist auf das Verschulden im konkreten Einzelfall abzustellen, das sich aber gerade nicht bzw. nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand ermitteln lässt.

Bei den Sorgfaltspflichtverletzungen von Luftverkehrsunternehmen handelt es sich zudem um ein Massendelikt. Allein im Jahr 2011 sind beim BFM rund 1000 (2010: knapp 1200) Anzeigen wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht eingegangen.

Was die Meldepflicht angeht, wurde das zu ihrer Erfüllung nötige API-System erst Ende 2011 in Betrieb genommen. Deshalb konnten noch keine Erfahrungen betreffend Bestrafung bei Meldepflichtverletzungen gesammelt werden. Es werden sich jedoch vergleichbare Probleme wie bei einer Sorgfaltspflichtverletzung ergeben, da die entsprechenden Bestimmungen ähnlich konzipiert sind.

Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung werden die Schwächen des geltenden Rechts beseitigt und das bestehende Sanktionssystem wird durch ein praktikables, effektives und dem Schengen-Besitzstand weiterhin entsprechendes System ersetzt.

1.3

Die beantragte Neuregelung

1.3.1

Carrier Sanctions und Übermittlung von Passagierdaten

Die Schweiz ist als Schengen-Mitgliedstaat verpflichtet, Artikel 26 SDÜ sowie die Richtlinien 2001/51/EG und 2004/82/EG im nationalen Recht wirksam umzusetzen.

Es besteht zudem ein grosses öffentliches Interesse an einer Norm, die sich in der Praxis als justiziabel und wirksam erweist und so dem materiellen Recht zur Durchsetzung verhilft. Um dies zu erreichen, sind ­ auch aufgrund der in der Praxis gewonnenen Erfahrungen ­ folgende Änderungen vorgesehen: Automatisierte Datenbankabfragen: Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, damit die Passagierdaten nach Artikel 104 Absatz 4 AuG direkt durch das API-System automatisiert in den relevanten Datenbanken abgefragt werden können. Das BFM wird auch mit dieser Gesetzesänderung keine Einsicht in die aus den Abfragen resultierenden Treffer erhalten. Einsehbar werden die Treffer nur für die zuständigen Grenzkontrollbehör2568

den sein, die bereits heute im Rahmen ihrer Grenzkontrolltätigkeit über die notwendigen Zugriffsrechte verfügen.

Abrufverfahren statt Weiterleitung: Weiter wird neu geregelt, dass das BFM für die Verarbeitung der Passagierdaten ein Informationssystem betreibt und die zuständigen Grenzkontrollbehörden sowie das BFM via Abrufverfahren auf die im System bearbeiteten Passagierdaten zugreifen können.

Verwaltungsverfahren statt Verwaltungsstrafverfahren: Neu soll für das Verfahren zur Sanktionierung von Luftverkehrsunternehmen bei Sorgfalts- oder Meldepflichtverletzungen das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196812 (VwVG) zur Anwendung gelangen. Gleich wie im Straf- und Verwaltungsstrafverfahren gilt auch hier der Untersuchungsgrundsatz, das heisst, die Behörde klärt den Sachverhalt von Amtes wegen ab. Im Gegensatz zu einem Straf- oder Verwaltungsstrafverfahren trifft die Partei jedoch eine Pflicht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, die den Untersuchungsgrundsatz relativiert (vgl. Art. 13 VwVG). Weiter ist zu beachten, dass die Anforderungen an das Beweismass im Verwaltungsrecht geringer sind. Es genügt grundsätzlich, dass die Behörde vom Vorhandensein einer Tatsache überzeugt ist, auch wenn keine absolute Gewissheit herrscht.

Einführung einer gesetzlichen Vermutung: Neu wird bei einer Beförderung einer ungenügend dokumentierten Person (Vermutungsbasis) die Verletzung der Sorgfaltspflicht vermutet (Rechtsvermutung). Die Beweislast bleibt sich zunächst gleich für die Vermutungsbasis: Die Behörde hat die Beförderung einer ungenügend dokumentierten Person nachzuweisen. Gelingt dieser Beweis, bleibt dem Luftverkehrsunternehmen noch die Möglichkeit, den sogenannten Beweis des Gegenteils zu führen und damit die Rechtsvermutung zu entkräften. Diesen Beweis führt das Luftverkehrsunternehmen, indem es nachweist, alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Beförderung von Personen zu verhindern, die nicht über die für die Einreise in den Schengen-Raum oder die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen erforderlichen Reisedokumente, Visa und Aufenthaltstitel verfügen. Ebenso wird bei nicht rechtzeitiger, unvollständiger oder falscher Übermittlung der Daten zu den beförderten Personen und zum Flug neu eine Vermutung
der Verletzung der Meldepflicht eingeführt.

Zugunsten der Luftverkehrsunternehmen enthält der Änderungsentwurf zahlreiche Erleichterungen (Art. 122a Abs. 3 E-AuG; Art. 122b Abs. 3 E-AuG), bei denen die gesetzliche Vermutung nicht greift und kein Verfahren wegen einer Sorgfalts- oder Meldepflichtverletzung eröffnet oder keine Belastung gesprochen wird. Zudem sind die neuen Bestimmungen als Kann-Vorschriften konzipiert. Dadurch kann das BFM bei leichten, vereinzelt auftretenden Fällen von einer Verfahrenseröffnung absehen und vorerst eine Mahnung aussprechen. Das Hauptziel der vorgeschlagenen Änderungen besteht darin, die Zahl der beförderten Personen, die ungenügend dokumentiert sind, in Zusammenarbeit mit den Luftverkehrsunternehmen zu senken bzw. zu erreichen, dass die Meldepflicht von den betroffenen Unternehmen effektiv eingehalten wird. Der präventive Gedanke steht dabei im Vordergrund. Entsprechend wird ein Luftverkehrsunternehmen nur belastet, wenn es wiederholt und in ähnlicher Weise oder in groben Einzelfällen die Sorgfalts- oder Meldepflicht verletzt (beispielsweise wenn regelmässig visumpflichtige Personen ohne Visum auf einer 12

SR 172.021

2569

bestimmten, durch dasselbe Luftverkehrsunternehmen betriebenen Flugstrecke aufgegriffen werden).

Pauschalsanktionen statt Bussenrahmen: Die Sanktionen werden neu als Pauschalsanktion pro beförderte Person bzw. pro Flug ohne rechtzeitige oder mit unvollständiger oder falscher Datenübermittlung und nicht mehr als Sanktionsrahmen ausgestaltet. Die Pauschalierung berücksichtigt, dass sich die zu sanktionierenden Pflichtverletzungen hinsichtlich der klassischen Bemessungskriterien des Täterverschuldens und der Tatschwere nicht erheblich unterscheiden bzw. dass sich derartige Unterschiede, wo sie bestehen sollten, aufgrund der eingangs erwähnten praktischen Schwierigkeiten ohnehin kaum nachweisen liessen.

1.3.2

Nationales Visumsystem

Bei jüngst getroffenen technischen Vorbereitungen hat sich herausgestellt, dass die Speicherung zusätzlicher Daten im N-VIS nötig wäre. Es geht darum, die Masken mit den Daten aus dem Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II), dem RIPOL und dem ASF-SLTD, die von den Visumbehörden abgefragt werden können, auch aufzubewahren.

Diese Daten sind für die Entscheide bei der Visumerteilung wichtig. Die so beschafften Informationen sind de facto eine wichtige Unterlage, die gegebenenfalls einem elektronischen Dossier beigefügt werden müssten. Bei der Erteilung eines Visums sind die schweizerischen Vertretungen im Ausland, das BFM sowie die kantonalen und kommunalen Behörden berechtigt, die Daten von RIPOL einzusehen, sofern sie Aufgaben im Bereich des Ausländerrechts ausführen.

1.3.3

Weitere Änderungen

In weiteren Bereichen besteht ein Bedarf für Gesetzesanpassungen von beschränkter Tragweite.

Im bestehenden Artikel 6 Absätze 2 und 2bis AuG wurde eine formelle Anpassung beim Verfahrensablauf vorgenommen.

Mit dem neuen Artikel 103b AuG wurde eine formell-gesetzliche Rechtsgrundlage für ein Informationssystem über Einreiseverweigerungen, die INAD-Datensammlung, geschaffen (INAD: inadmissible passengers). Die in diesem System erfassten Daten sind als besonders schützenswerte Daten einzustufen, deshalb ist eine formellgesetzliche Grundlage notwendig.

Mit dem neuen Artikel 104b AuG wurde zudem ein Zugang zu API-Passagierdaten im Einzelfall geschaffen, damit auch den ausserhalb des Grenzwachtkorps angesiedelten Grenzkontrollbehörden die gleichen rechtlichen Möglichkeiten für eine effiziente Grenzkontrolltätigkeit zur Verfügung steht.

2570

1.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Im Bereich der Carrier Sanctions sollen die Änderungen eine effektive und praktikable Anwendung der Sanktionsmöglichkeiten gewährleisten.

Beim API-System und dem nationalen Visumsystem (N-VIS) sollen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um diese Systeme und Instrumente wie geplant einzuführen und umzusetzen.

1.5

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrates

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wurden folgende Meinungen zu den wichtigsten Änderungsvorschlägen geäussert13: Streichung der Kann-Formulierung bei den Sanktionen Die SVP verlangt die Streichung der Kann-Formulierung in Artikel 122a Absatz 1 und Artikel 122b Absatz 1 E-AuG (Carrier Sanctions und Verletzung der Meldepflicht im API-Verfahren).

Haltung des Bundesrates Pro Jahr werden rund 1000 Personen an der schweizerischen Aussengrenze zurückgewiesen ­ bei einem Gesamtvolumen von ca. 7 Mio. Einreisen über die Aussengrenzen der Schweizer Flughäfen. Dies entspricht einer Rückweisungsrate von etwa 0,14 . Werden davon noch diejenigen Fälle abgezogen, in denen die Einreiseverweigerung auf Informationen beruht, zu denen die Luftverkehrsunternehmen gar keinen Zugang haben (Einreiseverbote, Gefahr für die öffentliche Sicherheit, ungenügende Mittel, ungenügender Nachweis des Aufenthaltszwecks), so halbiert sich dieser Wert gar noch (2011: 502 von 1002 Fällen). Angesichts der enormen Passagierzahlen ist offensichtlich, dass selbst dort, wo Luftverkehrsunternehmen sämtliche vertretbaren Anstrengungen unternehmen, um den Transport von ungenügend dokumentierten Personen zu verhindern, einzelne Fehlentscheidungen nicht gänzlich verhindert werden können.

Ein Verzicht auf die Kann-Vorschrift hätte damit gleich zwei unerwünschte Effekte: Einerseits müssten in jedem Fall Sanktionen ausgesprochen werden, also auch in jenen Fällen, die klar nicht auf ein grundsätzliches Fehlverhalten eines Luftverkehrsunternehmens zurückzuführen sind, sondern die selbst bei vorbildlichen Vorkehrungen angesichts der Masse der beförderten Passagierinnen und Passagiere nicht vollständig verhindert werden konnten. In diesen Fällen käme der Sanktion damit keinerlei präventive Wirkung mehr zu ­ sie verkäme zum reinen Selbstzweck.

Anderseits würde das BFM, das diese Verfahren führen müsste, mit einem erheblichen Mehraufwand konfrontiert, der mit dem bestehenden Personalbestand nicht zu bewerkstelligen wäre.

13

Vgl. Vernehmlassungsbericht: www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2012.html

2571

Umkehr der Beweislast Mehrere Vernehmlasser (u.a. Aerosuisse und SWISS) kritisieren die gesetzliche Vermutung zulasten der Luftverkehrsgesellschaften. Sie sei unverhältnismässig und nicht zielführend. Die Beweiserbringung sei für die Luftverkehrsgesellschaften genau so aufwändig und schwierig, wie es derzeit für die Behörden sei, und verursache enorme Kosten. Ausserdem dürfe eine grundsätzlich staatliche Aufgabe (Sicherung der Aussengrenzen, Bekämpfung der illegalen Migration) nicht auf diese Weise auf private Rechtsträger übertragen werden.

Haltung des Bundesrates Betreffend gesetzliche Vermutung: Der Staat muss weiterhin die Vermutungsbasis, d.h. die Beförderung einer ungenügend dokumentierten Person, beweisen. Die Einführung der gesetzlichen Vermutung ist aber notwendig, weil sonst die Sanktionsnorm in der Praxis keine Wirkung entfaltet. Die gesetzliche Vermutung kann die Fluggesellschaft ohne Weiteres widerlegen, in dem sie aufzeigt, welche (hinreichenden) personellen, organisatorischen und technischen Massnahmen sie an der konkreten Destination getroffen hat, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Demgegenüber ist der Behörde der Nachweis einer Sorgfaltspflichtsverletzung aus tatsächlichen (Verfahrensführung im Ausland) sowie rechtlichen Gründen (Schwierigkeit zu beweisen, dass ein bestimmter Umstand nicht vorliegt) kaum möglich. Im Übrigen entspricht die Regelung internationalem Recht (Anhang 9 Ziff. 5.14 des Übereinkommens vom 7. Dezember 194414 über die internationale Zivilluftfahrt; betreffend die Übertragung staatlicher Aufgaben vgl. Anhang 9 Ziff. 3.33 des Übereinkommens).

Keine Sanktionierung in Einzelfällen Einige Vernehmlasser (Board of Airlines Representatives in Switzerland, Economiesuisse, SWISS) möchten, dass Sanktionen erst ergriffen werden, wenn Luftverkehrsgesellschaften systematisch auf Kontrollen verzichten und so ihre Sorgfaltspflicht verletzen.

Haltung des Bundesrates Nicht nur der systematische Verzicht, sondern auch vorhandene, aber qualitativ ungenügende Kontrollen müssen sanktioniert werden können. Die Kann-Vorschrift beachtet das Verhältnismässigkeitsprinzip ausreichend, ohne aber die gewünschte abschreckende Wirkung der Norm zu verwässern (vgl. auch oben Ziff. 1.3.1, wonach das BFM bei leichten, vereinzelt auftretenden Fällen von einer Verfahrenseröffnung absehen
und vorerst eine Mahnung aussprechen kann).

Weiterführende Sanktionen Die SVP verlangt, dass in schweren Fällen neben einer Busse auch weitere Sanktionsmöglichkeiten, wie etwa der Entzug der Landeerlaubnis, in den Gesetzestext aufzunehmen sind.

14

SR 0.748.0

2572

Haltung des Bundesrates Die beabsichtigten Sanktionen (Bussen) sollten auch in schweren Fällen eine ausreichend abschreckende Wirkung zeigen. Weitergehende Sanktionierungsmassnahmen dürften in vielen Fällen unverhältnismässig sein. In schwerwiegenden Fällen ist zudem bereits heute etwa der Entzug der Schweizer Betriebsbewilligung möglich, da diese als Auflage unter anderem die Einhaltung ausländerrechtlicher Verpflichtungen aufführt.

Automatisierte Datenbankabfragen (API-System) Drei Vernehmlasser äussern sich dahingehend, dass der automatisierte und systematische Abgleich der API-System-Daten mit dem SIS nicht zulässig sei, da Ersteres nicht als Fahndungsmittel konzipiert worden sei, sondern ausschliesslich bei einem begründeten Verdacht im Rahmen einer sogenannten One-to-one-Abgleichung zum Einsatz komme. Die automatisierte und systematische Abgleichung sei auch nicht verhältnismässig. Es genüge, wenn die Grenzbehörden Abgleiche im Einzelfall und bei einem begründeten Verdacht vornehmen könnten.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat teilt diese Auffassung nicht. Das SIS ist eine Personen- und Sachfahndungsdatenbank. Gerade bei der Einreisekontrolle kommt ihr eine wichtige Bedeutung zu. So muss zwingend jeder Drittstaatsangehörige verdachtsunabhängig bei der Einreise auf mögliche Ausschreibungen (seiner Person oder des vorgewiesenen Reisedokuments) hin überprüft werden. Gemäss der für die Schweiz verpflichtenden Richtlinie 2004/82/EG dient API dazu, die Grenzkontrolle zu verbessern, indem diese intensiver gestaltet werden kann und den Grenzkontrollorganen ausreichend Zeit für eine eingehende und genaue Kontrolle eingeräumt wird.

Kostenverteilung für das Nationale Visumsystem Vier Kantone halten fest, dass bei der Umsetzung des Subsystems von N-VIS den Kantonen keine zusätzlichen Kosten anfallen dürfen und der genaue Umfang des Projekts und die Bezifferung des ungefähren Kostenrahmens klarer darzulegen seien.

Haltung des Bundesrates Das neue nationale Visuminformationssystem N-VIS wird im Rahmen des Informatikkredits Schengen umgesetzt. Durch die Gesetzesänderungen in Bezug auf die Umsetzung des N-VIS sind keine Mehrkosten bei den Kantonen zu erwarten.

Es kann heute nicht abschliessend geklärt werden, in welchem Umfang die gesetzliche Möglichkeit von Visumdossiers (vgl. Ausführungen zu Art. 109b
Abs. 2bis in Ziff. 2) umgesetzt wird. Die finanziellen und personellen Auswirkungen für diese Umsetzung lassen sich daher zurzeit nicht beziffern.

Datenspeicherung beim Nationalen Visumsystem Der Kanton Aargau bezweifelt, dass die Speicherung der Daten ausserhalb der Systeme SIS und RIPOL aufgrund der Sensibilität der Daten und des unklaren Nutzens verhältnismässig sei.

2573

Haltung des Bundesrates Die Daten werden nur gespeichert, wenn der Abgleich mit SIS, RIPOL und ASFSLTD Treffer ergab. Es erfolgt damit keine systematische Speicherung der Daten ausserhalb der erwähnten Datenbanken. Ausserdem werden die allenfalls im N-VIS gespeicherten Daten bei negativen Visa-Entscheiden nur bis zum Inkrafttreten der ablehnenden Verfügung aufbewahrt und im Fall einer Visumserteilung höchstens ein Jahr im N-VIS aufbewahrt.

1.6

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

1.6.1

Im Bereich der Carrier Sanctions

Der Schengen-Besitzstand verlangt von den Mitgliedstaaten die Einführung wirksamer Sanktionen gegen Verletzungen der Sorgfalts- und Meldepflichten von Transportunternehmen Die tatsächliche Umsetzung dieser Verpflichtung hängt stark vom jeweiligen nationalen Rechtssystem ab. Ein Vergleich mit Belgien, Deutschland, Luxemburg und Österreich zeigt, dass die Sanktion bei Verletzungen der Sorgfaltspflicht in allen diesen Staaten von der Zahl der undokumentiert beförderten Passagierinnen und Passagiere abhängt. Hinsichtlich der Höhe orientieren sich die Sanktionen an den Vorschriften der Richtlinie 2001/51/EG und bewegen sich damit in ähnlichem Rahmen wie diejenigen der Schweiz (beispielsweise Belgien: 3750 Euro pro Passagier/in, Erhöhung auf 5000 Euro geplant; Österreich: 5000 bis 15 000 Euro pro Passagier/in).

Obwohl die Verfahren, die letztlich zu einer Sanktion führen, im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ist ihnen doch gemeinsam, dass die zuständige Behörde dem fehlbaren Transportunternehmen in keinem Fall eine konkrete Unterlassung der Sorgfaltspflicht im Ausland nachweisen muss. Im Einklang mit dem vorliegenden Entwurf müssen die zuständigen Behörden in den genannten Staaten dem Transportunternehmen lediglich nachweisen, dass es Personen befördert hat, die nicht über die notwendigen Reisedokumente, Visa oder Aufenthaltstitel verfügen. Spezifische Exkulpationstatbestände, wie sie der vorliegende Entwurf vorsieht, enthält lediglich das luxemburgische Recht. Beim Sanktionensystem operiert Deutschland mit einem Tatbestandskatalog, während etwa Tschechien eine fallweise Entscheidung mit einer Maximalbusse von 20 000 Euro trifft. Bei beiden Ländern haben die Behörden ebenfalls einen gewissen Ermessensspielraum, ob sie eine Busse aussprechen oder nicht.

1.6.2

Im Bereich des API-Systems

Ein Vergleich mit der Umsetzung des API-Systems in diversen EU-Ländern zeigt, dass z.B. Deutschland, Tschechien und Spanien die API-Daten mit allen SISAusschreibungen abgleichen. In Tschechien werden die API-Daten ausserdem mit sämtlichen Polizeidatenbanken abgeglichen und in Spanien können die API-Daten zusätzlich zur Gewährung der inneren Sicherheit eingesetzt werden. Deutschland verlangt zusätzlich zum Datenkatalog gemäss der Richtlinie auch das Geschlecht, 2574

die Nummer und den ausstellenden Staat des erforderlichen Aufenthaltstitels oder Flughafentransitvisums, die ursprünglichen Abflugorte und die gebuchte Flugroute.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Ersatz des Ausdrucks «Reisepapiere» durch «Reisedokumente» Diese redaktionelle Anpassung betrifft ausschliesslich die deutsche Fassung, in der die Ausdrücke «Reisepapiere» und «Reisedokumente» für denselben Begriff verwendet werden. Im deutschen Wortlaut treten die beiden Ausdrücke bisweilen in derselben Bestimmung auf, was eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge haben kann (siehe z.B. Art. 111 AuG). In der französischen und italienischen Fassung wird jeweils ein einziger Ausdruck verwendet («documents de voyage», «documenti di viaggio»). Eine Anpassung der deutschen Fassung ist also dadurch gerechtfertigt, dass sich die drei Sprachversionen des Gesetzes entsprechen müssen. Der Ersatz des Ausdrucks «Reisepapiere» im Gesetz lässt sich auch mit dem deutschen Titel der Verordnung vom 14. November 201215 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen begründen.

Art. 6 Abs. 2 und 2bis In Absatz 2 wird neu geregelt, dass bei der Verweigerung des Visums für einen bewilligungsfreien Aufenthalt (Art. 10 AuG) die zuständige Auslandvertretung im Namen des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) eine Verfügung erlässt, sofern dessen Zuständigkeitsbereich betroffen ist. Absatz 2bis hält fest, dass gegen eine solche Verfügung beim EDA innerhalb von 30 Tagen schriftlich Einsprache erhoben werden kann, sofern das EDA die verfügende Instanz ist.

Bei der Bewilligung von Visa im Zusammenhang mit offiziellen Missionen, die den Verfahrensvorschriften des diplomatischen Dienstes unterstehen, ist diese Norm nicht anwendbar.

Art. 65 Abs. 3 Der Begriff «Transitraum» wird durch die Terminologie «internationale Transitzonen der Flughäfen» ersetzt, damit im AuG eine einheitliche Terminologie vorherrscht. Die Bedeutung der beiden Ausdrücke ist identisch, womit sich keine materiellen Änderungen der angepassten Normen ergeben.

Art. 92

Sorgfaltspflicht

Die Zusammenarbeit zwischen Luftverkehrsunternehmen und Behörden, die heute in Absatz 3 geregelt ist, soll neu in einem eigenen Artikel geregelt werden (Art. 94 E-AuG). Die Artikelüberschrift wurde entsprechend angepasst.

15

SR 143.5

2575

Abs. 1 Der geltende Artikel 92 Absatz 1 AuG könnte nach dem Wortlaut dahingehend verstanden werden, dass die Sorgfaltspflicht der Luftverkehrsunternehmen auch für Flüge innerhalb des Schengen-Raums gilt, also für Flüge von einem anderen Schengen-Staat in die Schweiz. Dies wäre jedoch mit Artikel 26 SDÜ bzw. der Richtlinie 2001/51/EG nicht vereinbar. Deshalb wurde ­ was die Einreise betrifft ­ der Zusatz «Einreise in den Schengen-Raum» hinzugefügt. Dabei gilt die Sorgfaltspflicht unabhängig davon, ob die Person im Anschluss an die Einreise in der Schweiz verbleiben oder in einen anderen Schengen-Staat weiterreisen will (z.B. Johannesburg­Zürich­Hamburg). Von der Einreise zu unterscheiden ist die Durchreise, bei der die Personen lediglich «durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen» reisen, ohne in den Schengen-Raum einzureisen (z.B. bei einem Flug Johannesburg­ Zürich­Moskau).

Für die Einreise in den Schengen-Raum via die Schweiz steht lediglich der Luftweg offen. Die bisher ebenfalls erwähnten anderen Verkehrsarten wurden deshalb gestrichen. Ebenso wurde der Teilsatz «die im internationalen Linienverkehr Personen befördern» gestrichen. Diese Einschränkung bezieht sich nach Artikel 26 Absatz 3 SDÜ einzig auf Car-Reisen, nicht auch auf den Luftverkehr.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, weitere Transportunternehmen dieser Regelung zu unterstellen, wenn aufgrund neu entstandener Aussengrenzen (Austritt eines Nachbarstaates aus dem Schengenverbund) direkt aus Drittstaaten kommende Strassen-, Schienen- oder Schiffstransporte möglich werden (Art. 95 E-AuG).

Weder das SDÜ noch Anhang 9 des Übereinkommens vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt kennen eine Sanktionierung bei der Ausreise. Mangels eines entsprechenden Bedürfnisses in der Praxis wird darauf verzichtet.

Die Dokumente, die die Einreise in den Schengen-Raum oder die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen ermöglichen, müssen im Gesetz genau festgehalten werden, damit kein Zweifel darüber besteht, für welche Dokumente die Sorgfaltspflicht der Transportunternehmen gilt. Daher ist es unerlässlich zu erwähnen, dass neben den Reisedokumenten auch die Visa und Aufenthaltstitel überprüft werden müssen.

Abs. 2 Die bisher erwähnten Strassentransport- und Schifffahrtsunternehmen werden gestrichen
(vgl. Ausführungen zu Abs. 1).

Art. 93 Abs. 1 und 3 Einleitungssatz Die bisher erwähnten Strassentransport-, Schifffahrts- und Eisenbahnunternehmen und der Ausdruck «im internationalen Linienverkehr» werden gestrichen (vgl.

Ausführungen zu Art. 92 E-AuG).

Abs. 1 In Analogie zu Artikel 92 Absatz 1 wird die Einreise mit dem Zusatz «in den Schengen-Raum» ergänzt (vgl. Ausführungen zu Art. 92 E-AuG).

2576

Art. 94 (neu)

Zusammenarbeit mit den Behörden

Die heute in Artikel 92 Absatz 3 AuG enthaltene Delegationsnorm erweist sich mit Blick auf den geltenden Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung vom 22. Oktober 200816 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV) als zu eng, weshalb ein Teil der heutigen Verordnungsbestimmungen neu auf Gesetzesstufe gehoben wird.

Abs. 1 Die bisher im Artikel 92 Absatz 3 erwähnten Strassentransport- und Schifffahrtsunternehmen werden gestrichen (vgl. Ausführungen zu Art. 92 Abs. 1 E-AuG).

Abs. 2 Der Wortlaut von Artikel 26 Absatz 1 VEV wird nur teilweise in den Gesetzestext übernommen. Die nach den Buchstaben a­c und f von Artikel 26 Absatz 1 VEV möglichen Vereinbarungsinhalte sind als Aspekte der Zusammenarbeit zwischen den Luftverkehrsunternehmen und dem BFM bzw. den zuständigen Behörden der Kantone bereits in Artikel 94 Absatz 1 E-AuG enthalten.

Abs. 2 Bst. a Das BFM kann mit den Luftverkehrsunternehmen zusätzliche Massnahmen für bestimmte Destinationen vereinbaren, die nötig sind, damit die Sorgfaltspflicht nach Artikel 92 AuG eingehalten wird. Die Zusammenarbeit besteht vornehmlich im Austausch von Lageinformationen und in der Durchführung von Ausbildungen zugunsten der Luftverkehrsunternehmen. So kann es beispielsweise für eine Destination erforderlich sein, die Reisedokumente mit zusätzlichen (z.B. optischen) Hilfsmitteln auf ihre Echtheit hin zu prüfen, weil eine erhöhte Anzahl Personen mit gefälschten Reisedokumenten von dieser Destination abreist. Oder aber es kann für eine Destination erforderlich sein, die Personalienseite des Passes und allenfalls das Visum sämtlicher Passagierinnen und Passagiere beim Check-In zu kopieren, da vermehrt Passagierinnen und Passagiere ohne Dokumente von dieser Destination an die Aussengrenze gelangen. Mit dieser Massnahme kann nachträglich verifiziert werden, ob eine Person von der vermuteten Destination angereist ist und wer diese Person ist.

Abs 2. Bst b In der Betriebsbewilligung oder der ausgearbeiteten Vereinbarung können Pauschalen für die Deckung allfälliger Kosten von beförderten Personen, denen die Einreise verweigert wurde, eingeführt werden, anstelle der Lebenshaltungs- und Betreuungskostenberechnung nach Artikel 93 AuG.

Abs. 3 Nach geltendem Recht ist die Reduktion der Belastung bei Vorliegen einer Vereinbarung in Artikel 120a Absatz 4 AuG geregelt. An diesem
Mechanismus, der auf einer Empfehlung von Anhang 9 des Übereinkommens über die internationale Zivilluftfahrt beruht, soll festhalten werden.

Mit der neuen Regelung wird klargestellt, dass nur künftige Sorgfaltspflichtverletzungen von einer Belastungsreduktion profitieren können. Der Umfang der Reduktion wird, je nach Ausgestaltung der Pflichten des Luftverkehrsunternehmens und 16

SR 142.204

2577

unter Berücksichtigung des Rechtsgleichheitsgebotes, in jeder Vereinbarung als fester Prozentsatz definiert. Die Reduktion soll jedoch nicht mehr als 50 % betragen.

Art. 95

Weitere Transportunternehmen

Wie bis anhin kann der Bundesrat unter Berücksichtigung der Vorgaben von Artikel 26 SDÜ weitere kommerzielle Transportunternehmen (im Landverkehr oder Seeverkehr) den Bestimmungen der Artikel 92­94 E-AuG unterstellen. Neu wird ausdrücklich klargestellt, dass die vom Bundesrat bezeichneten Unternehmen nicht nur den Pflichten der Artikel 92­94 E-AuG, sondern auch den Sanktionen der Artikel 122a und 122c E-AuG unterliegen.

Eine solche Unterstellung kann jedoch (wie bisher) nicht voraussetzungslos erfolgen, sondern ausschliesslich, wenn schweizerische Landgrenzen zu einer SchengenAussengrenze werden. Dies ist nur der Fall, wenn einer der Nachbarstaaten aus dem Schengenverbund austritt. Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nach Artikel 22 VEV ist kein Grund für eine solche Massnahme. Durch die Wiedereinführung der Grenzkontrolle an den Binnengrenzen werden diese nicht zu einer Aussengrenze.

Art. 103b (neu)

Informationssystem Einreiseverweigerungen

Abs. 1 Nach Artikel 13 Absatz 5 des Schengener Grenzkodex17 müssen sämtliche Mitgliedstaaten Statistiken über die Einreiseverweigerungen an den Aussengrenzen (vgl.

Art. 65 AuG) erheben und jährlich an die Kommission übermitteln. Zudem ist die Schweiz angehalten, der Grenzschutzagentur Frontex monatlich diverse Statistiken zu übermitteln. In diesen Statistiken ist unter anderem anzugeben, wie vielen Personen welcher Nationalität aus welchen Gründen die Einreise verweigert wurde und wo diese Personen ihren Flug in die Schweiz angetreten haben. Um diese Informationen generieren zu können, führt das BFM ein Informationssystem über Einreiseverweigerungen (INAD-System), in dem die Angaben zu allen Personen, denen die Einreise verweigert wurde, gespeichert sind.

Das BFM benötigt das INAD-System zudem für die Umsetzung der Sanktionierung bei festgestellten Sorgfaltspflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen. Im System vermerkt das BFM pro Person, der die Einreise verweigert wurde, ob Hinweise auf eine Sorgfaltspflichtverletzung bestehen. Das INAD-System ermöglicht auf diese Weise, verschiedene festgestellte Sorgfaltspflichtverletzungen miteinander zu vergleichen, allfällige Muster zu erkennen, bei den Luftverkehrsunternehmen entsprechende Korrekturmassnahmen anzumahnen und ­ als ultima ratio ­ gegenüber fehlbaren Luftverkehrsunternehmen eine Sanktion zu verfügen. Zusätzlich ermöglicht das INAD-System dem BFM, sich einen Überblick über den aktuellen Verfahrensstand bei einzelnen Sorgfaltspflichtverletzungen zu verschaffen (z.B.

welche Sorgfaltspflichtverletzungen zu einem Verfahren zusammengefasst sind).

Zur Umsetzung der Sanktionen bei Meldepflichtverletzungen dient das API-System (vgl. Art. 104a Abs. 2 E-AuG).

17

ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 1.

2578

Die Daten werden von den Grenzkontrollbehörden erhoben und monatlich an das BFM übermittelt. Anhand der Personalien und der Grenzkontrollrapporte nimmt das BFM eine Qualitätskontrolle vor, um sicherzustellen, dass die Einreiseverweigerungen nach einheitlichen Kriterien und den Vorgaben von Eurostat und Frontex erfasst werden. Anschliessend gibt das BFM die Daten in das Informationssystem ein.

Zugriff auf die Daten erhält nur das BFM. Es handelt sich somit um ein internes Informationssystem. Die vom BFM gespeicherten Daten zu den Einreiseverweigerungen werden monatlich in anonymisierter Form an das Grenzwachtkorps weitergeleitet, das als zentraler nationaler Kontaktpunkt die Weiterleitung der Daten an Frontex sicherstellt.

Abs. 2 Das Informationssystem enthält die Daten, die für die Erstellung der von Eurostat und Frontex geforderten Statistiken und für die Umsetzung der Sanktionen bei Sorgfaltspflichtverletzungen benötigt werden. Es handelt sich dabei um die Personalien der Personen, denen die Einreise verweigert wurde. Zusätzlich werden auch Angaben zum Flug erfasst, mit dem die betreffenden Personen gereist sind (Flugnummer, Fluggesellschaft, Routing) sowie Angaben zu Verfahren wegen Sorgfaltspflichtverletzungen.

Abs. 3 Nach Ablauf von zwei Jahren kann kein Verfahren wegen einer möglichen Sorgfaltspflichtverletzung mehr eröffnet werden (vgl. Art. 122c Abs. 3 E-AuG), weshalb die Daten ab diesem Zeitpunkt anonymisiert werden und danach lediglich noch für statistische Zwecke zur Verfügung stehen. Damit wird auch den datenschutzrechtlichen Vorgaben, wonach eine unbegrenzte Datenaufbewahrung unverhältnismässig sei, Rechnung getragen.

Art. 104

Meldepflicht der Luftverkehrsunternehmen

Abs. 1 Es wird präzisiert, dass nur Flüge von ausserhalb des Schengen-Raums von dieser Bestimmung erfasst werden (vgl. Ausführungen zu Art. 92 E-AuG).

Die Anpassung des Gesetzestextes von «unmittelbar nach Abschluss des Check-In» in «unmittelbar nach dem Abflug» trägt dem Umstand Rechnung, dass es technisch nicht immer möglich ist, die Daten bereits unmittelbar nach dem Check-In zu melden, sondern in gewissen Fällen erst nach dem Abflug. Zudem ist die Passagierliste erst nach dem Boarding definitiv: Personen, die schon eingecheckt sind, aber die Reise nicht antreten, werden nach Abschluss des Boarding von der Passagierliste gelöscht. Es ist folglich sinnvoll und praxisgerecht, dass die Daten erst nach dem Abflug übermittelt werden müssen. Der Begriff «unmittelbar» lässt bewusst einen Interpretationsspielraum offen. In der Praxis wird die Berechnung der Rechtzeitigkeit mittels einer Pufferzeit erfolgen.

Die Daten sind grundsätzlich dem BFM zu übermitteln. In Ausnahmefällen, etwa bei einem Systemausfall, kann das BFM die Luftverkehrsunternehmen jedoch anweisen, die Daten an die zuständigen Grenzkontrollbehörden zu übermitteln.

2579

Der im geltenden Artikel enthaltene explizite Hinweis, wonach eine Anordnung der Meldepflicht erst «nach Anhörung der Luftverkehrsunternehmen» erfolgt, wird gestrichen, da er rein deklaratorischer Natur ist und mindestens die sogenannten Spezialadressaten (Unternehmen mit besonderer Betroffenheit) ohnehin in Anwendung von Artikel 30 VwVG angehört werden.

Der letzte Satz des Absatzes wird ersatzlos gestrichen. Die Fluggesellschaften übermitteln die API-Daten direkt an das API-System. Die dafür notwendige Adresse wird den Fluggesellschafen in der Anordnung mitgeteilt.

Abs. 2 Der neue Absatz 2 fasst die verschiedenen Elemente der Anordnung zusammen, die bisher auf verschiedene Absätze des Artikels aufgeteilt waren. Das BFM legt fest, welche Abflugdestinationen oder -staaten der Meldepflicht unterliegen, welche Datenkategorien zu übermitteln sind und in welcher Form die Luftverkehrsunternehmen die Daten zu liefern haben. Entgegen dem Wortlaut im geltenden Absatz 4 wird die Form der Übermittlung in einem einseitigen und nicht in einem konsensualen Verfahren bestimmt.

Abs. 3 Zu melden sind in erster Linie Daten zu den beförderten Personen. Die Aufzählung von Absatz 3 orientiert sich dabei am geltenden Recht und umfasst insbesondere die in der Richtlinie 2004/82/EG genannten Datenkategorien. Darüber hinaus erlaubt es der neu formulierte Absatz, weitere für die Grenzkontrolle wichtige Daten zu verlangen, soweit diese dem Luftverkehrsunternehmen vorliegen. Die bereits heute der Meldepflicht unterliegenden Personendaten sind für eine automatisierte Verarbeitung der Daten unabdingbar und werden unverändert beibehalten (Bst. a). Ergänzt werden sie durch das Ablaufdatum des mitgeführten Reisedokuments (Bst. b.), das von den Luftverkehrsunternehmen bereits heute zusammen mit den Personalien der beförderten Person aus der maschinenlesbaren Zone des Reisedokumentes ausgelesen wird.

Eine weitere Ergänzung betrifft Nummer, Ausstellerstaat, Art und Ablaufdatum des mitgeführten Visums oder Aufenthaltstitels, soweit das meldepflichtige Luftverkehrsunternehmen über diese Daten verfügt (Bst. c). Es bestehen schon heute konkrete Pläne, das für den Austausch von Passagierdaten im Luftverkehr gebräuchliche Datenformat so auszubauen, dass künftig auch solche Daten erfasst und bearbeitet werden können. Es ist damit zu
rechnen, dass erste Luftverkehrsunternehmen in absehbarer Zeit in der Lage sein werden, diese für eine wirksame Grenzkontrolle wichtigen Daten zu liefern. Die Daten unterliegen aber nur dann der Meldepflicht, wenn sie dem Luftverkehrsunternehmen auch tatsächlich zur Verfügung stehen.

Dasselbe gilt für die Angaben zur gebuchten Flugroute der beförderten Personen.

Gemeint sind damit die von einer Passagierin bzw. einem Passagier auf der Reise zum meldepflichtigen Abflugort genutzten Ein- und Umsteigeorte sowie die endgültige Zieldestination (Bst. d). Auch diese unterliegen der Meldepflicht nur, soweit sie dem meldepflichtigen Luftverkehrsunternehmen bekannt sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Reise, die mindestens einen Umsteigeflughafen beinhaltet, als zusammenhängender Flug gebucht wurde. In diesem Fall ist nicht nur derjenige Abflugort zu melden, von dem aus die Person schliesslich in die Schweiz gelangt, sondern auch sämtliche Ein- und Umsteigeorte, da dieser Reiseweg ein wichtiges Element zur Risikoeinschätzung und damit zur Vorbereitung einer wirksamen Grenzkontrolle 2580

ist. Die letzte Ergänzung gegenüber dem geltenden Absatz 2 betrifft die Meldung der Abflugzeit (Bst. g). Zu melden ist die geplante Abflugzeit. Um Missverständnissen vorzubeugen, die sich aufgrund verschiedener Zeitzonen und über Nacht erfolgender Flüge ergeben könnten, wird Buchstabe g dahingehend präzisiert, dass nicht nur Abflug- und Ankunftszeit sondern auch das Abflug- und Ankunftsdatum anzugeben sind.

Da verspätet eingehende Meldungen eine gestützt auf Artikel 104 verfügte Meldepflicht verletzen und nach Artikel 122b E-AuG sanktioniert werden können, besteht sowohl seitens der Behörde als auch seitens der meldepflichtigen Luftverkehrsunternehmen ein Interesse an der Meldung der tatsächlichen Abflugzeit. Diese wird benötigt, um bei Verspätungen gegenüber dem Flugplan die Rechtzeitigkeit des Meldungseingangs beurteilen zu können. Dem Luftverkehrsunternehmen steht es deshalb frei, die tatsächliche Abflugzeit den Behörden nachzumelden, was auch so in die Verfügung zur Anordnung der Meldepflicht aufgenommen werden wird.

Abs. 4 In Absatz 4 wird ergänzt, dass die Fluggesellschaften die Passagiere auch über den Zweck und den Kreis der Empfängerinnen und Empfänger der Daten nach Absatz 3 informieren müssen. Damit werden die Anforderungen von Artikel 18a DSG übernommen.

Abs. 5 Im geltenden Recht wird offen gelassen, in welcher Form die Anordnung zu erfolgen hat. Das BFM legt die Flüge, für welche die Meldepflicht eingeführt werden soll, aufgrund einer Risikoanalyse fest. Bei der Erarbeitung dieser Risikoanalyse wirken die Grenzkontrollorgane als Fachexperten und Benutzer des Systems mit.

Die Anordnung der Meldepflicht ist konkreter, verpflichtender Natur und richtet sich jeweils an alle Luftverkehrsunternehmen, die von bestimmten Destinationen aus die Schweiz anfliegen, und damit an einen bestimmbaren Adressatenkreis. Für Anordnungen dieser Art drängt sich die Form der Allgemeinverfügung auf. Da sich im Zeitpunkt der Anordnung nicht sagen lässt, welche Luftverkehrsunternehmen in Zukunft von der Anordnung betroffen sein werden, wird die Anordnung im Bundesblatt publiziert. Zusätzlich ist vorgesehen, die Anordnung den betroffenen Luftverkehrsunternehmen direkt zu eröffnen, sofern diese bekannt sind. Um die mit der Festlegung der Meldepflicht verfolgten Ziele nicht zu vereiteln, rechtfertigt es sich,
einer allfälligen Beschwerde gegen diese Anordnung im Gesetz die aufschiebende Wirkung zu entziehen (vgl. auch Art. 55 Abs. 5 VwVG).

Abs. 6 Gemäss dem geltenden Absatz 5 sind die Luftverkehrsunternehmen wie nach Artikel 6 Ziffer 1 Absatz 4 der Richtlinie 2004/82/EG verpflichtet, die zu den Passagierinnen und Passagieren erfassten und an die Grenzkontrollbehörden übermittelten Personendaten innerhalb von 24 Stunden nach der Landung am Zielort des Flugs zu löschen. Durch diese Pflicht werden die Luftverkehrsunternehmen jedoch bei einem Verwaltungsverfahren wegen Verletzung der Meldepflicht (vgl. Art. 122b E-AuG) eines zukünftigen Beweismittels beraubt. Die Formulierung des neuen Absatzes 6 trägt der Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen zur Löschung der Personendaten Rechnung, berücksichtigt aber auch die Tatsache, dass sich die Unternehmen in einem Verwaltungsverfahren verteidigen können müssen. So werden in diesem Absatz die Fristen festgehalten, während deren die Daten aufbewahrt werden dürfen.

2581

Die Pflicht zur Löschung der Daten entsteht zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung (unmittelbar nach dem Abflug, Art. 104 Abs. 1 E-AuG); der Zeitpunkt der Erfüllung dieser Pflicht hängt jedoch von den Umständen ab. Hat das BFM nach den zwei Jahren gemäss Artikel 122c Absatz 3 E-AuG kein Verfahren wegen Verletzung der Meldepflicht eröffnet, so muss das Luftverkehrsunternehmen die Daten am Tag nach Ablauf dieser Frist löschen (Bst. a). Hat das BFM hingegen ein solches Verfahren eröffnet, so müssen die Daten am Tag nachdem die Verfügung des BFM in Rechtskraft erwachsen ist, gelöscht werden (Bst. b). Hierbei geht es darum, das Recht der Luftverkehrsunternehmen zu berücksichtigen, innerhalb von 30 Tagen nach Erlass der Verfügung des BFM Beschwerde zu erheben. Bei einer Beschwerde kann die Liste mit den erfassten und übermittelten Daten bis zum Abschluss des Verfahrens aufbewahrt werden.

Die Bestimmung des ursprünglichen Absatz 6 wird gestrichen bzw. befindet sich in geändert Form im neuen Artikel 104a Absatz 4 E-AuG.

Art. 104a (neu)

Passagier-Informationssystem

Abs. 1 Das BFM betreibt das API-System, um seine Aufgaben nach Artikel 104 AuG erfüllen zu können. Gemäss Erwägung 12 der Richtlinie 2004/82/EG ist die Verarbeitung von Angaben über die beförderten Personen, die zur Durchführung von Grenzkontrollen übermittelt wurden, auch rechtmässig zum Zweck ihrer Nutzung als Beweismittel in Verfahren, die der Durchsetzung von Rechtsvorschriften und Regelungen im Bereich der Einreise und der Einwanderung einschliesslich der darin enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit dienen. Gemäss Artikel 6 der Richtlinie dürfen die Passagierdaten zudem zu Strafverfolgungszwecken verwendet werden. Die Verwendung dieser Daten erfolgt im Rahmen der Artikel 95­98, 99 Absätze 2 und 3 und 100 Absatz 3 Buchstaben d und e SDÜ.

Es ist dabei festzuhalten, dass die Abfragen, die durch das API-System gemacht werden, nicht über die Abfragen hinausgehen, die im Rahmen der ordentlichen Grenzkontrolle ohnehin gemacht werden. Es geht einzig um eine vorzeitige Überprüfung der Passagierinnen und Passagiere, damit sich die Grenzkontrollbehörden besser auf die Grenzkontrolle vorbereiten können. Eine solche «Vorausprüfung» bringt für die Grenzkontrollbehörden somit nur einen Mehrwert, wenn sie die gleichen Kontrollen umfasst, wie sie zu einem späteren Zeitpunkt bei der ordentlichen Grenzkontrolle durchgeführt werden.

Bei den mit dem System bearbeiteten Daten nach Artikel 104 Absatz 3 handelt es sich grundsätzlich nicht um besonders schützenswerte Daten. Zusammen mit der Information, ob eine Person in einer polizeilichen Datenbank verzeichnet ist oder nicht, werden sie aber zu besonders schützenswerten Daten.

Abs. 2 und 3 In den Absätzen 2 und 3 wird definiert, welche Behörden mittels eines Abrufverfahrens auf die nach Artikel 104 Absatz 3 E-AuG im Informationssystem bearbeiteten Daten zugreifen können.

2582

Einen solchen Zugriff erhält einerseits das BFM, um die Einhaltung der Meldepflicht zu überwachen sowie Verletzungen der Meldepflicht nach Artikel 122b E-AuG nachzuweisen und nötigenfalls zu sanktionieren (vgl. Abs. 2).

Anderseits erhalten die mit den Personenkontrollen an den Schengen-Aussengrenzen betrauten Behörden Zugriff auf die im System bearbeiteten Daten, damit sie die Passagierdaten einschliesslich der Angaben, ob eine Person in einer Datenbank verzeichnet ist, überprüfen und sich so auf die Ankunft des entsprechenden Fluges vorbereiten sowie die notwendigen Massnahmen einleiten können (vgl. Abs. 3).

Der geltende Artikel 104 AuG sieht in Absatz 6 vor, dass die Daten an die Grenzkontrollbehörden weitergeleitet werden. Gestützt auf diese Bestimmung ist es nicht möglich, den Grenzkontrollbehörden die Daten via das EJPD-Portal online zur Verfügung zu stellen. Im Sinn des DSG handelt es sich hierbei um ein sogenanntes Abrufverfahren, da die Mitarbeitenden der Grenzkontrollbehörden und (in beschränktem Umfang) des BFM nach dem Selbstbedienungsprinzip online Zugriff auf die im API-System bearbeiteten Personendaten erhalten. Macht ein Bundesorgan Personendaten durch ein Abrufverfahren zugänglich, ist stets eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Bei besonders schützenswerten Personendaten muss dies in einem formellen Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein (Art. 19 Abs. 3 DSG).

Der Vorteil des nun in Absatz 3 geregelten Abrufverfahrens ist, dass die Daten direkt im API-System von den Grenzkontrollbehörden eingesehen werden können.

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Daten automatisch durch das System in den relevanten Datenbanken abgefragt werden können und so wertvolle Zeit eingespart werden kann. Dies ist umso wichtiger, als bei kürzerer Flugzeit nur wenig Zeit für die Überprüfung der Treffer vorhanden ist und es daher von zentraler Bedeutung ist, dass die ausgewerteten Daten so rasch wie möglich zur Verfügung stehen. Das Abrufverfahren ist zudem benutzerfreundlich und effizient, da der umständliche Umweg der Datenweiterleitung (via ein gesichertes Mailsystem) entfällt. Ein wichtiger Vorteil aus Sicht der Systemarchitektur und der Sicherheit ist es, dass die Daten nicht lokal zwischengespeichert werden. Der Zugriff der Benutzerinnen und Benutzer auf die API-Daten erfolgt über das
EJPD-Portal. Somit ist der Zugriff auf die API-Daten nur mit starker Authentisierung und entsprechenden Berechtigungen möglich. Die Verwendung des EJPD-Portals ist darum in der Software-Referenzarchitektur des EJPD vorgesehen. Neben der Datensicherheit haben die zentrale Datenspeicherung und der Zugang mittels Abrufverfahren den Vorteil, dass die Kontrolle der Aufbewahrungsdauer und die Löschung der Daten nach ihrer Aufbewahrungsfrist gemäss Absatz 5 zentralisiert erfolgen können. Zudem können Statistiken für die Erfolgskontrolle ohne das Abrufverfahren nicht sinnvoll erstellt werden.

Keinen Zugriff mittels Abrufverfahren auf die im Informationssystem gespeicherten Daten erhält der Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Hingegen erhält dieser gestützt auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 11 des Bundesgesetzes vom 21. März 199718 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit eine Kopie der API-Daten, soweit sie Abflugorte betreffen, die in der vertraulichen Liste des Bundesrates aufgeführt sind. Sobald die entsprechenden Passagierdaten der betreffenden Abflugorte eintreffen, werden sie noch vor

18

SR 120

2583

dem Abgleich mit den Datensätzen in den einzelnen Datenbanken über ein gesichertes Mailsystem automatisch an den NDB weitergeleitet.

Abs. 4 Zielsetzung des API-Systems ist es, die nach Artikel 104 Absatz 3 E-AuG im Informationssystem gespeicherten Daten automatisiert mit ZEMIS, SIS, RIPOL und ASF-SLTD zwecks Migrationskontrolle und Fahndung abzugleichen und die Passagierdaten und die Ergebnisse der Abfragen den zuständigen Grenzkontrollbehörden zur Verfügung stellen zu können. Das BFM erhält keine Einsicht in die aus den Abfragen resultierenden Treffer.

Da verschiedene Grenzkontrollbehörden mit dem API-System arbeiten werden (Flughafenpolizei Zürich, Grenzwachtkorps Flughafen Basel, Grenzwachtkorps Flughafen Genf, Kantonspolizei Bern), macht es Sinn, die Abfragen zentral durch das BFM bzw. das API-System auszulösen und die Ergebnisse den Grenzkontrollbehörden zur Verfügung zu stellen. Für die Auswertung der Passagierdaten steht zudem meistens eine beschränkte Zeit zur Verfügung (z.B. Flugzeit Pristina­Zürich: 2 Std. 15 Min.). Werden die Abfragen direkt durch das API-System ausgelöst, kann wertvolle Zeit gewonnen werden.

Technisch wird dies wie folgt umgesetzt: Die von den Fluggesellschaften ans APISystem übermittelten API-Daten (d.h. Flug- und Passagierdaten) werden in einem ersten Schritt validiert: Wurden die Daten rechtzeitig, richtig und vollständig übermittelt? Anschliessend erfolgt die automatisierte Überprüfung der Passagierliste gegenüber den Datenbanken RIPOL, ZEMIS, SIS und ASF-SLTD direkt via das API-System. Abgefragt werden alle Passagierinnen und Passagiere unabhängig von ihrer Nationalität, um sicherzustellen, dass sie die Kontrollen nicht mit gestohlenen Reisedokumenten umgehen können. Als Ergebnis der automatischen Überprüfung wird pro Datenbank und Passagier/in zurückgemeldet, ob die betreffende Person in den angefragten Datenbanken verzeichnet ist oder nicht (Treffer/kein Treffer). Das Ergebnis dieser Prüfung (Treffer/kein Treffer) wird im API-System gespeichert. Es werden keine weiteren Daten aus den Datenbanken abgefragt oder gespeichert. Um auf die Passagierdaten und die Abfrageergebnisse zugreifen zu können, müssen die Mitarbeitenden der Grenzkontrollbehörden das API-System verwenden. Der Zugriff auf das API-System erfolgt über das EJPD-Portal (starke Authentisierung,
ausschliesslich persönliche Benutzerinnen und Benutzer). Die Benutzerinnen und Benutzer der Grenzkontrollbehörden können das Ergebnis der automatischen Prüfung (Treffer/kein Treffer) pro Flug in einer Passagierliste einsehen. Sie haben die Möglichkeit, eine Anfrage für einen bestimmten Passagier manuell auszulösen, um zu sehen, weshalb er in einer Datenbank verzeichnet ist. Dazu werden die Abfragen «Client» mit den Angaben des gewählten Passagiers in einem separaten Browserfenster geöffnet. Die Autorisierungsprüfung erfolgt dabei durch die entsprechende Benutzerverwaltung (d.h. nach denselben Regeln, wie wenn die Benutzerin oder der Benutzer der Abfragen «Client» normal über das EJPD-Portal startet). Die Benutzerinnen und Benutzer des BFM greifen ebenfalls via das EJPD-Portal auf die APIDaten zu. Sie können jedoch nur die Passagierliste ohne Trefferangeben einsehen.

Die Steuerung, welche Benutzerin oder welcher Benutzer Einsicht in welche Daten hat, erfolgt wie bei anderen IT-Anwendungen des EJPD über verschiedene Benutzerprofile.

2584

Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei den automatisierten Abfragen durch einen technischen Benutzer um einen Zugriff des BFM, auch wenn das BFM keine Einsicht in die aus den Abfragen resultierenden Treffer erhält. Das BFM hat zwar bereits heute Zugriff auf alle notwendigen Datenkategorien in SIS und RIPOL sowie in der Interpol-Datenbank ASF-SLTD, die für die automatisierten Abfragen notwendig sind, der Zweck der Abfragen ist aber eingeschränkt. Das BFM würde als Datenherrin somit Abfragen verantworten, für die keine ausreichende Rechtsgrundlage besteht. Um eine solche zu schaffen, müssen die Artikel 15 und 16 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 200819 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI) angepasst werden. Artikel 7 der N-SIS-Verordnung vom 7. Mai 200820 muss in der Folge dementsprechend auch angepasst werden. Die RIPOL-Verordnung vom 15. Oktober 200821 hingegen muss nicht geändert werden. Dabei ist zu erwähnen, dass der automatische Abgleich ausschliesslich all jene Daten der Systeme RIPOL und SIS und der Interpol-Datenbank ASF-SLTD betrifft, auf die das BFM bereits heute Zugriff hat. Somit müssen die Tabellen mit den Zugriffen auf die beiden Systeme nicht angepasst werden (vgl. Anhang 2 der N-SIS-Verordnung und den Anhang der RIPOL-Verordnung).

Eine Verbindung zwischen zwei Systemen, die in den jeweiligen Erlassen an sich eine genügende gesetzliche Grundlage haben, bedarf zusätzlich einer spezifischen gesetzlichen Grundlage (Art. 4 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 3 DSG). Aus diesem Grund wird neu in Absatz 4 festgehalten, dass die API-Daten via API-System automatisiert in RIPOL und SIS sowie in der Interpol-Datenbank ASF-SLTD abgefragt werden können. Das BFM benötigt den Zugriff ausschliesslich für die automatisierten Abfragen durch das API-System. Technisch ist sichergestellt, dass das BFM keine Einsicht in die Ergebnisse der Datenbankabfragen erhält. Die Treffer sind nur für die Grenzkontrollbehörden einsehbar, die über die notwendigen Zugriffsberechtigungen verfügen.

Abs. 5 Aufgrund der Systematik wird der geltende Artikel 104 Absatz 6 AuG zum neuen Artikel 104a Absatz 5 E-AuG. Der erste Satz des ursprünglichen Absatzes wird ersatzlos gestrichen, da die Weiterleitung der Daten aufgrund des in den Absätzen 2 und 3 vorgesehenen Abrufverfahrens entfällt. Die Frist zur Löschung
der Daten wurde an die Fristen von Artikel 104 Absatz 6 AuG angepasst. Dies rechtfertigt sich mit der Tatsache, dass die Daten je nach Flugzeit unterschiedlich lange nach Ankunft des Fluges zur Verfügung stehen. Gerade bei Langstreckenflügen erfolgt die Übermittlung der Daten oft nachts. Zu diesem Zeitpunkt sind die Grenzkontrollorgane personell gar nicht in der Lage, die Daten auszuwerten.

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SR 361 SR 362.0 SR 361.0

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Art. 104b (neu)

Zugang zu Passagierdaten im Einzelfall

Abs. 1 Das Grenzwachtkorps hat unter Berufung auf Artikel 44 des Zollgesetzes vom 18. März 200522 und Artikel 151 der Zollverordnung vom 1. November 200623 bereits heute die Möglichkeit, im Rahmen seiner Grenzkontrolltätigkeit Einsicht in Passagierlisten zu verlangen. Die anderen Grenzkontrollbehörden, namentlich die Flughafenpolizei Zürich, können sich jedoch nicht auf das Zollgesetz stützen. Sie sind bislang auf den Goodwill der Fluggesellschaften angewiesen.

Ein Zugang zu Passagierdaten im Einzelfall wird jedoch nicht nur vom Grenzwachtkorps, sondern auch von den Kantonen, die originär für die Personenkontrolle an der Grenze zuständig sind (Art. 9 Abs. 1 AuG), für eine effiziente Grenzkontrolltätigkeit benötigt. Der Zugang zu Passagierdaten unterstützt die Grenzkontrollbehörden bei Identitätsabklärungen sowie bei Abklärungen der für die Betreuung und Rückbeförderung einer Person zuständigen Fluggesellschaft nach Artikel 93 AuG. Des Weiteren kann sie bei Abklärungen im Zusammenhang mit Menschenschmuggel als Hilfsmittel dienen. Den Grenzkontrollbehörden werden damit im Rahmen ihrer Grenzkontrolltätigkeit die gleichen Möglichkeiten eingeräumt wie dem Grenzwachtkorps, das sich auf das Zollgesetz und die Zollverordnung stützen kann.

Auslöser für das Einfordern einer Passagierliste nach Artikel 104b AuG ist immer ein konkreter Einzelfall (Abklärungen im Zusammenhang mit einer Person, der die Einreise verweigert wurde, oder eine Vorermittlung bei Verdacht auf Menschenhandel/Menschenschmuggel). «Im Einzelfall» bedeutet somit ausserhalb der generellen Meldepflicht für bestimmte Flugstrecken nach Artikel 104 AuG. Artikel 104 AuG ist nicht geeignet, um von den Fluggesellschaften Passagierdaten im konkreten Einzelfall zu verlangen. Will das BFM einen Abflugort der Meldepflicht unterstellen, so muss es die betroffenen Fluggesellschaften anhören und die Meldepflicht mittels Allgemeinverfügung anordnen. Es ist daher nicht möglich, innert kurzer Frist Zugang zu Passagierdaten zu erhalten. Zudem wird die Meldepflicht nach Artikel 104 AuG nur für ausgewählte Abflugorte angeordnet (aktuell unterstehen fünf Abflugorte der API-Meldepflicht). Somit werden nie für alle Abflugorte API-Daten verfügbar sein.

Abs. 2 und 3 Entspricht den Vorgaben von Artikel 151 Absätze 2 und 3 der Zollverordnung. Die Bestimmungen aus der Zollverordnung werden somit materiell unverändert übernommen.

Abs.4 Entspricht im Grundsatz den Vorgaben von Artikel 151 Absatz 4 der Zollverordnung.

22 23

SR 631.0 SR 631.01

2586

Art. 109b24 Abs. 2 Bst. d und e (neu) Die Buchstaben d und e regeln die Speicherung von Daten aus den Systemen SIS und RIPOL sowie der Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Dokumente (ASF-SLTD). Es können ausschliesslich die Daten aufbewahrt werden, die tatsächlich der Visumgesuchstellerin oder dem Visumgesuchsteller entsprechen. Die Visumbehörden haben gestützt auf Artikel 7 Buchstaben f und g der N-SISVerordnung Zugriff auf SIS, insofern diese Speicherung Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1987/200625 berücksichtigt. Eine Speicherung von SIS-IIDaten (Ausschreibungen zwecks Einreiseverweigerungen) in einen nationalen Datenbestand ist nach Artikel 32 Absatz 1 der EG-Verordnung nur zulässig, wenn die Daten für eine befristete Zeitdauer gespeichert werden und wenn im Zusammenhang mit diesen SIS-Ausschreibungen Massnahmen im eigenen Hoheitsgebiet ergriffen werden. Als solche Massnahmen können gelten: Einreiseverweigerungen, Visaverweigerungen oder -annullierungen oder Entfernungsmassnahmen (Ausschaffungshaft, Ausweisung) sowie die Erteilung eines räumlich beschränkten Visums wegen Vorliegens einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS II. Keine solchen Massnahmen stellen jedoch die Erteilung eines Schengen-Visums oder eines Aufenthaltstitels dar, da diese nicht im Zusammenhang mit einer bestehenden SISAusschreibung zur Einreiseverweigerung getroffen werden, sondern vielmehr voraussetzen, dass keine solche vorliegt. Es ist vorgesehen, dass bei jedem Eintrag in SIS im Sinn einer solchen Ausschreibung die Daten im N-VIS gespeichert werden.

Die Zugriffsberechtigungen auf RIPOL und ASF-SLTD sind in Artikel 5 Buchstaben b, d und e der RIPOL-Verordnung geregelt. Diese Daten sind für die Entscheide bei der Visumerteilung wichtig.

Das BFM möchte diese Daten im Rahmen des Einspracheverfahrens nach Artikel 6 AuG abfragen können. Bei negativen Entscheiden würden diese bis zum Inkrafttreten der ablehnenden Verfügung aufbewahrt, sei dies, weil noch keine Beschwerde eingereicht wurde, oder nach einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts.

Zudem kann für das BFM der Anlass bestehen, ein bereits erteiltes Visum auf dessen Rechtmässigkeit zu überprüfen, namentlich wenn einer Person, die zwecks Einreiseverweigerung im SIS ausgeschrieben war, die Einreise genehmigt wurde. Im Fall einer
Visumerteilung werden die Daten des SIS II und des RIPOL höchstens ein Jahr im N-VIS aufbewahrt. Mit der Speicherung soll der Wissensstand der Behörden zum genauen Zeitpunkt der Visumerteilung festgehalten werden. Nach Artikel 109e Buchstabe f AuG, der vom Parlament bereits genehmigt wurde, ist der Bundesrat dafür zuständig, die Dauer der Speicherung und der Löschung der Daten im N-VIS zu regeln. Diese Regelung wird in der obengenannten Verordnung erfolgen.

Der Zugriff auf die neu in Artikel 109b Absatz 2 Buchstabe e genannten Daten ist auf das BFM beschränkt. Dies deshalb, weil er ausschliesslich der Überwachung der Praxis bei der Visumerteilung und zur Stellungnahme im Rahmen von Einsprache-

24 25

In der Fassung von AS 2010 2063.

Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), Fassung gemäss ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 4.

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verfahren nach Artikel 6 AuG dient. Die Zugriffsberechtigungen werden auf Verordnungsstufe geregelt (Art. 109e Bst. c AuG26).

Abs. 2bis (neu) Das N-VIS sollte mittel- oder längerfristig elektronische Dossiers enthalten. Dazu werden die Unterlagen des Visumgesuchdossiers und die entsprechenden Entscheide gehören, die entweder bereits elektronisch verfasst oder eingescannt wurden.

Grundsätzlich haben die Visumbehörden Zugang zu den elektronischen Dossiers.

Dabei handelt es sich um die Behörden nach den Buchstaben a­c und e des noch nicht in Kraft getretenen Artikels 109c AuG, also die schweizerischen Vertretungen im Ausland und die übrigen Behörden des EDA, das Grenzwachtkorps und die kantonalen Polizeibehörden an den Schengen-Aussengrenzen sowie die kantonalen Migrationsbehörden. Das Bundesverwaltungsgericht sollte ebenfalls Zugang zu den elektronischen Dossiers haben. In Anwendung von Artikel 109e Buchstabe c AuG ist der Bundesrat zuständig für die Bestimmung des Umfangs des Zugangs zum N-VIS. Die Zugangsberechtigungen werden in der Verordnung festgelegt, in der die Zugangsberechtigungen zum zentralen Visa-Informationssystem sowie zum N-VIS geregelt werden und die die aktuelle Verordnung vom 6. Juli 201127 über das zentrale Visa-Informationssystem ersetzen wird.

Art. 115 Abs. 2 und Art. 116 Abs. 1 Bst. c Der Begriff «Transitraum eines schweizerischen Flughafens» wird durch die Terminologie «internationale Transitzonen der Flughäfen» ersetzt, damit im AuG eine einheitliche Terminologie vorherrscht. Die Bedeutung der beiden Ausdrücke ist identisch, womit sich keine materiellen Änderungen der angepassten Normen ergeben.

Art. 120a­120c und Art. 120e Abs. 2 Für das Verfahren betreffend die Sanktionierung von Luftverkehrsunternehmen soll nicht mehr das Verwaltungsstrafrecht, sondern neu das Verwaltungsverfahren zur Anwendung gelangen. Daher werden diese Bestimmungen aufgehoben. Sie werden ersetzt durch die Artikel 120a­120c E-AuG.

Art. 122 Sachüberschrift Die Bestimmung befindet sich neu im Abschnitt über die administrativen Sanktionen. Darum wird die Sachüberschrift präzisiert.

Art. 122a (neu)

Sorgfaltspflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen

Die geltende Strafbestimmung zur Sanktionierung von Luftverkehrsunternehmen bei Sorgfaltspflichtverletzungen (Art. 120a AuG) erwies sich in der Praxis als nicht praktikabel. Als Strafverfolgungsbehörde musste das BFM dem beschuldigten Luftverkehrsunternehmen nicht bloss den strafrechtlichen Erfolg (den Transport ungenügend dokumentierter Personen) an der Aussengrenze nachweisen, sondern auch die konkrete Unterlassung einer zumutbaren Vorkehrung. Dieser Nachweis 26 27

Im Wortlaut gemäss AS 2010 2063.

SR 142.512

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könnte nur aufgrund umfangreicher Abklärungen im Ausland geführt werden, was sich in der Praxis als faktisch unmöglich erwies. Neu soll eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vermutet werden, wenn Personen befördert werden, die nicht über die für die Einreise in den Schengen-Raum oder die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen erforderlichen Reisedokumente, Visa oder Aufenthaltstitel verfügen. Die Luftverkehrsunternehmen können diese Vermutung durch den Beweis des Gegenteils umstossen. Dieser Beweis gelingt, wenn sie nachweisen, dass sie alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen haben, um zu verhindern, dass ungenügend dokumentierte Personen befördert werden.

Abs. 1 Wie in Ziffer 1.3.1 bereits erwähnt, wird diese neue Bestimmung als KannVorschrift ausgestaltet. Diese erlaubt es dem BFM, bei leichten, vereinzelt auftretenden Fällen von einer Verfahrenseröffnung abzusehen und so dem präventiven Hauptziel dieser Sanktionsnorm, nämlich in Zusammenarbeit mit den Luftverkehrsunternehmen die Zahl der undokumentiert beförderten Personen zu reduzieren, gerecht zu werden. Es sind insbesondere Angemessenheitsüberlegungen, die den Verzicht auf eine Sanktion rechtfertigen.

Mit fixen Pauschalsanktionen pro ungenügend dokumentierte Person wird mehr Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Gleichzeitig entfällt die in der Praxis bestehende grosse Schwierigkeit, die Busse aufgrund eines im Einzelfall kaum bestimmbaren Verschuldens bemessen zu müssen. Wie schon im geltenden Recht orientieren sich auch die neu vorgesehenen Pauschalsanktionen an den Vorgaben von Artikel 4 der Richtlinie 2001/51/EG. Diese schreibt vor, dass die Sanktion abschreckend, wirksam und angemessen zu sein hat. Zudem sieht sie als Sanktion pro beförderte Person wahlweise einen Höchstbetrag von nicht weniger als 5000 Euro oder einen Mindestbetrag von nicht unter 3000 Euro oder pro Flug eine maximale Pauschale von nicht unter 500 000 Euro vor. Die Umrechnung der in Euro festgesetzten Mindestbeträge hat in Anwendung des im ABl. C 225 vom 10. August 2001, S. 1 publizierten Umrechnungssatzes von 1.5057 Franken je Euro zu erfolgen.

Im Gegensatz zum bisherigen System, das sich implizit an der Maximalsanktion pro Flug orientierte, richtet sich die Sanktion neu nach der Zahl der undokumentiert
beförderten Personen. Mit 4000 Franken pro beförderte Person kann die Sanktion zwar als abschreckend, wirksam und angemessen im Sinn der Richtlinie 2001/51/EG qualifiziert werden. Da aber diese Sanktion leicht unter dem Mindestbetrag nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie (3000 Euro) liegt, muss das Sanktionssystem eine weitere Sanktion vorsehen, die nicht unter 5000 Euro pro undokumentiert beförderter Person liegt und so der (alternativen) Bestimmung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie genügt. Diese Schwelle darf auch dann nicht unterschritten werden, wenn das Luftverkehrsunternehmen aufgrund der vertraglichen Zusammenarbeit mit den Behörden nach Artikel 94 Absatz 3 E-AuG im Einzelfall von einer Reduktion der Belastung bis zu maximal der Hälfte profitieren kann. Um die Vorgaben der Richtlinie auch noch in diesem Fall einhalten zu können, muss die Maximalsanktion demnach von 5000 Euro auf 10 000 Euro (mindestens 15 057 Franken) erhöht werden. Eine Sanktion von 16 000 Franken für schwere Sorgfaltspflichtverletzungen entspricht diesen Anforderungen. Als schwer im Sinn dieser Bestimmung gelten namentlich wiederkehrende, gleichartige Sorgfaltspflichtverletzungen. Neben der wiederkehrenden Sorgfaltspflichtsverletzung wird die 2589

Schwere des Falles auch daran gemessen, ob jemand mit Absicht gehandelt hat und ob er damit allenfalls gewisse (verpönte) Ziele verfolgte.

Im Vergleich zu einem System mit lediglich einer Sanktionspauschale bleiben mit dem vorgesehenen Sanktionssystem mit zwei nach Schweregrad abgestuften Pauschalen zwar gewisse Beweisschwierigkeiten bestehen ­ jedenfalls dort, wo die höhere Sanktion ausgesprochen und begründet werden soll. Diese Schwierigkeiten werden aber dadurch aufgewogen, dass das abgestufte System es erlaubt, für den Regelfall eine deutlich tiefere und damit verhältnismässigere Sanktion festzusetzen, ohne damit die Richtlinie 2001/51/EG zu verletzen. Würde nur mit einer Sanktion operiert, so dürfte diese nicht unter den von der Richtlinie als Mindestsanktion pro Person festgelegten 3000 Euro liegen. Da diese Limite überdies auch bei einer Reduktion der Sanktion aufgrund einer Vereinbarung im Sinn von Artikel 94 E-AuG nicht unterschritten werden dürfte, müsste die Sanktion noch verdoppelt werden und würde damit bei 6000 Euro bzw. bei mindestens 9034.20 Franken pro Passagierin oder Passagier zu liegen kommen, was ­ vor allem auch im europäischen Vergleich ­ eine unverhältnismässig hohe Belastung darstellen würde.

Abs. 2 Neu wird bei einer Beförderung einer ungenügend dokumentierten Person eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vermutet (vgl. Ziff. 1.3.1). In Analogie zu Artikel 92 E-AuG wurde der Einschubsatz angepasst: «Einreisen in den Schengen-Raum und Durchreisen durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen».

Abs. 3 In gewissen Fällen liegt keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vor und soll daher auf die Eröffnung bzw. auf die Fortführung eines bereits eröffneten Verfahrens verzichtet werden. Dies einerseits in den Fällen, in denen das Gesetz bereits bis anhin von einer Sanktion absah. Andererseits wurde der Katalog durch weitere Fälle ergänzt, bei denen das Luftverkehrsunternehmen eine ungenügende Dokumentenlage erfahrungsgemäss kaum oder gar nicht erkennen kann.

Bst. a Ziff. 1 Eine Fälschung ist offensichtlich, wenn sie für eine entsprechend geschulte Person mit durchschnittlichem Sehvermögen von blossem Auge erkennbar ist.

Ziff. 2 Eine Sorgfaltspflichtsverletzung liegt vor, wenn eine entsprechend geschulte Person mit durchschnittlichem Sehvermögen von blossem Auge erkennen
konnte, dass das Dokument nicht der Person zusteht, die es vorweist (sogenannte Imposter).

Ziff. 3 Es soll verhindert werden, dass das Luftverkehrsunternehmen für Fälle belastet wird, in denen die (umständliche) Art und Weise der Stempelung des Dokumentes eine Nachvollziehbarkeit der Anzahl Einreisen oder Aufenthaltstage nicht innert nützlicher Zeit erlaubt.

2590

Ziff. 4 Das Luftverkehrsunternehmen kann die gesetzliche Vermutung nach Absatz 2 widerlegen, indem es beweist, dass es alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um zu verhindern, dass es ungenügend dokumentierte Personen befördert. Zu den organisatorischen Massnahmen, die in jedem Fall getroffen werden müssen, zählen die drei curae (in eligendo, instruendo et custodiendo).

Cura in eligendo meint die Sorgfalt bei der Auswahl der Personen, die das Check-In und die Einsteigekontrolle durchführen. Dabei ist unerheblich, ob die Personen Angestellte des Luftverkehrsunternehmens sind oder ob sie in einem Auftragsverhältnis zu diesem stehen. Zu berücksichtigen sind namentlich Ausbildung, Sachverstand, Wissen, Zuverlässigkeit und Erfahrung dieser Personen. Cura in instruendo meint die Sorgfalt bei der Instruktion dieser Personen, das heisst die angemessene Einführung, Schulung und Information zu sachrelevanten Themen, z.B. Änderungen im Visumbereich, neue modi operandi etc. Cura in custodiendo schliesslich meint die Pflicht zur Überwachung dieser Personen durch ein Controllingsystem und einen konsequenten Follow-up bei Mängeln.

Werden nicht alle drei curae genügend wahrgenommen, scheitert das Luftverkehrsunternehmen in seinem Versuch zu beweisen, dass alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen worden sind. Umgekehrt lässt eine Wahrnehmung der drei curae allein noch nicht darauf schliessen, dass alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen wurden. So gehört etwa die Sorgfalt bei der Ausrüstung (technische Infrastruktur beim Check-In und bei der Einstiegskontrolle) nicht zu den erwähnten curae, wohl aber zu der Sorgfaltspflicht nach Artikel 92 E-AuG.

Bst. b Die Bestimmung entspricht dem geltenden Artikel 120a Absatz 2 Buchstabe c AuG.

Eine blosse Glaubhaftmachung genügt, um die Vermutung der Sorgfaltspflichtsverletzung zu entkräften, da der Beweis der Nötigung de facto einer strafrechtlichen Verurteilung bedürfte, was eine zu hohe Hürde für die Beweisführung darstellen würde.

Abs. 4 Die Bestimmung entspricht dem geltenden Artikel 120a Absatz 2 Buchstabe e.

Art. 122b (neu)

Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen

Abs. 1 und 2 Verletzungen der Meldepflicht werden neu mit fixen Beträgen für jeden Flug, bei dem die Meldepflicht verletzt wurde, belastet. Damit wird mehr Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Gleichzeitig entfällt die in der Praxis kaum lösbare Schwierigkeit, die Belastung aufgrund eines im Einzelfall nicht bestimmbaren Verschuldens bemessen zu müssen. Die neu eingefügte Kann-Vorschrift ermöglicht es dem BFM, in gewissen Fällen von einer Verfahrenseröffnung abzusehen. Es sind insbesondere Angemessenheitsüberlegungen, die den Verzicht auf eine Sanktion rechtfertigen. Dies beispielsweise bei kleineren, den Zweck der Meldepflicht nicht wesentlich beeinträchtigenden Fehlern, etwa dem einmaligen Fehlen eines Geburtsdatums einer einzelnen Passagierin oder eines einzelnen Passagiers. Ziel der Norm 2591

ist nicht, eine möglichst hohe Anzahl an Belastungen auszusprechen, sondern ­ in Zusammenarbeit mit den Luftverkehrsunternehmen ­ die Datenqualität der Meldungen zu verbessern. Der Betrag der Belastung orientiert sich an Artikel 4 der Richtlinie 2004/82/EG. Diese sieht vor, dass entweder eine Mindestsanktion von nicht unter 3000 Euro oder eine Maximalsanktion von nicht unter 5000 Euro vorzusehen ist. Zur Umrechnung in Frankenbeträge ist auf den Umrechnungskurs gemäss ABl.

C 223 vom 7. September 2004, S. 1 von 1.5337 Franken je Euro abzustellen.

Wie bereits bei Artikel 122a E-AuG wird für gewöhnliche Verstösse gegen die Meldepflicht eine Sanktion vorgeschlagen, die mit 4000 Franken leicht unter der Mindestsanktion von 3000 Euro nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der massgebenden Richtlinie 2004/82/EG liegt. Um ihren Vorgaben dennoch gerecht zu werden, muss deshalb auch hier eine zweite, höhere Sanktion vorgesehen werden, die Buchstabe a der genannten Bestimmung genügt, indem sie über 5000 Euro liegt. Sie greift in schweren Fällen, namentlich bei wiederholten und schwerwiegenden Meldepflichtverletzungen. Ein Beispiel für einen solchen schweren Fall ist folgende Fallkonstellation: Das BFM verfügt die Meldepflicht für einen neuen Abflugort und gewährt den Fluggesellschaften eine genügend lange Vorlaufzeit sowie die Möglichkeit, die Datenübermittlung vorgängig zu testen. Eine Fluggesellschaft schafft es nicht, die Vorbereitungen rechtzeitig an die Hand zu nehmen, um pünktlich mit der Datenübermittlung beginnen zu können. Das BFM sucht daraufhin den Kontakt mit der Fluggesellschaft und arbeitet mit ihr gemeinsam einen Zeitplan für die Umsetzung der Meldepflicht aus. Trotz Unterstützung seitens des BFM lässt die betreffende Fluggesellschaft den gemeinsam vereinbarten Termin für den Beginn der Meldepflicht unkommentiert verstreichen. In einem solchen Fall, der bisher einmal so eingetreten ist, muss von einem schweren Fall gesprochen werden und soll somit die Möglichkeit bestehen, die Belastung zu verdreifachen.

Im Gegensatz zum bestehenden Recht nennt die neue Sanktionsnorm das Verschulden nicht mehr als selbstständiges Tatbestandselement, da sich die ein allfälliges Verschulden begründenden Handlungen oder Unterlassungen regelmässig im Ausland zutragen, wo sich diese gar nicht oder nur mit einem nicht
zu leistenden Aufwand abklären lassen. Stattdessen sieht Absatz 3 neu eine abschliessende Aufzählung gesetzlicher Exkulpationstatbestände vor.

Absatz 2 des geltenden Artikel 120b wird nicht übernommen. Die darin enthaltenen Erscheinungsformen von Meldepflichtverletzungen waren rein deklaratorischer Natur und ergeben sich auch ohne explizite Erwähnung aus den gestützt auf Artikel 104 E-AuG erlassenen Verfügungen.

Abs. 3 Das Luftverkehrsunternehmen kann sich exkulpieren, das heisst die vermutete Meldepflichtverletzung widerlegen, wenn technische Probleme ­ namentlich der Übermittlungssysteme oder des API-Systems ­ die Übermittlung der Meldung verunmöglichten (Bst. a) oder wenn das Unternehmen nachweist, dass es alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine Verletzung der Meldepflicht zu verhindern (Bst. b). Bezüglich des Übermittlungssystems greift die Exkulpation nur, wenn das Luftverkehrsunternehmen die technischen Probleme nicht zu verantworten hat. Es handelt sich um eine Beweislastverschiebung. Zu den organisatorischen Massnahmen, die in jedem Fall getroffen sein müssen, zählen die drei curae (in eligendo, instruendo et custodiendo; vgl. Kommentar zu Art. 122a Abs. 3 Bst. a Ziff. 4 E-AuG).

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Absatz 4 des geltenden Artikel 120b, der festhält, dass eine vereinbarte Zusammenarbeit zwischen Behörden und Luftverkehrsunternehmen bei der Festlegung der Busse berücksichtig werde, wird gestrichen bzw. nicht neu in Artikel 122b E-AuG übernommen. Die Meldung nach Artikel 104 ist ein überwiegend technischer Vorgang. Im Vergleich zu der Sorgfaltspflicht nach Artikel 92 ist sie weniger fehleranfällig, und bei technischen Problemen kommt Absatz 3 zur Anwendung. Deshalb soll im Gegensatz zur Sorgfaltspflichtverletzung (vgl. Art. 94 Abs. 3 E-AuG), wo das menschliche Element eine wichtigere Rolle spielt, eine allfällige Vereinbarung bei der Belastung nicht zusätzlich berücksichtigt werden.

Art. 122c (neu )

Gemeinsame Bestimmungen für die Sanktionierung der Luftverkehrsunternehmen

Das verwaltungsrechtliche Verfahren kann direkt gegen das Luftverkehrsunternehmen geführt werden, dieses muss sich nicht durch eine natürliche Person vertreten lassen.

Abs. 1 Die Verletzung der Sorgfalts- und Meldepflicht wird typischerweise am Abflugort im Ausland begangen. Absatz 1 unterstreicht diese Besonderheit und stellt die Verfolgung von Pflichtverletzungen im Ausland sicher.

Abs. 2 und 3 Zur Berücksichtigung des verwaltungstechnischen Charakters des Verfahrens wird Artikel 120e Absatz 2 aufgehoben und in geänderter Form in Artikel 122c Absätze 2 und 3 E-AuG aufgenommen. Wie nach geltendem Recht bleibt das BFM zuständig für die Sanktionierung, geändert wird lediglich das anwendbare Verfahrensrecht.

Neu richtet sich das Sanktionsverfahren nicht mehr nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, sondern nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz.Im Sinn der Rechtssicherheit wird ein zeitlicher Rahmen definiert, innert dem ein Verfahren eingeleitet werden kann. Mit einer Frist von zwei Jahren wird ein realistischer Zeitraum zur Eröffnung eines Verfahrens geschaffen. Die Länge dieser Frist ergibt sich aus organisatorischen Gründen der mit der Festsetzung der Sanktionen beauftragten Behörde (BFM) sowie aus dem Bestreben, ihr bei wiederholten Verfehlungen die Möglichkeit zu lassen, den Schweregrad der Pflichtverletzung einzustufen (vgl.

Art. 122a Abs. 1 und 122b Abs. 1 E-AuG). Da es sich bei den Bestimmungen zu den Sanktionen um Kann-Bestimmungen handelt, kann das BFM das Luftverkehrsunternehmen auch einfach verwarnen, ohne es direkt zu sanktionieren. Zur Berücksichtigung dieser Umstände muss also eine genügend lange Frist festgelegt werden.

Diese Änderung des Gesetzes erfolgt zugunsten der Luftverkehrsunternehmen, denn nach geltendem Recht verjährt die Strafverfolgung nach sieben und die Strafe nach fünf Jahren (vgl. Art. 120c Abs. 3 AuG).

Bei einer Verletzung der Sorgfaltspflicht läuft die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt, an dem die Grenzkontrollbehörde feststellt, dass eine oder mehrere beförderte Personen nicht über die erforderlichen Reisedokumente, Visa und Aufenthaltstitel verfügen (vgl. Art. 92 E-AuG). Die Feststellung erfolgt anhand eines Grenzkontrollrapports. Die Frist beginnt ab dem Datum der Einreiseverweigerung zu laufen, selbst wenn der Rapport aus irgendwelchen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt erstellt werden sollte.

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Bei einer Verletzung der Meldepflicht beginnt die Verjährungsfrist ab dem Datum des tatsächlichen Abflugs zu laufen (vgl. Art. 104 Abs. 1 E-AuG).

Art. 126c (neu)

Gemeinsame Bestimmungen zur Änderung vom ... des AuG

Mit der Gesetzesänderung ist auf neue Verfahren wegen Verletzung der Sorgfaltsoder Meldepflicht neu nicht mehr das Verwaltungsstrafverfahren, sondern das Verwaltungsverfahren anwendbar. Bereits eröffnete Verfahren dagegen sollen auch nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts bis zu ihrem rechtskräftigem Abschluss nach altem formellen und materiellen Recht fortgeführt werden, da ein Wechsel des anwendbaren materiellen Rechts und des Verfahrensrechts im hängigen Verfahren diverse schwierig zu lösende Fragen aufwerfen würde.

Asylgesetz vom 26. Juni 199828 Art. 92 Abs. 3bis (neu) Nach Artikel 92 AsylG kann der Bund die Kosten der Ein- und Ausreise von Flüchtlingen und Schutzbedürftigen übernehmen (Abs. 1). Er kann auch die Kosten für die Ausreise von Asylsuchenden übernehmen, sofern sie mittellos sind (Abs. 2). Nach Absatz 3 kann der Bund für Aufwendungen der Kantone, die mit der Organisation der Ausreise direkt in Zusammenhang stehen, Beiträge ausrichten.

Bei der Einführung der Dublin-Assoziierungsabkommen war nicht vorgesehen, dass die Kantone die Kosten für deren Umsetzung tragen müssen. Vielmehr musste der Bund diese Kosten übernehmen, da die Durchführung der Abkommen ihm selbst vorbehalten war. Der Gesetzgeber hat es jedoch unterlassen, die Modalitäten für die Finanzierung der Kosten zu regeln, die den Kantonen bei Verfahren zur Überstellung von Personen in die Schweiz (Dublin-in-Verfahren) entstehen. Dies soll mit der vorgesehenen Ergänzung (Abs. 3bis) nachgeholt werden (siehe ebenfalls die Erläuterungen unter Ziff. 1.1).

Die Kosten in Verbindung mit der Organisation der Einreise von Asylsuchenden in einem Dublin-in-Verfahren entsprechen mehr oder weniger jenen für die Ausreise.

Absatz 3bis wird eingefügt, damit der Bund die Kosten in direktem Zusammenhang mit dem Empfang der Personen übernehmen kann.

Mit den Beiträgen an die Kantone müssen die Aufwendungen für die Organisation des Empfangs, die Information des BFM, die Sicherheitskontrolle, die Koordination und die Beförderung in den Zuweisungskanton gedeckt werden können. Der Bund übernimmt diese Kosten zurzeit, indem er sie dem Kredit für die Vollzugskosten belastet (siehe ebenfalls die Erläuterungen unter Ziff. 1.1). Bis zum Inkrafttreten der Änderung wird das BFM die Kosten in Zusammenhang mit den Dublin-inVerfahren weiterhin übernehmen.

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SR 142.31

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Bundesgesetz vom 20. Juni 200329 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich (BGIAA) Art. 3 Abs. 2 Bst. k (neu) Für den Verband der Schweizerischen Arbeitsmarktbehörden ist es notwendig, im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich Meldeverfahren gemäss dem Entsendegesetz vom 8. Oktober 199930 weitere Zugriffsrechte zu erhalten. Beispielsweise sollen die Arbeitsmarktbehörden künftig Zugriffe auf eine Verwarnung wegen verspäteter Meldung vor Arbeitsbeginn oder auf eine Verfügung einer Busse wegen Meldung nach Arbeitsbeginn erhalten.

Nach Artikel 17 DSG dürfen besonders schützenswerte Personendaten sowie Persönlichkeitsprofile nur bearbeitet werden, wenn ein Gesetz im formellen Sinn es ausdrücklich vorsieht. Da es sich bei den neuen Zugriffsrechten der Arbeitsmarktbehörden um besonders schützenswerte Personendaten nach Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 4 DSG handelt, braucht es die vorgeschlagene Anpassung im BGIAA. In Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a BGIAA ist bereits heute gesetzlich festgehalten, dass den kantonalen Arbeitsmarktbehörden der Zugriff auf ZEMIS gestattet ist.

Art. 9 Abs. 1 Bst. l (neu) und Abs. 2 Bst. k (neu) In Artikel 9 BGIAA wird der Zugang zu ZEMIS geregelt. Bei der Umsetzung des nationalen Visumsystems wurde vorgesehen, bestimmte Zugangsberechtigungen der Visumbehörden aufgrund der Löschung der Daten zu den Visa in ZEMIS, genauer gesagt in dessen Subsystem EVA, aufzuheben. Im Rahmen der Umsetzung des N-VIS hat sich aber gezeigt, dass die für die Erteilung von Visa zuständigen Behörden (Art. 109c Bst. a­c und e AuG) neben den Daten zu den Visa auch Zugang zu weiteren Daten in ZEMIS haben sollten. Dabei geht es insbesondere um die Daten des Ausländerbereichs (Art. 9 Abs. 1 Bst. l), d. h. die Daten zu von der Schweiz verhängten Einreiseverboten sowie zu den Einreise- und Aufenthaltsbewilligungen, zum Aufenthalt in der Schweiz und gegebenenfalls zu mehreren Identitäten einer Person.

Im Asylbereich sollten die schweizerischen Vertretungen und Missionen im Ausland (versetzbare Mitarbeitende) sowie die übrigen Behörden des EDA oder die kantonalen Migrationsbehörden (nachstehend: Visumbehörden) wissen, ob in ZEMIS Informationen zur Visumgesuchstellerin oder zum Visumgesuchsteller enthalten sind (Art. 9 Abs. 2 Bst. k). Das N-VIS sieht nach der Suche in den Umsystemen
eine Trefferliste vor, in der eine Kurzinformation zum Grund des Treffers angegeben wird, bei einem Treffer im ZEMIS beispielsweise «Asyldaten vorhanden». Das heisst, die Visumbehörden würden neu darüber informiert werden, wenn es einen Treffer im ZEMIS Asyl gibt, sofern das Asylgesuch nicht mehr als 5 Jahre zurückliegt. Der Zugriff auf weitere Informationen bleibt für die Visumbehörden allerdings weiterhin gesperrt. Heute ist es so, dass im EVA in diesen Fällen die Meldung «Dieser Fall liegt in der Zuständigkeit BFM» eingeblendet wird. Implizit wissen die Visumbehörden aber bereits heute, dass in diesen Fällen vermutlich ein Treffer im ZEMIS Asyl vorliegt. Neu soll diese Information den Visumbehörden gegeben werden, um Transparenz zu schaffen und unnötige Fragen zu vermeiden. Zudem sollen die Visumbe29 30

SR 142.51 SR 823.20

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hörden im Rahmen der Erteilung einer Einreisebewilligung zwecks Familienzusammenführung im Asylbereich (Familienmitglieder von anerkannten Flüchtlingen, von Personen mit vorläufiger Aufnahme und von Personen in laufenden Asylverfahren) Daten zur Einreisebewilligung und zur Person abrufen können (Art. 9 Abs. 2 Bst. k).

Bei den Daten der Einreisebewilligung handelt es sich um die Bewilligung an sich (ZEMIS-Code) sowie das Datum der Einreisebewilligung. Bei den Personendaten handelt es sich um die ZEMIS-Nummer, Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit. Nebst dem BFM haben heute ausschliesslich das Grenzwachtkorps und die Grenzposten der kantonalen Polizeibehörden zur Erteilung von Ausnahmevisa Zugang zu den Daten des Asylbereichs (Art. 9 Abs. 2 Bst. e BGIAA).

Der berechtigte Zugriff auf ZEMIS erfolgt bei der Prüfung eines Visumgesuchs automatisch über das N-VIS. Es werden ausschliesslich jene Mitarbeitenden der Visumbehörden Zugriff auf die Daten haben, die für die Behandlung der Gesuche zuständig sind. In der ZEMIS-Verordnung wird geregelt werden, auf welche Daten genau sie zugreifen können. Die Daten werden ausschliesslich für den Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung des Visums verwendet und gelöscht, sobald die Visumbehörde den Entscheid gefällt hat.

Damit die für die Erteilung oder Verweigerung des Visums zuständige Behörde sowie das BFM ihren Entscheid fällen können, werden ihnen die aus anderen Datenbanken beschafften Daten zu den Visumgesuchstellerinnen und Visumgesuchstellern im Allgemeinen während eines bestimmten Zeitraums im N-VIS zugänglich sein. In den allermeisten Fällen wird ein Visumgesuch innerhalb von drei Tagen bearbeitet.

In einigen Fällen, namentlich bei Visumgesuchen in Zusammenhang mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz, kann das Verfahren bis zu sechs Monate dauern. Sobald das Visum erteilt oder verweigert wurde, werden die betreffenden Daten automatisch gelöscht.

Zu unterstreichen ist hier, dass die im Rahmen der Umsetzung des zentralen VisaInformationssystems vorgesehenen Aufhebungen in Zusammenhang mit Artikel 9 BGIAA31 erst bei Inkrafttreten der vorliegenden Anpassungen von Artikel 9 BGIAA wirksam werden. Dies zur Gewährleistung der Kontinuität der Zugriffe auf die Daten in ZEMIS.

Bundesgesetz vom 13. Juni 200832 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes Art. 7 Abs. 3 Redaktionelle Anpassung.

Art. 15 Abs. 1 Bst. d und dbis (neu) sowie 3 Bst. f Die Artikel 15 und 16 BPI müssen aufgrund des Inhalts des neuen Artikels 104a AuG angepasst werden, der den automatischen Abgleich der API-Daten mit jenen der Systeme RIPOL, ASF-SLTD und N-SIS vorsieht. Das BFM benötigt für den 31

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Bundesbeschluss vom 11. Dezember 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung und des Beschlusses über das Visa-Informationssystem (VIS), AS 2010 2063.

SR 361

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automatischen Abgleich keinen weiteren Zugriff auf die Datenbanken RIPOL, ASFSLTD und N-SIS als bisher. Es ändern sich lediglich die Aufgaben (siehe ebenfalls die Erläuterungen zu Art. 104a Abs. 4 AuG).

Art. 16 Abs. 2 Bst. b und i sowie Abs. 5 Bst. bbis (neu) Siehe die Erläuterungen zu Artikel 15 BPI.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Beim Bund entstehen durch die Änderung des Ausländergesetzes in Bezug auf die Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen keine Mehrkosten. Das Informationssystem API ist getestet worden und ist betriebsbereit.

Die vorliegende Gesetzesrevision führt zu keinen zusätzlichen Kosten Durch die Gesetzesänderungen in Bezug auf die Umsetzung des N-VIS sind finanzielle Auswirkungen zu erwarten. Das N-VIS wird im Rahmen des Informatikkredits Schengen/Dublin umgesetzt. Dabei sind durch die Änderungen des Ausländergesetzes bezüglich Speicherung der Treffer aus SIS, RIPOL und ASF-SLTD (Art. 109b Abs. 2 Bst. d und e E-AuG) keine Mehrkosten zu erwarten. Die Gesetzesänderung bezüglich elektronisches Dossier (Art. 109b Abs. 2bis E-AuG) schafft die rechtliche Möglichkeit, Visumdossiers elektronisch anzulegen. Die elektronische Speicherung gewisser Dokumente findet zunächst in beschränktem Umfang statt. Diese Umsetzung hat für den Bund keinerlei finanzielle Auswirkungen. Eine vollständige Umstellung auf elektronische Dossiers sollte unter Umständen langfristig in Betracht gezogen werden. Im Rahmen dieser Umsetzung wird dem Bundesrat ein separater Antrag unterbreitet, sobald die finanziellen Auswirkungen für den Bund hierzu bekannt sind.

Für die Verfahren zur Überstellung in die Schweiz (Dublin-In-Verfahren) belaufen sich die Kosten auf 150 000 Franken pro Jahr. Diese werden dem Kredit für die Vollzugskosten belastet.

3.2

Auswirkungen auf Kantone

Bei den Kantonen entstehen durch die Änderung des Ausländergesetzes in Bezug auf die Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen sowie das API-System keine Mehrkosten.

Durch die Gesetzesänderungen in Bezug auf die Umsetzung des N-VIS sind keine Mehrkosten zu erwarten. Die finanziellen und personellen Auswirkungen für die Kantone im Falle der unter Punkt 3.1 erwähnten Umsetzungen des elektronischen Dossiers lassen sich noch nicht beziffern.

Die Verfahren zur Überstellung in die Schweiz (Dublin-In-Verfahren) haben keine finanziellen Auswirkungen für die Kantone.

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201233 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201234 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Der Änderungsentwurf stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 der Bundesverfassung35 (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern).

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stehen im Einklang mit der Konvention vom 4. November 195036 zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) sowie mit dem Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196637 über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II).

Sie berücksichtigen die relevanten übergeordneten Rechtsnormen, namentlich Artikel 26 SDÜ und die ergänzenden Richtlinien 2001/51/EG sowie 2004/82/EG, welche die Schweiz im Rahmen der Schengener Zusammenarbeit übernommen hat Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist es den Vertragsstaaten überlassen, nach welchem Verfahrensgesetz administrative Sanktionen verhängt werden, sofern die Garantien nach Artikel 6 EMRK beachtet werden.

Hinsichtlich der behördlichen Vermutung der Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen ist zu betonen, dass solche Vermutungen innerhalb vernünftiger Grenzen zulässig sind. Aufgrund der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) haben sie aber der Wichtigkeit dessen, was auf dem Spiel steht, Rechnung zu tragen und die Rechte der Verteidigung zu wahren. Sie dürfen mithin nicht unumstösslich sein und der beschuldigten Person müssen angemessene Möglichkeiten verbleiben, sich zu verteidigen (vgl. u.a. die Urteile des EGMR in den Fällen Salabiaku gegen Frankreich vom 7. Oktober 1988, série A Nr. 141, und Pham Hong gegen Frankreich vom 25. September 1992, série A Nr. 242). Nach Auffassung des Bundesrates beachtet die Vorlage diese Vorgaben.

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BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 101 SR 0.101 SR 0.103.2

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