Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen des National- und des Ständerates vom 15. März 2013 zum Rücktritt des SNB-Präsidenten am 9. Januar 2012 Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Mai 2013

Sehr geehrte Herren Kommissionspräsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Zu Ihrem Bericht vom 15. März 2013 mit dem Untertitel «Der Bundesrat im Spannungsfeld zwischen der politischen und der aufsichtsrechtlichen Dimension» nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Kommissionspräsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Mai 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-0778

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im Dezember 2011 wurden Informationen an den Bundesrat herangetragen, wonach der damalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in heikle private Bankgeschäfte involviert sein solle. Diese stünden in einem Zusammenhang mit der Festlegung eines Mindestkurses des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro. Sie seien mit seiner Funktion als Nationalbankpräsident nicht vereinbar. Die Angelegenheit führte am 9. Januar 2012 zu seinem Rücktritt.

Der Bundesrat hat sich im Dezember 2011 und in der nachfolgenden Zeit wiederholt mit den Ereignissen rund um den Rücktritt des SNB-Präsidenten befasst und sie eingehend analysiert.

Am 6. Februar 2012 kündigten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte eine Untersuchung zu den Umständen des Rücktritts des SNBPräsidenten an. Die Untersuchung übertrugen sie ihrer eigens dafür geschaffenen Arbeitsgruppe SNB. Am 17. Februar 2012 gelangten die Kommissionen mit einem umfangreichen Dokumentations- und Informationsbegehren an den Bundesrat. Am 24. Februar 2012 stellte die Geschäftsprüfungsdelegation ein Zusatzbegehren. Der Bundesrat lieferte bis am 1. März 2012 insgesamt Unterlagen im Umfang von rund 250 Seiten. Am 20. März 2012 verlangten die GPK zusätzliche schriftliche Auskünfte und Unterlagen; diese wurden am 18. April 2012 geliefert. Die Arbeitsgruppe SNB ergänzte ihre Untersuchungen mit einer Reihe von Anhörungen, auch von Mitgliedern des Bundesrates und der Bundeskanzlerin.

Anfangs Januar 2013 schloss die Arbeitsgruppe SNB ihre Untersuchung mit einem Berichtsentwurf ab, der dem Bundesrat am 11. Januar 2013 zugestellt wurde. Der Bundesrat erhielt Gelegenheit, bis spätestens zum 21. Januar 2013 Stellung zu nehmen, ob der Berichtsentwurf (a) vertrauliche Informationen enthalte, die aus staatspolitischen Erwägungen nicht veröffentlicht werden sollten, und ob der Entwurf (b) formelle oder materielle Fehler aufweise, die zu korrigieren seien.

In seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 machte der Bundesrat eine Reihe von Vorschlägen; unter anderem ging er auch auf die Vorwürfe der Arbeitsgruppe SNB ein, er habe sich nicht rechtskonform verhalten. Der Bundesrat tat dies in Anwendung von Artikel 157 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG; SR 171.10), wonach die betroffene Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, bevor eine
Aufsichtskommission oder ihre Delegation über Mängel in der Geschäftsführung oder in der Führung des Finanzhaushaltes Bericht erstattet.

Rund zwei Monate später, am 15. März 2013, veröffentlichten die GPK ihren definitiven Bericht. Die vom Bundesrat in seiner Eingabe vom 21. Januar 2013 gemachten Vorschläge fanden dabei nur sehr beschränkt Niederschlag.

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2

Stellungnahme des Bundesrates

Bevor der Bundesrat zu den zehn im GPK-Bericht vom 15. März 2013 abgegebenen Empfehlungen Stellung nimmt, äussert er einige Überlegungen grundlegender Art.

Artikel 157 ParlG hält den allgemeinen Grundsatz fest, dass anlässlich der Berichterstattung einer Aufsichtskommission über untersuchte Vorkommnisse auch die Haltung der betroffenen Behörde zum Ausdruck kommen soll. In der seit Jahren geübten Praxis erhält der Bundesrat zwar jeweils vor der Finalisierung jeden Bericht der GPK im Entwurf, aber nur mit dem Auftrag zur Meldung von formellen oder materiellen Fehlern und zur Bezeichnung von nicht zu veröffentlichenden Passagen.

Seine Sicht der Dinge und seine Antwort zu den von den GPK vorgebrachten Mängeln in seiner Geschäftsführung kann der Bundesrat erst im Rahmen seiner Stellungnahme zum veröffentlichten Bericht vorbringen. Mit anderen Worten liegt bei der Präsentation eines GPK-Berichts die materielle Stellungnahme des Bundesrates jeweils noch nicht vor; die Öffentlichkeit vernimmt folglich nur die Kritik der untersuchenden Instanz, nicht jedoch die Haltung der betroffenen Behörde, d. h. des Bundesrates. Bei einem solchen Vorgehen entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, der Bundesrat habe der Kritik nichts entgegenzusetzen und stelle sich vorbehaltlos hinter die Art und Weise der Untersuchung und deren Ergebnis. Präsentiert der Bundesrat nach Kenntnisnahme und Beurteilung des Berichts sowie anschliessender Ausarbeitung einer Antwort einige Monate später seine Stellungnahme, ist das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit an der Materie nur noch beschränkt vorhanden.

Nach Auffassung des Bundesrates ist die aktuelle Handhabung von Artikel 157 ParlG zu überdenken. Bei der Ausarbeitung des Parlamentsgesetzes im Jahr 2001 führte die zuständige Kommission in ihrem Bericht zum Gesetzesentwurf Folgendes aus (BBl 2001 3607): «Bevor diese [die GPK] über Mängel in der Geschäftsführung des Bundesrates Bericht erstatten, geben sie diesem Gelegenheit zur Stellungnahme.

Dieser Praxis liegt die Auffassung zu Grunde, dass Oberaufsicht auf einem Dialog zwischen beaufsichtigender und beaufsichtigter Behörde basiert. Das Gleiche gilt auch für die Oberaufsicht im Bereich des Finanzhaushaltes. Dieser Anspruch auf wurde hier deshalb für den gesamten Bereich der Oberaufsicht verankert.»
Eingeleitet wurden diese Erläuterungen im damaligen Bericht durch die Feststellung, dass mit diesem Dialog im Gesetz eine von den GPK bereits praktizierte Gewohnheit verankert werde. In der heutigen Ausgestaltung wird dieser Praxis nicht mehr nachgelebt; was bleibt, ist ein Prozedere, das Analogien zu einem Gerichtsverfahren hat, in welchem kein rechtliches Gehör gewährt wird.

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat im vorliegenden Fall von der bisherigen Praxis abgewichen und hat bereits in seinem Schreiben vom 21. Januar 2013 zum Berichtsentwurf teilweise materiell Stellung genommen. Im Weiteren hat er am 18. März 2013, am Tag der Präsentation des Berichts durch die GPK an einer Medienkonferenz, kurz danach mit einer eigenen Medienmitteilung reagiert, um zum Zeitpunkt des grössten Medieninteresses seine Sicht der Dinge zu den Hauptpunkten der Kritik kurz darstellen zu können. Die Reaktion des Bundesrates drängte sich umso mehr auf, als seine im Schreiben vom 21. Januar 2013 dargelegte Haltung kaum Eingang in die Endversion des Berichts fand. Bereits in seinem Schreiben vom 21. Januar 2013 hatte der Bundesrat insbesondere dem Vorwurf der GPK widersprochen, er habe über keine Rechtsgrundlage für sein Handeln verfügt oder er habe die Unabhängigkeit der SNB nicht respektiert. An dieser Haltung hat sich nichts 5725

geändert: Der Bundesrat hat stets im Rahmen von Verfassung und Gesetz gehandelt.

Dies ergibt sich u.a. aus den Artikeln 6, 25 und 26 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) sowie aus den Artikeln 7, 39 ff. und 43 ff. des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 (NBG; SR 951.11). Das Verhalten von Bundespräsidentin und Bundesrat entspricht auch den Zielen, die die Bundesverfassung vorgibt und wie sie z. B. in den Artikeln 180 und 184 der Bundesverfassung (BV; SR 101) zum Ausdruck kommen. Gemäss Artikel 174 BV ist der Bundesrat die oberste leitende und vollziehende Behörde.

Wie es auch im Bericht steht, gab es nicht nur eine Kompetenzfrage zu klären, sondern insbesondere ein politisches Problem zu lösen, das den Ruf der Schweiz und seiner Behörden hätte schädigen können. Es ist an der Regierung, in solchen Situationen aktiv zu werden. Mit Kenntnisnahme der Umstände wurde die Bundespräsidentin im Dezember 2011 mit Informationen konfrontiert, die es unbedingt zu verifizieren galt. In Anwendung von Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG verlangte sie Beweise und liess die in diesem Zusammenhang gemachten Vorwürfe untersuchen. Wären die Bundespräsidentin oder der Bundesrat untätig geblieben, hätte man ihnen dies mit gutem Grund vorwerfen können.

Nach Auffassung des Bundesrates erweckt der Bericht den unzutreffenden Eindruck, der Bundesrat habe die Angelegenheit schlecht gemeistert. Der Bericht beleuchtet die Abläufe aus nachträglicher Optik, in Kenntnis der Entwicklung und des Ausgangs der Krise. Der Bericht beachtet nicht, dass der Wissensstand im Zeitpunkt der Ereignisse ganz anders war. Im Augenblick des Geschehens weiss man nicht, wie sich die Sachlage tatsächlich präsentiert und welche Weiterungen tatsächlich geschehen werden. Hält man sich diese Situation vor Augen, so darf man feststellen, dass die Krise insgesamt gut bewältigt wurde. Der Bundesrat konnte zeitgerecht informiert werden, die Ereignisse wurden in chronologischer Form festgehalten, und der Nachvollzug der Entscheide konnte gewährleistet werden. Dennoch sind im Einzelnen bei der Bewältigung von allfälligen neuen Krisensituationen Verbesserungsmöglichkeiten vorhanden. In erster Linie ist die Bundeskanzlei als Stabsstelle des Bundesrates möglichst früh und umfassend in Kenntnis zu
setzen. Die Bundeskanzlei als zentrales Organ der Verwaltungsführung steuert und koordiniert die Kommunikation. Je früher der Einbezug geschieht, desto sorgfältiger kann die Kommunikation geplant und koordiniert werden. Der Einbezug aller Mitglieder des Bundesrates muss ebenfalls möglichst früh geschehen. Alle Mitglieder des Bundesrates sind umfassend auf den gleichen Informationsstand zu bringen. Soweit möglich, soll auch die Einberufung von ausserordentlichen Sitzungen des Bundesrates auf Schriftlichkeit basieren (schriftliche Traktandenliste, Zustellung relevanter Dokumente vor der Sitzung), um den Informationsfluss zu gewährleisten. Bei Vorladungen oder Anhörungen von Drittpersonen ist darauf zu achten, dass diese Personen einzeln und nicht zusammen angehört werden. Die Erteilung von Ad-personamPrüfmandaten an Personen der Eidgenössischen Finanzkontrolle ist zu vermeiden.

Der Einbezug von Mitarbeitenden soll möglich sein, jedoch ohne Auflagen bezüglich der Information ihrer Vorgesetzten; so können Loyalitätskonflikte vermieden werden.

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Zu den zehn Empfehlungen nimmt der Bundesrat im Einzelnen wie folgt Stellung:

2.1

Zur Empfehlung 1

Empfehlung 1 Die GPK fordern den Bundesrat auf, auch bei dringlichen Geschäften mit grosser politischer Tragweite die rechtliche Zuständigkeit durch die Organe der präventiven Rechtskontrolle frühzeitig und angemessen überprüfen zu lassen.

Die GPK haben im Bericht festgestellt, der Bundesrat bzw. die Bundespräsidentin 2011 und der von ihr einberufene Ad-hoc-Ausschuss hätten ohne Rechtsgrundlage gehandelt. Die Federführung zur Überprüfung der Transaktionen des damaligen SNB-Präsidenten hätte von Anfang an beim Bankrat der SNB liegen müssen. Damit sei das Legalitätsprinzip verletzt worden. Gleichzeitig hätten weder Vertreter der Bundesverwaltung noch die Bundespräsidentin 2011 oder der Ad-hoc-Ausschuss des Bundesrates die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesrates und rechtliche Kompetenzaufteilung zwischen Bundesrat und Bankrat der SNB vertieft geprüft; diese Unterlassung rechtfertigten weder der anfänglich drohende Reputationsschaden für die Schweiz und die SNB noch die Befürchtung, die Anschuldigungen gegen den Präsidenten der SNB könnten vor deren Plausibilisierung publik werden. Gestützt auf diese Feststellungen haben die GPK die erste Empfehlung abgegeben und zugleich darauf hingewiesen, dass diese Forderung bereits nach den Inspektionen zum Behördenverhalten in der Finanzkrise und in der diplomatischen Krise Schweiz-Libyen aufgestellt worden sei.

Der Bundesrat ist zwar gerne bereit, die Empfehlung zur frühzeitigen und angemessenen Prüfung der rechtlichen Zuständigkeit entgegenzunehmen. Gleichzeitig hält er aber fest, dass sein zur Diskussion stehendes Verhalten kaum Anlass gibt, diese Empfehlung zu wiederholen. Denn die der Empfehlung zugrunde liegenden Vorwürfe, der Bundesrat habe ohne rechtliche Grundlage und ohne genügende Prüfung derselben gehandelt, sind nach Ansicht des Bundesrates weitgehend unbegründet: Die GPK haben untersucht, ob das bundesrätliche Verhalten nachträglich auf eine aufsichtsrechtliche Kompetenz abgestützt werden kann. Ihre Ausführungen erfolgen rückblickend, d. h. unter Einbezug der Erkenntnisse, wie sie im Rahmen der einzelnen, ab dem 5. Dezember 2011 ergriffenen Massnahmen schrittweise gewonnen werden konnten. Wenn es aber darum geht, das Verhalten des Bundesrates im Umgang mit den erhaltenen Bankkonto-Informationen unter Verantwortlichkeitsgesichtspunkten im
weiteren Sinne zu untersuchen, so ist nach der Meinung des Bundesrates allein eine Betrachtung aus früherer Sicht opportun, also eine Würdigung unter Ausblendung der später abgelaufenen und zu einem früheren Zeitpunkt noch ungeklärten Vorgänge. Eine solche Beurteilung zeigt, dass der grundsätzliche Vorwurf, der Bundesrat habe ohne rechtliche Grundlage gehandelt und sei von Anfang an nicht zuständig gewesen, nicht gerechtfertigt ist: Als am 5. Dezember 2011 der Bundespräsidentin 2011 erstmals Hinweise über heikle private Transaktionen des SNB-Präsidenten bzw. von dessen Ehefrau zugingen, waren Richtigkeit und Tragweite dieser Informationen zweifelhaft. Es standen bloss mutmassliche Beschuldigungen zur Diskussion und es war nach dem damaligen Kenntnisstand ungewiss, 5727

wie sich die Sachlage tatsächlich präsentieren und welche weiteren Folgen sich bei deren Plausibilisierung ergeben könnten. Von allem Anfang an musste aber damit gerechnet werden, dass ein Fall von besonderer politischer Brisanz vorliegen könnte, betrafen doch die mutmasslichen Transaktionen den damaligen Präsidenten und damit die Spitze des Direktoriums, das als oberstes geschäftsleitendes und ausführendes Organ der SNB diese auch in der Öffentlichkeit vertritt. Falls die erhaltenen Informationen zutrafen und auf ein Fehlverhalten des Präsidenten der SNB zurückgingen, drohte sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene ein schwerwiegender Reputationsschaden für die SNB und die Schweiz sowie eine Beeinträchtigung der Zusammenarbeit der SNB mit ausländischen Zentralbanken und dem Internationalen Währungsfonds. Diese Befürchtungen waren umso ernster zu nehmen, als der Präsident der SNB auch Vizevorsitzender des Financial Stability Board (FSB) war, was einen allfälligen Reputationsschaden der Schweiz und der SNB noch vergrössert hätte. Die Informationen deuteten also auf das Vorliegen eines grösseren politischen Problems hin und enthielten Anhaltspunkte, dass der Bundesrat in seiner politischen Führungsrolle herausgefordert sein könnte und zur Wahrung der Landesinteressen entsprechend tätig werden müsste. Die Massnahmen des Bundesrates zur Vorprüfung der Faktenlage erfolgten zugleich vor dem Hintergrund, dass er als Wahl- und Abberufungsorgan der Mitglieder des Direktoriums der SNB und ihrer Stellvertreter sowie für sechs der total elf Mitglieder des Bankrats die politische Verantwortung trug. Da er im Fall von schweren Verfehlungen des damaligen Präsidenten der SNB gesetzlich zu dessen Amtsenthebung verpflichtet gewesen wäre, bestand neben der politischen eine rechtliche Verantwortung. Allein die Beurteilung, ob die Angelegenheit in die Zuständigkeit des Bundesrates oder in diejenige des Bankrats der SNB fiel, erforderte gewisse sachverhaltliche Abklärungen, was entsprechend Zeit in Anspruch nahm. Damit stützte sich sein Tätigwerden auf die Artikel 174 und 180 Absatz 1 BV i. V. m. den Artikeln 6 Absatz 3 und 25 ff.

RVOG sowie auf die Artikel 7 Absatz 1 und 39 ff. NBG und folglich auf eine grundsätzlich ausreichende gesetzliche Grundlage; sein Verhalten tangierte weder die Unabhängigkeit
der SNB noch die Aufsichtskompetenzen des Bankrats der SNB.

Der Einbezug des Bankrats der SNB erfolgte am 15. Dezember 2011 und damit zehn Tage nach der erstmaligen Information der Bundespräsidentin 2011. Rückblickend mag dies aus Sicht der GPK spät erscheinen; aus früherer Sicht beurteilt, ist dieser Zeitpunkt jedoch gerechtfertigt. Die Untersuchung der GPK blendet dies sowie die vorgenannten rechtlichen Handlungsgrundlagen des Bundesrates in dessen Rolle als politisches Leitungsorgan zu Unrecht aus.

Dem Bundesrat war und ist bekannt, dass einerseits die Nationalbankgesetzgebung die Aufsichts- und Kontrollaufgaben weitgehend dem Bankrat der SNB zuweist, dass aber andererseits die Regierungsfunktion und die politische Führungsverantwortung sowie die politische und rechtliche Verantwortung für Wahlen und Abberufung des Direktoriums bei ihm liegt. Aufgrund der möglicherweise anzunehmenden schweren Verfehlungen des damaligen SNB-Präsidenten und des seinerzeit drohenden Schadens für die Reputation und Glaubwürdigkeit der Schweiz ­ und der damit klar zu bejahenden Handlungszuständigkeit des Bundesrates ­ kann aus damaliger Sicht dem Bundesrat nicht vorgeworfen werden, die Zuständigkeitsfrage und die aufsichtsrechtliche Kompetenzordnung im Verhältnis zur SNB ungenügend geprüft zu haben. Die Bundespräsidentin 2011 hatte am 13. Dezember 2011 den Direktor des BJ beigezogen, womit sichergestellt war, dass ­ ungeachtet des Inhalts und Umfangs konkret erteilter Aufträge ­ die Zuständigkeitsfragen im notwendigen Umfang geprüft worden sind. Eine Betrachtung aus früherer Sicht ergibt somit, dass 5728

entgegen der Untersuchung der GPK die rechtlichen Zuständigkeiten und Handlungsgrundlagen ausreichend und rechtzeitig geprüft worden sind. Rückblickend, also in Kenntnis der effektiven Faktenlage, lässt sich allerdings in Bezug auf die Koordination der Zuständigkeiten und Fragen der Kompetenzabgrenzung Optimierungspotenzial ausmachen. Im Weiteren teilt der Bundesrat die Auffassung der GPK in Bezug auf die Bedeutung des Legalitätsprinzips und der Pflicht der Organe der präventiven Rechtskontrolle, behördliche Zuständigkeiten und Fragen der rechtlichen Handlungsgrundlagen frühzeitig und genügend vertieft zu prüfen. Insofern ist der Bundesrat gerne bereit, die entsprechende Empfehlung weiterhin umzusetzen und in diesem Sinn entgegenzunehmen.

2.2

Zur Empfehlung 2

Empfehlung 2 Die GPK fordern den Bundesrat auf, keine Ad-personam-Aufträge mehr an Vertreter der EFK zu erteilen.

Der Bundesrat stimmt der Empfehlung zu. Massgebend für Prüfhandlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) ist der Geltungsbereich des Finanzkontrollgesetzes vom 28. Juni 1967 (SR 614.0). Soweit keine gesetzliche Grundlage für eine Prüftätigkeit der EFK besteht, sollen Prüfaufträge weder durch die EFK noch ad personam durch ihre Vertreterinnen und Vertreter ausgeführt werden. Dies entspricht auch den Schlüssen, welche die EFK selbst in ihrem Bericht an die Finanzdelegation vom 30. Januar 2012 gezogen hat.

2.3

Zur Empfehlung 3

Empfehlung 3 Die GPK fordern den Bundesrat auf, vor der Erteilung von Ad-personamAufträgen an Bundesangestellte zu prüfen, ob der Auftrag in einem Spannungsfeld zur Funktion der oder des Angestellten steht. In Zweifelsfällen ist von solchen Aufträgen abzusehen.

Der Bundesrat ist mit der Empfehlung einverstanden. Er wird ­ wie er dies in der Regel schon heute tut ­ mit Sorgfalt prüfen, wem innerhalb der Bundesverwaltung er einen Ad-personam-Auftrag erteilt. Die Schaffung einer besonderen rechtlichen Bestimmung fasst er dafür nicht ins Auge. Denn es ist nicht sinnvoll, nach einem im Einzelfall nicht ideal gefassten Beschluss sogleich eine neue Regelung zu schaffen.

Die Empfehlung macht in diesem Sinne auf ein generelles Anliegen guten Führungsverhaltens aufmerksam, das bereits gilt. Das Anliegen der Empfehlung ist im Rahmen der allgemeinen Führungsaufgabe des Bundesrates abgedeckt.

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2.4

Zur Empfehlung 4

Empfehlung 4 Die GPK fordern den Bundesrat auf, auch bei Geschäften mit grosser zeitlicher Dringlichkeit und politischer Tragweite in erster Linie mit den regulären Ausschüssen des Bundesrats gemäss Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) zu arbeiten, und nicht mit Ad-hoc-Ausschüssen.

Der Bundesrat hat ­ nebst den neun ordentlichen Ausschüssen ­ in den letzten Jahren zwei Ad-hoc-Ausschüsse eingesetzt: am 4. März 2011 den Ausschuss «Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen» und am 11. Januar 2012 einen Ausschuss zur Schweizerischen Nationalbank. Dies darf der Bundesrat durchaus gestützt auf Artikel 23 RVOG tun. In besonderen Situationen ist es sehr zweckmässig, wenn der Bundesrat eine Zusammensetzung wählt, die der Sachlage und den Bedürfnissen am besten entspricht. Es ist wenig sinnvoll und kann geradezu kontraproduktiv sein, wenn er sich in dieser Hinsicht eine Selbstbeschränkung auferlegte.

Vorliegend hatte die Bundespräsidentin im Dezember 2011 auf den am 4. März 2011 geschaffenen Ad-hoc-Ausschuss «Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen» zurückgegriffen, ein Gremium also, das zuvor bereits regelmässig zusammengetreten war und das sich von der Zusammensetzung her für diesen Fall eignete. Denn es stellten sich insbesondere Fragen im Bereich der Departemente EFD, EJPD und EDA. Die Bundespräsidentin 2011 hatte aufgrund von Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG gehandelt und einen bereits seit Monaten bestehenden und eingespielten Ausschuss einberufen. Von einer Einsetzung eines neuen Ausschusses kann also keine Rede sein. Die Zweckmässigkeit des anderen, aufgrund der Geschehnisse rund um die SNB sofort eingesetzten Adhoc-Ausschusses vom 11. Januar 2012 kann im Lichte der nachträglich erfolgten Untersuchung der GPK in dieser Sache wohl auch nicht bestritten werden. Der Bundesrat kann dieser Empfehlung somit nicht zustimmen.

2.5

Zur Empfehlung 5

Empfehlung 5 Die GPK fordern den Bundesrat auf, die Bundeskanzlei frühzeitig in die Bewältigung von ausserordentlichen Situationen einzubeziehen.

Die Teilrevision vom 28. September 2012 des RVOG (BBl 2012 8199) enthält Regelungen im Sinne dieses Anliegens. Insbesondere die Artikel 32 Buchstabe g und 33 Absatz 1bis RVOG beauftragen die Bundeskanzlei, den Bundesrat bei der rechtzeitigen Erkennung von Krisen zu unterstützen und entsprechende Koordinationsaufgaben wahrzunehmen. Verbunden mit der neu in Artikel 12a RVOG festgeschriebenen Informationspflicht von Departementen und Bundeskanzlei und mit dem der Bundeskanzlei zustehenden Auskunftsrecht nach Artikel 33a RVOG kann sichergestellt werden, dass die Bundeskanzlei frühzeitig einbezogen wird. Der Bundesrat ist mit der Empfehlung einverstanden.

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Der rechtzeitige Einbezug der Bundeskanzlei als allgemeiner Stabsstelle des Bundesrates ist grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass es im vorliegenden Fall früher hätte geschehen können. In diesem Sinne ist die Empfehlung ein Hinweis darauf, dass zu gutem Führungsverhalten immer auch die notwendigen Überlegungen gehören, zu welchem Zeitpunkt eine Information, verbunden mit allfälligen Aufträgen, weitergegeben wird.

2.6

Zur Empfehlung 6

Empfehlung 6 Die GPK fordern den Bundesrat auf, sie in einem schriftlichen Bericht zu informieren, wie er sein Protokollierungssystem ausgestalten wird, um dem neuen Artikel 13 Absatz 3 RVOG in der Praxis die nötige Nachachtung zu verschaffen.

Der Bundesrat erachtet Artikel 13 Absatz 3 RVOG als umgesetzt. Mit nachstehenden Ausführungen erbringt er die mit dieser Empfehlung gewünschte Berichterstattung.

Die Empfehlung geht von der Annahme aus, dass die Protokollierung teilweise fehlerhaft und lückenhaft gewesen sei. Dem ist nicht so. Die ausserordentliche Bundesratssitzung vom 23. Dezember 2011 wurde vollständig protokolliert. Der SNB-Präsident und der Bankratspräsident nahmen nicht an der Bundesratssitzung teil, sondern wurden angehört; der Bundesrat unterbrach dafür seine Sitzung. In der Regel legen angehörte Gäste Dokumente zum Thema vor. Der Bundesrat anerkennt allerdings, dass es an der vorgängigen Zustellung schriftlicher Unterlagen zur Vorbereitung der Bundesratssitzung mangelte. Die Information erfolgte erst an der Sitzung selber, einerseits durch die von der Bundespräsidentin 2011 verlesene Speaking Note mit einer Kurzchronologie der Ereignisse und andererseits durch die Einsichtnahme in die von den Experten der EFK verfassten sowie in das von den SNB-Vertretern zur Verfügung gestellte Gutachten.

Richtig ist, dass ­ im Gefolge der UBS- und Finanzkrise ­ das Protokollierungssystem im Bundesrat angepasst worden ist und dass seither die wesentlichen Inhalte der Verhandlungen und die Beschlüsse des Bundesrates durchgehend schriftlich, lückenlos und nachvollziehbar festgehalten werden.

Vor dieser Praxisänderung verfasste die Bundeskanzlei als Dienstleistung ein Protokoll, von dem die Mitglieder des Bundesrates mit dessen Versand lediglich Kenntnis genommen hatten; eine formelle Genehmigung durch das Kollegium fand nicht statt.

Heute wird das Protokoll der letzten Sitzung nach Eröffnung der Bundesratssitzung zur Debatte gestellt und anschliessend formell durch den Bundesrat genehmigt.

Damit ist sichergestellt, dass das jeweilige Protokoll (betitelt mit «Erweitertes Beschlussprotokoll») vollständig und korrekt ist. Für die Nachvollziehbarkeit der Beschlüsse des Bundesrates stehen nicht nur die erweiterten Beschlussprotokolle zur Verfügung. Dazu gehören auch das eigentliche Beschlussprotokoll
sowie sämtliche Mitberichte und Stellungnahmen und ­ als integrierender Bestandteil und in Form eigentlicher Protokollauszüge ­ die kompletten Bundesratsbeschlüsse aller verabschiedeten Geschäfte. Diese Dokumente wiederum gründen auf entsprechen-

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den Anträgen oder Aussprachepapieren der Departemente. Die Gesamtheit dieser Dokumente stellt die Nachvollziehbarkeit sicher.

Das Protokollierungssystem des Bundesrates ist im Vergleich zu vielen anderen Regierungen ­ sei es in den Kantonen, sei es in vergleichbaren Ländern Europas ­ sehr gut ausgebaut. Andernorts geht man vielfach zum Schutze der Verhandlungen weniger weit und hält die eigentlichen Beratungen in den Regierungssitzungen ganz bewusst nicht schriftlich fest. Dies gilt selbst für Regierungssysteme mit Regierungs- und Oppositionslager, wo in den Regierungssitzungen weniger heikle Verhandlungen geführt werden, weil nur traktandiert wird, was im Vorfeld der Sitzung bereinigt werden konnte. Die Regierungsmitglieder sollen ohne Druck von aussen, in möglichst grosser Freiheit, ihre Gedanken äussern und ihre Überlegungen austauschen können, Meinungen diskutieren und insbesondere während der Beratungen auch wechseln können. Sie sollen sich nicht später dafür rechtfertigen müssen. In diesem Sinne wäre eine allzu ausführliche Protokollierung kontraproduktiv und könnte negative Auswirkungen auf die Qualität der Regierungsberatungen und der Regierungsbeschlüsse haben. Dies gilt insbesondere für eine Protokollierung der einzelnen Voten mit namentlicher Bezeichnung der Votantin oder des Votanten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 4 RVOG der Bundesrat als Kollegium für die Wahrnehmung der Regierungsfunktionen verantwortlich ist.

2.7

Zur Empfehlung 7

Empfehlung 7 Die GPK fordern den Bundesrat auf, zu prüfen, ob im Nationalbankgesetz eine Pflicht des Bankrats verankert werden soll, vor einer Rücktrittsempfehlung an den SNB-Präsidenten oder vor einem ihn betreffenden Abberufungsantrag den Bundesrat zu konsultieren.

Der Bundesrat hat die Empfehlung geprüft. Er sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Nach den Artikeln 42 Absatz 2 Buchstabe h und 43 Absätze 2 und 3 des NBG wählt der Bundesrat auf Vorschlag des Bankrats die Mitglieder des Direktoriums und bezeichnet die Präsidentschaft. Eine Abberufung durch den Bundesrat ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, setzt aber einen entsprechenden Antrag des Bankrats voraus (Art. 45 Abs. 1 NBG). Diese Befugnisse des Bundesrates sind Ausdruck der Mitwirkungskompetenz des Bundes nach Artikel 99 Absatz 2 BV.

Kommt der Bankrat zum Schluss, dass ein Mitglied des Direktoriums (einschliesslich der Präsidentin oder des Präsidenten) unter dem Gesichtspunkt von Artikel 45 Absatz 1 NBG nicht mehr tragbar ist, so stellt er dem Bundesrat den Antrag auf Abberufung. Es versteht sich, dass der Bankrat die betroffene Person vorgängig anhört und von seiner Absicht in Kenntnis setzt. Zieht sich die Person in der Folge aufgrund einer eigenen Lagebeurteilung von der Funktion zurück, so wird das Abberufungsverfahren gegenstandslos. Hingegen liegt es nicht in der Kompetenz des Bankrats, eine formelle Rücktrittsempfehlung auszusprechen. Zu einer solchen Empfehlung ist er auch nach vorgängiger Konsultation des Bundesrates nicht 5732

zuständig. Eine Konsultationspflicht wäre daher systemwidrig und ist aus Sicht des Bundesrates abzulehnen. Andererseits ist es unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen nicht nur das Recht, sondern die Pflicht des Bankrats, dem Bundesrat einen Antrag auf Abberufung zu unterbreiten. Sind deshalb aus Sicht des Bankrats diese Voraussetzungen erfüllt, so soll der Abberufungsantrag formell und ohne Verzug gestellt werden. Der Entscheid über diesen Antrag liegt dann im pflichtgemässen Ermessen des Bundesrates. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb vorgängig ein Konsultationsverfahren stattfinden sollte. Ein solches Verfahren würde die Lage zusätzlich komplizieren und läge nicht im Interesse einer raschen Entscheidfindung.

2.8

Zur Empfehlung 8

Empfehlung 8 Die GPK fordern den Bundesrat auf, ein besseres ­ d. h. einfaches, schnelles und sicheres ­ Kommunikationssystem zu schaffen, das in besonderen Situationen durch die Bundesratsmitglieder wie auch durch die Bundeskanzlerin bzw. den Bundeskanzler sowie die Vize-Kanzlerinnen und -Kanzler zu verwenden ist. Die Vertraulichkeit von Telefonkonferenzen des Bundesrats ist dabei insbesondere auch in technischer Hinsicht zu gewährleisten.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung umzusetzen. Der Bundesrat evaluiert zurzeit ein einfaches System für die Mobiltelefonie einschliesslich Kurzmitteilungen für die Klassifikationsstufe «vertraulich». Verläuft die Evaluation positiv, könnte dieses System bald schon eingesetzt werden. Damit lassen sich Telefonkonferenzen mit der erforderlichen Sicherheit durchführen.

2.9

Zur Empfehlung 9

Empfehlung 9 Die GPK fordern den Bundesrat auf, bei der nächsten Genehmigung des Organisationsreglements der SNB darauf hinzuwirken, dass im Organisationsreglement die Pflicht zur Regelung der Eigengeschäfte durch den Bankrat und der angemessene Einbezug der Compliance-Stelle der SNB verankert werden.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung umzusetzen. Am 9. März 2012 hat der Bankrat das Reglement für private Finanzanlagen und Finanzgeschäfte von Mitgliedern der Bankleitung (in Kraft seit 1. Mai 2012) erlassen. Dieses Reglement stützt sich auf Ziffer 8 (Verhaltensregeln) des ebenfalls vom Bankrat erlassenen Direktoriumsreglements (DR). Das DR seinerseits wurde aufgrund von Artikel 10 des Organisationsreglements der Schweizerischen Nationalbank vom 14. März 2004 (OReg; SR 951.153) erlassen. Somit bildet zwar das OReg mittelbar die Grundlage des eingangs erwähnten Reglements über die Eigengeschäfte; eine Pflicht zu seinem Erlass ist aber nicht explizit im OReg verankert. Soweit dies als Mangel erscheint, 5733

wäre aus heutiger Sicht Artikel 10 Absatz 2 OReg (Aufgaben und Kompetenzen des Bankrats) entsprechend zu ergänzen. Nach Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a NBG wird das OReg vom Bankrat erlassen und dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Die SNB hat sich bereit erklärt, im Hinblick auf eine nächste Revision des OReg die nötigen Schritte einzuleiten.

2.10

Zur Empfehlung 10

Empfehlung 10 Die GPK fordern den Bundesrat auf, darauf hinzuwirken, dass das Organisationsreglement der SNB eine klare und angemessene Aufsichtsstruktur innerhalb der SNB festlegt.

Der Bundesrat kann der Empfehlung wie folgt zustimmen: Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe i) OReg lautet: 2

Er [der Bankrat] hat folgende Aufgaben und Kompetenzen: i)

Er nimmt die Oberaufsicht über die Geschäftsführung durch das Erweiterte Direktorium wahr, insbesondere im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen (Compliance).

Aufgrund dieser offenbar missverständlichen Formulierung hat Professor Richli in seinem Gutachten vom 15. Februar 2012 unter den Randziffern 158 und 234 die Frage aufgeworfen, ob der Bankrat seine Aufsichtsbefugnisse im Wesentlichen dem Erweiterten Direktorium übertragen habe und sich mit der «Oberaufsicht» begnüge.

Eine solche Übertragung war nie beabsichtigt und hat faktisch nicht stattgefunden.

Der Bundesrat hat sich dazu bereits in der Stellungnahme vom 24. April 2012 zur Motion Schelbert (12.3141) geäussert. Die Aufgabenteilung innerhalb der SNB ist wie folgt geregelt: Die Geschäftsführung obliegt nach den Artikeln 21 ff. OReg dem Erweiterten Direktorium, das Tagesgeschäft dem Kollegium der Stellvertreter und Stellvertreterinnen (Art. 24a ff. OReg). Das Erweiterte Direktorium erlässt die strategischen Vorgaben für die Betriebsführung der SNB (Art. 22 Abs. 1 OReg). Die Präsidentin oder der Präsident des Bankrats ist berechtigt, an den Sitzungen des Erweiterten Direktoriums mit beratender Stimme teilzunehmen (Art. 23 Abs. 3 OReg). Ausserdem wird ihr oder ihm das Protokoll der Sitzungen des Erweiterten Direktoriums zugestellt (Art. 24 Abs. 3 OReg).

In geld- und währungspolitischen Angelegenheiten (Art. 5 NBG) ist dagegen ausschliesslich das Direktorium zuständig. Für die Erfüllung dieser Aufgaben unterliegt es nach Artikel 7 Absatz 2 NBG unmittelbar der Aufsicht durch die Bundesversammlung. Der Bankrat hat in diesem Bereich keine Befugnisse, insbesondere keine aufsichtsrechtlichen.

Der Aufgabenbereich des Erweiterten Direktoriums entspricht somit dem Aufsichtsbereich des Bankrats nach Artikel 42 NBG. Der Bankrat soll sich im Sinne der Verwesentlichung auf die Führung des Unternehmens SNB im betriebswirtschaftlichen Sinn konzentrieren (Administrativaufsicht). Insbesondere liegt im Personalbe5734

reich die Oberleitungszuständigkeit verstärkt beim Bankrat (vgl. Botschaft vom 26. Juni 2002 zum NBG; BBl 2002 6097, hier 6126 und 6249 f.).

Zusammenfassend ist die geltende Regelung so zu verstehen, dass der Bankrat die Geschäftsführung des Erweiterten Direktoriums uneingeschränkt und unmittelbar beaufsichtigt. Aus Sicht des Bundesrates ist daher die Aufsichtsstruktur bei der SNB schon heute im Sinne der verfassungsrechtlichen und der gesetzlichen Vorgaben angemessen gelöst. Um jedoch Unklarheiten künftig zu vermeiden, soll im Einvernehmen mit der SNB bei nächster Gelegenheit Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe i) OReg redaktionell bereinigt werden.

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